Barblan

Barblan

Otto Barblan (* 22. März 1860 in S-chanf im Engadin; † 19. Dezember 1943 in Genf) war ein bedeutender Schweizer Komponist, Organist und Musikpädagoge der Jahrhundertwende. Er war unter anderem Schüler von Immanuel Faißt und steht in der kompositorischen Tradition von Felix Mendelssohn Bartholdy, obwohl er dennoch zu einem eigenständigen und unverwechselbaren Stil gefunden hat.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Barblan wird als Sohn des Lehrers, Organisten und Chorleiters Florian Barblan in der Gemeinde S-chanf im Kanton Graubünden in der Schweiz geboren. Sein Vater gab unter anderem eine Sammlung ladinischer Lieder heraus, Grossvater Otto und Onkel Domenic Barblan waren Pfarrer in verschiedenen Engadiner Orten.

Fast sein ganzes Leben blieb Otto Barblan seinem Heimatland und vor allem seiner Muttersprache, dem Rätoromanisch, eng verbunden. 1874 kam er, zunächst dem Beruf des Vaters folgend, an das Lehrerseminar in Chur. Hier erhielt er von Hans Grisch, einem Schüler Mendelssohns, Klavierunterricht. Nach dem bestandenen Lehrerexamen, entschloss er sich sein Leben ganz der Musik zu widmen und studierte in den Jahren 1878 bis 1884 am Konservatorium Stuttgart, die Fächer Orgel und Komposition und wurde Schüler von Immanuel Faißt und Sigmund Lebert. Faisst war es auch, dem Barblan seine erste Komposition für Orgel gewidmet hat. In diese Zeit fällt auch die intensive Befassung mit der damals „neuesten“ Musik von Richard Wagner und Johannes Brahms.

Bereits als Student unternahm er Konzertreisen durch die Schweiz und das benachbarte Ausland und wurde nach seinem Examen selbst vertretungsweise Lehrer für Klavier und Orgel am Stuttgarter Konservatorium. Obwohl er diesen Posten sehr ungern aufgegeben hat, verliess der heimatverbunden Barblan Stuttgart 1885 wieder, um den Posten eines Musiklehrers an der Bündner Kantonsschule in Chur anzunehmen. Er selbst berichtet später in seiner Autobiographie (Erinnerungen, Chur 1929), dass er dem Ruf der Heimat damals einfach nicht widerstehen konnte. Hier setzte sein Wirken verstärkt auch im Bereich der Laienmusik ein, da er zum Leiter des Churer gemischten Chores und später auch noch des Churer Männerchores ernannt wurde. In dieser Zeit entstehen seine ersten bedeutenden Kompositionen. Im Jahre 1887 bot man Barblan die Organistenstelle der Kathedrale St. Pierre in Genf an. Nach anfänglichem Zögern - Barblan wollte nach dieser kurzer Zeit seine Heimat nicht schon wieder verlassen - willigte er aber auf Drängen einer eigens angereisten Delegation schlussendlich doch ein. Kurz nach seinem Dienstantritt 1887, wurde ihm ein Jahr später eine Stelle als Lehrer für Komposition und Orgel am Konservatorium in Genf angeboten, die ihn wieder in die Lehrtätigkeit führte. 1892 wurde er auch Dirigent der „Société de Chant Sacré“, in den Jahren 1889 - 1900 des „Genfer Liederkranzes“ und seit 1901 des „Petit Choeur“ und des Domchors von St. Pierre. Barblan liess es sich auch nicht nehmen, während der Sommermonate zusätzlich noch mehrere Orgelkonzerte pro Woche zu geben. Von der Tätigkeit in der Laienmusik bei verschiedenen kleineren weltlichen und geistlichen Chören, einmal abgesehen.

Sein 1887 gefasster Entschluss nach Genf zu gehen sollte sich als ein Lebensentschluss herausstellen, da er seine Ämter bis zum Jahre 1938, über 50 Jahre, mit grosser Gewissenhaftigkeit und grossem Können ausgefüllt hat. Die in dieser Zeit von ihm auch betriebene aktive Förderung des Werks von Johann Sebastian Bach, war grundlegend für eine bleibende Bach-Pflege in der Stadt. Durch seinen unermüdlichen Einsatz für seine Orgelklasse, wurde er schnell zu einem gefragten Lehrer für zahlreiche angehende Organisten aus ganz Europa und Übersee. Mehr als ein halbes Jahrhundert wirkte Barblan somit prägend auf das Genfer Musikleben.

