- Balanced-Scorecard
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Die 1992 von Robert S. Kaplan und David P. Norton eingeführte Balanced Scorecard (BSC) ist ein Konzept zur Dokumentation der Ergebnisse aus Messungen der Aktivitäten eines Unternehmens im Hinblick auf seine Vision und Strategien, um den Führungskräften einen umfassenden Überblick über die Leistungsfähigkeit und Effektivität der Organisation zu bieten. Das neue Element besteht darin, dass die BSC nicht nur auf die Finanzperspektive fokussiert, sondern auch die menschlichen Aspekte beinhaltet, die die Treiber für die Ergebnisse sind, so dass sich die Organisation auf ihre Zukunft und langfristigen Interessen konzentriert. Aufgrund ihrer flexiblen und damit umfassenden Gestaltungsmöglichkeit ist die Balanced Scorecard ein Instrument zur Einrichtung eines integrierten Managementsystems.
Die Dimensionen der BSC werden sinnvollerweise für jede Organisation individuell festgelegt. Sie umfassen aber praktisch immer die Finanzperspektive und die Kundenperspektive, meist auch die Prozessperspektive und die Potential-, oder Mitarbeiterperspektive.
Über die Kennziffern in der BSC wird es möglich, die Entwicklung dieser Geschäftsvision zu verfolgen. Auf diese Weise ermöglicht die BSC dem Management, nicht nur die finanziellen Aspekte zu betrachten, sondern auch strukturelle Frühindikatoren für den Geschäftserfolg zu steuern. Der Begriff BSC wird irrtümlich für verschiedene Arten von kennzahlenbasierten Systemen verwendet. Die BSC, die eine Ursache-Wirkungs-Analyse verlangt, ist aber eine originär andere Managementmethode als die deskriptive Prozesskostenrechnung oder das klassische monetäre Kennzahlensystem (siehe etwa Du-Pont-Schema).
Inhaltsverzeichnis
Überblick
Die BSC geht auf Arbeiten von Robert S. Kaplan und David P. Norton Anfang der 1990er Jahre an der Harvard-Universität zurück. Ausgehend von einer Strategie, die neben den Shareholdern auch andere Stakeholder (z. B. Mitarbeiter, Lieferanten) berücksichtigt, werden kritische Erfolgsfaktoren (KEF) bestimmt und daraus mit Key Performance Indicators (KPI) ein Kennzahlensystem (scorecard) erstellt. Die Messgrößen repräsentieren die Erreichung der strategischen Ziele. In einem kontinuierlichen Prozess werden Ziele und Zielerreichung überprüft und durch korrigierende Maßnahmen gesteuert.
1996 arbeiteten bereits etwa 60 % der Fortune-Unternehmen mit der Balanced Scorecard.
Die Balanced Scorecard dient als Führungsinstrument zur Ausrichtung der Organisation an strategischen Zielen in den unterschiedlichen Perspektiven (Finanzen, Kunden, Prozesse, Mitarbeiter). Im Gegensatz zu Leitbildern und anderen unscharfen Formulierungen versucht die Balanced Scorecard die Erreichung von strategischen Zielen messbar und über die Ableitung von Maßnahmen umsetzbar zu machen. Im Gegensatz zu klassischen Kennzahlensystemen lenkt die BSC den Blick über die unterstellten Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge aber auch auf nicht-finanzielle Indikatoren.
Mit den Methoden der BSC soll das Blickfeld des Managements von einer traditionellen, durch finanzielle Aspekte gekennzeichneten Unternehmenssicht, auf alle relevanten Teile gelenkt werden und so zu einem ausgewogenen (balanced) Bild führen. Die umfassendere Sicht ermöglicht dann konkretere Maßnahmen zur Ausrichtung der Organisation an den vorgegebenen Zielen.
Konstitutives Element einer Balanced Scorecard ist das Ursache-Wirkungs-Diagramm. Durch die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge wird die Unternehmensstrategie mit der Kundensicht, diese mit der Prozesslogik und die wieder mit Maßnahmen auf Mitarbeiterebene verbunden. Die Logik der Abhängigkeiten führt also fast automatisch durch alle vier gewünschten Sichtweisen. Nachdem die Abhängigkeiten schematisch erarbeitet sind, wird das BSC-Diagramm in eine BSC-Story ausformuliert, z. B.:
„Um ein besseres finanzielles Ergebnis zu erzielen, müssen mehr Premiumkunden angesprochen werden, die wiederum einen ausgefeilten Betreuungsprozess erwarten, der nur durch gut geschulte Mitarbeiter sichergestellt werden kann.“
Um das BSC-Diagramm sinnvoll zu entwickeln, sollten Interessenvertreter aus allen Unternehmensbereichen einbezogen werden. Dadurch kann die BSC eine Rolle in einem Veränderungsprozess (Change Management) spielen. Wenn viele Betroffene in die Entwicklung der BSC eingebunden werden, wird die Strategie besser akzeptiert und die vorgesehenen Maßnahmen lassen sich besser umsetzen.
