Tommaso d'Aquino

Tommaso d'Aquino

Thomas von Aquin (* um 1225 auf Schloss Roccasecca bei Aquino in Italien; † 7. März 1274 in Fossanova; auch Thomas Aquinas oder Tommaso d'Aquino) gilt als einer der einflussreichsten Philosophen und Theologen der Geschichte. Er war Dominikaner. Thomas von Aquin gehört zu den bedeutendsten katholischen Kirchenlehrern und ist seiner Wirkungsgeschichte nach ein Hauptvertreter der Philosophie des hohen Mittelalters, d. h. der Scholastik. Er hinterließ ein sehr umfangreiches Werk, das etwa im Neuthomismus und der Neuscholastik bis in die heutige Zeit nachwirkt. In der römisch-katholischen Kirche wird er als Heiliger verehrt.

Thomas von Aquin (postumes Gemälde von Carlo Crivelli, 1476)

Inhaltsverzeichnis

Leben

Thomas von Aquin, oder kurz der „Aquinat“ bzw. nur „Thomas“ genannt, wurde kurz vor oder kurz nach Neujahr 1225 im Schloss Roccasecca, von Aquino 9 km entfernt, als siebter Sohn des Herzogs Landulf aus dem feudalen Hochadel von Aquino geboren. Mit fünf Jahren wurde er in das Kloster Monte Cassino geschickt. 1244 trat er gegen den Willen seiner Verwandten in Neapel in den Dominikanerorden ein. Daraufhin hielt ihn seine Familie ein Jahr lang im Schlossturm gefangen und versuchte ihn umzustimmen, aber nicht einmal ein Mädchen, das sie ihm brachten, vermochte das; er hat sie verjagt. Der Sage nach soll er erst durch einen vorgetäuschten Überfall freigekommen sein.

Monte Cassino

In den Jahren 1248 bis 1252 war er Schüler von Albertus Magnus in Köln. Nach weiteren Vorlesungen in Paris von 1256 bis 1259 lehrte er in Rom, Viterbo und Orvieto.

Ab 1269 war er als Studienpräfekt seines Ordens in Neapel tätig, wo er 1272 eine Dominikanerschule aufbaute. Der schier unglaublichen Menge seiner Schriften nach zu urteilen liegt es nahe, dem Zeugnis seines Hauptsekretärs zu glauben: Demnach hat der Aquinat drei oder vier Sekretären gleichzeitig diktiert.

Thomas starb am 7. März 1274 auf der Reise zum Zweiten Konzil von Lyon im Kloster Fossanova. Dante (Purg. XX. 69) deutet an, dass Karl I. von Anjou für seinen Tod verantwortlich gewesen sei. Villani (IX 218) teilt ein Gerücht mit („si dice“: „man sagt“), demzufolge Thomas von einem Arzt des Königs mit vergiftetem Konfekt ermordet wurde. Nach dieser Darstellung handelte der Arzt zwar nicht im Auftrag des Königs, aber in der Absicht, ihm einen Gefallen zu erweisen, weil er befürchtete, dass ein Mitglied aus dem Geschlecht der gegen Karl rebellierenden Grafen von Aquino in den Kardinalsrang erhoben werden sollte. In unterschiedlichen Versionen, die meist Karl die Verantwortung zuschreiben, wurde das Gerücht vom Giftmord auch in den frühen lateinischen und volkssprachlichen Dantekommentaren kolportiert, die in der Zeit nach Dantes Tod entstanden. Tolomeo da Lucca, ein ehemaliger Schüler und Beichtvater des Aquinaten, spricht in seiner Historia ecclesiastica (L. A. Muratori, Rerum Italicarum Scriptores, Bd. XI, S. 1168-69) nur von einer schweren Erkrankung auf der Reise bei der Ankunft in Kampanien, bietet jedoch keinen Hinweis auf eine unnatürliche Todesursache. Papst Johannes XXII. sprach Thomas 1323 heilig. 1567 wurde er in den Rang des Kirchenlehrers erhoben. Seine Gebeine wurden 1369 nach Toulouse überführt, wo sie heute in der Kirche des Jakobinerkonvents (Couvent des Jacobins) ruhen.

