Transafghanische Pipeline

Transafghanische Pipeline

Die Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Pipeline (Abk. TAP), im angelsächsischen Raum auch Trans-Afghanistan Pipeline, ist ein geplantes Erdgas-Transportsystem. Die Pipeline soll unter der Federführung der Asiatischen Entwicklungsbank projektiert und gebaut werden.

Inhaltsverzeichnis

Verlauf und Transportleistung

Die Pipeline soll Erdgas von Chardschou in Turkmenistan am Kaspischen Meer durch Afghanistan zu Häfen am Indischen Ozean in Pakistan leiten. Die Kosten für ihren Bau belaufen sich nach Schätzungen auf 3,5 Milliarden US-Dollar. Die TAP soll den Plänen zufolge entlang der Fernstraße von Herat nach Kandahar in Afghanistan und über Quetta und Multan in Pakistan verlaufen. Ausgehend von den Förderfeldern um Dauletabad in Turkmenistan soll die im Endausbau knapp 1700 Kilometer lange Pipeline jährlich 30 Milliarden Kubikmeter Gas transportieren. - Befürworter sehen in dem Vorhaben eine moderne Fortsetzung der alten Seidenstraße. Die Gasvorkommen in Dauletabad werden auf 1,7 Billionen Kubikmeter (2002) geschätzt. 830 Kilometer der TAP sollen in Afghanistan, etwa 400 km in Pakistan verlaufen.

Entstehungsgeschichte[1][2][3][4]

Neben seinen eigenen Bodenschätzen machen Afghanistan vor allem die riesigen Erdöl- und Erdgasvorräte in den Nachbarländern Kasachstan, Aserbaidschan, Turkmenistan und Usbekistan zu einem Schlüsselland. Die Idee, eine Gaspipeline durch Afghanistan zu legen, geht zurück auf den Unternehmenschef des argentinischen Ölunternehmens Bridas, Carlos Bulgheroni. Bridas investierte schon 1991 in die Erdgasförderung in Turkmenistan und suchte nach einer Möglichkeit, das geförderte Gas exportieren zu können. Aber auch das Unternehmen Unocal, das zwölftgrößte Ölunternehmen der USA, Mitglied eines Konsortiums aus acht westlichen Ölkonzernen zur gemeinsamen Ausbeutung der Ölfelder um Baku, Aserbaidschan, hatte großes Interesse an einer Pipeline durch Afghanistan. Nachdem Turkmenistan und Pakistan bereits einen Vertrag über eine solche Pipeline mit der argentinischen Bridas Oil abgeschlossen hatten, visierte Unocal 1995 in einer Vorvereinbarung mit den Taliban ebenfalls eine Pipeline an, ein Jahr bevor diese Kabul eroberten. Trotzdem gelang es Bridas 1996, die Zustimmung aller Kriegsparteien in Afghanistan, einschließlich der Taliban, zu erhalten. Der Vorschlag einer öffentlich zugänglichen Pipeline, in die andere Unternehmen und Länder im Laufe der Zeit eigenes Gas einspeisen könnten, sagte den Kriegsherren zu, da sie Transitgebühren erheben könnten und Afghanistan im Norden über eigene Gasfelder verfügte.

Unocal, die bereits eine beträchtliche Erfahrung in Asien hatte und seit 1976 in Pakistan tätig war, versicherte sich der Mitarbeit einflussreicher Lobbyisten wie Ex-Außenminister Kissinger, des früheren US-Botschafters in Pakistan, Robert Oakley, und des ehemaligen Mitarbeiters der UN-Sondermission in Afghanistan, Charlie Santos, ebenfalls US-Amerikaner, und konnte Personen in Schlüsselpositionen in der Regierung Clinton - wie die damalige Vizeaußenministerin für Südasien, Robin Raphel, und Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrates (NSC) - für die Idee einer leicht modifizierten Afghanistan-Pipeline gewinnen. 1997 fanden im Beisein des Unocal-Beraters und späteren amerikanischen Sonderbotschafters für Afghanistan Zalmay Khalilzad weitere Gespräche zwischen Unocal und den jetzt regierenden Taliban statt, die die Umsetzung der Pläne von 1995 zum Bau einer Pipeline durch das westliche Afghanistan zum Ziel hatten. Auf massiven US-Druck brachen Pakistan und Turkmenistan den mit der argentinischen Bridas Oil abgeschlossenen Vertrag und gaben Unocal den Zuschlag. 1996 verklagte Bridas die Unocal auf einen Schadenersatz von 15 Milliarden Dollar wegen des Diebstahls der Pipelineidee durch Afghanistan. Außerdem erhob die Bridas Anklage gegen Turkmenistan wegen Vertragsbruch bezüglich der Blockade der Yashlar- und Keimir-Felder. Jedoch verstanden es die Anwälte von Unocal, den Prozess sechs Jahre lang hinzuziehen.

