Thyreoiditis De Quervain

Thyreoiditis De Quervain
Klassifikation nach ICD-10
E06.1 Subakute Thyreoiditis
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Die subakute granulomatöse Thyreoiditis ist eine seltene Erkrankung der Schilddrüse, deren Ursache noch weitgehend unklar ist. Möglicherweise spielen vorausgehende Virusinfektionen und eine genetische Prädisposition eine Rolle bei der Entstehung.

Die Erkrankung beginnt subakut, das heißt innerhalb weniger Tage. Es kommt zu einer Entzündung der Schilddrüse, einer Thyreoiditis, die histologisch durch typische Riesenzellen gekennzeichnet ist. Die Erkrankung geht einher mit einer meist leicht vergrößerten Schilddrüse (Struma) sowie ausgeprägten Symptomen wie starken Schmerzen und Schluckbeschwerden. Der über mehrere Monate andauernde Krankheitsverlauf läuft typischerweise in mehreren Phasen ab. Zunächst kommt es zu einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose), gefolgt von einer kurzen Phase mit normaler Schilddrüsenfunktion, die als Euthyreose bezeichnet wird, und dann in eine Phase der Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) übergeht. Während einer Erholungsphase normalisiert sich schließlich die Schilddrüsenfunktion wieder und es kommt in der Regel zu einer vollständigen Ausheilung.

Die Diagnose wird klinisch im Rahmen der Anamnese, klinischen Untersuchungen und mit Hilfe von Laborparametern gestellt. Im Zweifel kann mit Hilfe einer Gewebeentnahme (Biopsie) die Diagnose gesichert werden. Die subakute granulomatöse Thyreoiditis ist normalerweise eine selbstlimitierende Erkrankung, das heißt sie heilt ohne therapeutische Maßnahmen innerhalb eines Jahres aus. Durch eine Therapie mit antientzündlichen und schmerzhemmenden Medikamenten können der Krankheitsverlauf und die Symptome gemildert werden.

Inhaltsverzeichnis

Synonyme

Nach dem Erstbeschreiber Fritz de Quervain wird die Erkrankung auch als Quervain-Thyreoiditis oder subakute Thyreoiditis de Quervain bezeichnet, nicht zu verwechseln mit der ebenfalls nach ihm benannten Quervain-Krankheit (Tendovaginitis stenosans de Quervain). Darüber hinaus gibt es weitere Synonyme für die subakute Thyreoiditis, die subakute nicht-eitrige Thyroiditis, eine Bezeichnung, die der Unterscheidung von der eitrigen oder akuten Thyreoiditis dient, sowie die Riesenzell-Thyroiditis, da typische Riesenzellen das histologische Bild prägen. Da als Ursache eine Infektion mit Viren vermutet wird, bezeichnen einige Mediziner die Erkrankung auch als virale Thyreoiditis. Sehr häufig wird als Synonym auch der Begriff subakute Thyreoiditis verwendet. Da ein subakuter Verlauf allerdings auch bei anderen Schilddrüsenentzündungen vorkommt, insbesondere bei den subakuten lymphozytären Thyreoiditiden (Stumme Thyreoiditis und Postpartum-Thyreoiditis), kann es hier zu Verwechslungen kommen.

Epidemiologie

Das mittlere Erkrankungsalter liegt zwischen 30 und 50 Jahren.[1] Frauen sind 3 bis 5 mal häufiger betroffen als Männer.[2] Genaue Angaben zur Epidemiologie und insbesondere der Häufigkeit der Erkrankung gibt es nur wenige. Nach einer der größten Kohortenstudien betrug die Inzidenz in Olmsted County Minnesota in den Jahren 1960 bis 1997 4,9 Fälle pro 100.000 Einwohner und Jahr.[3]

Ursachen

Die Ursache der subakuten granulomatösen Thyreoiditis ist nicht bekannt. Es gilt als wahrscheinlich, dass die Entzündung die Folge einer Virusinfektion ist, da sich in zurückliegenden Studien bei den meisten Patienten eine kürzlich vorausgegangene Infektion der oberen Atemwege eruieren ließ. Ein Zusammenhang mit den klassischen respiratorischen Virusinfektionen (Enteroviren, Coxsackie-Viren) konnte allerdings nicht gezeigt werden. [4]

