Sündflut

Sündflut

Die Sintflut wird im 1. Buch Mose der Bibel als eine große weltumspannende Flutkatastrophe mit anfänglich vierzigtägigem Dauerregen beschrieben.

Inhaltsverzeichnis

Etymologie

Das deutsche Wort „Sintflut“ ging aus mittelhochdeutsch „sin(t)vluot“, althochdeutsch „sin(t)fluot“ hervor, das so viel wie „immerwährende Überschwemmung“ bedeutet, es hat also nichts mit dem Wort „Sünde“ zu tun. Die germanische Vorsilbe „sin“ bedeutet „immerwährend, andauernd, umfassend“ und wurde seit dem 13. Jahrhundert volksetymologisch zu „Sünd-“ umgedeutet. Im Englischen heißt Sintflut „The Great Flood“ oder − nach dem französischen Wort − „Deluge“. Französisch heißt es „déluge“, spanisch „diluvio“ und italienisch „diluvio universale“.

Biblische Darstellung

Künstlerische Darstellung der Sintflut von Gustave Doré.

Gemäß dem biblischen Bericht im Alten Testament (1. Mo 7–8) soll die Sintflut 300 Tage oder 10 Monate gedauert und selbst den höchsten Berg der Welt mit Wasser bedeckt haben, wobei das hebräische Wort eretz (ארץ) nicht nur „Welt“, sondern auch „Land“ bedeuten kann. Die gesamte Zeit der Flut wird in vier Phasen beschrieben:

  1. Regen ergießt sich 40 Tage und 40 Nächte, und das Wasser hebt die Arche an.
  2. Insgesamt schwillt das Wasser 150 Tage lang an, und alle „durch die Nase atmenden“ Erdbewohner – Mensch und Tier – werden getötet.
  3. Weitere 150 Tage dauert es, bis die Flut wieder abschwillt.
  4. Weitere 40 sowie nochmals 7 Tage dauert es, bis Noah es wagt, die Arche zu verlassen.

Nach masoretischem Text und nach samaritanischem Pentateuch gelang es nur Noach (Noah oder Noe), der auf göttliche Anweisung hin eine Arche gebaut hatte, mit seiner Familie (Frau Hanna, die drei Söhne und die entsprechenden Schwiegertöchter) und vielen Tieren (jeweils sieben Paare von den „reinen“ und ein Paar von den „unreinen“) zu überleben. Die Arche landete schließlich auf dem Gebirge Ararat; von dort verbreitete sich das Leben wieder über die Erde. Der biblische Bericht erzählt davon, dass Gott im Anschluss einen neuen Bund mit Noach und den Menschen schloss, in dem er gelobte, die Menschen nie wieder durch eine Flut zu bestrafen. Das Zeichen dieses Bundes war der Regenbogen.

Der irische Theologe James Ussher berechnete im 17. Jahrhundert in seinen Annales veteris testamenti, a prima mundi origine deducti (Annalen des Alten Testaments, hergeleitet von den frühesten Anfängen der Welt) anhand von Bibelstellen den Zeitpunkt, zu dem die Sintflut stattgefunden haben soll. Er kam auf das Jahr 2501 v. Chr.

Altorientalische Parallelen

11.Tafel des Gilgamesch-Epos

Die biblische Version weist Ähnlichkeiten mit der sumerisch-babylonischen Fassung des Gilgamesch-Epos und der griechischen Deukalion-Mythe auf.

Im Gilgamesch-Epos baute Ziusudra (griechisch bei Berossus: Xisouthros) ein Boot, mit welchem er, Angehörige und ausgewählte Tiere die Flutkatastrophe überlebten. In dieser Urform der Mythe waren verschiedene Details, wie z. B. die Vorwarnung an Ziusudra durch Enki und das Dankopfer für die Errettung, vorhanden, die später in der Bibel ähnlich überliefert sind. In der altbabylonischen Fassung, dem Atramhasis-Epos, aus dem 18. Jahrhundert v. Chr. tritt das Element der Aussendung von Vögeln am Ende der Fluterzählung hinzu.