Philosophie

Grundsätzliches

Die Argumentationen des Aquinaten stützen sich zu einem großen Teil auf Lehren von Aristoteles, die er - als Schüler des Begründers der christlichen Aristotelik, Albertus Magnus, - nicht zuletzt in Hinsicht auf die der Antike unbekannten theologischen Lehren seiner Zeit ausgebaut hat. In der Philosophie werden seine Kommentare zu Aristoteles noch heute als bedeutsam angesehen:

Seine Kommentare sind durchweg klarsichtig, intelligent und von großer Einfühlungsgabe. Allein schon der Metaphysik-Kommentar, der eine halbe Million Wörter umfasst, verdient es, als philosophischer Klassiker betrachtet zu werden.

Anthony Kenny: Thomas von Aquin

Thomas von Aquin und Albertus Magnus waren nicht die ersten katholischen Aristoteliker. Schon der Kirchenvater Johann Damaszenus begründete seine Dogmatik ausdrücklich mit Aristoteles und seiner Methode (er übersetzte große Teile seines Werks); dies 100 Jahre vor der ersten arabischen Aristotelesübersetzung. Damaszenus ist in der Summa theologica der meistzitierte Kirchenvater. Thomas von Aquin zitiert auch häufig den angeblichen Heiligen Gregor von Nyssa. In Wirklichkeit ist auch das ein alter aristotelischer katholischer Bischof (Nemesius). Papst Eugen III. ließ die Werke von Damaszenus ins Lateinische übersetzen. Sie führten zum Sentenzenkommentar des Petrus Lombardus und schließlich zur Summa Theologica des Thomas von Aquin.

Metaphysik und Ontologie

Aristoteles ist der wichtigste philosophiehistorische Bezugspunkt des Thomismus

Ein Kernelement der thomistischen Ontologie ist die Lehre von der Analogia entis. Sie besagt, dass der Begriff des Seins nicht eindeutig, sondern analog ist, also das Wort „Sein“ einen unterschiedlichen Sinn besitzt, je nachdem, auf welche Gegenstände es bezogen wird. Danach hat alles, was ist, das Sein und ist durch das Sein, aber es hat das Sein in verschiedener Weise. In höchster und eigentlicher Weise kommt es nur Gott zu: Nur er ist Sein. Alles andere Sein hat nur Teil am Sein und zwar entsprechend seinem Wesen. In allen geschaffenen Dingen muss also Wesen (essentia) und Existenz (esse) unterschieden werden; einzig bei Gott fallen diese zusammen.

Auch die Unterscheidung von Substanz und Akzidenz ist für das System des Thomas bedeutend. Hierzu heißt es: „Accidentis esse est inesse“, also „Für ein Akzidenz bedeutet zu sein, an etwas zu sein“. In die gleiche Richtung geht sein „Accidens non est ens sed entis“, also „Ein Akzidenz ist kein Seiendes, sondern ein zu etwas Seiendem Gehörendes“.

Eine weitere wichtige Unterscheidung ist die von Materie und Form. Einzeldinge entstehen dadurch, dass die Materie durch die Form bestimmt wird (siehe Hylemorphismus). Die Grundformen Raum und Zeit haften untrennbar an der Materie. Die höchste Form ist Gott als Verursacher (causa efficiens) und als Endzweck (causa finalis) der Welt. Die ungeformte Urmaterie, d. h. der erste Stoff, ist die materia prima.

Um die mit dem Werden der Dinge zusammenhängenden Probleme zu lösen, greift Thomas auf die von Aristoteles geprägten Begriffe Akt und Potenz zurück. Weil es in Gott keine (substanzielle) Veränderung gibt, ist er actus purus, also reine Wirklichkeit.

Erkenntnistheorie

Zu den besonders bedeutenden Aussagen der thomistischen Erkenntnistheorie gehört ihre Wahrheitsdefinition der adaequatio rei et intellectus, d. h. der Übereinstimmung von Gegenstand und Verstand.

Thomas unterscheidet zwischen dem „tätigen Verstand“ (intellectus agens) und dem „rezeptiven oder möglichen Verstand“ (intellectus possibilis). Der tätige Verstand zeichnet sich vor allem durch die Fähigkeit aus, aus Sinneserfahrungen (sowie bereits geistig Erkanntem) universale Ideen bzw. allgemeingültige (Wesens-)Erkenntnisse zu abstrahieren. Dagegen ist es der rezeptive Verstand, der diese Erkenntnisse aufnimmt und speichert.

