Taoistische Sexual-Praktiken

Taoistische Sexual-Praktiken
Ein historischer, chinesischer Druck "Die Verbindung der Essenzen"

Daoistische Sexual-Praktiken (vereinfacht: 合气, traditionell: 合氣, Pinyin: heqi) wörtlich Verbindende Energie oder Die Verbindung der Essenzen, ist die daoistische Art Sex zu praktizieren. Praktizierende glauben, dass man durch Ausüben dieser sexuellen Kunst bei guter Gesundheit bleibt und letztendlich Unsterblichkeit erlangt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die ältesten sexuellen Schriften, die erhalten blieben, wurden in den Mawangdui Gräbern gefunden. Der Daoismus war in dieser Zeit noch nicht vollständig als Philosophie entwickelt, trotzdem zeigen diese Schriften Ähnlichkeiten mit späteren Texten der Tang-Dynastie wie z. B. dem Ishinpō. Die sexuellen Künste erreichten ihre Blüte zwischen dem Ende der Han-Dynastie und der Tang-Dynastie. Danach wurde der konfuzianischer Puritanismus stärker und mit dem Aufkommen der Qing-Dynastie wurde Sex ein Tabu. Diese Konfuzianer begründeten die Unterdrückung der sexuellen Künste mit dem Argument einer angeblichen 2000 Jahre früheren Geschlechtertrennung. Die Zensur während der Qing-Dynastie ließ die sexuellen Künste aussterben. Viele der Schriften blieben nur in Japan erhalten und Gelehrte wussten nicht, dass es im frühen China dieses sexuelle Konzept gab. [1]

Antike und mittelalterlich Praktiken

Qi (Lebenskraft) und Jing (Essenz)

Der Daoismus nimmt an, dass Qi in allen Dingen existiert. Qi ist verwandt mit der energetischen Substanz Jing, die im menschlichen Körper enthalten ist. Jing kann auf verschiedene Art verbraucht werden und ein Mensch stirbt, wenn diese Energie erschöpft ist. Daoisten glauben, dass das meiste Jing im Sperma enthalten ist und daher sollen Männer Ejakulationen vermeiden um diese Körperflüssigkeit und damit ihre Lebensessenz zu erhalten. [2]

Männliche Kontrolle der Ejakulation

Viele Daoisten verbinden den Verlust des Spermas mit einem Verlust von Lebensenergie. Der übermäßige Verlust dieser Körperflüssigkeit hat ein frühzeitiges Altern, Krankheit und allgemeine Erschöpfung zur Folge. Während einige Daoisten glauben, dass man nie ejakulieren darf, bestimmen andere mit einer Formel die maximale Anzahl von Ejakulationen um die Gesundheit zu erhalten. [3] Die grundlegende Idee ist, die Menge verlorener Körperflüssigkeit in Abhängigkeit zur gewünschten Praktik zu begrenzen. Bei den durch die Jahrhunderte weitergegebenen sexuellen Praktiken schwächte sich die Wichtigkeit eines Limits von Ejakulationen ab. Trotzdem ist das Zurückhalten des Samens ein wesentlicher Grundsatz der daoistischen sexuellen Praxis. [4]

Es gibt verschiedene, vorgeschriebene daoistische Verfahren um die Ejakulation zu kontrollieren. Um die Ejakulation zu vermeiden kann ein Mann zwei Dinge tun. Er kann seinen Penis unmittelbar vor dem Orgasmus herausziehen. Diese Methode wird von Joseph Needham als Coitus Conservatus bezeichnet. Das zweite Verfahren benutzt Druck auf dem Gebiet zwischen Hodensack und Anus was eine zurückgehende Ejakulation in die Blase bewirkt. Die Daoisten glaubten, dass der Samen durch dieses Verfahren in ihren Kopf steigt und es so „ernährt“. [5] Joseph Needham nannte diese Methode Coitus Thesauratus. [6]

Jing (sexuelle Energie)

Ein weiteres wichtiges Konzept von Die Verbindung der Essenzen ist die Vereinigung von Mann und Frau um sexuelle Energie Jing zu erzeugen. Das während des Sexualaktes erzeugte Jing kann der Mann in Qi umformen und damit seine Lebenskraft regenerieren. Mit einem intensiven Sexual-Leben hatte der Mann die Möglichkeit viel Jing und dadurch gesundheitliche Vorteile zu erzeugen. [2]

Yin/Yang

Yin/Yang ist ein wichtiges Konzept im Daoismus. Yang bezieht sich auf das männliche und Yin auf das weibliche Geschlecht. Mann und Frau sind das Äquivalent von Himmel und Erde, aber sie wurden getrennt. Dadurch ist der Himmel und die Erde unsterblich, aber Mann und Frau erleiden vorzeitig den Tod. [7] Jede Wechselwirkung zwischen Yin und Yang hat Bedeutung. Wegen dieser Bedeutung ist jede Position und Aktion beim Sexualakt wichtig. Daoistische Texte beschreiben eine große Zahl von Sex-Positionen, die der Heilung dient oder hilft Krankheit zu vermeiden. [8]