Eine weitere Dokumentation der Flut findet sich in der sumerischen Königsliste, die ebenfalls von dieser Katastrophe in Sumer berichtet.

Darstellung in den Apokryphen

Im ersten Buch Henoch, auf das im Judasbrief des Neuen Testamentes Bezug genommen wird, das auch in den Rollen von Qumran gefunden wurde und das heute noch zum kanonischen Schrifttum der (christlichen) äthiopischen Kirche gehört, wird diese Geschichte näher erläutert. Die Sintflut wird als göttliche Reaktion auf die unentschuldbare Rebellion der sogenannten Wächterengel unter Führung von Azazel verstanden. Diese gaben sich mit ihrer Nähe zu Gott nicht zufrieden, sondern lehrten die Menschen verschiedene Künste (vgl. Prometheus im griechischen Mythos) und vermischten sich schließlich mit diesen sogar sexuell. Während Azazel mit seinen Mitverschwörern zur Strafe für seinen Hochmut auf die Erde geworfen und gebunden wird bis zum endgültigen Gericht, muss der durch den Samen der abgefallenen Gottessöhne unrettbar verdorbene Teil der Menschheit flächendeckend ausgetilgt werden.

Sintflutsagen in anderen Kulturkreisen

Bereits 1869 hat Lüken in großer Zahl außerbiblische Schilderungen von Völkern aus verschiedensten Regionen der Erde zusammengetragen, die auffällige Gemeinsamkeiten mit dem biblischen Sintflutbericht aufweisen. 1925 veröffentlichte Riem 268 Sintflutberichte und 21 Regenbogensagen aus aller Welt und wertete diese aus. Er kam dabei zum Ergebnis, dass einige der Überlieferungen so viele Parallelen zum biblischen Bericht aufweisen, dass ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen muss. Seine vergleichenden Auswertungen ergaben z. B., dass die Sintflut 77-mal als Flut und 80-mal als Überschwemmung bezeichnet wird (in den anderen Fällen ist von verheerenden Bränden, Erdbeben u. a. die Rede). Immerhin 72-mal geschah die Rettung durch ein Fahrzeug; 53-mal wird als Ursache das Verschulden der Menschen genannt.

Als mythische Vorläufersage wird häufig die vom bereits im sumerischen Gilgamesch-Epos auftretenden Mann Utnapischtim angesehen.

In der griechischen Mythologie wird die Deukalische Flut beschrieben.

Die Inder kennen den Fisch Matsya, der den König Manu zum Bau einer Arche aufforderte, in der er die sieben Rishis rettete.

In der Schöpfungsgeschichte der australischen Aborigines, der sogenannten Traumzeit, gibt es den Mythos des Großen Kängurus, das einst mit anderen „animal people“ (engl. Tierleuten) die „Great Flood“ zurückhielt.

Aus dem Chinesischen Altertum der Zeit Kaiser Yaous gibt es Sagen, dass sich „Fluten bis zum Himmel türmen“, oder von „Überschwemmungen, die mit ihren Fluten den Himmel bedrohen“.[1] Diese Sagen werden meist mit der „Flut des Ogyges“ gleichgesetzt.
Als chinesische Entsprechung der biblischen Sintflutsage mit Noah wird oft Fo-his gesehen, der als einziger im ganzen Land gerettet wurde.

Auch die amerikanischen Indianer kennen Geschichten von einer Flut, die die gesamte Erdoberfläche überspült haben soll.[2]

Historisch-kritische Analyse und kirchliche Wertung

Die historisch-kritische Analyse sieht im vorliegenden biblischen Text mindestens zwei Quellen mit zum Teil unterschiedlichen Angaben unverbunden ineinandergefügt.

Viele heutige Exegeten bestehen nicht auf einer Historizität der Genesistexte, sondern weisen ihnen den Charakter eines Mythos zu, in dem sich Glaubenserfahrung ausdrückt. Von römisch-katholischer oder protestantisch-landeskirchlicher Seite wird eine Geschichtlichkeit der Sintflut nicht als notwendiger Bestandteil christlichen Glaubens angesehen. In Kreisen evangelikaler Christen gilt die Sintflut dagegen bis heute als historisches Ereignis.

