Torsionsskoliose

Torsionsskoliose
Röntgenbild einer Skoliose von vorne (anterior-posterior)

Skoliose (altgriechisch: σκολιός, skolios „krumm“) ist eine Seitverbiegung der Wirbelsäule, bei gleichzeitiger Rotation der Wirbel, welche nicht mehr vollständig aufgerichtet werden kann. Die Wirbelsäule bildet dabei in der Regel mehrere, einander gegenläufige Bögen, die sich kompensieren, um das Körpergleichgewicht aufrecht zu erhalten (S-Form). Eine bestehende Seitwärtsverbiegung ohne entsprechende Verdrehung ist jedoch keine Skoliose im engeren Sinn. Eine Skoliose kann bei allen Wirbeltieren einschließlich Fischen vorkommen. Die Skoliose beim Menschen wurde erstmals schon in der Antike vom griechischen Arzt Hippokrates beschrieben und behandelt.

Inhaltsverzeichnis

Ursache

Die Skoliose zählt zu den Wachstumsdeformitäten. Sie entsteht und verschlechtert sich während der Jugend in Zeiten verstärkten Körperwachstums, zum Beispiel in den pubertären Wachstumsschüben.

In etwa 80% aller Fälle ist die Ursache unbekannt. Diese Skoliosen werden als idiopathisch bezeichnet. Idiopathische Skoliosen kommen bei Mädchen etwa viermal häufiger vor als bei Jungen. Die idiopathische Skoliose hat nichts mit der sogenannten Säuglingsskoliose zu tun. Sie tritt hauptsächlich in Phasen vermehrten Skelettwachstums auf.

Die verbleibenden 20% entstehen in Folge von Wirbelfehlbildungen, wie zum Beispiel dem Klippel-Feil-Syndrom, Nerven- und Muskelerkrankungen, wie beispielsweise Polio, Erkrankungen des Bindegewebes, des Knochenstoffwechsels, durch Gewalteinwirkung und Amputationen, wie zum Beispiel nach Unfällen oder Tumoroperationen, durch schwere Narbenbildung, beispielsweise bei Kindern nach Herzoperationen, oder Beinlängendifferenzen.

Verschiedene Arten von Skoliosen

Skoliosen lassen sich nach dem Zeitpunkt des Auftretens unterscheiden. Die etwa zwischen dem ersten und dem zweiten Lebensjahr auftretende Skoliose wird als infantile idiopathische Skoliose bezeichnet. Eine Skoliose, welche zwischen dem vierten und sechsten Lebensjahr auftritt, bezeichnet man als juvenile idiopathische Skoliose. Die spät, meist zwischen dem zehnten und vierzehnten Lebensjahr, auftretende Skoliose nennt man idiopathische Adoleszentenskoliose.

Nach den verschiedenen Krümmungen wird grob zwischen Brustkorbkrümmungen (Thorakalskoliosen), Lendenkrümmungen (Lumbalskoliosen), Brustkorb-Lendenkrümmungen (Thorakolumbalskoliosen) oder Doppel-S-Krümmungen (engl. Double Major) unterschieden.

Diagnose

Bestimmung des Skoliosewinkels nach John Robert Cobb

Skoliose wird in der Früherkennung am besten durch einen Vorbeugetest festgestellt. Dabei neigt sich der Patient mit locker hängenden Armen nach vorne. Eine zweite Person blickt von hinten über die Wirbelsäule und erkennt eventuelle Asymmetrien wie Hüftprominenz, einseitig erhöhte Rippen oder Schulterblätter, verkrümmter Verlauf der Wirbelsäule.

Die Wirbelsäulenverkrümmung wird anhand eines Röntgenbildes der ganzen Wirbelsäule im Stehen vermessen. Bei der Aufnahme eines solchen Röntgenbildes von vorne wird der Krümmungswinkel gemessen. Mögliche Rippen- oder Wirbelfehlbildungen können so erkannt werden. Durch diese Information kann eine idiopathische Skoliose beziehungsweise eine angeborene Skoliose diagnostiziert werden. Bei der Aufnahme von der Seite lässt sich zudem erkennen, ob in dieser Ebene Wirbelfehlbildungen vorliegen bzw. ob in diesem Bereich der Brustwirbelsäule ein Hohlrücken vorhanden ist.

Das Schema zur Bestimmung des Krümmungswinkels geht auf den amerikanischen Orthopäden John Robert Cobb zurück. Wichtig ist auch, die Verdrehung (Torsionsabweichung oder Rotation) der Skoliose zu bestimmen. Dabei werden die einfache Methode nach Clyde Lester Nash und John H. Moe oder die genauere Methode nach Anthony John Raimondi angewendet.