Des weiteren sind genetische Prädispositionen für Träger der humane Leukozytenantigene HLA-B35 und HLA-B67 bekannt. Individuen, die einen dieser Haplotypen besitzen, haben ein – im Falle von HLA-B35 bis zu 50-fach – erhöhtes Risiko, an einer subakuten granulomatösen Thyreoiditis zu erkranken. [5] Der HLA-B35 Haplotyp konnte in mehreren Studien bei weit mehr als der Hälfte der an subakuter granulomatöser Thyreoiditis erkrankten Patienten nachgewiesen werden. Eine familiäre Häufung konnte bisher nur in wenigen Fällen nachgewiesen werden. [6] Einer häufigen Annahme zufolge spricht der Zusammenhang der Erkrankung mit dem HLA-B35-Haplotyp für eine Beteiligung sowohl einer Virusinfektion als auch einer Autoimmunreaktion, das heißt einer Reaktion des Immunsystems gegen den eigenen Organismus, in diesem Fall gegen das Schilddrüsengewebe. Als zugrundeliegender Mechanismus wird das Molekulare Mimikry vermutet. Der Umstand, dass die subakute granulomatöse Thyreoiditis im Gegensatz zu anderen Autoimmunerkrankungen selbstlimitierend ist spricht jedoch gegen diese Hypothese.[2]

Krankheitsverlauf und Krankheitsbild

Schematische Darstellung des zeitlichen Verlaufs der TSH-Konzentration bei der subakuten granulomatösen Thyreoiditis.

Die Entzündung führt zu einer Zerstörung der Schilddrüsenfollikel, die mit einem Abbau des darin gespeicherten Thyreoglobulins einhergeht. Die Schilddrüsenhormone Triiodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) werden unkontrolliert in das Blut freigesetzt. Durch die erhöhte Blutkonzentration von Schilddrüsenhormonen wird die Bildung von Thyreotropin (TSH) in der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) gehemmt, so dass die Neubildung von Schilddrüsenhormonen vermindert wird. Es kommt zum klinischen Bild einer Schilddrüsenüberfunktion. Dieser Zustand dauert an, bis die Vorräte an Schilddrüsenhormonen erschöpft sind und es letztlich, nach keiner kurzen euthyreoten Phase mit normaler Schilddrüsenfunktion, zu einer Schilddrüsenunterfunktion kommt. Je nach Schwere und Phase der Erkrankung kann es somit zu Zeichen einer Schilddrüsenüber- oder unterfunktion kommen, weshalb die Symptomatik dieser Erkrankung sehr variabel ist.

Unabhängig von der Funktion der Schilddrüse ist die subakute granulomatöse Thyreoiditis infolge der Entzündungsreaktion häufig durch das Auftreten von Schmerzen gekennzeichnet. Diese können ausstrahlen, häufig zum Ohr und zum Unterkiefer und bei Druckausübung auf das Schilddrüsenlager verstärkt werden. Weitere mögliche Symptome sind ein allgemeines Krankheitsgefühl, Schluckbeschwerden, Muskel- und Gelenkschmerzen sowie Fieber.[7]

Die Krankheit dauert mehrere Monate an. In der Regel kommt es auch ohne den Einsatz von Medikamenten zu einer vollständigen und spontanen Ausheilung (Selbstlimitierung). Bei etwa fünf Prozent der Betroffenen kann es jedoch zu einer dauerhaften Schilddrüsenunterfunktion kommen.

Histologie

Riesenzelle

Das histologische Bild der subakuten Thyreoditis ist geprägt durch eine granulomatöse Entzündung und das charakteristische Auftreten von Riesenzellen.

Diagnose

Bei der klinischen Untersuchung ist eine druckschmerzhafte Schilddrüse typisch, die asymmetrisch vergrößert sein kann.

Eine vermutete oder vorhandene Vergrößerung der Schilddrüse kann mit Hilfe von Ultraschall, der Schilddrüsensonographie, bestätigt werden. Dabei zeigt sich ein im „gesunden“ Schilddrüsengewebe nicht vorkommendes inhomogenes Muster, bei dem sich echoarme und echoreiche Regionen abwechseln. Bei den echoarmen Regionen handelt es sich um die Enzündungsherde der Erkrankung. Sie stellen sich am Monitor dunkel dar, da sie den Schall schlechter reflektieren als normales Schilddrüsengewebe (siehe auch Untersuchung der Schilddrüse).

Die Diagnose kann durch die Bestimmung verschiedener Laborparameter im Blut gestützt werden. Als Zeichen der Entzündungsreaktion sind die Entzündungsparameter C-reaktives Protein (CRP), die Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG) und Interleukin-6 (IL-6) fast immer deutlich erhöht. Die Zahl der weißen Blutkörperchen ist normal oder leicht erhöht (Leukozytose). Letzteres ist ebenfalls ein Zeichen für eine aktive Entzündungsreaktion. In Abhängigkeit von der Krankheitsphase sind die Schilddrüsenfunktionsparameter verändert. In der hyperthyreoten Phase sind TSH erniedrigt und die Schilddrüsenhormone erhöht, in der euthyreoten Phase sind die Parameter im Normbereich und in der hypothyreoten Phase sind TSH erhöht und die Schilddrüsenhormone erniedrigt. Für die Differentialdiagnostik spielt die Bestimmung der schilddrüsenspezifischen Antikörper eine wichtige Rolle.

