TNM-System

TNM-System

Die TNM-Klassifikation (auch: TNM-System; engl.: TNM Classification of Malignant Tumours oder kurz TNM staging system) ist eine Facettenklassifikation aus der Medizin, die der Stadieneinteilung von malignen Tumoren (Krebserkrankungen) dient.

Sie wurde von dem Franzosen Pierre Denoix in den Jahren 1943–1952 entwickelt und wird seit 1950 von der Union internationale contre le cancer (UICC) weitergeführt. Die Klassifikation hat sich in vielen Ländern durchgesetzt und wird unter anderem von Krebsregistern herangezogen. Sie basiert auf statistischen Untersuchungen, die Aussagen über das voraussichtliche Verhalten von Tumorerkrankungen zulassen (z. B., dass sich ab einer bestimmten Größe eines Tumors die Krankheitsprognose verschlechtert). Die Einstufung einer Tumorerkrankung in die einzelnen Kategorien des TNM-Systems erlaubt daher prognostische Aussagen und bestimmt häufig auch die weitere Therapie.

TNM ist eine Abkürzung für

  • T = Tumor, Beschreibung von Ausdehnung und Verhalten des Primärtumors
  • N = Nodes = Lymphknoten, Fehlen bzw. Vorhandensein von regionären Lymphknotenmetastasen
  • M = Metastasen, Fehlen bzw. Vorhandensein von Fernmetastasen

T, N und M sind die wichtigsten so genannten Kategorien des TNM-Systems.

Inhaltsverzeichnis

T (Tumor)

T bezeichnet die Ausdehnung des Primärtumors.

  • T0:
    • keine Anzeichen eines Primärtumors (dies erscheint zunächst wenig sinnvoll, ist jedoch möglich, wenn der Tumor vor Operation z. B. mit neoadjuvanter Chemotherapie behandelt wurde)
    • oder der primäre Tumor ist unbekannt (CUP-Syndrom, cancer of unknown primary).
  • Tis/Ta: Tumoren, die die Basalmembran noch nicht infiltriert haben. Ihre Prognose ist im Allgemeinen günstig.
  • T1, 2, 3 oder 4: zunehmende Größe des Primärtumors oder Befall weiterer Gewebe, z. B. für Brustkrebs:
    • T1: größte Tumorausdehnung höchstens 2 cm
    • T2: größte Tumorausdehnung mehr als 2 cm, aber höchstens 5 cm
    • T3: größte Tumorausdehnung mehr als 5 cm
    • T4: Tumor jeder Größe mit direkter Ausdehnung auf die Brustwand oder Haut
  • TX: keine Aussage über den Primärtumor möglich.

Ta gibt es nur bei bestimmten Organen (Nierenbecken und Harnleiter, Harnblase, Harnröhre, Penis). Dort können Ta-Tumoren mit einer besseren Prognose als Tis-Tumoren verbunden sein.

N (Nodes)

N beschreibt das Vorhandensein bzw. das Fehlen von regionären Lymphknotenmetastasen.

  • N0: keine Anzeichen für Lymphknotenbefall.
  • N1, 2 oder 3: zunehmender Lymphknotenbefall abhängig von der Lokalisation des Primärtumors. Einteilung z. B. nach ipsi- oder kontralateralem Befall und Beweglichkeit, sowie Lokalisation in Relation zum Primärtumor.
  • NX: keine Aussagen über Lymphknotenbefall möglich.

Da die Entdeckung von Lymphknotenbefall davon abhängt, wie intensiv nach dem Befall gesucht wird, muss in der Regel je nach Organsystem eine Mindestzahl von Lymphknoten (z. B. 12 beim Dickdarmkrebs) untersucht worden sein, um mit ausreichender Sicherheit sagen zu können, dass kein Befall in der entsprechenden Region vorliegt. Häufig wird die Angabe wieviele Lymphknoten von wieviel untersuchten Lymphknoten befallen waren, der N-Kategorie hinten angefügt, z. B. N0 (0/13).

Zunehmend gibt es Tumoren (z. B. Mammakarzinom), bei denen es als ausreichend angesehen wird, nur den so genannten Schildwächterlymphknoten (Sentinel Lymph Node) zu untersuchen. Das ist der erste Lymphknoten (manchmal auch mehr als einer), der die Lymphe aus dem Gebiet des Tumors aufnimmt. Finden sich in ihm keine Metastasen, so ist die Wahrscheinlichkeit, in den „nachgeschalteten“ Lymphknoten Metastasen zu finden, sehr gering. Umgekehrt müssen die nachgeschalteten Lymphknoten genau untersucht werden, wenn der Schildwächter befallen ist. Wurde dieses Verfahren angewendet, wird die pN-Kategorie durch (sn) gekennzeichnet, also z. B. pN0(sn)=histologisch keine Lymphknotenmetastasen, pN1(sn)=Befall des (der) Schildwächterlymphknoten.

