Theophrastos

Theophrastos
Theophrastos

Theophrastos, griech. Θεόφραστος, (* um 371 v. Chr. zu Eresos auf der Insel Lesbos; † 287 v. Chr.? in Athen) war ein griechischer Philosoph und Naturforscher. Theophrastos war Schüler des Aristoteles und Leiter der peripatetischen Schule. Sein offizielles botanisches Autorenkürzel lautet „Theophr.“.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Theophrast war zunächst Mitglied in Platons Akademie, bevor er Aristoteles in den von jenem gegründeten Peripatos folgte. Theophrast war dort der wichtigste Schüler und hatte nach der Übernahme des Scholarchats (Schulleiterschaft) nach Aristoteles' Tod 322 bis zu 2000 Schüler. Theophrastos ist der Verfasser von etwa 200 Schriften dialektischen, metaphysischen, moralischen und physikalischen Inhalts und zur Logik, von denen einige naturhistorische und philosophische sind und zum Teil Fragmente aus größeren Werken enthalten. Seine historische Schrift über die Lehrmeinungen der vorsokratischen Naturphilosophien, physikon doxai, ist verloren. Theophrast wurde 85 Jahre alt und ist nach einem - wohl ironisch gemeinten - Bericht des Diogenes Laertios an "nachlassendem Arbeitseifer" gestorben.

Lehre

Theophrast entwickelte weniger eine eigene Philosophie, als dass er die Teleologie von Aristoteles kritisch übernahm. Während Aristoteles noch die causa finalis als erste Ursache, prima causa, betrachtete, lässt sich bei Theophrast in der Metaphysik beobachten, dass bei ihm eine Verschiebung hin zur causa efficiens stattfindet. Der Hauptunterschied zur Ontologie von Aristoteles (und von derjenigen Platons) liegt darin, dass nicht zweckmäßige, aber dennoch regelmäßige Naturphänomene, z. B. Brustwarzen bei männlichen Lebewesen, als durch die causa efficiens verursacht angenommen werden. Insgesamt ergibt sich durch die überlieferten Schriften das Bild einer viel gemäßigteren Teleologie, wobei die Schrift über Müdigkeit (peri kopon) sogar mechanistisch anmutet. Theophrasts Hinwendung zu einem Kausalitätsverständnis, das dem modernen mehr als dem aristotelischen ähnelt, erklärt, warum es einerseits zur Übernahme einer stärker materialistischen Mentalität bei den Epikuräern, andererseits zur Ablehnung bei den Stoikern, die auf Heraklit Bezug nahmen, gekommen ist.

Theophrastos gilt als der erste Gelehrte, der sich ernsthaft mit Baum- und Holzkunde beschäftigt hat. Geschichtlicher Hintergrund war zu seiner Zeit ein akuter Holzmangel in Athen, nachdem Alexander der Große die Ausfuhr starker Hölzer aus Makedonien verboten hatte. Dadurch hatte die Regierung in Athen nicht mehr genügend Schiffbauholz für den Ausbau ihrer Flotte zur Verfügung, was sie schließlich die Herrschaft über die Seehandelswege der Ägäis kostete.

In seiner Naturgeschichte der Gewächse behandelt Theophrast – gestützt allerdings weniger auf eigene Untersuchungen, sondern mehr auf Berichte von Landwirten, Reisenden, Holzhauern und Kohlenbrennern – vor allem Fragen der Holztechnologie und der Holzbenutzung, aber auch die Standortskunde. So berichtet er von Harpalos, der während seiner Zeit als Statthalter Alexanders des Großen in Babylon vergebens versucht hatte, dort griechische Gehölze anzubauen. Aus diesem gescheiterten Unterfangen schließt Theophrast:

„Daß aber jedes Gewächs seinen eigenen Boden liebt und seine eigene Luftmischung, ist daraus klar (...), dass es Gewächse gibt, die an verschiedenen Orten entweder gar nicht fortkommen, oder, wenn sie gepflanzt werden, nicht fortwachsen, keine Früchte tragen und im ganzen schlecht geraten (...) Alle aber werden schöner und stärker, wenn sie auf ihrem eigentümlichen Boden wachsen. Auch die wild wachsenden [Bäume] haben jeder seinen angemessenen Standort, wie auch die zahmen“ (zitiert nach der deutschen Übersetzung von Kurt Sprengel, 1822).

