Tragiker

Tragiker
„Tragisches“ Ende von König Ödipus in der Tragödie von Sophokles: Ödipus wird sich seiner Schuld bewusst und sticht sich die Augen aus

Die Tragödie (Trauerspiel) ist eine Form des Dramas und neben der Komödie die bedeutendste Vertreterin dieser Gattung. Sie lässt sich bis in das antike Griechenland zurückführen.

Kennzeichnend für die Tragödie ist der schicksalhafte Konflikt der Hauptfigur. Ihre Situation verschlechtert sich ab dem Punkt, an dem die Katastrophe eintritt. In diesem Fall meint das Wort Katastrophe nur die unausweichliche Verschlechterung für den tragischen Helden. Allerdings bedeutet diese Verschlechterung nicht zwangsläufig den Tod des Protagonisten. Das Scheitern des tragischen Helden ist dabei unausweichlich, die Ursache liegt in der Konstellation und dem Charakter der Figur. Der Keim der Tragödie ist, dass der Mensch der Hybris verfällt und dem ihm vorbestimmten Schicksal durch sein Handeln entgehen will.

Inhaltsverzeichnis

Der Begriff „Tragödie“

Das Wort „Tragödie“ entstammt dem Theater der griechischen Antike und bezeichnet einen „Bocksgesang“ bzw. „Gesang um den Bockspreis“ griech. τραγωδία, tragodía. Beim Dionysoskult wurden Umzüge mit Maske und Bocksfell griech. τραγος/tragos zur Darstellung des Gottes selbst oder eines der ihn begleitenden Satyrn aufgeführt.

Im Kontext der Tragödie bedeutet „tragisch“ im Gegensatz zur Alltagssprache aber nicht, dass etwas sehr traurig ist, sondern dass jemand aus einer hohen Stellung „schuldlos schuldig“ wird und damit den Sturz über eine große „Fallhöhe“ (→Ständeklausel) erlebt, wie zum Beispiel Ödipus, Orestes, Hamlet oder Maria Stuart.

Für Hegel steht nicht der tragische Held, sondern die tragische Kollision im Mittelpunkt der Tragödie. Der Konflikt besteht für ihn „nicht zwischen Gut und Böse, sondern zwischen einseitigen Position, von denen jede etwas Gutes enthält“.[1]

Wirkung auf den Zuschauer

Nach der Interpretation von Lessing schrieb Aristoteles in seiner Poetik der Tragödie psychologische Wirkungsmacht zu: Die Zuschauer sollten in der Aufführung Mitleid (eleos) und Furcht (phobos) für den Helden empfinden und in der Anschauung seines tragischen Schicksals eine Reinigung (Katharsis) von eben diesen Gefühlen erleben.

In der Praxis werden die Gefühle des Zuschauers einer Tragödie oft durch ein geschickt angelegtes Wechselspiel der Ereignisse zwischen der Sympathie mit dem Helden, dem Erschrecken vor dem näher rückenden, unabänderlichen Ende und der immer wieder angeregten Hoffnung auf einen günstigeren Ausgang hin und her gezogen. Um dieses Wechselbad der Gefühle zu erzeugen, wenden die Autoren bestimmte Hilfsmittel an.

Eins dieser Hilfsmittel ist die Einfügung einer possenhaften Szene unmittelbar vor einem wichtigen Ereignis, um die Spannung zu entlasten (Comic relief). Beispiele hierfür sind der Auftritt des Leichenwächters in Sophokles' Antigone oder der übernächtigte Torwächter in William Shakespeares Macbeth.

Häufig hört man am Beginn des Spiels die Ankündigung, der „Held“ werde sterben. Damit wird die moralische Wirkung auf den Zuschauer erhöht, denn die Ankündigung wird zwar ernst und in sich glaubwürdig vorgetragen, die weiteren Umstände der Szene bewegen den Zuschauer jedoch dazu, sich selbst zu täuschen und die Voraussage als unsinnig abzutun. Im Prolog von Shakespeares Romeo und Julia wird etwa schon verkündet, dass die Liebenden sterben werden, der Spannung und Dramatik des Stücks tut dies aber keinen Abbruch.