Hintergrund ist die auf Platon zurückgehende Lehre, dass die konkreten Dinge ihr Sein und vor allem ihr Wesen den Ideen (ideae) verdanken, durch die sie bestimmt werden (vgl. Ideenlehre). Dieser Hintergrund ist aber kaum mehr sichtbar. Während Thomas Aristoteles nie ernsthaft bemängelt, zitiert er Plato ausschließlich, um ihn zu kritisieren. Selbst für den sonst hochgeschätzten Augustinus kann sich Thomas nicht vollständig einsetzen, weil er eben „platonismo imbutus“ ist. Die Erkenntnislehre des Thomas von Aquin unterscheidet sich wesentlich von der Platos. Für Plato ist unsere Existenz nur ein Abklatsch einer Superexistenz hinter den Dingen (Höhlengleichnis). Unsere Existenz ist nur eine Beschränkung hinsichtlich dieser Superexistenz. Für Aristoteles und Thomas ist aber die Existenz die höchste Vollkommenheit und nicht wieder die Beschränkung von etwas noch Höherem. Daraus ergibt sich, dass sich die platonische Ideenlehre, wenn überhaupt, nur sehr beschränkt auf die thomistische Erkenntnislehre anwenden lässt.

Der tätige Verstand kann durch Abstraktion (wörtl. das Abziehen) der Formen (formae) aus den einzelbestimmten Dingen, deren Wesenheit bzw. Washeit ("quidditas") sowie in weiteren Schritten die Akzidenzien erkennen. Als letzte bzw. erste Ursache des Seins und Soseins der Dinge erkennt der menschliche Geist Gott (siehe unten), in dessen Geist die ewigen Ideen die Vorbilder für die Formen (formae) der Dinge sind.

Anthropologie

Thomas' Anthropologie weist dem Menschen als leib-geistiges Vernunftwesen einen Platz zwischen den Engeln und den Tieren zu. Gestützt auf Aristoteles' De Anima zeigt Thomas, dass die Seele den Geist als Kraft besitzt, in der Form, dass das Erkennen die Form der Seele ist (scientia formam animae), während die Seele wiederum die Form des Leibes ist: Dies zeigt sich in der Formulierung anima forma corporis. Weil der Geist („intellectus“) eine einfache, also nicht zusammengesetzte Substanz ist, kann er auch nicht zerstört werden und ist somit unsterblich. Der Geist kann auch nach der Trennung vom Leib seinen Haupttätigkeiten, dem Denken und Wollen, nachkommen. Die nach der Auferstehung zu erwartende Wiedervereinigung mit einem Leib kann zwar nicht philosophisch, wohl aber theologisch erwiesen werden. [1]

Ethik

In der Ethik verbindet Thomas die aristotelische Tugendlehre mit den christlich-augustinischen Erkenntnissen. Die Tugenden bestehen demnach im rechten Maß bzw. dem Ausgleich vernunftwidriger Gegensätze. Das ethische Verhalten zeichnet sich durch das Einhalten der Vernunftordnung aus (Naturrecht) und entspricht damit auch dem göttlichen Gesetzeswillen. Als Kardinaltugenden werden von Thomas prudentia (Klugheit), iustitia (Gerechtigkeit), temperantia (Mäßigung) und fortitudo (Tapferkeit) bezeichnet. Unabhängig davon zu sehen seien die drei christlichen Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung.

Das höchste Gut ist die ewige Glückseligkeit, die – im jenseitigen Leben – durch die unmittelbare Anschauung Gottes erreicht werden kann. Es zeigt sich daran der Primat der Erkenntnis vor dem Wollen.

Logik

Seine Wahrheitsdefinition wurde in der Erkenntnislehre genannt. Eine weitere große Leistung auf dem Gebiet der Logik ist seine Erkenntnis, dass wahr und falsch nicht kontradiktorisch, sondern konträr sind {Summa theologiae, I, q. XVIII, a. 4} . Darin unterscheidet sich die aristotelisch-thomistische Logik wesentlich von der klassischen mathematischen Logik der Principia mathematica. Die thomistische Logik ist mit der modernen Logik vereinbar.

Politische Philosophie und Staatsdenken

Thomas von Aquin war einer der einflussreichsten Theoretiker für das mittelalterliche Staatsdenken. Dabei sah er den Menschen als ein soziales Wesen, das in einer Gemeinschaft leben muss. In dieser Gemeinschaft tauscht er sich mit seinen Artgenossen aus, und es kommt zu einer Arbeitsteilung.