Bedeutung der Frau

Für Daoisten ist Sex nicht nur zum Vergnügen des Mannes. Die Frau muss ebenfalls befriedigt werden, um von dem Sexualakt einen Nutzen ziehen zu können. Sex kann nur daher stattfinden, wenn beide es wünschen. Beim Sexualakt erzeugt die Frau dann mehr Jing, und der Mann kann es einfach aufnehmen und sein Qi ergänzen. Die Frauen haben auch einen wichtigen Platz im Ishinpō. Die Frau hat die Kraft, Leben zu bringen, und muss sich nicht wegen einer Ejakulation sorgen. Frauen bleiben daher ohne Verlust von Lebensenergie durch den Sexualakt.

Trotzdem haben Frauen eine minderwertige Stellung in der daoistischen Sex-Praktik. In vielen der Schriften wird die Sexualität von einer männlichen Sicht beschrieben und nicht, wie Frauen vom Sex profitieren können. Männer werden ermutigt, sich nicht mit einer Frau zu begnügen, und werden angewiesen nur mit kinderlosen, schönen Frauen sexuell zu verkehren. Obgleich der Mann die Frau sexuell erfreuen muss, ist sie dennoch nur ein Objekt. [9] An vielen Stellen im Ishinpō wird die Frau als „Feind“ bezeichnet. Man nahm an, dass während des Sexualverkehrs der Mann über das weibliche sexuelle Können dominieren muss. In späteren sexuellen Schriften aus dem Ming verloren die Frauen alle Ähnlichkeit mit einem Menschen und wurden als die „Anderen“ bezeichnet. In diesen Texten verlor die Wichtigkeit die Frau zu Vergnügen ebenfalls an Wichtigkeit. [10]

Frauen wurden damit als Mittel zur Lebensverlängerung für einen Mann betrachtet. Viele der klassischen Werke sind ausführliche Anleitungen, wie ein Mann Sex haben soll, um sein Leben zu verlängern. Er kann sein Leben aber nur durch die Aufnahme der weiblichen Lebensenergien (Jing und Qi) verlängern. Daoisten bezeichnen den Sexualakt als „einen Kampf, um Stärke zu stehlen“. [11] Diese sexuellen Verfahren könnten mit den daoistischen Militär-Strategien verwandt sein. Anstatt die Tore zu stürmen, war eine Schlacht eine Anzahl von Finten und Manövern, mit denen der Widerstand des Feindes geschlagen werden kann. [12]

Wann und wo man Sex hat

Bestimmte Zeiten sind besser für Sexualverkehr geeignet als andere. Sex ist zu vermeiden während Viertel- oder Vollmond, an Tagen mit kräftigem Wind, Regen, Kälte oder Hitze, Sturm, Dunkelheit zwischen Himmel und Erde, Sonnen- und Mondfinsternissen, Regenbogen und Erdbeben. Geschlechtsverkehr in diesen Zeiten wird die Seele des Mannes schädigen und die Frau erkranken lassen. Kinder, in einer solchen Zeit gezeugt, werden verrückt, dumm, pervers oder töricht, stumm, verkrüppelt oder blind, respektlos und gewalttätig.

Für die Erfüllung des Kinderwunsches ist die Wahl des richtigen Tags für den Geschlechtsverkehr wichtig. Nach der weiblichen Periode ist der erste, dritte oder fünfte Tag der Beste. Wenn der Mann an einem dieser Tage nach Mitternacht ejakuliert, wird das Kind wahrscheinlich ein Junge. Wenn ein Mädchen gewünscht wird, muss der Mann am zweiten, vierten oder sechsten Tag nach dem Ende der Periode ejakulieren.

Der Ort für Sex ist ebenfalls wichtig. Die Menschen sollen die blendende Sonne, den Mond, die Sterne, das Innere eines Schreines, die Nähe von buddhistischen Tempeln, Brunnen, Öfen und Toiletten sowie die Nachbarschaft von Gräbern oder Särgern meiden. Werden diese Vorschläge befolgt, wird der Familien-Nachwuchs gut, weise und tugendhaft, ansonsten schlecht und die Familie wird aussterben. [13]

