- Telomere
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Die Telomere (griech.: τέλος = Ende, μέρος = Ort) sind die natürlichen einzelsträngigen Chromosomenenden linearer Chromosomen. Sie sind für die Stabilität von Chromosomen wesentliche Strukturelemente der DNA. Sie besitzen einen hohen Guanin- und Thymin-Anteil, der hochrepetitiv (oft wiederholt) ist. Bei allen Wirbeltieren findet man z. B. die Nukleotid-Sequenz TTAGGG mehr als 3000-mal wiederholt (in gezüchteten Labormäusen bis zu 4000-mal). Für den Stabilisierungseffekt ist auch die gefaltete Sekundärstruktur der Telomere wichtig. Zudem sind in einigen Organismen die Telomere ein Verankerungspunkt an die Zellkernwand.
Inhaltsverzeichnis
Struktur der Telomere
Die exakte räumliche Struktur der Telomere ist bisher noch nicht endgültig geklärt. Sie hängt von der Basensequenz ab, sodass durchaus mehrere Bindungsmotive auftreten können.
Bei höheren Eukaryoten findet man ein typisches thymin- und guaninreiches Motiv, bei dem man davon ausgeht, dass es eine Quadrupelhelix ausbildet. Dabei paart sich zuerst der 3'-überlappende Strang mit sich selbst und bildet abnormale GG-Doppelbindungen aus. Dieser Doppelstrang paart sich erneut mit sich selbst und bildet eine Quadrupelhelix aus, bei der die Guanine sogenannte Hoogsteen-Bindungen eingehen.
Diese DNA-Sequenz wird von spezifischen DNA-bindenden Proteinen erkannt und gebunden. Dieser Proteinkomplex hat die Aufgabe, es der Zelle zu ermöglichen, das natürliche Chromosomenende von ungewollten DNA-Strangbrüchen zu unterscheiden.
Telomere bei der Replikation
Mit jeder Zellteilung werden die Telomere verkürzt, da die DNA-Polymerase am Folgestrang nicht mehr ansetzen kann. Unterschreitet die Telomerlänge ein kritisches Minimum von circa 4 kbp, kann sich die Zelle nicht mehr weiter teilen, oft tritt dann der programmierte Zelltod (Apoptose) oder ein permanenter Wachstumsstopp ein (Seneszenz). Die hierdurch entstehende Begrenzung der zellulären Lebenszeit wird als Tumorsuppressor-Mechanismus verstanden. Das Enzym Telomerase (ein RNA-Protein-Komplex mit einer reverse-Transkriptase-Aktivität) kann die Verkürzung wieder ausgleichen. Dazu fügt sie an das 3'-OH-Ende G-reiche Wiederholungseinheiten an, deren RNA-Vorlage sich in der Telomerase selbst befindet. Danach klappt der leading strand um und bildet mit sich selbst abnormale GG-Basenpaarungen aus. Von diesem Punkt aus können die RNA-Primase und die DNA-Polymerase den lagging strand auffüllen.
Zellen, in denen dieses Enzym aktiv ist, können sich sehr viel häufiger teilen als andere Körperzellen. Aktiv ist die Telomerase prinzipiell bei einzelligen Eukaryoten (Protozoen), bei höheren mehrzelligen Organismen jedoch nur in ganz bestimmten Zellen:- in den Zellen der Keimbahn (siehe auch Keimzellen),
- in Zellen, die sich sehr häufig teilen müssen, wie den Stammzellen (z. B. Knochenmarkstammzellen) oder den Immunzellen, sowie
- in bis zu 94 % aller proliferierender Krebszellen.
Es hat sich allerdings bei Knock-out-Mäusen gezeigt, dass sie mehrere Generationen ohne Telomerase lebensfähig bleiben können. Es wird angenommen, dass die Reparatur der Telomere auch über Rekombinationereignisse vonstatten gehen kann, geklärt ist dies aber noch nicht.
Bedeutung
Die Bedeutung der Chromosomenenden für deren Stabilität erkannten erstmals die amerikanischen Nobelpreisträger Barbara McClintock und Hermann Joseph Muller, die auch den Begriff Telomer (griechisch: End-Teil) prägten. Telomere werden mit biologischen Vorgängen in Verbindung gebracht, die mit der Alterung von Zellen (Zellseneszenz), aber auch deren Immortalisierung (und damit auch Entstehung von Krebs) zusammenhängen.
Die Enzymaktivität der Telomerase lässt sich durch die TRAP-Methode feststellen.
Beispiele für Sequenzen von Telomeren bei verschiedenen Organismen Gruppe (Reich, Stamm) Organismus Telomerische Wiederholungseinheit (5' nach 3') Wirbeltiere Mensch, Hausmaus, Xenopus TTAGGG Filamentöse Pilze (Fungi) Neurospora crassa TTAGGG Fadenwürmer (Nematoda) Caenorhabditis elegans TTAGGG Schleimpilze Physarum, Didymium
DictyosteliumTTAGGG
AG(1-8)Kinetoplastiden (Protozoa) Trypanosoma, Crithidia TTAGGG Ciliata (Wimpertierchen, Protozoa) Tetrahymena, Glaucoma
Paramecium
Oxytricha, Stylonychia, EuplotesTTGGGG
TTGGG(T/G)
TTTTGGGGApicomplexa (Plasmodium, Protozoa) TTAGGG(T/C) Höhere Pflanzen Arabidopsis thaliana TTTAGGG Grünalgen Chlamydomonas TTTTAGGG Insekten Bombyx mori TTAGG Schlauchwürmer Ascaris lumbricoides TTAGGC Spalt-Hefen (Schizosaccharomyces) Schizosaccharomyces pombe TTAC(A)(C)G(1-8) Knospungs-Hefen Saccharomyces cerevisiae TGTGGGTGTGGTG (vom RNA-Template)
or G(2-3)(TG)(1-6)T (Konsensus)
Candida glabrata GGGGTCTGGGTGCTG Candida albicans GGTGTACGGATGTCTAACTTCTT Candida tropicalis GGTGTA[C/A]GGATGTCACGATCATT Candida maltosa GGTGTACGGATGCAGACTCGCTT Candida guillermondii GGTGTAC Candida pseudotropicalis GGTGTACGGATTTGATTAGTTATGT Kluyveromyces lactis GGTGTACGGATTTGATTAGGTATGT Literatur
- Barbara McClintock (1941), The stability of broken ends of chromosomes in Zea mays, Genetics 26: 234-282
- H. J. Müller (1938), The remaking of chromosomes, The Collecting Net-Woods Hole 13: 181-198
- Epel ES, Blackburn EH et al.: "Accelerated telomere shortening in response to life stress." Proc Natl Acad Sci U S A. 2004 Dec 14;101(50):17323-4.
- Mills M, Lacroix L et al.: "Unusual DNA Conformations: Implications for Telomeres" Current Medicinal Chemistry - Anti-Cancer Agents, Volume 2, Number 5, September 2002, pp. 627-644(18) Link
- Guenther Witzany (2008), The viral origins of telomeres, telomerases and their important role in eukaryogenesis and genome maintenance. Biosemiotics 1:191-206.
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