Für den Staat empfiehlt er die Monarchie als beste Regierungsform, denn ein Alleinherrscher, der mit sich selbst eins ist, kann mehr Einheit bewirken als eine aristokratische Elite. Hier müssen sich mehrere einigen, was immer nur zu einem Kompromiss, also einer Angleichung, einer Anpassung, einer Aufgabe seiner eigenen Meinung und Überzeugung führt. Außerdem ist immer dasjenige am besten, was der Natur entspricht, und in der Natur haben alle Dinge nur ein Höchstes.

Thomas stellt der Monarchie als der besten die Tyrannis als die schlechteste aller denkbaren Regierungsformen gegenüber. Dabei merkt er an, dass aus der Aristokratie leichter eine Tyrannis entstehen kann als aus einer Monarchie.

Um die Tyrannei zu verhindern, muss die Gewalt des Alleinherrschers eingeschränkt sein. Ist sie jedoch einmal eingetreten, so soll sie zunächst ertragen werden, denn es könnte ja auch noch schlimmer kommen (z. B. Anarchie). Der Tyrannenmord ist laut der Lehre der Apostel jedenfalls keine Heldentat (1 Petr 2,19 EU).

So schlussfolgert Thomas, dass es besser ist, gegen eine Bedrückung nur nach allgemeinem Beschluss vorzugehen.

Wie viele Staatsdenker des Mittelalters zieht auch Thomas von Aquin den organischen Vergleich zum Staatsgebilde heran. Hierbei sieht er den König, als Vertreter Gottes im Staat, als Vernunft und Seele für den menschlichen Körper, dessen Glieder und Organe die Bevölkerung darstellen. Seine Erfüllung findet, angelehnt an Aristoteles, jedes einzelne Glied in der Tugendhaftigkeit.

Dennoch sieht Thomas das Priestertum über dem Königtum; der Papst als Oberhaupt der Kirche steht also in Glaubens- und Sittenfragen über dem König.

Theologie

Benozzo Gozzoli, „Triumph des Hl. Thomas von Aquin über Averroes“ (1468/84). - Thomas sitzt zwischen Aristoteles und Platon, vor ihm liegt niedergeworfen Averroes

Grundsätzliches

Zu den wesentlichen Verdiensten von Thomas gehört, der Theologie den Charakter einer Wissenschaft gegeben zu haben (siehe unten). Zur Klärung der Glaubensgeheimnisse wird dabei die natürliche Vernunft, insbesondere das philosophische Denken des Aristoteles herangezogen. Thomas hat die Gegensätze aufgelöst, die zu seiner Zeit zwischen den Anhängern zweier Philosophen bestanden: denen des Augustinus (der das Prinzip des menschlichen Glaubens betont) und des wiederentdeckten Aristoteles (der von der Erfahrungswelt und der darauf aufbauenden Erkenntnis ausgeht). Thomas zeigt, dass sich diese beiden Lehren nicht widersprechen, sondern ergänzen, dass also einiges nur durch Glauben und Offenbarung, anderes auch oder nur durch Vernunft erklärt werden kann. Vor allem in dieser Synthese der antiken Philosophie mit der christlichen Dogmatik, die gerade auch für die Moderne von unabschätzbarer Bedeutung ist, liegt seine Leistung. Thomas konnte aber 1270 die Verurteilung des Aristotelismus durch den Bischof von Paris Étienne Tempier nicht verhindern.

Natürliche Theologie

Thomas von Aquin legte im Rahmen der Philosophischen bzw. Natürlichen Theologie Argumente dafür dar, dass der Glaube an die Existenz Gottes nicht vernunftwidrig ist, sich also Glaube und Vernunft nicht widersprechen. Seine Quinque viae („Fünf Wege“), dargestellt in seinem Hauptwerk, der Summa Theologica (auch Summa Theologiae), hat Thomas zunächst nicht als „Gottesbeweise“ bezeichnet, sie können jedoch als solche aufgefasst werden, da sie rationale Gründe für Gottes Existenz darlegen. Die Argumentationskette endet jeweils mit der Feststellung „das ist es, was alle Gott nennen.“