Bridas hatte gegenüber dem Konkurrenten Unocal den Vorteil, dass sie keine Mittel aus internationalen Geldinstituten benötigte, was eine international anerkannte Regierung in Kabul vorausgesetzt hätte. Die Bridas konnte ohne jede Voraussetzung sofort mit dem Bau der Pipeline beginnen. Für die Unocal war eine anerkannte Regierung in Kabul eine Voraussetzung, um unter anderem auch von der Weltbank Darlehen für das Projekt zu bekommen.

Im Dezember 1998 zog sich Unocal aufgrund des Drucks, der sich seitens der Politik, Öffentlichkeit und auch der Anteilseigner gegen die Taliban formierte, aus dem Pipeline-Konsortium zurück.

Vertragsunterzeichnung ohne Baubeginn

Der Vertrag über die Pipeline, über die bereits mit dem gestürzten Taliban-Regime verhandelt worden war, wurde am 27. Dezember 2002 von den Staatschefs Turkmenistans, Afghanistans and Pakistans unterzeichnet. Der Vertragsabschluss wurde durch die US-Invasion in Afghanistan im Jahr zuvor ermöglicht. Die afghanische Regierung soll demnach acht Prozent der Einnahmen erhalten; die Betreiber versprechen sich 12.000 neue Arbeitsplätze in dem wirtschaftlich darniederliegenden, vom Krieg verwüsteten Land. Gleichwohl ist die Umsetzung des Bauvorhabens derzeit weitestgehend auf Eis gelegt: Die Arbeiten am durch Turkmenistan verlaufenden Abschnitt sollten zwar 2006 aufgenommen werden, die Durchführung des gesamten Projekts steht allerdings zur Disposition, weil der südliche Abschnitt der Pipeline durch Gebiete verlaufen würde, die nach wie vor de facto unter Kontrolle der Taliban und der Terrororganisation Al-Qaida sind.

1998 waren Pläne für ein weitaus umfangreicheres Projekt einer zentralasiatischen Ölpipeline mit annähernd gleichem Verlauf ausgesetzt worden, nachdem der US-Konzern Unocal (seinerzeitige Lobbyisten: u.a. Henry Kissinger und Richard Armitage) seine Beteiligung an dem 1997 gebildeten CentGas-Konsortium in Höhe von 8 Mrd. Dollar zurückgezogen hatte. Diese ebenfalls durch Afghanistan führende und in Südasien endende Pipeline sollte über eine Kapazität von ca. 160 Millionen Liter (1 Million Barrel) pro Tag verfügen. Turkmenistan konzentrierte sich in den Folgejahren auf Geschäfte mit russischen Energieunternehmen wie LUKOil.

Iran-Pakistan-Indien-Pipeline: Konkurrenz oder Ergänzung?

Zwischen den beteiligten Staaten vereinbart ist unterdessen auch die auf 2775 Kilometer projektierte (im Vergleich zur TAP kostspieligere) Iran-Pakistan-Indien-Pipeline (IPI; euphemistisch auch "Friedens-Pipeline" genannt), die zwischen 2009 und 2011 in Betrieb genommen werden soll.[5] Dieses Vorhaben wird allerdings von den USA mit Argwohn betrachtet,[6][7] da eine direkte Zusammenarbeit mit dem "Schurkenstaat" Iran derzeit ausgeschlossen scheint. Pakistan und Indien hingegen wollen sich nach Einschätzung von Beobachtern auf ein einziges - zudem US-kontrolliertes - Standbein nicht verlassen. Obgleich es im September 2005 so schien, als komme es zu einem Zerwürfnis zwischen dem Iran und Indien, das auf der IAEO-Ratssitzung für EU-Resolution zur Verurteilung des Iran wegen dessen Atomprogramm gestimmt hatte, wurden die Verhandlungen über die Gas-Pipeline Ende Dezember in Neu-Delhi auf Vizeminister-Ebene wiederaufgenommen.[8] Nach Medienangaben hat der Kontrakt ein Volumen von 40 Mrd. Dollar. - Als Öllieferant ist der Iran für die über eine Milliarde Inder schon seit Jahren von großer Bedeutung, wie im Übrigen auch für China.