Röntgenuntersuchungen der Wirbelsäule sollten aus Gründen des Strahlenschutzes nicht häufiger als einmal pro Jahr stattfinden. Da sich skoliotische Wirbelsäulen speziell in der Pubertät häufig dramatisch verschlechtern können (Progredienz), sollten dazwischen strahlenfreie Untersuchungsmethoden angewendet werden, wie zum Beispiel die Skoliometermessung nach William P. Bunnell, die dreidimensionale lichtoptische Vermessung des Rückenprofils, dreidimensionale Vermessung der Wirbelsäule mit sogenanntem Mausfinger (computergestützter Berührungssensor), oder eine Sichtkontrolle durch erfahrene Orthopäden. Des Weiteren kann zur Einsparung der Strahlendosis eine sogenannte „low dose“- Aufnahme durchgeführt werden. Hierbei wird die Belichtungszeit entsprechend verkürzt. Durch diese Einsparung eignet sich diese Methode jedoch nur zum Ausmessen des Krümmungswinkels.

Mit zunehmendem Ausmaß der Krümmung steigen auch die Verschlechterungstendenz und das Risiko körperlicher Beeinträchtigungen. Starke Skoliosen verursachen eine Deformation und Verkürzung des Rumpfes und damit eine Verkleinerung des Brust- und Bauchraumes, was Funktionseinschränkungen innerer Organe (Herzenge, Kurzatmigkeit) nach sich ziehen kann, bis hin zu einer verkürzten Lebenserwartung. Daher sollten Skoliosen ärztlich überwacht und bei Fortschreiten frühzeitig behandelt werden. Beim Verdacht auf andere (nicht idiopathische) Ursachen der Skoliose sollte frühzeitig eine Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) der gesamten Wirbelsäule angefertigt werden.

Zusätzlich zu den oben erwähnten Messverfahren sollte man folgende Verfahren jedoch nicht außer Acht lassen: Die Ermittlung der Körpergröße im Sitzen und im Stehen, die Ermittlung des Körpergewichts und die Ermittlung des Atemvolumens sind für die Bestimmung der Krümmung und für eine optimale Therapie von enormer Bedeutung.

Therapie der Skoliose

Je nach Schwere der Skoliose kommt hierfür vor allem Physiotherapie nach Katharina Schroth oder Vojta, Korsetttherapie (Chêneau-Korsett) oder eine wirbelsäulenversteifende Operation (Spondylodese) in Frage.

Physio- und Korsetttherapie

Skoliotische Fehlhaltungen (bis 15° Cobb) ohne Rotation sollten mit Krankengymnastik behandelt werden. Skoliosen ab 15°–20° Cobb mit Rotation sollten mit Krankengymnastik und einem zumindest nachts getragenen Korsett behandelt werden. Progrediente Skoliosen über 20°–25° Cobb sollten mit einer derotierenden Rumpforthese (Chêneau-Korsett) mit einer Mindesttragezeit täglich von 16 Stunden (anzustreben sind 23 Stunden pro Tag, das heißt das Korsett wird nur zur Körperpflege und zur Krankengymnastik abgelegt) und intensiver Krankengymnastik nach Katharina Schroth und/oder Vojta behandelt werden. Dazu empfiehlt sich eine stationäre Wirbelsäulen-Intensiv-Rehabilitation in einer auf die konservative Behandlung von Skoliose und Wirbelsäulendeformationen spezialisierten Fachklinik. Bei günstigen Voraussetzungen (qualitativ hochwertiges Korsett mit hoher Primärkorrektur, sehr guter Compliance in Korsetttragezeiten und Krankengymnastik) kann mit einer konservativen Therapie (Korsett und Physiotherapie) im jugendlichen Alter die Wirbelsäule noch nahezu ganz begradigt werden oder bei stärkeren Verkrümmungen eine drohende Operation abgewendet werden.

Die Indikationsgrenzen für die genannten Therapie-Methoden sind neben dem Ausmaß der Krümmung und dem Alter des Patienten auch von der Qualität der jeweilig stattfindenden Therapie abhängig.

Operation

Röntgenbild einer Skoliose nach Operation

Der Beginn der Operationsindikation schwankt abhängig vom Alter und der Effektivität einer alternativen Korsettversorgung, zwischen 40 und 70° Cobb wenn alle konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und keinen ausreichenden Therapieerfolg gebracht haben. Bei der spät auftretenden idiopathischen Adoleszentensskoliose ist eine Operation aus medizinischer Sicht jedoch nicht unbedingt erforderlich.

