Transkulturelle Pflege

Transkulturelle Pflege

Madeleine Leininger (* 13. Juli 1925 in Sutton, USA) ist eine Professorin für Krankenpflege, die sich als Pflegetheoretikerin auf dem Gebiet der Erforschung der inter- bzw. transkulturellen Pflege einen Namen gemacht hat.

Inhaltsverzeichnis

Biographie

Ihre Karriere als Krankenschwester begann Madeleine Leininger an der St. Anthonys School of Nursing in Denver und arbeitete anschließend im Kadetten­korps. 1950 erhielt sie einen B.S. in Biologie mit den Nebenfächern Philosophie und Hu­manistik. Sie arbeitete als Unterrichtsschwester und als Stationsleitung. In dieser Zeit eröffnete sie eine neue psychiatrische Abteilung als Direktorin des Pflegedienstes in Omaha.

1954 erhielt sie den Magister in psychiatrischer Krankenpflege und rief das erste klinische Ausbildungsprogramm für psychiatrische Pflege ins Leben. 1959 promovierte Leininger mit dem Schwerpunkt auf kultureller und psychologischer Anthropologie. Sie führte ethnographische und ethnopflegerische Studien bei dem Gadsup-Volk in Neu Guinea durch, wo sie fast zwei Jahre lebte. Die Er­gebnisse dieser Studien halfen ihr bei der Entwicklung ihrer Pflegetheorie, der Grundstein für die Entwicklung der Theorie der kulturellen Pflege war gelegt. Als Pro­fessorin für Krankenpflege und Anthropologie an der Universität von Colo­rado hielt sie 1966 die erste Vorlesung über transkulturelle Krankenpflege.

1968 führte sie das Committee on Nursing and Anthropology (CONNA) bei der Amerika­nischen Anthropologischen Vereinigung ein. 1974 rief sie an der Universität Ma­gister- und Doktorandenpro­gramme in transkultureller Krankenpflege ins Leben.

Madeleine Leininger hat min­destens 12 wichtige Kulturen gründlich untersucht und ethnographische und ethnopflegerische Untersuchungen durchgeführt, Be­richte von Doktoranden und Kollegen aus nahezu 60 verschiedenen Kulturen flossen in die Entwicklung der The­orie mit ein.

Begriffsbestimmung

Zu Beginn der Betrachtung der Theorie von Leininger werden zum einheitlichen Verständnis einige Begrifflichkeiten geklärt. Leininger spricht in ihrer Theorie von Transcultural Nursing also von Transkultureller Pflege. Nach Leininger bezieht sich die Kultur auf „[...] erlernte, gemeinsam überlieferte Werte, Überzeugungen, Meinungen, Nor­men und Lebensweisen einer bestimmten Gruppe, die das Denken, Entschei­dungen, Handlungen und strukturierte Wege leiten.“ (Leininger, M. Madeleine: Kulturelle Dimensionen menschlicher Pflege. Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau 1998.) Diesen Denkansatz entnimmt Leininger der Anthropologie. Nach Domenig stützt sich Leininger auf den klassischen Kulturbegriff, des Kultur­konzeptes von E.B. Tylor (1871), der Kultur als komplexes Ganzes begreift, das Wissen, die Glaubensvorstellungen der Menschen, Kunst, Moral, Gesetze, Bräuche und alle anderen Fähigkeiten und Eigenschaften, die man als Gesellschaftsmitglied erwirbt, einschließt.