Theologische Deutung

Für die biblische Rechtfertigung der Sintflut als einzigartiges Gericht Gottes über die von ihm selber geschaffene und im Schöpfungsbericht der Bibel von ihm selbst als sehr gut angesehene Schöpfung ist die unmittelbar chronologisch vor der Noah-Geschichte stehende Erzählung der Gottessöhne in Genesis Kapitel 5 aufschlussreich:

Als aber die Menschen sich zu mehren begannen auf Erden und ihnen Töchter geboren wurden, 2 da sahen die Gottessöhne, wie schön die Töchter der Menschen waren, und nahmen sich zu Frauen, welche sie wollten. 3 Da sprach der HERR: Mein Geist soll nicht immerdar im Menschen walten, denn auch der Mensch ist Fleisch. Ich will ihm als Lebenszeit geben hundertundzwanzig Jahre. 4 Zu der Zeit und auch später noch, als die Gottessöhne zu den Töchtern der Menschen eingingen und sie ihnen Kinder gebaren, wurden daraus die Riesen auf Erden. Das sind die Helden der Vorzeit, die hochberühmten.

Die Sintflut wirft in theologischer Hinsicht die Frage auf, warum ein allwissender und gütiger Gott es überhaupt zur Sintflut kommen lassen konnte. Nicht nur Atheisten stellen die Frage, warum Gott dem biblischen Bericht gemäß in der Sintflut seine eigene Schöpfung nahezu vollständig verwarf.

Im Judentum

Das Judentum hat darauf unter anderem im Raschi-Kommentar die Antwort gegeben, dass die harte Strafe Gottes wegen des Umfangs der menschlichen Verbrechen und der Bosheit der vorsintflutlichen Geschlechter notwendig wurde. Es kam demnach zum Brudermord sowie zu massiver Gewalt zwischen den Menschen, insbesondere gegenüber Frauen, so dass das Recht des Stärkeren herrschte. Zum Beleg dient unter anderem eine Textstelle aus dem 1. Buch Mose 6:2, in der es heißt: „Sie nahmen sich zu Weibern, welche sie nur wollten“.

Das Urteil Gottes lautete daher: „Alles Trachten ihres Herzens war die ganze Zeit nur böse“ (6:5) und „Die Erde war voller Gewalttat“ (6:11), womit im konkreten Fall besonders schändliche Gewalt wie etwa Raub bezeichnet wurde. Die Reaktion Gottes versteht das Judentum daher als Antwort auf die so bezeichneten Gräuel: „Das Ende allen Fleisches ist bei mir beschlossen.“ (6:13). Gewalttätiges Verbrechertum, Raub und Vergewaltigungen, sind, folgt man der Sintflutgeschichte, in theologischer Hinsicht die größte Sünde.

In den Worten des Rabbi Jochanan findet diese Ansicht in den Worten

Kommt und seht, wie schrecklich ist die Macht der Gewalt! Denn seht, die Generation der Flut beging jede denkbare Sünde, aber ihr Schicksal wurde erst besiegelt, als sie ihre Hände zum Raub ausstreckten, wie es heißt: „Denn voll ist die Erde durch Gewalttat durch sie, und ich will sie verderben mit der Erde.“

ihren Ausdruck. Der Midrasch betrachtet es als korrumpierende Natur der „Gewalt, die fähig ist, das Gute im Menschen zu demoralisieren und die als unüberwindbare Barriere zwischen dem Menschen und seinem Schöpfer steht“. Die Frage, warum Gott den Tod der Sünder wünscht und nicht deren Umkehr, wird also durch die unrettbar durch Gewalt korrumpierte Menschheit begründet. Nur mit einem neuen, aus einem Gerechten hervorgegangenen Menschengeschlecht war demnach ein Neuanfang möglich.

