The Bread and Puppet Theatre

The Bread and Puppet Theatre
Puppen im Museum des Theaters in Glover/Vermont, USA

Das Bread and Puppet Theater wurde 1962 von dem Deutschen Peter Schumann in New York City (USA) gegründet. Herausragendes Merkmal dieser Theatergruppe ist die Verwendung von teilweise bis zu 5 Meter hohen Puppen, die wie Stabpuppen bewegt werden können, und Masken. Es begreift sich als „eine ständige Werkstatt für Skulptur, Pantomime, Tanz, Geschichtenerzählen und Puppenbau und -spiel, Musik und Instrumentenbau“ (Peter Schumann). Die Teilnehmer wechseln von Aufführung zu Aufführung (zwischen 2 und 100 Schauspieler, Musiker, Puppenspieler, darunter oft auch viele Kinder). Die Inhalte seiner Produktionen basieren auf (tages)politischen Themen, die auf christliche und religiöse Berührungspunkte untersucht werden, wobei das Kollektiv in der Verbindung von Öffentlichkeit und Theater wegweisend war. Außerdem gilt es durch die Aufhebung der Trennung zwischen Wohnen und Arbeiten sowie die spätere Aufnahme von Landwirtschaft als Modell alternativer und selbstbestimmter Lebensformen. Da die Hauptaufführungsorte öffentliche Plätze sind, gilt es als typisches Straßentheater und darf, was die Art der Arbeit, die Inhalte der Stücke und den Bekanntheitsgrad anbelangt, durchaus mit etwa dem Living Theatre verglichen werden, in dessen Räumlichkeiten es anfangs auch auftrat. Es stand der Kultur des Off-Off-Broadway nahe.

Inhaltsverzeichnis

Peter Schumann

wurde am 11. Juni 1934 bei Breslau geboren. 1945 mussten er und seine Familie nach Hannover fliehen. Er studierte Kunst in Hamburg und dem damaligen Westberlin; dabei wurde er besonders von ostasiatischen und den expressionistischen Künstlern der „Brücke“ beeinflusst. Mit dem Musiker Dieter Starosky gründete Schumann 1959 die „Gruppe für Neuen Tanz“, die versuchte aus der Tradition des klassischen Tanzes und Balletts auszubrechen. 1961 wanderten er und seine Frau Elka Leigh Scott in die USA aus.

Aufführungen (eine Auswahl):

  • 1961 erste Inszenierung und Uraufführung Totentanz in einer New Yorker Kirche
  • 1962 Gründung des Bread and Puppet Theaters in der Lower East Side von New York
  • 1962 – 1963 Tournee mit Totentanz durch verschiedene Schulen und Colleges; weitere Produktionen: Die Weihnachtsgeschichte, Feuer (Fire, 1. Fassung)
  • 1963 – 1966 Errichtung des Bread-and-Puppet-Museums in New York; weitere Tourneen und Produktionen
  • 1965 Bau der Puppe „Uncle Fatso“ (die die USA und den westlichen Kapitalismus repräsentiert); Aufführung Der Rattenfänger von Hameln mit 50 bis 60 Kindern
  • 1966 erster Höhepunkt mit dem Stück Fire, in dem drei Amerikaner gewürdigt wurden, die sich aus Protest gegen den Vietnamkrieg umgebracht hatten
  • 1968 Die Schlacht der Riesenpuppen im New Yorker Central Park; Proben zu Die Bibel; weitere Aufführungen von Fire und erste Tournee nach Europa (Amsterdam, London und Berlin) mit Fire, Ein Toter steht auf, Ein Mann nimmt Abschied
  • 1969 erste Aufführungen des berühmt gewordenen Stücks Der Schrei des Volkes nach Speisung (The Cry of the People for Meat), basierend auf dem Stück Die Bibel, in dem die immer wieder verwendeten Figuren von „Uncle Fatso“, „Die vietnamesische Dame“, „Der große Krieger“ sowie „Gott des Himmels“ und „Mutter Erde“ auftauchen; zweite Europatournee mit Vorstellungen u. a. in Nancy, Rom, Turin, Frankfurt am Main, Berlin, Paris, London, Kopenhagen, Stockholm, Breslau und Amsterdam
  • 1970 zieht ein Teil der Gruppe, darunter auch Schumann und seine Familie, nach Plainfield/Vermont und installiert mit Studenten das Theatre in Residence; Arbeit an und Aufführungen von Tristan und Isolde
  • 1971 Teilnahme an der großen Anti-Vietnamkriegs-Demonstration in Washington (D.C.) mit Hunderten von Puppen, Fahnen, einer Musikband und etwa Hundert Mitspielern; Aufführung von Die 14 Stadien des Kreuzes vor dem Capitol; Proben zu Der Vogelfänger in der Hölle (The Birdcatcher in Hell) nach einem japanischen Märchen, Homers Ilias und der berüchtigten Rede Richard Nixons, in der dieser den wegen des Massakers von My Lai angeklagten Leutnant William Calley in Schutz zu nehmen versuchte
  • 1971 – 1972 weitere Europatournee mit 17 Spielern und Aufführungen in Theatern, Schulen, Kirchen und Gefängnissen in Basel, Zürich, Bonn, Stockholm, Hamburg, Warschau, Nancy, Paris und in einer Bank in Frankfurt am Main; währenddessen führen in den USA verbliebene Mitglieder der Gruppe mehrere Stücke des Bread and Puppet auf; nach der Rückkehr intensive landwirtschaftliche Arbeiten auf ihrer Farm; Arbeiten am und Aufführungen vom Coney Island Circus
  • 1974/75 und 1976 weitere ausgedehnte Europatourneen
  • 1989 The Same Boat: The Passion of Chico Mendes
  • 1991 Teilnahme am Festival „Theater der Welt“ in Essen mit dem Stück The New World Order
  • bis 1998 jährlich Veranstalter der Domestic Resurrection Circuses and Pageants (siehe unten): es entstanden dort u. a. die Stücke:
  • 1993 Convention of the Gods
  • 1998 Gates of Hell