Unsterblichkeit

Alle diese Regeln über den Sex helfen den Menschen Unsterblichkeit zu erlangen. Gemäß Ge Hong, einem daoistischen Alchemisten aus dem 4. Jahrhundert diejenigen, die Unsterblichkeit begehren, müssen das absolut Wichtige perfektionieren. Das beinhaltet das Bewahren von Jing, das Qi kreisen und die beste Medizin nehmen. [14] Die sexuellen Künste befassen sich mit der ersten Regel, das Jing bewahren, was beinhaltet es zum Gehirn zu schicken. Um das Jing zum Gehirn zu bringen, muss der Mann die Ejakulation während des Sex zurückhalten. Gemäß den Daoisten wandert der Samen entlang des Rückgrats und ernährt das Gehirn anstatt den Körper zu verlassen. Jede sexuelle Enthaltung verhindert, dass Yin und Yang sich gegenseitig beeinflussen. Ein Mann musste daher oft Sex haben. Mit korrekt ausgeführtem Sex kann eine Person schließlich Unsterblichkeit erlangen. Ge Hong führt jedoch aus, dass Geschlechtsverkehr mit dem ausschließlichen Ziel der Unsterblichkeit eine Torheit ist. Für die Unsterblichkeit muss neben den sexuellen Künsten die Alchemie praktiziert werden. [14]

Literatur

Klassische Texte
  • Health Benefits of the Bedchamber
  • Ishinpō
Zeitgenössisch Texte
  • Jolan Chang: The Tao of Love and Sex. Penguin, 1991, ISBN 978-0-14-019338-1 (Englisch). 
  • Jolan Chang: Das Tao der Liebe Unterweisungen in altchinesischer Liebeskunst. Rowohlt, 2001, ISBN 978-3-498-00846-8 (Deutsch). 
  • Stephen T. Chang: Das Tao der Sexualität. Von der tieferen Weisheit des Liebens. Goldmann, 2000, ISBN 978-3-442-12213-4 (Deutsch). 
  • Valentin Chu: The Yin-Yang Butterfly. Tarcher, 1994, ISBN 978-0-87477-778-9 (Englisch). 
  • Thomas Cleary: Sex, Health, and Long Life: Manuals of Taoist Practice. Shambhala, 1999, ISBN 978-1-57062-433-9 (Englisch). 
  • Thomas Cleary: Sexualität, Gesundheit und Lebensweisheit. Taoistische Lehren. Droemer Knaur, 2001, ISBN 978-3-426-86128-8 (Deutsch). 
  • Werner Heilmann: Fang-chung-shu, Die chinesische Liebeskunst. 2. Auflage. Wilhelm Heyne Verlag, München 1990, ISBN 3-453-04170-4 (Deutsch). 
  • Hsi Lai: The Sexual Teachings of the White Tigress: Secrets of the Female Taoist Masters. Destiny Books, 2001, ISBN 978-0-89281-868-6 (Englisch). 
  • Hsi Lai: Die sexuellen Geheimnisse der Weißen Tigerin. Heyne, 2004, ISBN 978-3-453-87739-9 (Deutsch). 
  • Hsi Lai: Die sexuellen Geheimnisse des Grünen Drachen. Heyne, 2004, ISBN 978-3-453-87741-2 (Deutsch). 
  • Hsi Lai: The Sexual Teachings of the Jade Dragon: Taoist Methods for Male Sexual Revitalization. Destiny Books, 2002, ISBN 978-0-89281-963-8 (Englisch). 
  • Joseph Needham: Science and Civilization in China. Cambridge University Press, 2008, ISBN 978-0-521-32728-2 (Englisch). 
  • Robert van Gulik: The Sexual Life of Ancient China: A Preliminary Survey of Chinese Sex and Society from ca. 1500 B.C. till 1644 A.D.. Brill Academic Publishers, 2003, ISBN 978-9004126015 (Englisch). 
  • Douglas Wile: The Art of the Bedchamber: The Chinese Sexual Yoga Classics including Women's Solo Meditation Texts. State University of New York Press, 1992, ISBN 978-0-7914-0886-5 (Englisch). 
  • Eric Steven Yudelove: Taoist Yoga and Sexual Energy; Internal Alchemy and Chi Kung. Llewellyn Publications, 2000, ISBN 978-1-56718-834-9 (Englisch). 
  • Chian Zettnersan: Taoist Bedroom Secrets. Lotus Press, 2002, ISBN 978-0-914955-71-9 (Englisch). 
  • Chian Zettnersan: Taoistische Schlafzimmergeheimnisse. 2. Auflage. Windpferd, 2000, ISBN 978-3-89385-346-5 (Deutsch). 

Siehe auch

Quellen

  1. Van Gulik (1961), preface
  2. a b Wile (1992), S. 6.
  3. Wile (1992), S. 92.
  4. Wile (1992), S. 46.
  5. Wile (1993), S. 20.
  6. Needham (1983), S. 199.
  7. Wile (1992), p. 85.
  8. Wile (1992), S. 28.
  9. Wile (1992), S. 102.
  10. Wile (1992), S. 45.
  11. Wile (1992), p. 11.
  12. Wile (1992), S. 14.
  13. Wile (1992), S. 118.
  14. a b Wile (1992), S. 24.

Weblinks


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