Geschichte

Antike Tragödie

Siehe auch: Griechische Tragödie

Die Tragödie hat ihre Ursprünge im Griechenland und erlebte dort von 490 bis 406 v. Chr. ihre Blütezeit. Die bedeutendsten Tragödiendichter der Antike waren die Griechen Aischylos (525-456 v. Chr.), Sophokles (496-406 v. Chr.) und Euripides (480-406 v. Chr.). In Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik vertritt Friedrich Nietzsche die Auffassung, dass die Tragödie aus dem rituellen Chortanz des Dionysoskultes entstanden und nach vom Tod von Sophokles und Euripides vom kritischen sokratischen Geist zerstört worden sei.

Siehe auch: Römische Tragödie

Die römische Tragödie wurde stark von den großen griechischen Tragödiendichtern beeinflusst. Deren bedeutendste Vertreter waren Quintus Ennius (239-169 v. Chr.) und Lucius Accius (170-90/80 v. Chr.), von denen nur Fragmente überliefert sind, sowie später Lucius Annaeus Seneca (4 v. Chr.-65 n. Chr.).

Französische Klassik

Eine sehr große Rolle spielte die Gattung Tragödie in der Literatur der französischen Klassik des 17. und frühen 18. Jahrhunderts. Ihre bedeutendsten Autoren waren Pierre Corneille, Jean Racine und Voltaire. Nach der von ihnen etablierten Praxis hatte eine Tragödie in fürstlichen Kreisen zu spielen und die drei Einheiten der Zeit, des Ortes und der Handlung einzuhalten. Die Stoffe stammten ganz überwiegend aus der antiken griechischen und römischen Geschichte sowie aus der Mythologie. Versmaß war in aller Regel der paarweise reimende Alexandriner mit „alternance“ d. h. regelmäßigem Wechsel männlicher und weiblicher Reime.

Bürgerliches Trauerspiel

Hauptartikel: Bürgerliches Trauerspiel

Im Zuge der Emanzipationsbewegung des 18. Jahrhundert entstand das Bürgerliche Trauerspiel, das sich vom Zwang nach adeligen Hauptpersonen entfernte und die Tragödie für das Bürgertum erschloss. Als man den Gedanken verwarf, dass nur der Adel die Fähigkeit zum dramatischen Erleben habe, eröffneten sich auch neue Thematiken wie der Konflikt zwischen Adel und Bürgertum (Friedrich Schiller, Kabale und Liebe) oder Konflikte innerhalb des Standes (Friedrich Hebbel, Maria Magdalena).

Literatur

  • Hans-Dieter Gelfert: Die Tragödie. Theorie und Geschichte (Taschenbuch), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1995
  • Walter Kaufmann: Tragödie und Philosophie. J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1980. ISBN 3-16-942682-6 (zuerst New York 1969)
  • Friedrich Nietzsche: Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik Oder: Griechenthum und Pessimismus Reclam, Stuttgart 1993. ISBN 3-15-007131-3
  • Ulrich Profitlich (Hg.): Tragödientheorie. Texte und Kommentare. Vom Barock bis zur Gegenwart. Rowohlt, Hamburg 1999. ISBN 3-499-55573-5
  • Gustav Adolf Seeck: Die griechische Tragödie. Reclam, Stuttgart 2000. ISBN 3-15-017621-2
  • Peter Szondi: Versuch über das Tragische [EA1961] in: ders., Schriften I, Neuauflage: Frankfurt am Main: Suhrkamp 1996, ISBN 3-518-27819-3
  • Peter Szondi: Die Theorie des bürgerlichen Trauerspiels im 18. Jahrhundert. Suhrkamp 1973, ISBN 3-518-07615-9
  • Klassische Texte zur Tragik. Parodos, Berlin 2006. ISBN 3-938880-03-1

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Walter Kaufmann: Tragödie und Philosophie. J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen 1980, S. 223. ISBN 3-16-942682-6 (zuerst New York 1969)

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