Aktuelle Entwicklungen

Heute ist das Bread and Puppet Theater immer noch durch Workshops und gelegentliche Aktionen, auch durch seine Studenten und Schüler, präsent und aktiv, z. B. in Sarajevo während des Jugoslawienkriegs, bei Protesten gegen die Weltbank, die Welthandelsorganisation WTO oder die Republican National Convention, die George W. Bush nominierte, wo Dutzende von Puppenspielern verhaftet, misshandelt und deren Puppen konfisziert und zerstört wurden. Zuletzt fand im Dezember 2005 die Aufführung von Theater for The New City in New York statt, 2006 soll eine Werkstatt für „Lehrlinge“ in Glover/Vermont, wo die Gruppe lebt (auch das Museum befindet sich inzwischen dort), stattfinden.

Eine Aufführung während eines Domestic Resurrection Circus in den 1980er-Jahren

Bis 1998 fand dort jährlich (insgesamt 27 Mal) der so genannte Domestic Resurrection Circus and Pageant statt. Peter Schumann und seine „Stammgruppe“ veranstalteten Workshops, Kurse und Seminare unter freiem Himmel. Im Pageant ging es in diesem Jahr um den 150. Geburtstag des „Kommunistischen Manifests“ und um Brechts 100. Geburtstag, im Circus wurde mit Hunderten von Aktiven eine Freilichtaufführung erarbeitet und aufgeführt, wobei man den atemberaubenden Auftritt des inzwischen über sechzig Jahre alten Schumann auf über 3 Meter hohen Stelzen erleben durfte. Am 19. August verkündete Schumann das vorläufige Ende dieser Aktionen. Zuvor hatten Teilnehmer Hunde und Drogen auf das Gelände mitgebracht, es gab Dutzende von Einlieferungen in Hospitäler, vorwiegend durch Drogenmissbrauch, aber auch durch die Hitze dieses Jahres; außerdem war ein Mann im nahe liegenden Zeltplatz getötet worden. Zudem überstieg die jährlich anwachsende Zuschauer- und Teilnehmermenge die Kapazitäten der Veranstalter. „Wir gehen aber nicht weg, wir werden kleinere Formen von Theater im Sommer hier auf unserer Bread-and-Puppet-Farm abhalten“, so Schumann.

Die belächelte Idee mit Puppen im Zeitalter von Fernsehen u. ä. politischen Protest auszudrücken, hatte sich wie ein Same weiter verbreitet und Früchte getragen: Die Puppenspielerei ist in der Lage „die Welt mit einem unfragmentierten und unkontrollierbaren großen Bild vor sich selbst zu bewahren, ein Bild, das nur das Puppenspiel zeichnen kann, ein Bild, das gleichzeitig beten und attackieren kann, ein theatrum mundi, das das Verlangen der Welt zu sein, was sie sein könnte, beinhaltet“, resümiert Peter Schumann (CBC Radio One, Übersetzung: der Verfasser).

Literatur

  • Schumann, Peter: Puppen und Masken – Das Bread and Puppet Theater, Frankfurt am Main, Fischer Verlag 1973, ISBN 3-436-01774-4 (befasst sich in Text und vielen Fotos fast ausschließlich mit dem Stück Der Vogelfänger in der Hölle, dessen kompletter Text abgedruckt ist.)

Siehe auch

Weblinks


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