Im Christentum

Im neuen Testament dient die Sintflut im Lukasevangelium (17, 27) und der entsprechenden Parallelstelle im Evangelium nach Matthäus (24, 38) als Gleichnis für das Kommen des Menschensohns, das als plötzlich und unerwartet prophezeit wird:

Und wie es geschah zu den Zeiten Noahs, so wird's auch geschehen in den Tagen des Menschensohnes: Sie aßen, sie tranken, sie freiten, sie ließen sich freien bis auf den Tag, da Noah in die Arche ging, und die Sintflut kam und brachte sie alle um.

Bei Martin Luther

Martin Luther, der am Glauben hinsichtlich der Historizität dieser Fluterzählung bewusst festgehalten hat, sieht in seinen verschiedenen Auslegungen des Buches Genesis[3] die Flut mit Genesis 6 als Gottes gerechte Strafe für den Abfall aller Menschen von Gott, der sich unter den Gliedern der „wahren Kirche“ (d.h. den Nachkommen des Patriarchen Seth im Gegenüber zu denen des Kain) vor allem durch „Mischehen“ mit den ungläubigen Nachkommen Kains ausdrückte (6,2, vgl. Gen. 24,3; Deut. 7,3–4).

Die moderne Frage der Theodizee stellt sich ihm daher so nicht, da er gerade in Genesis 6 entscheidende Belege für die Erbsündenlehre erblickt (bes. vv. 3 u. 5); er rechnet also nicht mit einem natürlichen Gutsein des Menschen, demgegenüber Leid (und Strafe) eigens begründet werden müssten (siehe Gen. 3,17-19; 4,10ff.). Überhaupt weist er es in seiner Auslegung zu Gen. 6,5-7 als theologisch gefährlich zurück, über Gottes Wesen und dessen Eigenschaften – etwa über seine Güte und Allmacht – abgesehen von seinem Wort zu spekulieren. Derartiges Tun der Vernunft des Menschen führe, so Luther, nicht zum wahren Gott, sondern an diesem vorbei.

Obwohl er die (jüdische) Interpretation von Gen. 6,2 auf Dämonen- oder Engelwesen kennt, lehnt er sie ab: die „Söhne Gottes“ sind für ihn die, die durch Glauben an den im sog. Protoevangelium (Gen. 3,15) verheißenen Retter Glieder der „wahren Kirche“ sind oder doch jedenfalls sein sollten (vgl. Gal. 3:26). Am Ende war es jedoch nur Noah, der am Glauben festhielt (vgl. Hebr. 11,7) und daher auch ein exemplarisches sittliches Leben führte, das ihn von seinen Zeitgenossen abhob. Luther macht also hier mit seiner grundlegenden Einsicht ernst, dass der allein seligmachende Glaube durch Liebe tätig ist (Gal. 5,6). Wo ersterer verlorengeht, da schlägt die Liebe Gottes und des Nächsten (entsprechend den beiden Tafeln des Dekalogs) in Selbstliebe zurück (Röm. 1). Die Flut ist also nach Luther nicht einfach ein Aufruf zu moralisch-mitmenschlichem Handeln, sondern vor allem ein Ruf zum Glaubens an Christus angesichts der drohenden Wiederkehr des Menschensohnes zum Weltgericht (siehe Matth. 24,37–39).

Luther sieht gerade in Noah, dem „Prediger der Gerechtigkeit (des Glaubens)“ (2. Petrus 2,5), den Prototyp aller wahren Propheten und Prediger, die vom wahren Gott den Auftrag haben, ihre Zeitgenossen zum Wort des Herrn und damit zum allein rettenden Glauben an Christus zurückzurufen, jedoch bis zum Ende der Welt damit wegen der Verderbheit der Menschen nicht großen Zulauf gewinnen werden, sondern als wenig überzeugende Unheilspropheten verspottet werden (siehe wieder Matth. 24,37–39 und 2. Petrus 3,3ff.).

Allgemein

Die Tatsache, dass der Gerechte seine Rettung, die Arche, selber bauen und danach durch schwieriges Wasser führen musste, ist ein theologisches Bild. Es wird manchmal von modernen Theologen aufgegriffen, wenn ein aufgeklärter Humanismus als heutige Entsprechung eines solchen Archebaus dargestellt wird.