Madeleine Leininger definiert Pflege als eine humanistische Kunst und Wissenschaft, die sich auf persönliches Pflegeverhalten konzentriert. Einen weiteren Fokus richtet sie auf die Funktionen und Prozesse, die auf die Förderung und Erhaltung des Gesundheitsverhaltens gerichtet sind oder auf die Genesung von Krankheiten, die physische, psychokulturelle und soziale Bedeutung für diejenigen haben, denen im­mer eine Krankenschwester hilft. Pflege (nursing) ist das dominante, spezifische und verein­heitlichende Merkmal der Krankenpflege. Aus diesen Definitionen leitet sie eine weitere Definition, nämlich die der kultur­spezifischen Fürsorge (cultural care) ab, die sich auf bekannte Werte und Mei­nungen beziehe, die den Menschen helfen bzw. sie in die Lage versetzen soll, das Wohlbe­finden zu erhalten indem sie die Lebensweise verbessere oder die Menschen be­fähige, mit Tod oder Behinderung fertig zu werden. Professionelle Pflegende, die Zielgruppe ihrer Forschungen, sind Menschen, die ei­nen humanistisch ausgerichteten und wissenschaftlich fundierten Beruf aus­üben (professionelle Pflege = nursing) dessen Kern die Fürsorge (care) sei. Eine Fürsorge – im Sinne von helfender, unterstützender und fördernder Verhal­tensweisen zugunsten anderer Menschen, die einer Verbesserung der Lebensbe­dingungen bedürfen – sollte den Bedürfnissen der Patienten entsprechen und dazu führen, gesunde Lebensbedingungen zu erhalten, schädliche Lebensweisen zu ver­bessern und mit Krankheit, Behinderung oder dem Sterben besser umgehen zu kön­nen. Diese Fürsorge bezeichnet Leininger als humanistische Fürsorge, die darin besteht, „[...] den Bedürfnissen der Patienten uneingeschränkt Aufmerksamkeit ent­gegen­zubringen und ihre ethischen, moralischen und geistig-religiösen Vorstellungen sowie ihre psychophysischen Bedürfnisse zu be­rücksichtigen.“ (Leininger, M. Madeleine: Kulturelle Dimensionen menschlicher Pflege. Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau 1998.)

Leininger hat unter dem Gesichtspunkt „Was ist Fürsorge?“ eine Liste erstellt, in der sie die Bedeutung des Begriffes Fürsorge aus der Sicht von Menschen aus 54 ver­schiedenen Kulturen zusammengetragen hat (siehe Anhang). Gesundheit (health) beschreibt Leininger als einen „Zustand von Wohlbefinden [...], der kulturell definiert, bewertet und praktisch ausgelebt wird und der die Fähigkeit von Einzelpersonen (oder Gruppen) wider­spiegelt, ihre alltäglichen rollenspezifischen Aktivitäten auf kulturspezifisch an­gemessene, positive und strukturierte Weise auszu­führen.“ (Leininger, M. Madeleine: Kulturelle Dimensionen menschlicher Pflege. Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau 1998.)

In Amerika hat Madeline Leininger transkulturelle Pflege folgendermaßen definiert: „Ein ausgewiesener Bereich des Studiums und der Praxis, der sich auf eine vergleichende, ganzheitliche Sicht der Kultur-, Pflege-, Gesundheits- und Krankheitsmuster von Menschen konzentriert; der Unterschiede und Ähnlichkeiten in ihren kulturellen Wertvorstellungen, Glaubenssätzen und Praktiken berücksichtigt; der das Ziel hat, Menschen verschiedensten kulturellen Hintergrunds kulturell kongruente, sensible und kompetente Krankenpflege angedeihen zu lassen“ (Leininger 1995).

Intention für die Entwicklung der Theorie

Bereits Mitte der 40er Jahre wurde sich Madeleine Leininger der Notwendigkeit der kulturspezifischen Fürsorge bewusst. „What concerned me most was that the world was moving much more rapidly toward multiculturalism than the profession realized and nurses needed cultural knowledge and a theory to build nursing knowledge to guide nursing practices. However, it was not long before realized that a theory of Culture Care would have limited meaning and would be misunderstood unless there were nurses prepared in transcultural nursing.” (Leininger, M. Madeleine: Culture Care Diversity & Universality: A Theory of Nursing. National League for Nursing Press, New York 1991.)

Das Ziel Leiningers war es, in allen Kulturen das Kulturspezifische zu erfassen, für dessen Erforschung sie die Methode der Ethnopflege (Ethnonursing, siehe auch Methoden) begründete. Kranksein in einem anderen Kulturkreis bedeutet oft ein Ausgeliefertsein an fremde Bezugspersonen, fremde Behandlungsformen und fremde Medizin. Diese Faktoren beeinflussen den Heilungs- und Genesungsprozess aber auch den Sterbe­prozess im positiven als auch im negativen Sinn. Pflegende benötigen daher eine Fülle an Informa­tionen bezüglich der die Pflege betreffenden Kulturspezifika. Jede Kultur prägt die menschliche Vorstellung von Körper und Geist, Krankheit und Gesundheit, Krankheitsdiagnose, Therapie und Krankheitsverarbeitung an­ders. Der kulturellen Prägung ist ein Kind bereits ab seiner Geburt ausgesetzt (vielleicht auch noch früher). Das selbstverständliche Übernehmen von zentralen Werten der Kultur verhilft dem Menschen zur Einbindung in die Gemeinschaft und gibt ihm Zugehörigkeits­gefühl und Selbstwert.

