Tennis-Baron

Tennis-Baron
Gottfried von Cramm (links) mit dem irischen Tennisspieler C. S. Rogers, Juni 1932

Gottfried Freiherr von Cramm, auch genannt der Tennis-Baron (* 7. Juli 1909 in Nettlingen im Landkreis Hildesheim, nahe Hannover, † 9. November 1976 bei Kairo, Ägypten), war ein deutscher Tennisspieler und entstammte dem südost-niedersächsischen Adelsgeschlecht derer von Cramm. Gottfried von Cramm spielte 101 mal für Deutschland im Davis Cup und konnte dabei 82 Spiele im Einzel und Doppel gewinnen. In den 1930er Jahren war er trotz kritischer Haltung zum Nationalsozialismus ein außerordentlich populärer Sportler, der zum Ende des Zweiten Weltkrieges aus Deutschland floh.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jugend

Gottfried von Cramm kam als drittältester Sohn von Burghard von Cramm und Ehefrau Jutta, geborene von Steinberg, im Schloss Nettlingen auf die Welt. Er hatte sechs Brüder und wuchs auf dem elterlichen Schloss und Rittergut in Brüggen auf. Er genoss Privatunterricht auf dem Schloss und legte das Abitur ab. Schon früh war der Berufswunsch des Tennisspielers vorhanden.

Zeit des Nationalsozialismus

Seine erste, kurze Ehe scheiterte 1937. Zu dieser Zeit hatte er in Ägypten eine kurze Romanze mit der Woolworth-Erbin Barbara Hutton. Am 5. März 1938 wurde er jedoch wegen einer ganz anderen Liebesbeziehung von der Gestapo inhaftiert und zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt. Laut der Urteilsbegründung vom 14. Mai 1938 habe er gegen den § 175 des Reichsstrafgesetzbuches verstoßen, in dem er eine homosexuelle Beziehung zu dem jüdischen Schauspieler Manasse Herbst unterhalten und ihm durch finanzielle Unterstützung die Flucht aus Deutschland ermöglicht habe. Die Umstände ließen darauf schließen, dass die Nazis mit strafrechtlicher Verfolgung gegen eine politisch unliebsame Person vorgingen. Er stand nicht hinter dem Regime und weigerte sich, der NSDAP beizutreten. Auch während seiner Tennis-Weltreise 1937/38 vertrat er nicht in gewünschter Weise den nationalsozialistischen Sport und erweckte beim Regime den Eindruck politischer Unzuverlässigkeit. Von Cramm wurde in das Strafgefangenenlager Rollwald verbracht. Nach einem halben Jahr Haft wurde er wegen guter Führung auf Bewährung vorzeitig entlassen.

1940 wurde von Cramm in die Wehrmacht einberufen und an die Ostfront geschickt. 1942 wurde er als Vorbestrafter, der kein Offizier werden konnte, entlassen. In der Folge reiste er oft nach Schweden und setzte sich im letzten Kriegsjahr 1945 dorthin ab und hielt sich mit Unterstützung des tennisinteressierten schwedischen Königs Gustav V. dort als Flüchtling auf.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Krieg wurde er 1948 Besitzer des Rittergutes Wispenstein bei Alfeld, wo er seinen Wohnsitz nahm. Die von Cramms hatten ihren Besitz kurzerhand an die sieben Söhne aufgeteilt, weil sie Besitzverlust durch eine Bodenreform befürchteten. Das Gut ließ von Cramm verwalten und verbrachte wegen seiner sportlichen Karriere dort nur wenig Zeit. Beruflich wechselte er in den Kaufmannsberuf und gründete 1951 in Hamburg eine Importfirma für ägyptische Baumwolle.

1951 begegnete er Barbara Hutton in Deutschland wieder und machte sie 1955 als fünfter Ehemann zur Freifrau von Cramm. Die Ehepartner waren jedoch geschäftlich getrennt unterwegs, und die Ehe scheiterte schon zwei Jahre später, wurde aber erst 1960 geschieden.