An der Verpflichtung dem Mitmenschen gegenüber treffen sich jüdische, christliche und muslimische Exegeten bei der Interpretation der Sintflutgeschichte.

Erklärungsversuche

Bei Mythen- und Legendenbildung tritt das typische Phänomen der überhöhenden Dramatik in das Grenzenlose auf. Historische Erfahrungen einiger Beteiligter nehmen oft den Weg als phantastische Vision; in der Sintfluterzählung in diesem Fall als Mythensammlung vom Untergang von nahezu allen Menschen und Tieren.[4][5] Wissenschaftliche Theorien wurden hinsichtlich möglicher Zusammenhänge entwickelt und überprüft.

Veraltete und nicht beweisbare Theorien

Lokale Überschwemmung

Die in der Wissenschaft früher bevorzugte Theorie, dass alle mesopotamischen Flutmythen auf die traumatische Erfahrung der lokalen Schwemmfluten von Euphrat und Tigris im Zweistromland zurückgehen, konnte zwischenzeitlich, bedingt durch archäologische Untersuchungen, nicht bestätigt werden.[6]

Vulkanausbruch Santorin

In einem weiteren Erklärungsversuch wurde die Sintflut auf die Minoische Eruption auf der Insel Santorin und der nachfolgenden Flutwelle zurückgeführt. Zusätzlich wurde auf entsprechend ähnliche Sagen der Griechen und Kreter verwiesen, die später bei den Bewohnern der Levante in mündlicher Überlieferung fortbestanden haben sollen. Archäologische Untersuchungen konnten jedoch diese Theorien nicht bestätigen, da die Santorin-Eruption zwischen 1625 v. Chr. und 1530 v. Chr. erfolgte und die Textfunde des babylonischen Sintflut-Epos mindestens auf das 18. Jahrhundert v. Chr. datieren.[7]

Meteoriten-Theorie

Im Jahr 1932 wurde der Meteorit Wabar[8] in der Wüste von Saudi-Arabien entdeckt. In ersten Schätzungen wurde der Einschlag in die Zeit um 4000 v. Chr. datiert und als möglicher Grund für eine Flutwelle genannt. Weitere Fragmente des Meteoriten wurden auf ein Alter von ca. 3500 Jahren geschätzt. Dies führte zu der Annahme, dass ca. 1500 v. Chr. ein weiterer Einschlag in Saudi-Arabien erfolgt sei. Die Wucht der Aufschläge wurde mit der Sprengkraft der Hiroshima-Atombombe verglichen. Aktuelle Untersuchungen ergaben ein tatsächliches Alter von 300 bis 500 Jahren. Die Theorie, dass der Meteorit Wabar möglicher Auslöser der sumerischen Flutkatastrophe war, scheidet damit aus.

Im Jahr 2006 wurde der Krater Jabal Waqf es Swwan in Jordanien von den Entdeckern Elias Salameh, Hani Khoury und Werner Schneider aufgrund der relativ geringen Erosion zunächst auf ein Alter unter 10.000 Jahren geschätzt. Dies führte dazu, dass in Massenmedien eine Verbindung zur Sintflut-Geschichte und insbesondere zum Gilgamesch-Epos hergestellt wurde. [9] Nach neueren Untersuchungen[10] handelt es sich zwar wohl tatsächlich um einen Einschlagkrater, jedoch aus dem Eozän, das heißt aus einer Zeit vor 56 bis 37 Millionen Jahren. [11]

See- und Erdbeben

Am 21. Juli im Jahr 365 n. Chr. erschütterte ein schweres Erdbeben den gesamten östlichen Mittelmeerraum. Die nachfolgenden Flutwellen liefen über die flachen Küstenbereiche und zerstörten Siedlungen. Alexandria verzeichnete nach Überlieferungen etwa 50.000 Opfer. Die Ursache für die schweren Beben in dieser Region ist der Nordwärtsdrang der Afrikanischen Platte, die sich hier unter die Eurasische Platte schiebt. Der geknautschte Untergrund steht dadurch ständig unter Spannung und ist von Störungszonen und Bruchlinien durchzogen. Insbesondere im Osten des Meeresbeckens steht zusätzlich die kleinere Anatolische Platte im Mittelpunkt dieser Bewegungen. Dort kommt es immer wieder zu schweren Erschütterungen entlang der nordanatolischen Verwerfung.

