Tanuki

Tanuki
Marderhund
Marderhund (Nyctereutes procyonoides)

Marderhund (Nyctereutes procyonoides)

Systematik
Ordnung: Raubtiere (Carnivora)
Überfamilie: Hundeartige (Canoidea)
Familie: Hunde (Canidae)
Tribus: Echte Hunde (Canini)
Gattung: Nyctereutes
Art: Marderhund
Wissenschaftlicher Name
Nyctereutes procyonoides
(Gray , 1834)
Junger Marderhund

Der Marderhund oder Enok (Nyctereutes procyonoides) ähnelt in seiner Gestalt einer Mischform aus Mardern und Hunden, oder eher noch Kleinbären und Hunden. Aus diesem Grund hielt man ihn lange Zeit für einen besonders primitiven Wildhund, der zwischen modernen Hunden und ihren Vorfahren vermittelt. Diese Ansicht wird heute kaum noch von Zoologen geteilt und er gilt nun unzweifelhaft als Mitglied der Hundefamilie, das durch eine konvergente Evolution Aussehensmerkmale von Marderartigen erworben hat.

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Die äußerliche Form ähnelt der eines Waschbären. Die Kopfrumpflänge beträgt etwa 50 bis 65 cm, hinzu kommen 15 cm Schwanz; bis zur Schulter steht ein Marderhund 20 bis 30 cm hoch. Das Gewicht beträgt zwischen 8 und 9 kg. Das weiche Fell ist beigegrau an Flanken und Bauch und am Rücken schwarzbraun. Die Gesichtszeichnung gleicht der Maske eines Waschbären. Marderhunde unterziehen sich einem jahreszeitlichen Fellwechsel; das Winterfell und das Sommerfell gleichen in der Farbe einander, doch ist das Winterfell deutlich dichter und schwerer. Die Lautäußerungen der Marderhunde gleichen eher einem Miauen oder Winseln als einem Bellen. Die Welpen geben oft ein leises Fiepen von sich und die Muttertiere knurren bei Gefahr. In der Nacht stößt ein Rüde bei der Suche nach einer Partnerin langgezogene heulende Schreie aus.

Lebensraum

Der Marderhund ist ein sehr scheuer und nachtaktiver Bewohner von Wäldern und Regionen mit viel Unterholz. Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet des Marderhunds umfasst das östliche Sibirien, das nordöstliche China und Japan. Im 19. Jahrhundert führte man Marderhunde in Westrussland ein, um sie für die Pelzzucht leichter verfügbar zu machen. Zwischen 1928 und 1950 wurden in der Ukraine nahezu 10.000 Tiere ausgesetzt. Von hier aus haben sich die Tiere selbsttätig westwärts verbreitet, es handelt sich bei ihnen also um Neozoen (griechisch „Neutiere“). 1931 gab es die ersten Marderhunde in Finnland, 1951 in Rumänien und 1955 in Polen.

Seit 1960 ist der Marderhund zu einem Teil der deutschen Fauna geworden. 1962 wurde in der Nähe von Osnabrück der erste Marderhund in Deutschland erlegt. Das Vordringen nach Westen verlangsamte sich danach. In Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg ist der Marderhund nun ein recht häufiges Tier, in den anderen Bundesländern aber noch selten.

Ernährung

Marderhunde sind Allesfresser: Sie fressen Mäuse, Vögel, Eier, Fische, Kröten, Schnecken und Insekten ebenso wie Eicheln, Nüsse, Beeren und Obst. Auch Aas verschmähen sie nicht. In 77 % aller Jungtiermägen fanden sich 2006 in einer Untersuchung Insekten und nur im geringem Umfang Säugetiere und Vogelreste. Gut gefüllte Mägen enthielten vor allem Früchte. Bei Alttieren war der Anteil kleiner Wirbeltiere deutlich höher, neben Fröschen und Kröten waren insbesondere Mäuse, Spitzmäuse und Maulwürfe in der Nahrung häufig vertreten. Der Anteil an aufgenommenem Aas war hoch. Die Hälfte der Mägen enthielt Insekten. Im Sommer und Herbst ist der Anteil an Pflanzenkost besonders hoch. Die Ergebnisse zeigen, dass der Marderhund kein Jäger ist wie der Fuchs, sondern eher gemächlich sammelnd wie ein Dachs durch sein Revier streift. Zum Klettern sind sie nicht in der Lage, deshalb suchen sie ihre Beute unter Sträuchern und oft auch am Wasserufer.

