Themistius

Themistius

Themistios (* ca. 317; † nach 388) war einer der berühmtesten Rhetoren der Spätantike und ein bekannter Philosoph. Als Heide trat er dennoch für eine Kooperation mit den christlichen Kaisern seiner Zeit ein.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Familiengeschichte

Themistios wurde um 317 in eine Philosophenfamilie geboren; der Geburtsort lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen, möglicherweise stammte Themistios aus Byzantion (dem späteren Konstantinopel). Sein namentlich nicht bekannter Großvater brachte es in seiner Tätigkeit als Philosoph immerhin bis zu einer lobenden Erwähnung durch Diokletian, der Vater Eugenius philosophus war nach Auskunft ebenfalls ein namhafter Philosoph. Er hatte sich in Konstantinopel vor allem mit der Kommentierung des Aristoteles einen Namen gemacht und offenbar eine regelrechte Schule unterhalten. Außerdem erwähnt Themistios in or. (Rede) 20 mehrere Brüder, über die aber ansonsten nichts bekannt ist. Insgesamt scheint die Familie recht wohlhabend gewesen zu sein; so spricht Themistios von Landgütern im Besitz seines Vaters.

Jugendzeit und Karrierebeginn

Kindheit und Jugendzeit des Themistios liegen weitgehend im Dunkeln. Er wird die normale Erziehung durchlaufen haben, bevor er sich intensiver der rhetorischen Ausbildung zuwandte. Von seinen Lehrern ist nur Flavius Antonius Hierocles namentlich bekannt. Um 337 herum ließ Themistios sich dann in Konstantinopel nieder und begann, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Er verfasste paraphraseis zu den Schriften des Aristoteles, die offenbar ein großer Erfolg waren. In dieser Zeit heiratete er seine erste Frau, die Tochter eines anderen Philosophen; sehr bald darauf dürfte sein Sohn, ebenfalls mit Namen Themistios, geboren worden sein, denn dieser gehörte schon gegen 355 zu den Schülern des Libanios in Antiochia. Der Sohn des Themistios starb allerdings bereits im Jahre 357. Knapp zehn Jahre später nahm dann Themistios selbst die rhetorische und philosophische Lehrtätigkeit auf. Da er aufgrund seiner Aristoteleskommentare bereits einen Namen in Konstantinopel besaß, war er als Lehrer sehr erfolgreich und zog neben Schülern aus der Hauptstadt selbst auch solche aus Griechenland und Kleinasien an.

Erster Karrierehöhepunkt

In das Rampenlicht der politischen Öffentlichkeit trat er im Sommer 350, nunmehr ein gefeierter und bald von verschiedenen Städten umworbener Redner. Gefördert wurde er von Flavius Saturninus, dem in seiner 16. Rede ein Denkmal setzte. Von Konstantinopel aus begab Themistios sich nach Ancyra, wo er vor Constantius II. or. 1 hielt. Diese Rede markiert den Beginn einer ganz außerordentlichen Karriere unter verschiedenen Kaisern. Allerdings brachte der ständig wachsende Ruhm dem Heiden Themistios in Konstantinopel bald eine Reihe von Gegnern unter den einflussreichen Christen der Stadt ein. Diese Gegnerschaft scheint ihn dazu bewogen zu haben, ernsthaft über eine Verlagerung seiner Wirkungsstätte nachzudenken. Vermutlich um seinen Weggang aus Konstantinopel zu verhindern, erhob Constantius II. ihn 355 in den Senat der Hauptstadt.

Im Frühjahr des Jahres 357 wurde Themistios dann als Gesandter des Senats nach Rom geschickt, um Constantius II., der dort die vicennalia seiner Herrschaft feierte, die Glückwünsche Konstantinopels zu übermitteln. Seine Romreise beförderte ihn an die Spitze des politischen wie auch des geistigen Lebens Konstantinopels.