Typischerweise werden die strategischen Ziele aus verschiedenen Perspektiven betrachtet: Finanzen, Kunden, Prozesse (interne Abläufe) und Mitarbeiter (Wachstum und Reifung). Andere Perspektiven sind sinnvoll, wenn das Unternehmen starkes Gewicht darauf legt (z. B. Partnermanagement oder Lieferanten-BSC). Für jede der Perspektiven werden Kennzahlen ausgewählt, die die Annäherung an die strategischen Ziele messen. Die Herausforderung liegt in der Auswahl weniger und zugleich relevanter Kennzahlen, die sich idealerweise in den verschiedenen Sichtweisen auch direkt beeinflussen. Beispielsweise sollte ein Kundenindikator so gewählt werden, dass seine Erreichung einen positiven Beitrag auf den übergeordneten Finanzindikator hat.
In der BSC werden die Ziele ausgewogen verfolgt, d. h. es werden ständig die Auswirkungen der Maßnahmen auf alle Ziele bewertet. Aus psychologischer Sicht erfordert diese eine geringe Anzahl von gleichzeitig zu betrachtenden Kennzahlen, typischerweise ein bis zwei pro Perspektive. Insgesamt sollte eine BSC nicht mehr als 20 Kennzahlen haben. An der konsequenten Auswahl und Reduzierung auf wenige Kennzahlen scheitern viele BSCs.
Um die Größe und Vielfalt von Organisationen abzubilden, können auch BSC für einzelne Unternehmensbereiche aus der Konzern-BSC abgeleitet werden (bspw. eine Einkaufs-BSC oder eine Human-Resources-BSC). Die Ziele der Unternehmensbereiche werden so mit den Unternehmenszielen verknüpft.
Typische Perspektiven der BSC
In der Regel werden vier Perspektiven mit je rund ein bis zwei Zielen sowie korrespondierenden Maßnahmen und den dazugehörigen Kennzahlen verwendet. Wichtig hierbei ist, dass dieses System, anders als fast alle anderen Controllingsysteme, frei ist in der Determinierung der Dimensionen (die Anzahl der Perspektiven kann durchaus größer oder kleiner sein). Häufig werden zwar die in der Literatur und nachfolgend beschriebenen Perspektiven verwendet. Die Stärke der BSC liegt jedoch darin, dass z. B. Umweltfaktoren oder eine Ökobilanz ebenso Eingang finden können wie z. B. Stakeholder-Betrachtungen oder branchenspezifische Faktoren.
Nachfolgend sind die Perspektiven nach Robert S. Kaplan und David P. Norton aufgeführt und mit jeweils zwei beispielhaften Kennzahlen illustriert:
- Finanzperspektive: Kennzahlen zum Erreichen der finanziellen Ziele.
- Kundenperspektive: Kennzahlen zum Erreichen der Kundenziele.
- Kundenzufriedenheit: Unterstützt kundenorientiertes Verhalten, nicht notwendigerweise kurzfristigen Gewinn, ist dabei aber schwierig zu messen.
- Zeit zwischen Kundenanfrage und Antwort: Unterstützt zeitgerechtes Reagieren auf Kundenanfragen, wird oft in Verbindung mit Prioritäten verwendet.
- Interne bzw. Prozessperspektive: Kennzahlen zum Erreichen der internen Prozess- und Produktionsziele.
- Prozessqualität: Unterstützt die ausgelieferte Qualität, nicht notwendigerweise einen effektiven und effizienten Produktionsprozess.
- Prozessdurchlaufzeit: Unterstützt schnelle Durchlaufzeiten, geringe Kapitalbindung und wenig Zwischenlager. Kann mittels Process Performance Management detailliert und kontinuierlich ausgewertet werden.
- Mitarbeiter-, Potenzial- bzw. Erneuerungs- und Wachstumsperspektive: Kennzahlen zum Erreichen der (langfristigen) Überlebensziele der Organisation.
- Umsatzverhältnis neuer Produkte zu alten Produkten: Unterstützt schnelle Neu- und Weiterentwicklung von Produkten.
- Fluktuation von Leistungsträgern aus der Organisation heraus: Unterstützt die langfristige Beschäftigung von Leistungsträgern in der Organisation, fördert Leistungsdifferenzierung, kann Querdenker blockieren.