Lebensweise

Marderhunde in einem zoologischen Garten.

Der Marderhund ist monogam und bleibt ein Leben lang im Paar zusammen. Beide Partner kümmern sich um die im Schnitt sechs bis zehn Welpen. Als einzige Vertreter der Hunde halten Marderhunde eine Winterruhe. Auf Grund seiner im Sommer angefressenen Fettschicht verlässt er im Winter nur gelegentlich seinen Bau.

Natürliche Feinde

Zu den natürlichen Feinden der Marderhunde zählen der Luchs, Wolf, Braunbär und für Jungtiere der Uhu.

Der Marderhund als Neozoon

Während der Marderhund in Japan selten geworden ist, nimmt seine Zahl in Europa stetig zu. Weil derartige Neozoen, die in der neuen Umgebung keine natürlichen Feinde besitzen, das Ökosystem aus dem Gleichgewicht bringen können, wird die Ausbreitung des Marderhundes oft kritisch gesehen. Es wird vor allem befürchtet, dass er auf Wiesen, in Küstenschutzgebieten und in Höhlen brütende Vogelarten verdrängen könnte. Bisher hat man allerdings noch nicht wissenschaftlich zweifelsfrei belegt, dass eine bestimmte Tierart durch die Ausbreitung des Marderhunds in ihrem Bestand bedroht ist.

Nach der Berner Konvention von 1999 soll die Ausbreitung invasiver Tierarten wie des Marderhunds (neben Waschbär und Mink) streng kontrolliert werden. Seit 1996 unterliegt er daher in manchen Bundesländern dem Jagdrecht, wobei im Jahr 2004 ungefähr 11.000 Abschüsse offiziell registriert wurden. Im Jahr 2006 betrug die Zahl der erlegten Marderhunde in der Bundesrepublik bereits 27.512 Stück.[1] Auf dem Bundesjägertag 2005 wurde von den Jägern zudem eine „nationale Strategie gegen invasiv gebietsfremde Arten“ gefordert.

Sonstiges

Tanuki-Statuen in Japan
Tanuki auf einem Druck von Yoshitoshi (1881). Die Abbildung zeigt deutlich die für traditionelle Tanuki-Darstellungen überdimensionierten Hoden.

Wegen seiner Ähnlichkeit mit einem Waschbären heißt der Marderhund im Englischen Raccoon Dog; auch im Deutschen hört man manchmal irreführende Bezeichnungen wie „Sibirischer Waschbär“.

Im Japanischen heißt er Tanuki. In japanischen Fabeln ist er einer der Hauptfiguren neben Kitsune, dem Rotfuchs. Der Marderhund erscheint hier als Meister der Verkleidung und Gestaltänderung (siehe Yōkai). Er ist so populär, dass seit alters Statuen gebaut wurden, die Marderhunde zeigen.[2] Der Anime Pom Poko behandelt ebenfalls Marderhunde.

Der Marderhund ist neben dem Rotfuchs ein Wirt im Lebenszyklus des Fuchsbandwurms.

Einzelnachweise

  1. Jagdonline - Deutscher Jagdschutz Verband. Abgerufen 4. April 2008
  2. U. A. Casal: The Goblin, Fox and Badger and Other Witch Animals of Japan. In: Asian Folklore Studies, Jg. 18, S. 1-94. (PDF; 4,9 MB)

Literatur

  • Fumiko Y. Yamamoto & Akira Y. Yamamoto: Persistent Themes of Mice and Badgers in Japanese Culture. In: Robert J. Smith & Jerry Stannard: The Folk. Identity, landscape and lores, University of Kansas, Lawrence (Kansas) 1989.

Weblinks


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