Theriac

Theriac

Theriak war eine ursprünglich als Antidot entwickelte Arznei, die im Mittelalter als Universalheilmittel gegen alle möglichen Krankheiten und Gebrechen verwendet wurde und heute noch – jedoch mit abgewandelter Rezeptur und Indikation – hergestellt wird.

Inhaltsverzeichnis

Antike

Die Ärzte des klassischen Griechenland versuchten die Bisse giftiger Schlangen mit einer Kräutermixtur aus Anis, Fenchelsamen und Kümmel zu heilen. Das Rezept für das Heilmittel war in die Mauer des Asklepieions auf der Insel Kos eingemeißelt. Diese Arznei wurde Theriak genannt. Der Begriff wird erstmals um ca. 170 v. Chr. bei Nikandros von Kolophon, Arzt, Grammatiker und Dichter, erwähnt.

Mithridates VI. Eupator (* 132 v. Chr.; † 63 v. Chr.), König von Pontos in Kleinasien, hatte Grund, sich vor Giftanschlägen aus seiner Familie und seinem Umfeld zu fürchten, denn er hatte als Jugendlicher vermutlich seinen Vater und seine Mutter vergiftet, um an die Macht zu gelangen. Er erweiterte mit Hilfe seines Leibarztes die Rezeptur des Theriak auf 54 Ingredienzien, darunter „magische“ Zutaten wie Entenblut, Schlangen- und Krötenfleisch. Nach ihm wurde das Mittel, das er selbst als Vorbeugung gegen Giftanschläge eingenommen haben soll, auch Mithridat oder Mithridatium genannt.

Die Zusammenstellung wurde später um Opium als weitere Zutat erweitert. Die persische bzw. turkmenische Bezeichnung "Teriak" bzw. "Theriaak" für die aus dem Mohn gewonnene Substanz[1] [2] [3] ist eine vermutete Sprachwurzel des Begriffs. Nach einer anderen etymologischen Deutung ist der Begriff von dem griechischen Wort therion (= wildes Tier) abgeleitet.

Im antiken Rom soll Andromachos, der Leibarzt des Kaisers Nero es durch zahlreiche weitere Zutaten u. a. auch durch Vipernfleisch "verbessert" haben. Diese Medizin wurde Theriaca andromachi genannt und erfreute sich großer Beliebtheit. Nero soll ihn aus Angst vor einem Giftmord regelmäßig als Gegenmittel geschluckt haben. Auch der römische Kaiser Mark Aurel soll täglich Theriak zur Immunisierung eingenommen haben.

Der griechisch-römische Arzt Galenus (oder Galen, * um 129 in Pergamon, † um 199 in Rom) empfahl Theriak mit einem Zusatz von Vipernfleisch als Heilmittel gegen Vipernbisse. Mit zunehmender Verbreitung des Mittels wurde die Zusammensetzung immer komplizierter, bereits Galen beschreibt in seinem Werk „De Antidotes“ eine Rezeptur mit 70 Zutaten.

Mittelalter

Im Mittelalter galt Theriak, oft auch als „Himmelsarznei“ bezeichnet, als ein universelles Wundermittel[4], das gegen alle nur denkbaren Krankheiten, u. a. auch gegen Syphilis, Pest und Cholera, angewendet wurde. Das Mittel wurde sowohl in seriösen Apotheken, aufbewahrt in kostbaren Gefäßen, als auch von zweifelhaften, umherziehenden Quacksalbern angeboten. Um einen einheitlichen Standard der Rezeptur zu wahren und Fälschungen zu unterbinden, sah man sich vielerorts genötigt, Theriak öffentlich unter Aufsicht von Ärzten, Ratsherrn und Apothekern herzustellen.

Renaissance

Die bedeutendste Fabrikationsstätte für Theriak war Venedig. Die Zubereitung des Venezianischen Theriac wurde als öffentliche, mehrtägige Zeremonie in Anwesenheit höchster Autoritäten mit großem Schaugepränge begangen. Der damals weltweite Handel mit diesem kostbaren und begehrten Medikament trug nicht unwesentlich zum Reichtum der Stadt Venedig bei. Weitere Zentren der Theriak-Herstellung lagen in Deutschland (Nürnberg) und in Holland (Amsterdam).

Inzwischen war die Zutatenliste auf bis zu 300 Ingredienzien angewachsen und die Herstellung erforderte eine ausgeklügelte, an magische Riten erinnernde Behandlung.

Neuzeit und Gegenwart

Rezepturen für Theriak finden sich in medizinischen und pharmakologischen Lehrbüchern bis in das 19. Jahrhundert. Die Pharmacopoea germanica von 1882, die erste gesamtdeutsche Vorschrift für die Arzneibereitung, beschreibt das Rezept wie folgt (Quelle: Meyers Konversationslexikon von 1897):

Die Wirksamkeit von Theriak wird nach heutiger medizinischer Kenntnis zwar stark bezweifelt, eine experimentelle Prüfung steht jedoch noch aus.

Die Durchsicht einschlägiger esoterischer Internetseiten zeigt, dass immer noch Menschen an Theriak als Universalheilmittel glauben. Die veröffentlichten Rezepturen sind unterschiedlich, kommen allerdings heute ohne Opium aus.

Quellen

  1. The history of the poppy and of opium and their expansion in antiquity in the eastern Mediterranean area, Prof. Dr. P. G. KRITIKOS; S. P. PAPADAKI; Laboratory of Pharmacognosy, University of Athens, Greece
  2. Carl A. Trocki; Opium, Empire and the Global Political Economy; Appendix 3
  3. Nina Kerimi, Opium use in Turkmenistan: a historical perspective; Department of Psychiatry, The Turkmen StateMedical Institute, Ashgabat, Turkmenistan Addiction, Sep 2000, Vol. 95 Issue 9, p1319, 15p
  4. Thomas Holste: Der Theriakkrämer. Ein Beitrag zur Frühgeschichte der Arzneimittelwerbung, Pattensen/Hannover 1976 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen, 5)

Literatur

  • Gilbert Watson: Theriac and Mithridatium: A study in therapeutics, Londin 1966 (= Publications of the Wellcome Historical medical library, Neue Folge, 9)
  • Bernt Karger-Decker: Gifte, Hexensalben, Liebestränke, Düsseldorf 2002, ISBN 3491960495

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