Betrachtet man die Widmungen seiner Kompositionen wird schnell deutlich, dass Barblan auch zu vielen wichtigen Künstlerpersönlichkeiten seiner Zeit Kontakt pflegte (Brahms, Guilmant, Saint-Saëns, Widor). Ein Kontakt bestand auch zu Max Reger und Albert Schweitzer, sowie zu Karl Straube, der seine Passacaglia op. 6 aufgeführt hat.

Barblan war Ehrenbürger der Stadt Genf und hielt die Ehrendoktorwürde der Genfer Universität. 1937 wurde er zum Ehrenmitglied des schweizerischen Tonkünstlervereins berufen. Eine Strasse in Genf trägt seinen Namen. Er starb im Jahre 1943 hochgeehrt in Genf.

Werke

Trotz zahlreicher Aufgaben gelang es Barblan ein umfangreiches und gehalltvolles Oeuvre zu schaffen, dessen Schwerpunkt biographisch begründet im Bereich von Chor- und Orgelwerken liegt. Bekannt wurden vor allem seine Musik zur Calvenfeier (1899), ein Festspiel in vier Akten für Soli, Chor und Orchester patriotischen Inhalts, das an die Schlacht an der Calven von 1499 und den Betritt Graubündens 1798 zur Helvetischen Republik erinnert, sowie seine Komposition zum Calvin-Jubiläum (1909). Ferner bedeutend ist seine 1916 komponierte und heute noch in der Schweiz gelegentlich zu hörende Lukas-Passion.

Sein einziges kammermusikalisches Werk, ist sein elegisches und von brennendem Heimweh inspiriertes Streichquartett in D-Dur.

Von den zahlreichen Kompositionen für Orgel, ist die Passacaglia op. 6, die Chaconne über B-A-C-H op. 10 und seine Karl Straube gewidmeten Konzertvariationen über B-A-C-H op. 24, zu nennen. Daneben verdienen zahlreiche kleinere Orgelkompositionen, die Barblan meist schlicht in Gruppen zusammengefasst hat (Fünf Stücke op. 5, Vier Stücke op. 21, Drei Stücke op. 22, Vier Stücke op. 26, Vier Stücke op. 28) und seine Originalbeiträge zu Sammlungen, besondere Erwähnung. An grösseren Werken sind noch die Fantasie g-moll op. 16, seine Toccata op. 23 und sein Andante mit Variationen op.1 zu nennen.

Für den Musikverlag Edition Peters hat Barblan das Orgelwerk von César Franck herausgegeben.

Seine Werke zeichnen sich durchgängig durch eine grosse kompositorische Dichte und farbige Harmonik aus, sind aber dadurch oft nicht leicht durchhörbar. So kann es nicht Wunder nehmen, dass sich viele seiner Kompositionen erst nach mehrmaligem Hören erschliessen.

Heute ist es still um Otto Barblan geworden. Lediglich seine Vaterlands-Hymne aus dem Calven-Festspiel, die nur wegen einiger markanter aber als zu schroff empfundener Tonsprünge nicht Landeshymne geworden ist, wird in der Schweiz noch ab und zu gespielt. Nur noch selten ist in Orgelkonzerten eines seiner stimmungsvollen und stilvoll ausgeführten Werke zu hören. Sehr zögerlich deutet sich aber im Rahmen des wiederwachenden Interesses für romantische Orgelmusik eine Neuentdeckung seiner Werke an.

Literatur

  • Barblan, Otto: Erinnerungen, Chur 1929
  • Chaponnière, E.: 0tto Barblan, Genf 1917
  • Cherbuliez, Antoine-Elysée: Otto Barblan, in: "Bedeutende Bündner", Chur 1970
  • Perini, Elisa: Otto Barblan, Samedan 1960
  • Perini, Elisa: Das kompositorische Schaffen von Otto Barblan (Werkverz.), in: Bündnerische Mbll. 1949
  • Vuataz, Roger: Otto Barblan, Neuchâtel 1976

Artikel in:

Weblinks

Artikel Otto Barblan im Historischen Lexikon der Schweiz


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