Durch See- oder Erdbeben ausgelöste Tsunamis stellen rückblickend keine Seltenheit in dieser Region dar und erfolgen in zyklischen Abständen. Eine weitere Vermutung der Tsunami-Therorien nennt einen vor rund 8.000 Jahren erfolgten Erdrutsch am Ätna als Auslöser für einen Tsunami,[12] der in den späteren Überlieferungen als Sintflut deklariert wurde. Aufgrund der Häufigkeit dieser Ereignisse stellen jedoch alle Vermutungen bislang nicht beweisbare Spekulationen dar.

Aktuelle Theorien

Wassereinbruch in das Schwarze Meer

Nach langjährigen Forschungen entwickelten 1997 die US-amerikanischen Marinegeologen Walter Pitman und William Ryan die Theorie, die Sintflut gehe auf einen Wassereinbruch in das Schwarze Meer zurück. Nach ihrer Ansicht hat dieser stattgefunden, als nach dem Ende der letzten Eiszeit durch das Abschmelzen der Gletscher alle Meeresspiegel weltweit anstiegen und damit sich auch der des Mittelmeers hob und etwa im 7. Jahrtausend v. Chr. das Niveau des Bosporus erreichte. Innerhalb kurzer Zeit hat sich so der Wasserspiegel in der Senke um mehr als 100 Meter erhöht. Mark Siddall von der Universität Bern entwickelte ein virtuelles physikalisches Modell des Grabens am Bosporus und des Schwarzen Meeres. Auf dieser Basis konnte er alle Überschwemmungsszenarien simulieren:

Als der Schwarzmeer-Damm gebrochen war, strömte das Wasser durch den Bosporus, erreichte das Schwarzmeer-Becken in einem gigantischen Crash, und stromabwärts von dieser Crash-Zone muss ein eindrucksvoller Jet-Stream entstanden sein, ein schneller Wasserstrahl, der entlang der Küstenlinie verlief und dort einen tiefen Graben in den Boden gepflügt haben muss.

William Ryan überprüfte mit Echoloten den Boden des Schwarzen Meeres. Die Auswertungen zeigten, dass der Graben sich genau dort befindet, wo Siddall ihn vorhergesagt hatte. Neue Bohrkernproben wurden von Yossi Mart von der Universität Haifa untersucht: Aus den Untersuchungen können wir ableiten, dass der Übergang vom See zum Meer sehr abrupt war. Der Muschelfund bestätigt damit die Theorie des plötzlichen Meerwasser-Einfalls, der mit der zehnfachen Wucht der Niagarafälle zu Tal stürzte.[13]

Die neuesten Erkenntnisse widerlegen dadurch ältere Theorien, wie z.B. von Teofilo Abrajano vom Rensselaer Polytechnic Institute im US-Bundesstaat New York, der mit seinen Untersuchungen aus dem Jahr 2002 die Ansicht vertrat, dass Süßwasser aus dem Schwarzen Meer erst in das Marmarameer und danach in das Mittelmeer geflossen sei.[14] Jüngere Forschungen stellen die These von Pitman & Ryan in Frage.[15]

Monsunklima-Theorie

Die Geowissenschaftler Helge Arz und Frank Lammy vom DFG-Forschungszentrum Ozeanränder untersuchten Meeresablagerungen aus dem nördlichen Roten Meer und fanden im Jahr 2003 heraus, dass die heute sehr trockene Region noch vor einigen tausend Jahren durch eine lange Feuchtperiode – ein monsunartiges Wettersystem – geprägt war.[16] Die Forscher stellten fest, dass das Oberflächenwasser des Roten Meers in der Zeit zwischen etwa 7000 v. Chr. bis 4500 v. Chr. einen deutlich geringeren Salzgehalt aufwies als gegenwärtig. Ein monsunartiges Klima war die Folge, vergleichbar mit dem Klima am Indischen Ozean, welches bis ca. 5000 v. Chr. das Wettergeschehen im Nahen Osten dominierte. Untersuchungen an Blütenpollen und israelischen Höhlenablagerungen erhärteten das Monsun-Szenario.