Auch Konstantius sah in Themistios die herausragendste Persönlichkeit Konstantinopels. Um das Ansehen der Stadt, die Constantius' Vater Konstantin der Große gegründet und zur neuen Reichshauptstadt erhoben hatte, auch in personeller Hinsicht zu vergrößern, beauftragte der Kaiser Themistios nach seiner Aufnahme in den Senat mit der Vergrößerung der Zahl der Senatoren. Hierin scheint Themistios recht erfolgreich gewesen zu sein, allerdings bleiben die genauen Abläufe weitgehend unklar. Daneben hat er offenbar aktiv den Zuzug von Gelehrten aus den umliegenden Provinzen nach Konstantinopel betrieben, um das geistige Leben der Stadt zu fördern. Verschiedentlich ist angenommen worden, dass diese Aufgaben bereits mit einem konkreten politischen Amt verbunden gewesen seien, dass Themistios tatsächlich 358/59 Prokonsul von Konstantinopel war, ist der Quellenlage nach allerdings eher unwahrscheinlich. Immerhin war Constantius mit dem Wirken des Themistios sehr zufrieden, was sich im Herbst 359 unter anderem darin äußerte, dass der Kaiser ihn an seine Tafel bat.

Bereits im Winter 359 wurde dann das Amt des Proconsul von Constantius abgeschafft und durch das des praefectus urbi ersetzt, womit Konstantinopel endgültig Rom gleichgestellt war. Constantius hatte dieses Amt vermutlich zunächst dem Themistios angeboten, nachdem dieser jedoch ablehnt hatte, dann den Honoratus damit betraut. Trotz der einflussreichen Position des Themistios in Konstantinopel und der Gunst des Constantius, sah er sich in dieser Zeit heftiger Kritik ausgesetzt. Hiervon zeugen orr. 23, 26 und 29, in denen er sich gegen den Vorwurf zur Wehr setzt, er sei in Wahrheit kein Philosoph, sondern lediglich ein Sophist.

Themistios unter Julian Apostata und Jovian

Zwischenzeitlich starb offenbar seine erste Frau, denn im Jahr 359 heiratet er erneut. Sein Verhältnis zu Julian Apostata, dem letzten heidnischen Kaiser, gestaltete sich nicht zuletzt aufgrund grundsätzlicher philosophischer Differenzen zwischen den beiden schwierig. Allerdings weisen sowohl Nachrichten über eine rege Korrespondenz zwischen beiden als auch der von Themistios vermutlich 363 verfassten panegyricus auf Julian auf eine wenigstens von gegenseitigem Respekt geprägte Beziehung. Sein Verhältnis zu Julians Nachfolger Jovian scheint hingegen eher distanziert gewesen zu sein; so schlug er die Bitte des Senats von Konstantinopel, eine Gesandtschaft nach Antiochia anzuführen, um dem neuen Kaiser zu seinem Regierungsantritt zu gratulieren, zunächst ab. Die genauen Gründe hierfür sind unbekannt, zum Jahresbeginn 364 hielt Themistios dann in Ancyra anlässlich des Konsulatsantritts von Jovian und seinem Sohn Varronian or. 5.

Zweiter Karrierehöhepunkt

Unter Valens steigerte sich seine politische Bedeutung weiter. So verweist Themistios in or. 31 darauf, dass Valens zeitweise seinen Rat suchte, mit or. 9 bot er sich sogar als Prinzenerzieher für Valentinianus Galates, den jungen Sohn des Valens, an. Es dürfte wenig Zweifel daran geben, dass Valens Themistios tatsächlich zum Erzieher seines Sohnes bestellt hätte, wäre letzterer nicht sehr bald danach gestorben. In der Folgezeit nahm er in führender Rolle an verschiedenen Gesandtschaften des Senats von Konstantinopel teil. Außerdem verfasste er zu den quinquennalia des Valens 368 or. 8 sowie fünf Jahre später anlässlich seiner decennalia or. 11. 375 oder 376 reiste Themistios erneut nach Rom und hielt dort einen panegyricus auf Gratian. Aus welchen Gründen er nach Rom geschickt wurde, ist nicht bekannt.