Beispiel
In einem Unternehmen soll als wesentliches Teilziel die Kundenorientierung verbessert werden. Die Perspektive ist hier also die des Kunden. Als kritische Faktoren werden dabei eine sehr gute Termintreue, wenige Anlässe zu Beanstandungen und schneller Service bzw. kurze Reparaturdauern gesehen. Gleichzeitig dürfen die Kosten nicht wesentlich erhöht werden.
Damit können etwa die folgenden Kennzahlen eingesetzt werden:
- Anteil nicht eingehaltener Terminzusagen
- Anteil beanstandeter Produkte nach Auslieferung
- Durchschnittliche Verweildauer bei Kundendienst und Reparatur
- Kosten pro Produkt
Diese werden zunächst ermittelt, etwa zu 20 Prozent nicht eingehaltene Termine, zehn Prozent Beanstandungen und vier Wochen Verweildauern. Im nächsten Jahr sollen dann nur noch weniger als zehn Prozent der Termine nicht eingehalten werden, die Anzahl der Beanstandungen soll auf sieben Prozent verringert werden und die Verweildauer im Schnitt nur noch drei Wochen betragen. Als Maßnahmen kommen Verbesserung der Terminplanung (Termintreue), Verbesserung des Qualitätsmanagements und Vergrößerung der Anzahl Mitarbeiter in der Service- und Reparaturabteilung (Verweildauer) in Betracht. Da die letzte Maßnahme die Kosten wesentlich erhöhen würde, kann auch oder zusätzlich versucht werden, die Effizienz der Abteilung zu verbessern. Ein hoher Krankenstand spricht für eine geringe Mitarbeiterzufriedenheit. Auch Schulungsmaßnahmen sind in den letzten Jahren nicht durchgeführt worden. Als weitere Kennzahlen werden deshalb herangezogen:
- Durchschnittliche Anzahl Krankheitstage
- Durchschnittliche Schulungstage pro Mitarbeiter
Bewertung
Chancen
Die Balanced Scorecards ermöglichen es, die Strategie zu operationalisieren, darzustellen und zu kommunizieren. Die Vision bzw. Strategie lässt sich durch die Überführung in strategische Initiativen auf operatives Handeln herunterbrechen, indem die Gesamtaufgabe zerlegt wird. Sie offenbart Defizite und wichtige Aufgaben.
Die Wirkungszusammenhänge zwischen den einzelnen Unternehmenszielen werden deutlich. Ein erfolgreiches Geschäftsmodell lässt sich bereits durch strukturelle Frühindikatoren steuern.
Die einfache Struktur ermöglicht eine Komplexitätsreduktion in der Steuerung.
Später lässt sich durch Einbeziehung der Balanced Scorecards eine Legitimation für Maßnahmen und Verantwortlichkeiten begründen.
Durch die Balanced Scorecards werden Mitarbeiter gestärkt: Sie erhalten eine eigene Perspektive. Ihre Tätigkeit leistet einen messbaren Beitrag zur Umsetzung der Gesamtstrategie der Unternehmung.
Die Balanced Scorecard bezieht neben monetären Zielen auch nichtmonetäre Ziele mit ein, was sie zu einem „ganzheitlichen“ Managementprozess macht.
Gefahr
Eine Balanced Scorecard birgt die Gefahr, falsche bzw. unrealistische Ziele umzusetzen. Auch „schlechte“ Strategien werden professionell umgesetzt.
Es besteht die Gefahr, die Balanced Scorecards mit zu vielen und zu komplexen Zielen zu überfrachten.
Eine oberflächliche Betrachtung der Balanced Scorecard kann fälschlicherweise zu einer einseitigen Konzentration auf die Kennzahlen, insbesondere vergangenheitsbasierte Kennzahlen, führen. In diesem Fall geht die eigentliche Intention der Balanced Scorecard verloren, nämlich die Ausrichtung des Handelns an strategischen Zielen und dem nachhaltigen, zukunftsorientierten Aufbau von Potenzialen (= Handlungsoptionen für die Zukunft).
Durch die Fixierung auf Kennzahlen kann es zur bewussten Manipulation oder zu einer einseitigen Optimierung der Kennzahlen kommen − insbesondere, wenn die Vergütung der Mitarbeiter an die Erfüllung von Kennzahlen gebunden ist. Daher ist das Prinzip der Ausgewogenheit (Balance zwischen den einzelnen Zielen) zu beachten, um eine Fehlsteuerung zu vermeiden.
Die unreflektierte Anwendung der Ergebnisse der Prozesskostenrechnung ohne Begleitung durch ein Balanced-Scorecard-Management kann zu gravierenden Fehlentscheidungen führen und somit den Betriebserfolg gefährden.
Jüngste Studien zeigen zudem, dass die größten Umsetzungserfolge durch eine Fokussierung auf die Ziel-Maßnahmen-Verknüpfungen anstelle der Kennzahlenorientierung erreicht werden.