Theophrastos erkannte auch schon einige der Grundregeln des Waldbaus. So schrieb er über die Auswirkungen der Bestandsdichte:

„Die gedrängt stehenden [Bäume] wachsen und breiten sich viel mehr in die Länge aus; daher sind sie ohne Knoten, gerade und schlank, und es werden die schönsten Ruder daraus gemacht. Die einzeln stehenden wachsen mehr in die Breite und Dicke; daher sind sie knorriger, knotiger und im Ganzen fester, als die, welche gedrängt wachsen“ (zitiert nach Sprengel, 1822).

Der Forsthistoriker Walter Kremser bezeichnet Theophrast daher nicht nur als den Begründer der Dendrologie, sondern auch als den ersten Forstwissenschaftler überhaupt. [1]

Vgl. Kirchner, Die botanischen Schriften des Theophrastos. (Leipz. 1874).

Siehe auch: Achat

Ehrentaxon

Charles Plumier benannte ihm zu Ehren eine Pflanzengattung Eresia[2]. Carl von Linné ändert später diesen Namen in Theophrasta[3][4]. Sie zählt zur Familie der Theophrastaceae.

Werke

  • Eine seiner bedeutendsten Schriften ist Charaktere, in der er Schwächen und Fehlverhalten des Menschen beschreibt und diese bestimmten Charakteren zuteilt.
    • Ethici characteres (hrsg. von Foß, Leipz. 1858, und Petersen, das. 1859; deutsch von Schnitzer, Stuttg. 1858; von Binder, das. 1864; vgl. La Bruyère)
    • Charaktere. Griechisch und deutsch. Übers. u. hrsg. v. Dietrich Klose. Mit einem Nachwort von Peter Steinmetz. Stuttgart: Reclam 1970 (Universal-Bibliothek Nr. 619), ISBN 3-15-000619-8
    • Charaktere. Dreißig Charakterskizzen (übersetzt von Kurt Steinmann). Insel-Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2000, ISBN 3-458-34362-8)
  • Naturgeschichte der Gewächse (hrsg. von Schneider, Leipz. 1818-21, 5 Bde.; deutsch von Kurt Sprengel, Altona 1822, 2 Bde.)
  • Eine Gesamtausgabe des noch Vorhandenen von seinen Schriften besorgte Wimmer (Leipz. 1854-62, 3 Bde., und Par. 1866, 1 Bd.).
  • Die Metaphysik Theophrasts. Ediert, übersetzt und kommentiert von Jörn Henrich. Beiträge zur Altertumskunde, Band 139. Saur, München und Leipzig 2000, ISBN 3-598-77688-8
  • Theophrast. De Odoribus. (Über die Gerüche.) Edition, (deutsche) Übersetzung und Kommentar von Ulrich Eigler und Georg Wöhrle. Stuttgart 1993. ISBN 3-519-07486-9.

Literatur

  • Georg Wöhrle: Theophrasts Methode in seinen botanischen Schriften. In: Studien zur antiken Philosophie. Band 13. Grüner, Amsterdam 1985, ISBN 90-6032-257-6
  • William W. Fortenbaugh: Quellen zur Ethik Theophrasts. In: Studien zur antiken Philosophie. Band 12. Grüner, Amsterdam 1984, ISBN 90-6032-218-5
  • Gustav Senn: Die Entwicklung der biologischen Forschungsmethode in der Antike und ihre grundsätzliche Förderung durch Theophrast von Eresos. In: Veröffentlichungen der Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften. 8[a]. Sauerländer, Aarau 1933

Quellen

Einzelnachweise

  1. Walter Kremser: Niedersächsische Forstgeschichte. Eine integrierte Kulturgeschichte des nordwestdeutschen Forstwesens. Rotenburger Schriften, Sonderband 32. Heimatbund Rotenburg/Wümme, Rotenburg (Wümme) 1990, S. 24/27
  2. Charles Plumier: Nova Plantarum Americanarum Genera. Leiden 1703, S. 8
  3. Carl von Linné: Critica Botanica. Leiden 1737, S. 94
  4. Carl von Linné: Genera Plantarum. Leiden 1742, S. 66

Weblinks


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