Theophylactus Simocattes

Theophylactus Simocattes

Theophylaktos Simokates (auch Simokatta; kurz Theophylakt; latinisiert Theophylactus Simocatta) war ein spätantik-frühbyzantinischer Historiker des frühen 7. Jahrhunderts. Der Beiname Simokatta (stupsnasige Katze) bezieht sich vermutlich auf sein Aussehen.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Theophylakt, der als der letzte antike Geschichtsschreiber gilt, stammte aus der oströmischen Provinz Ägypten, sehr wahrscheinlich aus Alexandria. Er wurde wohl um 580 geboren, über sein Leben ist aber nur wenig bekannt. Vermutlich wurde ihm in Ägypten eine rhetorische Ausbildung zuteil. Diese Annahme liegt zumindest recht nahe, genossen doch die Bildungseinrichtungen in Alexandria auch im frühen 7. Jahrhundert noch einen guten Ruf: Stephanos von Alexandria, der letzte bekannte antike Neuplatoniker, lehrte bis etwa 610 an der dortigen Hochschule. Theophylakt zeigt auch in seinen literarischen Werken Kenntnis der griechischen Klassiker (Homer, Thukydides, Platon), aber auch späterer Autoren (z. B. Lukian und Libanios). Er kam unter Kaiser Phokas, also zwischen 602 und 610, nach Konstantinopel. Theophylakt, der auch eine juristische Ausbildung genossen hatte, diente anschließend Kaiser Herakleios als Beamter in verschiedenen Funktionen.[1] Er bekleidete vielleicht auch das hohe Amt des Stadtpräfekten von Konstantinopel.

Werk

Theophylakt verfasste, neben einer Briefsammlung und einer „naturwissenschaftlichen“ Abhandlung (bekannt als Quaestiones physicae, die eher der Unterhaltungsliteratur zuzuordnen ist), ein Geschichtswerk in acht Büchern, das in der Regel als Historien bezeichnet wird. Es gilt in der Regel als das letzte Werk der antiken Geschichtsschreibung. Theophylakt schrieb Zeitgeschichte: Er befasste sich, anschließend an das Werk des Menander Protektor, mit der Herrschaft des oströmischen Kaisers Maurikios (582–602) sowie insbesondere mit dessen Kriegen gegen Sassaniden und Slawen (siehe hierzu auch Römisch-Persische Kriege und Balkanfeldzüge des Maurikios). Dabei benutzte Theophylakt vor allem schriftliche Vorlagen. Als Hauptquelle für den Perserkrieg (der 591 endete) diente ihm das Geschichtswerk des Johannes von Epiphaneia, das bedauerlicherweise bis auf ein Fragment verloren gegangen ist. Das Fragment verdeutlicht aber, dass Johannes in der Tradition der spätantiken klassizistischen Historiker stand; er scheint sich auch auf gute Quellen sowie auf Augenzeugen gestützt zu haben. Für die Zeit des Perserkriegs zog Theophylakt vermutlich noch ein zweites Werk heran, das die Taten von Herakleios dem Älteren in einem sehr positiven Licht darstellte. Ein ähnliches Werk, wohl mehr eine Art Memorandum als ein wirkliches Geschichtswerk, verwendete Theophylakt – neben, so Michael Whitby, zwei weiteren Quellen – für die Balkanfeldzüge des Maurikios. In diesem Zusammenhang wird der magister militum Priskos sehr positiv gezeichnet.[2] Aus der Darstellung ergibt sich, dass das Werk Theophylakts um 630 verfasst worden sein muss: Der letzte Krieg, den Ostrom unter Herakleios gegen die Perser geführt hatte (602–628), war offenbar bereits vorbei, aber die Angriffe der Araber (seit 634) hatten noch nicht eingesetzt, zumindest finden sich keine Anspielungen auf sie.