M (Metastasen)

M bezeichnet das Vorhandensein bzw. das Fehlen von hämatogenen Fernmetastasen. In der Regel ist die Klassifikation nur nach einem Staging möglich.

  • M0: keine Anzeichen für Fernmetastasen.
  • M1: Fernmetastasen vorhanden.
  • MX: keine Aussage über Fernmetastasen möglich.

Zusätzlich kann die Lokalisation der Metastasen angegeben werden und dadurch die Lage der Tumormetastase spezifiziert werden. Dabei stehen die aus dem Englische abgeleiteten Abkürzungen PUL für Lunge, OSS für Knochen, HEP für Leber, BRA für Gehirn, LYM für Lymphknoten, MAR für Knochenmark, PLE für Pleura, PER für Peritoneum (Bauchfell), ADR für Nebenniere, SKI für Haut und OTH für andere Lokalisationen. Als Beispiele seien hier angeführt:

  • M1OSS: Knochenmetastasen
  • M1PUL: Lungenmetastasen

C-Faktor

Die Zuverlässigkeit der Befundsicherung kann zusätzlich mit dem Deskriptor „C“ (engl.: certainty) hinter der jeweiligen TNM-Kategorie angegeben werden. Sie zeigt die Zuverlässigkeit der Diagnose an:

  • C1: Allgemeine Untersuchungsmethoden, wie klinischer Untersuchungsbefund, Standard-Röntgenaufnahme etc.
  • C2: Spezielle Untersuchungsmethoden, wie ERCP, Computertomografie etc.
  • C3: Ergebnisse der chirurgischen Exploration, Zytologien oder Biopsien.
  • C4: Erkenntnisse nach chirurgischem Eingriff und histopathologischer Untersuchung. Gleichbedeutend mit der pTNM-Klassifikation.
  • C5: Erkenntnisse nach Autopsie einschließlich histopathologischer Untersuchung.

Klinische und pathologische Klassifikation

Wird das Staging durch klinische Untersuchungen und kleinere Eingriffe ermittelt (entsprechend in etwa C1–C3, siehe oben), so spricht man von einem klinischem TNM (auch cTNM für c = clinical). Da dieses TNM in der Regel auch vor der Therapie bestimmt wird, wird es auch als prätherapeutisch bezeichnet.

Ein Staging, bei dem die aus einem chirurgischen Eingriff und aus histopathologischen Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse einfließen, wird als pTNM (pathologische Klassifikation, postoperative histopathologische Klassifikation) bezeichnet. Es entspricht im Wesentlichen dem C-Faktor 4. In der TNM-Formel wird der jeweiligen Kategorie ein p vorangestellt.

Beispiel: pT1pN0M0 kennzeichnet einen kleinen Primärtumor ohne Lymphknotenbefall und ohne Fernmetastasen, bei dem Primärtumor und Lymphknoten pathologisch untersucht, aber Fernmetastasen nur klinisch gesucht wurden.

Dabei ist es wichtig, dass das Ausmass der Untersuchung es auch tatsächlich ermöglichen würde, die höchste Kategorie (also z. B. T4) festzustellen. Ausnahmsweise ist ein großer chirurgischer Eingriff für die Bestimmung des pTNM nicht erforderlich. Beispiel: wenn durch eine kleine Untersuchung, z. B. eine Biopsie des Magens im Rahmen einer Magenspiegelung, festgestellt werden kann, dass ein großer Dickdarmkrebs in den Magen durchgebrochen ist, dann ist die Kategorie pT4 sicher bestimmt, ohne dass der Dickdarmkrebs entfernt wurde.

Manchmal ist es üblich, ein uTNM (u für Ultraschall) anzugeben, wenn die Tumoreindringtiefe in die Wand der Speiseröhre, des Magens oder des Enddarms und eine evtl. Ausbreitung in benachbarten Lymphknoten mit Hilfe einer Endosonographie bestimmt wurde, z. B. uT2uN0. Dies entspricht der Zuverlässigkeitsklasse C2. Diese Notation wird aber durch das aktuelle Regelwerk nicht beschrieben und ist allenfalls eine Sonderform der klinischen Klassifikation.

a-Symbol

Wenn ein Tumor erst bei einer Autopsie klassifiziert wird, wird der TNM-Formel ein a-Symbol vorangestellt, z. B. aT1N1M0 am Magen heißt, dass der Tumor die Muskelschichten des Magens noch nicht erfasst hat, 1–6 regionäre Lymphknoten befallen hat, aber keine Fernmetastasen existieren.