Kritik zur Balanced Scorecard
Für die Umsetzung der Unternehmensstrategie mit dem Instrument der Balanced Scorecard ist es erforderlich, für jede Planabweichung den Verantwortlichen für die entsprechende Kennzahl heranzuziehen, um die langfristige Akzeptanz sicherzustellen. Dabei sollte beachtet werden, dass der Kennzahlen-Verantwortliche nicht für jede eingetretene Planabweichung verantwortlich gemacht werden kann. Gerade bei exogenen Störungen (z. B. Konjunktur, Rohstoffpreisen etc.) ist der Grund für die Planabweichungen nicht bei den Kennzahlen-Verantwortlichen zu suchen. Daher ist es von grundlegender Bedeutung, dass zwischen „zu verantwortenden“ und „nicht zu verantwortenden“ Planabweichungen klar unterschieden wird. Die beste Möglichkeit, dies zu erreichen, besteht darin, schon bei der Entwicklung einer Balanced Scorecard die einer Kennzahl zuzuordnenden Risiken anzugeben, denn genau diese Risiken beschreiben eine „nicht zu verantwortende“ Abweichung von einem Plan- oder Erwartungswert. Mit dieser Vorgehensweise ist eine Integration von strategischem Management (Balanced Scorecard) und Risikomanagement möglich, was die Effizienz und die logische Konsistenz beider Systeme fördert.
Aktuell spielen Risiken in den Balanced Scorecards kaum eine Rolle, was daran liegen kann, dass Kaplan und Norton in ihrer Beschreibung der Balanced Scorecard diesem Thema nahezu keinen Raum eingeräumt haben. Daher ist eine Weiterentwicklung der traditionellen Balanced Scorecard unter Zuordnung von Risiken zu den Kennzahlen eine logische Konsequenz, um die Umsetzung einer wertorientierten Unternehmensstrategie voranzutreiben.
Programme
Für die Erstellung von Balanced Scorecards stehen zahlreiche Programme zur Verfügung. Für die Visualisierung der Kennzahlen kommen oft Kennzahlen-Cockpits zum Einsatz.
Ermöglichen für Balanced Scorecard eingesetzte Programme die Leistungs- und Verhaltenskontrolle von Mitarbeitern, dann besteht das Risiko fehlender Akzeptanz, wenn die betroffenen Mitarbeiter bei der Einführung nicht ausreichend mitentscheiden konnten. In Unternehmen in Deutschland mit Betriebsräten unterliegt die Einführung und Verwendung der Balanced Scorecard in diesem Fall der Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz.
Literatur
US-amerikanische Originale und deren Übersetzungen
- Robert S. Kaplan und David P. Norton: The Balanced Scorecard - Measures that Drive Performance. In: Harvard Business Review. 1992, January-February S. 71-79.
- Robert S. Kaplan und David P. Norton: Putting the Balances Scorecard to work. In: Harvard Business Review. 1993, September-October S. 134-147.
- Robert S. Kaplan und David P. Norton, P. Hórvath (Übers.): Balanced Scorecard. Strategien erfolgreich umsetzen. Stuttgart 1997, ISBN 3-7910-1203-7.
- Robert S. Kaplan und David P. Norton, P. Hórvath & B. Gaiser (Übers.): Strategy Maps. Der Weg von immateriellen Werten zum materiellen Erfolg. Verlag Schäffer-Poeschel, Stuttgart 2004, ISBN 3-7910-2239-3.
Deutschsprachige Auseinandersetzungen mit dem Thema
- Roland Abel: Die Balanced Scorecard im Arbeitsfeld von Betriebsräten. Düsseldorf 2001 (Studie der Hans-Böckler-Stiftung zum Einsatz der BSC in Unternehmen und die Einbeziehung der Interessenvertretung).
- H. Friedag & W. Schmidt: Balanced Scorecard. Mehr als ein Kennzahlensystem. 4. Auflage, Haufe Verlag, Freiburg im Breisgau 1999, ISBN 3-448-04979-4.
- H. Friedag & W. Schmidt: Taschenguide Balanced Scorecard. 3. Auflage, Haufe Verlag, Freiburg im Breisgau 2007, ISBN 3-448-07976-6.
- Hans-Jörg Vohl: Balanced Scorecard im Mittelstand, Veränderungsprozesse in mittelständischen Unternehmen (KMU) mit der Balanced Scorecard (BSC) meistern, Murmann Verlag, Hamburg, 2004, ISBN 3-938-01703-1.
- Horváth & Partners (Hrsg.): Balanced Scorecard umsetzen. 4. Auflage, Verlag Schäffer-Poeschel, Stuttgart 2007.
- J. Weber & U. Schäffer: Balanced Scorecard und Controlling. Gabler Verlag, 1999, ISBN 3-409-11518-8.
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