Eine dritte Pipeline soll von Myanmar über Bangladesch nach Indien führen. Auch sie war im Prinzip beschlossene Sache; mit dem Bau sollte noch 2005 begonnen werden. Beobachtern zufolge ist es Ziel der Regierung in Neu-Delhi, allen voran des Ölministers Mani Shankar Aiyar, ein transasiatisches Gas-Netz zu schaffen, das sich - unter dezidierter Einbindung des einstmaligen Rivalen China - vom Persischen Golf bis Südostasien erstreckt. Allerdings schien es hier zur Jahreswende 2005/2006 durch Vereinbarungen chinesischer Unternehmen mit Myanmar zu ernsthaften Rückschlägen gekommen zu sein.[9]

Nachdem hingegen Indiens Beteiligung an der TAP jahrelang unsicher schien, wird die Trans-Afghanistan-Pakistan-Pipeline nunmehr gleichwohl als entscheidend für die Deckung des rapide wachsenden Energiebedarfs auf dem Subkontinent angesehen.[10] Ob allerdings eine noch 2002 erwogene, 640 Kilometer lange Erweiterung nach Indien realisiert wird, ist derzeit (Anfang 2006) unklar. Als LNG (Liquefied Natural Gas) jedenfalls - von dessen Einfuhr insbesondere Japan abhängig ist, solange eine Pipeline vom westlichen Kasachstan nach Xinjiang (China) und gfs. weiter an die Pazifikküste unmachbar erscheint, vor allem aus ökonomischen (sie wäre zu teuer), aber auch aus politischen Gründen (Xinjiang gilt als potentiell rebellische Provinz) - soll turkmenisches und gfs. später auch afghanisches Erdgas von pakistanischen Häfen aus nach ganz Ost- und Südostasien verschifft werden. Die Importe von Flüssiggas durch Japan, Südkorea und Taiwan machen schon derzeit (Stand: 2005) fast 80 Prozent des globalen LNG-Handels aus.

Siehe auch

Weblinks

Literatur

  • Ahmed Rashid: Taliban: Islam, Oil and the New Great Game in Central Asia I.B. Tauris& Co Ltd; New Ed edition 2002 - ISBN 1860648304

Nachweise

  1. Siehe Telepolis (Online Magazin): Verborgene Ziele, Hubert Erb, 13. Oktober 2001
  2. Siehe illoyal - Journal für Antimilitarismus Nr. 12: Der Afghanistan-Krieg, die Taleban und das Öl, Sommer 2000
  3. Siehe Zeit-Fragen Nr. 45: Pipelines durch Afghanistan, 12. November 2001
  4. junge Welt: Krieg um Öl von Karatschi bis Triest, Thomas Immanuel Steinberg, 10. November 2001
  5. Siehe Dawn (Tageszeitung): New Delhi committed to pipeline: minister, 8. Februar 2006
  6. Siehe Dawn (Tageszeitung): US opposes gas pipeline project, 5. Januar 2006
  7. Siehe Deutsche Welle: Zwischen Politik und Pipeline, 8. April 2005
  8. Siehe Radio China International: Iran kann seine "Energiekarte" als Trumpf benutzen, 30. Dezember 2005
  9. Siehe World Socialist Web Site (wsws.org): China and India manoeuvre to secure energy supplies, 31. Januar 2006
  10. Siehe Wolfgang-Peter Zingel, Abteilung Internationale Wirtschafts- und Entwicklungspolitik des Südasien-Instituts der Universität Heidelberg: INDIEN - Wirtschaft, vermutlich Ende Dez. 1997

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