Theophylakts Werk ist zwar noch auf Altgriechisch verfasst, enthält aber bereits zahlreiche Formen, die auf die Sprache der mittelbyzantinischen Zeit vorausweisen. Es kann sich sprachlich und stilistisch nicht mit den Geschichtswerken von Ammianus Marcellinus oder Prokopios von Caesarea messen, gerade weil Theophylakt stets seine klassische Bildung illustrieren will und daher zahlreiche rhetorische Figuren verwendet; dies wird bereits im Proömium deutlich, wo es zu einem „Dialog“ zwischen der personifizierten Philosophia und der Historia kommt. Theophylakt orientierte sich stark an den antiken Vorbildern und bemühte sich sichtlich, diese nachzuahmen (Mimesis), was zu gespreizten Ausdrücken und Anachronismen führte. Oft wirkt die Sprache sehr überladen, der Aufbau wird durch unnötige Einschübe verkompliziert. Christliche Feste und Würdenträger beispielsweise werden von Theophylakt, der offensichtlich selbst Christ war, recht gewunden umschrieben; an anderen Stellen hingegen weist er jedoch auf das Wirken Gottes hin.[3] Zudem fehlt es Theophylakt an eigenen militärischen Erfahrungen, was sich bei einigen Beschreibungen bemerkbar macht.[4]

Trotz dieser Schwächen bieten die Historien, die wohl unvollendet geblieben sind, sehr wichtige und weitgehend zuverlässige Informationen über Perser sowie Awaren und Slawen. Da nach dem Angriff der Araber die spätantike Kultur auch in Ostrom einen raschen Niedergang erlebte, fand Theophylakt keinen Fortsetzer mehr. Die Tradition der antiken Historiographie riss ab, und die spätere byzantinische Geschichtsschreibung knüpfte dann nicht mehr nahtlos an sie an.[5]

Die Historien wurden um 800 nachweislich von Theophanes benutzt, Photios fertigte im Rahmen seiner Bibliotheke einen knappen Auszug an. Die editio princeps wurde 1604 von J. Pontanus in Ingolstadt herausgegeben.

Literatur

Ausgaben und Übersetzungen

  • Carl Gotthard de Boor: Theophylacti Simocattae historiae. Leipzig 1887; Neuauflage hrsg. von P. Wirth. Stuttgart 1972.
  • Peter Schreiner: Theophylaktes Simokates: Geschichte. Stuttgart 1985.
  • Michael Whitby, Mary Whitby: The History of Theophylact Simocatta. An English Translation with Introduction and Notes. Oxford 1986.

Sekundärliteratur

  • Dariusz Brodka: Die Geschichtsphilosophie in der spätantiken Historiographie. Studien zu Prokopios von Kaisareia, Agathias von Myrina und Theophylaktos Simokattes. Studien und Texte zur Byzantinistik 5. Frankfurt am Main 2004.
  • Joseph D. C. Frendo: History and Panegyric in the Age of Heraclius: The Literary Background to the Composition of the „Histories“ of Theophylact Simocatta. In: Dumbarton Oaks Papers 42, 1988, S. 143–156.
  • Herbert Hunger: Die hochsprachliche profane Literatur der Byzantiner. Bd. 1 (von 2). München 1978, S. 313ff.
  • John Martindale: The Prosopography of the Later Roman Empire IIIb. Cambridge 1992, S. 1311.
  • Mischa Meier: Prokop, Agathias, die Pest und das „Ende“ der antiken Historiographie. In: Historische Zeitschrift 278, 2004, S. 281–310.
  • Michael Whitby: The emperor Maurice and his Historian. Theophylact Simocatta on Persian and Balkan Warfare. Oxford 1988.

Weblinks

Anmerkungen

  1. Zum vermutlichen Lebenslauf siehe Whitby, Emperor Maurice, S. 28ff.
  2. Allgemein zu den Quellen siehe Whitby, Emperor Maurice, S. 92ff. und 222ff.; knapp auch in der Übersetzung von Whitby und Whitby, S. XXIff.
  3. Vgl. Meier, Prokop, S. 306ff., der sogar meint, kirchengeschichtliche Aspekte ausmachen zu können.
  4. Vgl. zusammenfassend Hunger, Literatur, Bd. 1, S. 317f.
  5. Vgl. speziell Meier, Prokop (zu Theophylakt: S. 304ff.).



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