Eucharistie

Prägend wurde Thomas‘ Theologie auch für die katholische Eucharistielehre. Er wandte die Begriffe der Substanz und der Akzidenzen auf das Geschehen in der heiligen Messe an: Während die Akzidenzien, d. h. die Eigenschaften von Brot und Wein, erhalten bleiben, ändert bzw. verwandelt sich die Substanz der eucharistischen Gaben in Leib und Blut des auferstandenen Christus, der ja ebenfalls aus Seele und Leib besteht (Transsubstantiation). Charakteristisch für die thomistische Eucharistielehre ist seine strenge Beobachtung metaphysischer Prinzipien. So lehnt er die Multilokation ab. Christus ist in den heiligen Gestalten an mehreren Orten präsent. Der Ort ist aber nicht der Ort Christi (sein Ort ist jetzt im Himmel). Die örtliche und zeitliche Bestimmung der heiligen Gestalten ist weiterhin die des ehemaligen Brotes oder Weines.

Hölle

In seiner Summa contra gentiles geht Thomas u. a. auch auf die Hölle ein und übernimmt dabei die Sicht von Augustinus. Er verwirft auch die Apokatastasis:

…den Irrtum derjenigen, die behaupten, dass die Strafen der Gottlosen irgendwann beendet sein werden.

Thomas v. Aquin: Summa contra gentiles

Allerdings führt er eine neue Begründung für die angenommene Endlosigkeit und Grauenhaftigkeit solch einer Strafe ein, die aufgrund einer einzigen falschen Entscheidung über den Menschen kommen soll:

Die Größe der Strafe entspricht der Größe der Sünde […] Nun aber wiegt eine Sünde gegen Gott unendlich schwer, denn je höher eine Person steht, gegen die man Sünde begeht, desto schwerer ist die Sünde.

Thomas v. Aquin: Summa contra gentiles

Er argumentiert auch, dass die Strafen, die die Gottlosen erleiden müssen, sowohl eine psychische oder seelische Seite (Gottesferne) als auch eine physische Seite (körperliche Schmerzen) haben, so dass die Gottlosen also zweifach gestraft seien.

Mystik

Thomas ist in erster Linie wegen seiner Verdienste um die Theologie und die Philosophie in die Geschichte eingegangen. Darüber hinaus zeugt sein Werk aber auch von einer tiefen Frömmigkeit. Ob dabei von mystischen Zügen zu sprechen ist, ist umstritten.

Am Nikolaustag 1273 stellte Thomas von Aquin nach der Feier der heiligen Messe jegliche Arbeit an seinen Schriften ein. Er wird mit der Erklärung zitiert:

Alles, was ich geschrieben habe, kommt mir vor wie Stroh im Vergleich zu dem, was ich gesehen habe.

Thomas v. Aquin

Einige Biographen mutmaßen, ihm sei kurz zuvor eine Nahtodeserfahrung zuteil geworden.

Liturgie

Von ihm stammen die Sequenz zu Fronleichnam Lauda Sion sowie die eucharistischen Hymnen Pange Lingua, dessen letzten beiden Strophen als Tantum ergo oft selbständig gesungen werden, und Adoro te devote.

Das Tantum ergo wird in der katholischen Kirche häufig bei der eucharistischen Anbetung gesungen.

Dreieinigkeit

Dreifaltigkeitsikone von Andrej Rubljow

Die Dreieinigkeit bzw. Dreifaltigkeit oder Trinität Gottes ist zwar ein Geheimnis (Mysterium), sie kann nach Thomas jedoch unter Zuhilfenahme der göttlichen, d. h. biblischen Offenbarung teilweise „verstanden“ werden. Demnach ist der eine Gott in drei Personen (Subsistenzen), die eine göttliche Natur und darum gleich ewig und allmächtig sind. Weder der Begriff der „Zeugung“ beim Sohn (Jesus) noch derjenige der „Hauchung“ beim Heiligen Geist darf im wörtlichen bzw. weltlichen Sinne verstanden werden. Vielmehr ist die zweite und dritte Person Gottes die ewige Selbsterkenntnis und Selbstbejahung der ersten Person Gottes, d. h. Gott Vaters. Weil bei Gott Erkenntnis bzw. Wille und (sein) Wesen mit seinem Sein zusammenfallen, ist seine vollkommene Selbsterkenntnis und Selbstliebe von seiner Natur, also göttlich.