Gottfried Freiherr von Cramm starb 1976 während einer Geschäftsreise bei einem Autounfall in der Nähe von Kairo in Ägypten. Nach ihm ist ein Weg in Berlin benannt, an dem die Tennisanlage des Vereins LTTC Rot-Weiß Berlin liegt, dem von Cramm angehörte. Sein Grab befindet sich bei der Familienkapelle derer von Cramm in Oelber am weißen Wege nahe dem Schloss Oelber. Posthum wurde er 1977 als erster Deutscher in die International Tennis Hall of Fame, einem Tennismuseum in den USA, aufgenommen.

Tennissport

Von Cramm begann mit dem Tennisspiel im Alter von elf Jahren. Der Verlust der rechten Zeigefingerkuppe durch einen Pferdebiss beeinträchtigte ihn dabei nicht. Nach dem Abitur zog er nach Berlin, um Jura für seine angestrebte Diplomatenlaufbahn zu studieren. Beim Tennis im Spitzenclub Rot-Weiß wurde sein Talent erkannt und er tauchte schon bald in der deutschen Tennis-Rangliste auf. Aufgrund der Teilnahme an Turnieren im europäischen Ausland brach er sein Studium ab und erreichte schon 1934 die Welt-Tennis-Elite. In dieser Zeit war er neben Max Schmeling der populärste Sportler Deutschlands.

1937 ging von Cramm im Auftrag des Deutschen Tennis-Bundes mit anderen Spitzenspielern per Schiff auf eine Weltreise. Er vertrat bei Turnieren in den USA, Japan, Indonesien und Australien das deutsche Tennis in der Welt. Bei seiner Rückkehr 1938 nach 200 Tagen wurde ein Empfang durch den Reichssportführer in Berlin abgesagt. Einen Tag nach der Ankunft wurde er inhaftiert und angeklagt. 1939 weigerten sich die Verantwortlichen in Wimbledon, ihn als Vorbestraften an ihrem Tennisturnier teilnehmen zu lassen. Kurz zuvor hatte er bei dem Vorbereitungsturnier in Queens im Finale den späteren Wimbledonsieger Bobby Riggs mit 6:0 und 6:1 besiegt.

Nach dem Krieg setzte er seine Tennislaufbahn fort und wurde 1947 sowie 1948 zum ersten Sportler des Jahres in Deutschland gewählt. Er war am Wiederaufbau des deutschen Tennissports beteiligt und Mitbegründer des Deutschen Tennis-Bundes. Auch förderte er den Tennisnachwuchs. Als fast zweiundvierzigjähriger nahm er 1951 noch einmal (erfolglos) am Wimbledon-Turnier teil und bestritt sein letztes Davis-Cup-Match 1953.

Fair Play

Als populärster Tennisspieler seiner Zeit war von Cramm ein großer Vertreter von Fair Play. Die Presse bezeichnete ihn als würdevollen Verlierer und als elegantesten sowie anmutigsten Spieler aller Zeiten.

Zitat eines Spielgegners:

„Er spielte schönes, einfach beneidenswert schönes Tennis, das war ihm wichtiger als der Sieg!“

Größte Erfolge

Von Cramm war dreimal unterlegener Finalist in Wimbledon (1935, 1936, 1937), gewann aber 1933 das Mixed. Zweimal gewann er die French Open (1934, 1936). Sechs Mal gewann er das Turnier am Hamburger Rothenbaum (1932, 1933, 1934, 1935, 1948, 1949).

Die US Open konnte er 1937 im Doppel gewinnen (zusammen mit Henner Henkel). In Wimbledon war er mit Hilde Krahwinkel 1933 im Mixed erfolgreich.

Literatur

  • Marshall Jon Fisher: A Terrible Splendor: Three Extraordinary Men, a World Poised for War, and the Greatest Tennis Match Ever Played. Crown, New York 2009. ISBN 978-0-307-39394-4
  • Egon Steinkamp: Gottfried von Cramm, der Tennisbaron. Eine Biographie mit Dokumenten. Herbig, München 1990. ISBN 3-7766-1631-8

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