Siehe auch

Literatur

Zu weltweit verbreiteten Sintflutberichten
  • Richard Andree: Die Flutsagen ethnographisch betrachtet. Verlag Friedrich Vieweg und Sohn, Braunschweig 1891.
  • Norbert Buchner, Elmar Buchner: Klima und Kulturen. Die Geschichte von Paradies und Sintflut. Verlag Greiner, Remshalden 2005, ISBN 3-935383-84-3.
  • Heinrich Lüken: Die Traditionen des Menschengeschlechts oder die Uroffenbarung unter den Heiden. Aschendorff, Münster 1869.
  • Thomas Noack: Die Sintflut: Zusammenschau ihres inneren Sinnes. 2003
  • Johannes Riem: Die Sintflut in Sage und Wissenschaft. Agentur des Rauhen Hauses, Hamburg 1925.
Zu den Beziehungen zwischen orientalischer, biblischer und antiker Sintfluttradition
  • Gian A. Caduff: Antike Sintflutsagen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1986, ISBN 3-525-25180-7.
  • Florentino García Martínez u.a. (Hrsg.): Interpretations of the flood (Themes in biblical narrative; 1). Brill, Leiden 1999, ISBN 90-04-11253-7.
Zur Schwarzmeer-Überflutungs-Theorie
  • Harald Haarmann: Geschichte der Sintflut. Auf den Spuren der frühen Zivilisationen. C. H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-49465-X.
  • William Ryan, Walter C. Pitman: Sintflut. Ein Rätsel wird entschlüsselt. Bastei-Lübbe, Bergisch-Gladbach 2001, ISBN 3-404-60492-X.
  • Valentina Yanko-Hombach: The Black Sea flood question: Changes in coastline, climate and human settlement. Springer, Dordrecht 2007, ISBN 1-402-04774-6

Weblinks

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. James Legge: Shoo King, the Canon of Yaou, 1879; Chrétien-Louis-Joseph de Guignes: Le Chou-king, 1770; J. Moryniac: Histoire générale de la Chine, 1877
  2. Hartley Burr Alexander: North American Mythology, 1916 und Latin American Mythology, 1920
  3. Zuletzt in seinem großen Alterswerk, den Genesis-Vorlesungen von 1535–1545, WA 42, 264ff.
  4. Biblische Erzählung und Gilgamesch-Epos entsprechen sich in der Rettung von Tieren zu Land (Tiere der Steppe). Fische werden nicht genannt; als Vogelarten werden nur Taube und Rabe erwähnt.
  5. ZDF 22.4.2007 Das Gilgamesch-Epos, M. Papirowski, H. Nelson Minkenberg: Die Sintflut, Mythos oder Wahrheit
  6. vgl. Harald Haarmann in Geschichte der Sintflut S. 22ff.
  7. Stefan M. Maul in Das Gilgemesch-Epos, ISBN 3-406-52870-8, S.14
  8.   Aufnahmen vom Meteoriten Wabar
  9. Forscher auf den Spuren der Apokalypse, Der Spiegel, 12. August 2006
  10. Geländeuntersuchungen, Museum für Naturkunde der Humboldt-Universität Berlin im Mai 2008
  11. Earth Impact Database
  12. Sintflut durch einen Tsunami ?
  13. Bericht 22.04.2007 im ZDF
  14. Joachim Schüring: Sintflut war nicht in Spektrum der Wissenschaft 15. Juni 2002
  15. Valentina Yanko-Hombach: The Black Sea flood question: Changes in coastline, climate and human settlement. Springer, Dordrecht 2007.
  16. Artikel Mediterranean Moisture Source for an Early-Holocene Humid Period in the Northern Red Sea von H. Arz, F. Lamy, J. Pätzold und P. Müller sowie M. Prins von der Vrije Universiteit Amsterdam ist erschienen in Science, Bd. 300, Seiten 118-121, vom 4. April 2003.

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