Sonstiges

Zu den heute schwer nachvollziehbaren Teilen von Thomas‘ Lehre gehört es, dass er neben der Exkommunikation die Hinrichtung von Häretikern für legitim gehalten hat, da er deren Vergehen im Vergleich zu Falschmünzern, welche damals dem Tode überliefert wurden, als schwerwiegender ansieht. (Falschmünzer-Vergleich) (Summa theologiae, II-II, q. 11, art. 3). Mit dem Satz „Accipere fidem est voluntatis, sed tenere fidem iam acceptam est necessitatis (Die Annahme des Glaubens ist freiwillig, den angenommenen Glauben beizubehalten notwendig)“ lieferte er den theoretischen Unterbau für die mittelalterliche Inquisition.

Auch war er gegen das Verleihen gegen Zins, musste jedoch im Laufe seiner ökonomischen Beschäftigung mit dem Thema von einem vollständigen Zinsverbot zurückstehen.

Nachleben

Thomas von Aquin wurde 1323 von Papst Johannes XXII. heiliggesprochen. Sein Orden bemühte sich mit einigem Erfolg, seinen Lehren Verbindlichkeit zu schaffen. Die Schule von Salamanca machte seine Summa theologica zum Unterrichtsmaterial und sorgte für eine Thomas-Renaissance im 16. Jahrhundert. Sein Werk und seine Ideen wurden 1879 unter Papst Leo XIII. zur Grundlage der katholischen akademischen Ausbildung erhoben. Über Jahrzehnte stabilisierte diese Engführung die römisch-katholische Lehre. Auch das Zweite Vatikanische Konzil empfiehlt Thomas ausdrücklich als den Lehrer, nach dessen Lehre sich die Theologie sowie die Philosophie im Studium der zukünftigen Priester zu richten haben (Optatam totius). Die Enzyklika Fides et Ratio von Papst Johannes Paul II. und das neue Kirchenrecht haben diese Empfehlung erneut bestätigt.

Schon um 1300 trat der Franziskaner Johannes Duns Scotus gegen Thomas auf und gründete die philosophisch-theologische Schule der Scotisten, mit der die Thomisten an den Universitäten in Fehde lebten. Thomas‘ Anhänger verteidigten die strenge Lehre Augustins von der Gnade und bestritten die Unbefleckte Empfängnis Mariens, der Mutter Jesu. In der Frage der unbefleckten Empfängnis der Gottesmutter hat sich die spätere Kirche von den Zweifeln, die in der thomistischen Schule häufig anzutreffen sind, abgegrenzt, wobei umstritten bleibt, inwieweit Thomas tatsächlich ein Gegner des Dogmas war.

Um 1900 herum gab es eine thomistische Renaissance (Bernhart). In Deutschland bemüht sich heute besonders die „Deutsche Thomas-Gesellschaft“ (Sitz in Berlin) um die Weiterführung des thomischen Erbes.

Auch Ramon Llull hat sich gegen die thomististische Scholastik ausgesprochen und damit indirekt die jahrelange Indizierung der Werke und die Verfolgung der Lullisten bewirkt.

Werke

Im Gegensatz zu anderen großen Philosophen wie etwa Albertus Magnus, der verschiedene Ämter innehatte, gab sich Thomas ganz der Wissenschaft hin. Er schuf ein monumentales Werk, das in sechs Kategorien eingeteilt wird:

  1. Schriften, die unmittelbar im Zusammenhang mit dem Unterricht entstanden sind:
    Manuskriptseite einer mittelalterlichen Kopie der „Summa Theologica“
    • Sentenzenkommentar
    • Quaestiones quodlibetales
    • Quaestiones disputatae
    1. De spiritualibus Creaturis (engl. Übers. von C. R. Goodwin, Australian Catholic University 2002, online)
  2. Kommentare zu den Schriften von Aristoteles:
  3. Kleinere Schriften und Streitschriften wie
    • Über das Böse
    • Über Lüge und Irrtum
    • Über die Vollkommenheit des geistlichen Lebens
    • Über die Herrschaft der Fürsten
    • Über die Einheit des Intellekts gegen die Averoisten
    • Compendium theologiae
  4. Systematische (Haupt)-Werke:
  5. Kommentare zur Bibel
    • Zu Hiob
    • Zu Psalmen (Psalm 1–51)
    • Zu Jeremia
    • Zu den Klageliedern Jeremias
    • Zu Jesaja
    • Katenenkommentare zu den vier Evangelien (Catena aurea)
    • Vorlesungen zu Matthäus und Johannes
    • Vorlesungen zu den Briefen des Apostels Paulus
  6. Hymnen zum Fronleichnamsfest

Die Summa contra gentiles und insbesondere die Summa theologica bilden einen Höhepunkt thomanischen Schaffens. Sein Werk wurde im 19. Jahrhundert von der römisch-katholischen Kirche zur Grundlage der christlichen Philosophie erklärt.

