Tahtacilar

Tahtacilar

Die Tahtacı sind eine in der Türkei lebende türkischsprachige alevitische Türkmenen. Sie stammen von den oghus-türkischen Stämmen ab.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Die Tahtacı sind ursprünglich ein endogames, nicht-sesshaft in Jurten und isoliert lebendes, alevitisches Gebirgsvolk, das nach seiner seit Jahrhunderten ausgeübten Beschäftigung als Wald- oder Holzarbeiter benannt ist.[1][2] Für die Behauptung der englisch-sprachigen Online-Enzyklopädie Wikipedia, dass es sich bei den Tahtacı um eine Seitenlinie der Yörük handelt, findet sich wenig Unterstützung in der relevanten Fachliteratur.[3] Schon Bent unterschied die nach seinen Angaben von den Türken pauschal Yörük genannten „Nomaden“ der anatolischen Südküste und des Taurusgebirges betont scharf in zwei getrennte „Rassen“ (wörtl. „distinct races“), die waldbewohnenden „Takhtagee Yourouks“ (Tahtacı in unserem Sinne) und die Viehweidewirtschaft treibenden „Pastoral Yourouks“ (Yörük in unserem Sinne), deren Ursprünge er als gleich weit voneinander stehend wie die von Bulgaren und Griechen der Balkanhalbinsel bezeichnete.[4] Wenn er dennoch Ausdrücke wie „the other branch of Yourouks“ verwendete, um Tahtacı und Yörük voneinander zu scheiden, so folgte er hierin wohl dem von ihm als türkisch gewähnten Sprachgebrauch.[5] Von Luschan kam nach der Untersuchung der physischen Merkmale der Tahtacı zu dem Schluss, dass sie vermutlich Nachkommen der vorgriechischen Bevölkerung Kleinasiens, welche mit den Armeniern übereinstimme, seien.[1] Als wichtiges Merkmal sah er dabei die durch eigene Messung ermittelten Schädelindizes von 13 lebenden und 2 verstorbenen männlichen Tahtacı an, die er als erstaunlich homogen bezeichnete und in Beziehung setzte mit den archäologischen ultra-brachycephalen und eminent hypsicephalen Befunden vorgriechischer Zeit, die für einen großen Teil Kleinasiens kennzeichnend sind.[1] Roux war im Gegensatz zu früheren Gelehrten - Geographen wie Anthropologen - von einer Verbindung der Tahtacı zu vorislamischen mittelasiatischen Turkvölkern ausgegangen.[6] Aufgrund von kulturhistorischen Aspekten - Sitten, Bräuchen und Überlieferungen der Tahtacı - hält auch Kehl die Abstammung der Tahtacı von einer frühen anatolischen Bevölkerung für „unhaltbar“.[7] Kehl stützt sich dabei vorrangig auf die Untersuchungen des alevitischen Autoren Yörüken, der die mündlichen Überlieferungen der Tahtacı über ihre Herkunft, Wanderungen und Zusammensetzung sammelte,[8] wonach die Tahtacı vor über dreihundert Jahren aus Bagdad über die Çukurova nach Anatolien eingewandert sein sollen.[9] Doch betont Kehl auch, dass zu Ursprung und Geschichte der Tahtacı keine gesicherten Erkenntnisse bestehen,[10] dass die mündlichen Überlieferungen auch im Dienste der Legitimation von hegemonialer Stellung einzelner Familien gefärbt sein können[11] und dass die Kriterien der Selbstidentifikation dieser Gruppe nicht ausreichend geklärt sind.[12] Nach Reinhard bezeichnen sich die Tahtacı nicht als turkmenisch, seien aber als Türken zu betrachten.[13] Andrews dagegen gibt an, die Tahtacı sähen sich selbst als Turkmenen an, wobei sich die alevitischen Holzfäller in einigen Gegenden (z. B. in der Provinz Balıkesir) eher als Çetmi (für Çepni) denn als Tahtacı bezeichnen.[14]