Bestehen Zweifel an der Diagnose, kommt zur Differentialdiagnose die Schilddrüsenszintigraphie sowie die Feinnadelaspiration mit anschließender histologischer Untersuchung infrage. Beide Verfahren gehören bei diesem Krankheitsbild nicht zur Routinediagnostik und sind nur in Einzelfällen, insbesondere bei atypischen Verläufen, erforderlich. Die Radioiodaufnahme, die quantitativ mit der Schilddrüsenszintigraphie gemessen werden kann, ist durch die entzündungsbedingte Iod-Transportstörung und die verminderten TSH-Spiegel meist stark reduziert. Bei der Feinnadelbiopsie (Feinnadelaspiration) wird sonographisch gesteuert Schilddrüsengewebe mit einer dünnen Nadel entnommen (Biopsie), welches anschließend in der Pathologie histologisch untersucht wird.

Therapie

Die Therapie erfolgt in der Regel symptomatisch. Verwendet werden vor allem schmerz- und entzündungshemmende Substanzen aus der Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), beispielsweise Acetylsalicylsäure (ASS) und Ibuprofen. Wenn diese Medikamente für eine symptomatische Behandlung nicht ausreichen, werden Glukokortikoide, in erster Linie Prednisolon, zur Entzündungshemmung eingesetzt. Kann weder mit der NSAR- noch mit der Glukokortikoidtherapie eine Schmerzlinderung herbeigeführt werden, ist muss die Diagnose in Frage gestellt werden.[2]

Deutliche Krankheitszeichen der Schilddrüsenüberfunktion, wie Beschleunigung der Herzfrequenz (Tachykardie), treten nur in wenigen Fällen auf. Sie können symptomatisch mit Betablockern behandelt werden. Die bei vielen Schilddrüsenüberfunktionen eingesetzten Thyreostatika spielen bei der Behandlung der subakuten granulomatösen Thyreoiditis keine Rolle. Auch in der meistens milden hypothyreoten Phase ist nur in selten Fällen eine spezifische Therapie notwendig. Eine Ausnahme besteht, wenn die hypothyreote Phase deutlich verlängert ist. In diesem Fall ist die Substitution von Schilddrüsenhormonen indiziert. Hierzu werden meist L-Thyroxin-Präparate verwendet.

Literatur

  • R. Hörmann: Schilddrüsenkrankheiten. ABW-Wissenschaftsverlag, 4. Auflage 2005, Seite 106 ff.. ISBN 3-936-07227-2
  • W. Böcker, u.a.: Pathologie. Urban und Fischer-Verlag 2004, 3. Auflage, S. 388 ff. ISBN 3-437-42381-9

Einzelnachweise

  1. M. Dietl (Hrsg.) u.a.: Harrisons Innere Medizin. Dt. Ausgabe der 15. Auflage - ABW Wissenschaftsverlag Berlin 2003, S. 2269 ff. ISBN 3-936072-10-8
  2. a b c Burman KD: Subacute granulomatous thyroiditis. UpToDate v15.3, August 2007
  3. Fatourechi V et al.: Clinical features and outcome of subacute thyroiditis in an incidence cohort: Olmsted County, Minnesota, study. J Clin Endocrinol Metab. 2003 May;88(5):2100-5. PMID 12727961
  4. K. Luotola et al.: Evaluation of infectious etiology in subacute thyroiditis--lack of association with coxsackievirus infection. APMIS (1998) 106(4): S. 500-504 PMID 9637274
  5. Ohsako N et al.: Clinical characteristics of subacute thyroiditis classified according to human leukocyte antigen typing. J Clin Endocrinol Metab. 1995 Dec;80(12):3653-6. PMID 8530615
  6. Zein EF et al.:Familial occurrence of painful subacute thyroiditis associated with human leukocyte antigen-B35. Presse Med. 2007 May;36(5 Pt 1):808-9. Epub 2007 Mar 23. PMID 17383147
  7. Heufelder AE et al.: Die Thyreoiditiden: Aktueller Stand der Pathogenese, Diagnostik und Therapie. Dtsch Arztebl 1998; 95(9): A-466 / B-394 / C-368. Online-Version

Weblinks

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