y-Symbol

Wenn ein Tumor klinisch relativ groß ist, z. B. ein Mammakarzinom (Brustkrebs) der Größe T2 (2–5 cm), wird manchmal der eigentlichen Operation eine sog. neoadjuvante Chemotherapie oder Strahlentherapie vorgeschaltet, damit das Organ, in diesem Fall die Brust, weitgehend erhalten werden kann. Bei der eigentlich pathologischen Untersuchung nach der Operation finden sich dann evtl. keine oder nur noch kleine Tumorreste. Es wäre falsch, solche pTNM-Befunde statistisch gleich zu behandeln wie Fälle, bei denen keine Vorbehandlung stattgefunden hat. Deswegen wird solchen Klassifikationen ein y-Symbol vorangestellt, z. B. ypT0N0M0 (kein Tumor mehr bei der Operation gefunden).

r-Symbol

Wenn ein Tumor nach zunächst erfolgreicher Therapie auftritt, spricht man von einem Rezidiv, welches wiederum klinisch oder pathologisch klassifiziert werden kann. Auch solche Klassifizierungen dürfen nicht mit der primären klinischen oder pathologischen Klassifikation verwechselt werden und erhalten daher ein r-Symbol vorangestellt, z. B. rpT2pN1M0.

Weitere Kategorien und Zusatzangaben

Es gibt weitere Kategorien und Zusatzangaben, die von z. T. entscheidender Wichtigkeit bei der Tumorklassifikation sind. Dies gilt insbesondere für die Angabe der Residualgrenzen, weil nur mit ihr klassifiziert wird, ob ein Tumor „im Gesunden“ oder aber nur Teile des Tumors entfernt worden sind.

  • L0/1: Invasion in Lymphgefäße (oder Tumorzellemboli in Lymphgefäßen, ein Kontakt zur Gefäßwand ist für die Diagnose nicht erforderlich)
  • V0/1/2: Invasion in Venen (keine, mikroskopisch, makroskopisch)
  • Pn0/1: Perineuralscheideninvasion (keine, vorhanden), neue Zusatzangabe, die im TNM-Supplement (Seite 115) erwähnt wird (nicht zu verwechseln z. B. mit pN0=pathologische N-Kategorie, s. o.)
  • SX/0–3: Serumtumormarker. Werden nur bei bösartigen Hodentumoren erfasst. (X=nicht verfügbar/untersucht, 0=normal, 1–3=wenigstens ein Marker erhöht)
  • R0/1/2: Angabe, ob Tumor nach einer Therapie verblieben ist (lokal, regionär oder Fernmetastasen). R0 = Kein Tumor im Organismus nachweisbar, R1 = Mikroskopischer Residualtumor an den Schnitträndern, R2 = Makroskopisch Tumor oder Metastasen belassen.
  • G1–4: Grading, Angabe, wie differenziert das Tumorgewebe ist. G1 = gut differenziert, das heißt, dass das Tumorgewebe dem Ursprungsgewebe noch relativ ähnlich ist, G4 = undifferenziert, das Ursprungsgewebe ist nur noch über ultrastrukturelle oder immunhistochemische Untersuchungsmethoden differenzierbar.

Da es theoretisch sehr viele Kombinationen von T, N und M gibt (manchmal existieren auch Unterkategorien, z. B. T1a), die dann statistisch nicht mehr sinnvoll verwertbar sind, werden abhängig vom Tumortyp Kombinationen zu so genannten UICC-Stadien zusammengefasst.

Literatur

  • Joachim Dudeck, Gustav Wagner, Ekkehard Grundmann (Hrsg.): Basisdokumentation für Tumorkranke. Prinzipien und Verschlüsselungsanweisungen für Klinik und Praxis. 5., rev. Auflage. Zuckschwerdt, München 1999, ISBN 3-88603-678-2.
  • A. Fritz, C. Percy, A. Jack, K. Shanmugaratnam, L. Sobin, D. M. Parkin, S. Whelan (Hrsg.): International Classification of Diseases for Oncology. 3. Auflage. WHO, Genf 2000, ISBN 92-4-154534-8.
  • Ch. Wittekind, H.-J. Meyer, F. Bootz (Hrsg.): UICC: TNM Klassifikation maligner Tumoren. 6. Auflage. Springer, Berlin Heidelberg New York 2002, ISBN 3-540-43664-2.
  • Ch. Wittekind, M. Klimpfinger, L. H. Sobin (Hrsg.): UICC: TNM Atlas. Illustrierter Leitfaden zur TNM/pTNM-Klassifikation maligner Tumoren. 5. Auflage. Springer, Berlin Heidelberg New York 2005, ISBN 3-540-00042-9.
  • Ch. Wittekind, R. V. P. Hutter, D. E. Henson: UICC: TNM Supplement. A Commentary on Uniform Use. 3. Auflage. Wiley & Sons, New York 2003, ISBN 0-471-46666-2.

Siehe auch

Weblinks

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