Gedenktage


Literatur

Primärtexte

  • Kritische Ausgabe: sog. Editio Leonina: Sancti Thomae Aquinatis doctoris angelici Opera omnia iussu Leonis XIII. P.M. edita, cura et studio fratrum praedicatorum, Rom 1882ff.
  • Die deutsche Thomas-Ausgabe = Summa theologica. Übers. von Dominikanern u. Benediktinern Deutschlands u. Österreichs. Vollst., ungekürzte dt.-lat. Ausg. - Graz [u. a.]: Styria – Früher teilw. im Pustet-Verl., Salzburg, teilw. im Kerle-Verl., Heidelberg u. Verl. Styria Graz, Wien, Köln, 1933ff., 34 Bde. (noch unvollendet)
  • Über den Lehrer. Lat.-dt., Meiner, Hamburg 2006, ISBN 978-3-7873-1799-8.
  • Horst Seidl (Hrsg.): Die Gottesbeweise in der ‚Summe gegen die Heiden‘ und der ‚Summe der Theologie‘. Text mit Übersetzung, Einleitung und Kommentar. Lateinisch-Deutsch. 3. Auflage. Meiner, Hamburg 1996, ISBN 3-7873-1192-0 (Übersetzt und herausgegeben von Horst Seidl.). 
  • Von der Wahrheit. Lat.-dt., hrsg. v. Albert Zimmermann. Meiner, Hamburg 1986, ISBN 978-3-7873-0669-5.
  • Über Seiendes und Wesenheit. Lat.-dt., hrsg. v. Horst Seidl. Meiner, Hamburg 1988, ISBN 978-3-7873-0771-5.

Editionen

  • Summe der Theologie. Hrsg. u. übers. von Joseph Bernhart (Auswahl). Stuttgart: Kröner. Bd. 1: Gott und Schöpfung, ISBN 3-520-10503-9; Bd. 2: Die sittliche Weltordnung, ISBN 3-520-10603-5; Bd. 3: Der Mensch und das Heil, ISBN 3-520-10903-4
  • Über sittliches Handeln: Summa theologiae I – II q. 18 - 21; lateinisch/deutsch. Übers., kommentiert und hrsg. von Rolf Schönberger. Einl. von Robert Spaemann. Stuttgart: Reclam, 2001 (Universal-Bibliothek; Nr. 18162) ISBN 3-15-018162-3
  • Summe gegen die Heiden = Thomae Aquinatis summae contra gentiles libri quattuor. Hrsg. u. übers. von Karl Allgaier. 4 Bde. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1974-1996. - ISBN 3-534-00378-0
  • Über das Sein und das Wesen: dt.-lat. Ausg. Übers. u. erl. von Rudolf Allers. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1980. - ISBN 3-534-00024-2
  • Über die Herrschaft der Fürsten. Übers. von Friedrich Schreyvogl. Nachw. von Ulrich Matz. [Nachdr.] Stuttgart: Reclam, 1994 (Universal-Bibliothek; 9326) ISBN 3-15-009326-0