Während einer operativen Behandlung wird die Wirbelsäule mit Hilfe von implantierten Metallstäben bis zu einem gewissen Grad aufgerichtet, was jedoch mit einer Versteifung des betreffenden Wirbelsäulenabschnitts einhergeht. Eine Skoliose-Operation eignet sich insbesondere für starke Skoliosen, die anderweitig nicht mehr ausreichend therapierbar sind. Durch die Versteifung der Wirbelsäule können hiermit auch stark progrediente Skoliosen an einem weiteren Fortschreiten gehindert werden.

Es gibt zwei verschiedene Techniken, um eine Skoliose zu operieren: Die Operation vom hinteren Zugang und die Operation vom vorderen Zugang.

Die entstehenden Narben bei der Operation vom hinteren Zugang liegen in der Rumpfmittellinie und bei einem der beiden Beckenkämme. Bei dieser Operation kommen verschiedene Stabsysteme zum Einsatz, welche durch Haken oder Schrauben an der Wirbelsäule befestigt werden und dabei zum Teil große Strecken überbrücken. Zur besseren Stabilisierung werden diese Stäbe mit Querverbindungen versehen. Direkt nach der Operation ist keine Beweglichkeit in dem überbrückten Wirbelsäulenbereich mehr möglich. Dies fördert die spätere knöcherne Festigkeit. Ein Nachteil dieser Operation ist es, dass die Wirbelsäule großstreckig versteift und somit die Gesamtbeweglichkeit des Wirbelapparats eingeschränkt wird.

Bei der Operation vom vorderen Zugang wird entlang der Rippen über die Seite operiert. Dabei wird eine Rippe entfernt, welche später nach Zerkleinerung als eigenes Knochenmaterial zur Überbrückung in die Zwischenwirbelräume eingeführt wird. Nach Öffnung der Brusthöhle oder der Bauchhöhle wird die Wirbelsäule so freigelegt, dass der Operateur freien Zugang zu den Wirbelkörpern und Bandscheiben erhält. Zur Korrektur werden in dem ausgewählten Bereich die Bandscheiben entfernt und von der Seite her in die zu korrigierenden Wirbelkörper Schrauben eingebracht. Diese Schrauben werden mit einem Stab verbunden und nach der Korrektur an diesem Stab befestigt. An die Stelle der herausgenommenen Bandscheiben tritt das vorbereitete körpereigene Knochenmaterial. Moderne Operationsverfahren verwenden zur besseren Erststabilität zwei Stäbe, falls dies die Körpergröße zulässt. Diese Operation hat den Nachteil, dass die Bauch- oder Brusthöhle geöffnet werden muss. Außerdem ist es in manchen Fällen notwendig, anschließend an die Operation über einen bestimmten Zeitraum eine Korsettnachbehandlung durchzuführen, um die Sicherheit des Ergebnisses zu gewährleisten.

Die Operation vom vorderen Zugang ist die kosmetisch schönere und funktionell weniger verlustreiche Operation. Die Operation vom hinteren Zugang kann heute garantiert ohne anschließende Korsettbehandlung durchgeführt werden. Allerdings bietet sie ohne zusätzliche Rückenbuckelkorrektur aus kosmetischer Sicht eher ungünstige Resultate.

Das Gesamtrisiko einer Operation bei der idiopathischen Skoliose wird mit etwa 5 % angegeben. Mögliche Komplikationen können Entzündungen, Atmungsbeeinträchtigungen durch Nachblutungen und Nervenstörungen sein.

In großen operativen Zentren wird das Operationsrisiko jedoch als gering eingestuft und die Skolioseoperation bei der idiopathischen Skoliose als relativ komplikationsarm angesehen.

Schwangerschaft und Skoliose

In der Regel wird eine Schwangerschaft die Skoliose in ihrem Krümmungsverlauf nicht beeinträchtigen.

Eine schwedische Studie jedoch zeigt, dass Patientinnen mit mehreren Schwangerschaften vor ihrem 23. Lebensjahr verstärkt mit einer Krümmungszunahme zu rechnen haben.

Bei einer Schwangerschaft ab dem dritten Lebensjahrzehnt sind praktisch keine Beschwerden oder Krümmungszunahmen zu befürchten, sofern intensiv durch Krankengymnastik vorgebeugt wird. Vom geburtshilflichen Standpunkt aus sind keine nachhaltigen Auswirkungen einer Skoliose auf die Schwangerschaft oder den Geburtsvorgang bekannt. Dies trifft jedoch nicht in jedem Fall auf operierte Patientinnen zu. Durch die erhebliche Versteifung der Wirbelsäule bis zum Kreuzbein kann die Reaktionsfähigkeit des Beckenringes möglicherweise beeinträchtigt werden.

Literatur

  • Hans R. Weiß: Ich habe Skoliose. Ein Ratgeber für Betroffene, Angehörige und Therapeuten. 5., überarb. u. erw. Auflage. Richard Pflaum Verlag, 2005, ISBN 379050937X

Weblinks

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