Siedlungsgebiete

Sie leben hauptsächlich in den Provinzen Balıkesir und Çanakkale. Daneben leben sie auch noch in vielen anderen Provinzen der Türkei. Zum überwiegenden Teil befinden sind ihre Siedlungsgebiete in der West- und Südwesttürkei. Sie leben in den folgenden Bezirken und Dörfern

Bezirke und Städte in der Provinz Balıkesir:

  • Balıkesir: Türkali
  • Burhaniye : Pelitköy, Tahtacı, Taşçılar
  • Edremit : Arıtaşı, Çamcı, Doyran, Hacıhasanlar, Kavlaklar, Kızılçukur, Mehmetalan, Poyratlı, Tahtakuşlar, Yassıçalı
  • Kepsut : Mehmetler
  • Savastepe : Kongurca

Bezirke und Städte in der Provinz Çanakkale:

  • Merkez : Akçeşme, Aykınoba, Çiftlikdere, Damyeri, Daşbaşı, Değirmendere, Denizgöründü, Elmacık, Gürecik, Kayadere, Kemerdere, Yenimahalle
  • Ayvacık : Bahçedere, Çakalini, Çiftlik, Durdağı, Güzelköy, Kokulutaş, Kıztaşı, Uzunalan
  • Bayramiç : Güven, Karıncalı
  • Ezine : Derbentbaşı, Eğridere, Koşuburun

Bezirke und Städte in der Provinz Denizli:

  • Honaz : Dereciftlik köyü
  • Merkez : Yeni köy

Bezirke und Städte in der Provinz Manisa:

  • Soma : Kozluören

Bezirke und Städte in der Provinz Mersin:

  • Mut : Yesilyurt (ehem. Sinobic), Köbrübasi, Kumacukuru, Kayabasi
  • Silifke : "Kirtil"

Literatur

  • Prof Dr. Y.Ziya Yörükhan: Anadolu’da Aleviler ve Tahtacılar, ISBN 975-17-1987-9

Weblinks

Quellen und Quellenanmerkungen

  1. a b c F. von Luschan 1886, a. a. O., S. 170f
  2. Krisztina Kehl, Die Tahtacı. Vorläufiger Bericht über eine ethnisch-religiöse Gruppe traditioneller Holzarbeiter in Anatolien, in: Freie Universität Berlin, Forschungsgebietsschwerpunkt Ethnizität und Gesellschaft - Probleme ethnischer Grenzziehung in Gesellschaften des Vorderen und Mittleren Orients, Occasional Papers, 16, Das Arabische Buch, Berlin 1988, pp. 1-70, ISBN 3-923446-30-6, S. 6
  3. Englischsprachige Wikipedia, Version vom 24. April 2006, http://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Y%C3%B6r%C3%BCk&diff=next&oldid=48032192
  4. Theodore Bent, The Yourouks of Asia Minor, The Journal of the Anthropological Institute of Great Britain and Ireland, 20, 1891, pp. 269-276, Stable URL: http://links.jstor.org/sici?sici=0959-5295%281891%2920%3C269%3ATYOAM%3E2.0.CO%3B2-E, S. 269f
  5. Th. Bent 1891, a. a. O., S. 270
  6. K. Kehl 1988, a. a. O., S. 9, mit Verweis auf J.-P. Roux, Les traditions des nomades de la Turquie meridionale, Paris 1970
  7. K. Kehl 1988, a. a. O., S. 9-11
  8. K. Kehl 1988, a. a. O., S. 7, 11f
  9. K. Kehl 1988, a. a. O., S. 11f, mit Verweis auf Ziya Yörüken, Tahtacılar, in: Ilahiyet Fakültesi Mecmuası, 12, Istanbul 1929, S. 68
  10. K. Kehl 1988, a. a. O., S. 11
  11. K. Kehl 1988, a. a. O., S. 12
  12. K. Kehl 1988, a. a. O., S. 14f
  13. K. Reinhard 1962, a. a. O., S. 28
  14. P. A. Andrews (Ed.) 1989, a. a. O., S. 69

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