Einführungen

  • David Berger: Thomas von Aquins „Summa theologiae“. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004.
  • David Berger: Thomas von Aquin begegnen. Sankt-Ulrich, Augsburg 2002, ISBN 3-929246-77-5
  • G. K. Chesterton: Der stumme Ochse. Über Thomas von Aquin. Herder, Freiburg u. a.. 1960.
  • Marie-Dominique Chenu: Thomas von Aquin. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. 6. Aufl. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1992, ISBN 3-499-50045-0
  • Marie-Dominique Chenu: Das Werk des Hl. Thomas von Aquin, Vom Verf. durchges. u. verb. dt. Ausg., Übers. , Verz. u. Erg. d. Arbeitshinw. v. Otto M. Pesch, Heidelberg u. a..: Kerle u. a.. 1960
  • Paulus Engelhardt, Thomas von Aquin. Wegweisungen in sein Werk, Dominikanische Quellen und Zeugnisse Bd. 6. St. Benno Verlag, Leipzig 2005, ISBN 3-7462-1810-1.
  • Maximilian Forschner: Thomas von Aquin. C.H. Beck, München 2006, ISBN 3-406-52840-6.
  • Martin Grabmann: Thomas von Aquin. Persönlichkeit und Gedankenwelt. Eine Einführung. 8. Aufl. Kösel, München 1949.
  • Hans Küng: Thomas von Aquin: Universitätswissenschaft und päpstliche Hoftheologie. 117-150. In: H. Küng: Große christliche Denker. Piper, München 1994.
  • Hans Meyer: Thomas von Aquin. Sein System und seine geistesgeschichtliche Stellung. 2. Aufl. Schöningh, Paderborn 1961.
  • Anthony Kenny: Thomas von Aquin, Freiburg 1999
  • Josef Pieper: Thomas von Aquin – Leben und Werk. 4. Aufl. Kösel, München 1990, ISBN 3-466-40114-3.
  • Rolf Schönberger: Thomas von Aquin zur Einführung. 3. Aufl. Junius, Hamburg 2006, ISBN 3-88506-351-4
  • Jean-Pierre Torrell: Magister Thomas. Leben und Werk des Thomas von Aquin. Herder, Freiburg/B. 1995. ISBN 3-451-23652-4 (Die derzeit maßgebliche Darstellung.)

Spezielle Themen

  • Christoph Mühlum: „Zum Wohl des Menschen. Glück, Gesetz, Gerechtigkeit und Gnade als Bausteine einer theologischen Ethik bei Thomas von Aquin“, (Contributiones Bonnenses, Reihe II, Band 3), Bernstein-Verlag, Gebr. Remmel, Bonn 2009, ISBN 978-3-9809762-5-1
  • Walter Patt: Metaphysik bei Thomas von Aquin. Eine Einführung. Turnshare, London 2004, ISBN 1-903343-59-3
  • Wolfgang Kluxen: Philosophische Ethik bei Thomas von Aquin. 3. Aufl. Meiner, Hamburg 1998, ISBN 3-7873-1379-6
  • Otto Hermann Pesch: Thomas von Aquin. Grenze und Größe mittelalterlicher Theologie. Eine Einführung. 3. Aufl. Matthias-Grünewald, Mainz 1995, ISBN 3-7867-1371-5
  • Horst Seidl (Hrsg.): Thomas von Aquin: Die Gottesbeweise in der Summe gegen die Heiden und der Summe der Theologie. Text mit Übersetzung, Einleitung und Kommentar. 3. Aufl. Meiner, Hamburg 1996, ISBN 3-7873-1192-0
  • Bernhard Lakebrink: Hegels dialektische Ontologie und die thomistische Analektik. Henn, Ratingen b. Düsseldorf 1968.
  • David Berger: In der Schule des hl. Thomas von Aquin. Studien zur Geschichte des Thomismus. Nova & vetera, Bonn 2005, ISBN 3-936741-30-1
  • Markus Stohldreier, Zum Welt- und Schöpfungsbegriff bei Averroes und Thomas v. Aquin. Eine vergleichende Studie, Freiburg i. Br. 2008, in: http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/6404/

Sonstiges

  • Jahrbuch: Doctor Angelicus. Internationales Thomistisches Jahrbuch. Nova et vetera, Köln-Bonn 2000ff.
  • Ivan Gobry: Saint Thomas d'Aquin: biographie. Éditions Salvator, Paris, 2005. ISBN 2-7067-0399-7.
  • Guillaume de Tocco: l'Histoire de saint Thomas d'Aquin (traduction française du dernier état du texte (1323) avec introduction et notes par Claire Le Brun-Gouanvic). – Paris: les Éditions du Cerf, coll. « Sagesses chrétiennes », 2005. ISBN 2-204-07729-1.
  • Detlef Peitz: Die Anfänge der Neuscholastik in Deutschland und Italien (1818-1870), Verlag nova & vetera Bonn 2006, ISBN 3-936741-38-7

Einzelnachweise

  1. Über die Einheit des Geistes – De Unitate Intellectu‚‘ Lat.– dt.‚‘ Übersetzung Wolf–Ulrich Klünker‚ Verlag Freies Geistesleben‚ Stuttgart 1987 ISBN 3-7725-0820-0‘; S. 29 u. S.39

Weblinks

Werke

Biographien

Weiterführendes


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