Auch zu Theodosius I. hatte er ein sehr gutes Verhältnis; Or. 16 ist dabei eine wichtige Quelle für den Gotenvertrag von 382, den Theodosius mit den Donaugoten abgeschlossen hatte. Seinen Ausdruck fand das kaiserliche Wohlwollen unter anderem darin, dass ihn der Kaiser um 384 zum praefectus urbi von Konstantinopel ernannte. Auch wenn die genaue Datierung und die näheren Umstände seiner Amtszeit im Dunkeln liegen, ist doch aufgrund von orr. 31 und 34 wenigstens klar, dass sie Themistios erneut Anfeindungen eingebracht haben müssen. Diese haben sich offenbar nicht auf den Bereich der philosophischen Auseinandersetzung beschränkt, vielmehr ist in or. 34 explizit von Misswirtschaft die Rede. Vielleicht aufgrund dieser Streitigkeiten um seine Person legte er sein Amt offenbar schon nach wenigen Monaten wieder nieder. Noch im gleichen Jahr bestimmte der Kaiser Themistios dann zum kaiserlichen Prinzenerzieher für seinen Sohn Arcadius. Or. 34 ist die letzte Rede, die sich von ihm erhalten hat, sie stammt vermutlich aus den ersten Monaten des Jahres 385. Danach haben sich über das Leben des Themistios keine Nachrichten mehr erhalten. 388 scheint er noch am Leben gewesen zu sein, sein Todesdatum ist unbekannt.

Werk

Vom umfangreichen Werk des Themistios haben sich 33 Reden im griechischen Original erhalten, von 3 weiteren liegen noch syrische Übersetzungen vor. Bei or. 12, die ebenfalls Eingang in das Redencorpus gefunden hat, handelt es sich um eine Fälschung aus der Zeit der Renaissance.

Die paraphraseis, Zusammenfassungen der Schriften des Aristoteles, sind ebenfalls teilweise erhalten, zum Teil allerdings nur in hebräischer Übersetzung.

Literatur

Primärtexte

  • Orationes
    • Hartmut Leppin, Werner Portmann: Themistios. Staatsreden. Stuttgart 1998.
    • R. J. Penella: The private orations of Themistius. Berkeley 2000.
    • G. Downey/A. F. Norman: Themistii Orationes voll. 1-3. Leipzig 1964–74. [Einschlägige, aber nicht völlig korrekte Textausgabe der griechisch überlieferten Reden.]
  • Aristoteles-Paraphrasen und -Kommentare
    • Commentaria in Aristotelem Graeca, Bd. 5, Berlin
    • Themistii paraphrases Aristotelis librorum quae supersunt, hg. Leonhard von Spengel, Leipzig: Teubner 1866, Nachdruck 1998.
    • Paraphrase von De Caelo, Venedig 1574 (lat. Übers. aus der hebr. Übers.)
    • Paraphrase von Buch Lambda der Metaphysik, Venedig 1558 (lat. Übers. der hebr. Übers.), hg. S. Landauer 1903, Nachdruck 2000.
    • Commentaire sur le traité de l’Ame d’Aristote, lat. Übers. von Wilhelm von Moerbeke, Louvain 1957.
    • On Aristotle's "On the Soul", engl. Übers. Todd, Cornell 1996 (Ancient Commentators on Aristotle)
    • On Aristotle's "Physics" book 4, engl. Übers. Todd: Cornell 2003 (Ancient Commentators on Aristotle)

Sekundärliteratur

  • M. Achard: La paraphrase de Thémistius sur les lignes 71 a 1-11 des Seconds Analytiques. In: Dionysius 23, 2005, S. 105-116.
  • M. Achard: Themistius’ Paraphrase of Posterior Analytics 71a17-b8. An example of Rearrangement of an Aristotelian Text. In: Laval théologique et philosophique, 64.1, 2008, S. 15-31.
  • G. Dagron: L’empire romain d’Orient au IVème siècle et les traditions politiques de l’hellénisme: Le témoignage de Thémistios. In: Travaux et Mémoires 3, 1968, S. 1–242. [Immer noch grundlegende Studie sowohl zur Biographie als auch zur geistesgeschichtlichen Verortung des Themistios.]
  • Robert Malcolm Errington: Themistius and his emperors. In: Chiron 30, 2000, S. 861–904.
  • Peter J. Heather: Themistius. A political philosopher. In: The Propaganda of Power. The Role of Panegyric in Late Antiquity. Hrsg. v. Mary Whitby, Leiden 1998, S. 125–150.
  • W. Stegemann: Themistios (2). In: Pauly-Wissowa RE V, A 2 (1934), 1642–1680.
  • J. Vanderspoel: Themistius and the Imperial Court. Ann Arbor 1995. [Letzte monographische Auseinandersetzung mit der Biographie des Themistios.] (fachwissenschaftliche Rezension)

Weblinks



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