Darstellung der Theorie

Methoden

Im Gegensatz zu traditionellen Theorien in der Krankenpflege, die eine Theorie als eine Reihenfolge logisch aufeinander bezogenen Konzepte definiert, be­schreibt Leininger ihre Theorien als einen systematischen und kreativen Weg, um etwas ken­nenzulernen oder auch um ein begrenzt oder vage bekanntes Phänomen zu er­klären. Kulturspezifische Einflüsse auf den Patienten müssen berücksichtigt wer­den. Geschieht dies nicht in ausreichender Form, könnte es dazu kommen, dass die Pflegepraxis wenig wirksam ist, mit der Folge der Unzufriedenheit bezüglich der geleisteten Pflege. Madeleine Leininger untersucht Pflege ethnowissenschaftlich, da ihrer Ansicht nach die Ethnowissenschaft eine der genauesten Methoden sei, die in der Anthropologie verwendet würde, um Pflegewissen zu entdecken. Der Schlüssel für die Erarbei­tung und für den Aufbau erkenntnistheoretischer Grundlagen des Pflegewissens liegt nach Leininger im Einblick in das emische und das etische System der verschiede­nen Kulturen. Wie bereits unter Punkt drei erwähnt, bildet die Fürsorge (care) den zentralen Kern der professionellen Pflege. Demnach ist Fürsorge die Voraussetzung für Wohlbefin­den, Gesundheit, Heilung und für den Umgang mit dem Tod. Sie unterscheidet sich zwischen den verschiedenen Kulturen, jedoch sind auch Gemeinsamkeiten festzu­stellen. Leininger unterscheidet zwei Arten von Wissen über Fürsorge. Zum einen ist dies das generische (laienhaftes, volkstümliches) Wissen, zum anderen das pro­fessionelle Pflegewissen. Religion, Werte, Meinungen und Überzeugungen beein­flussen dabei die Methoden der Fürsorge. Die Berücksichtigung dieser Ein­flüsse auf Fürsorge – aus Sicht der Pflegenden, aber auch aus Sicht der Patienten – ist nötig für eine kulturkongruente professionelle Pflege.

Grundannahmen

Leininger definiert transkulturelle Pflege als „[...] einen Hauptbereich der Krankenpflege, der sich auf vergleichende Studien und Analysen verschiedener Kulturen und Subkulturen in der Welt im Hinblick auf ihr Pflegeverhalten, Pflege, Gesundheit-Krankheitswerte, Meinungen und Verhal­tensmuster konzentriert, mit dem Ziel, ein wissenschaftliches und humanistisches Gesamtwissen zu entwickeln, um kulturspezifische und für die Kultur einzigartige Pflegepraktiken zu schaffen.“1 (Marriner-Tomey, Ann: Pflegetheoretikerinnen und ihre Werke. Recom Verlag, Basel 1992.)

Leininger entwickelte die Theorie auf der Basis kulturanthropologischer Grund­an­nahmen und ethnographischer Methoden. Die wichtigsten dieser Grundannahmen sind:

  1. Menschliche Pflege ist ein universelles Phänomen, aber die Begriffe, Prozesse, strukturelle Formen und Pflegemuster sind in den Kulturen verschieden.
  2. Pflegehandlungen und Prozesse sind für die Geburt des Menschen, seine Ent­wicklung, Wachstum, Überleben und einen friedlichen Tod wesentlich.
  3. Betreuung ist die Essenz der Pflege und die charakteristische, dominante und vereinheitlichend Natur der Pflege.
  4. Pflege hat eine biophysikalische, kulturelle, psychologische, soziale und ökologische Dimension, und das Konzept der Kultur bietet die umfassendsten Mög­lichkeiten, um die Pflege kennenzulernen und zu verstehen.
  5. Pflege ist ein transkulturelles Phänomen, da die Krankenschwestern mit den Klienten, dem Personal und anderen Gruppen interagieren, und es er­forderlich sei, dass die Pflegenden interkulturelle Faktoren der Pflegenden-Klienten-Bezie­hung und des Systems zu erkennen und anzuwenden.
  6. Pflegeverhalten, Ziele und Funktionen der Kulturen sind unterschiedlich, da so­ziale Strukturen, Weltanschauung und kulturelle Werte sich in ver­schiedenen Kulturen unterscheiden.
  7. Selbsthilfehandlungen unterscheiden sich in verschiedenen Kulturen.
  8. Die Identifikation von universellen und nicht-universellen ethnischen und pro­fessionellen Pflegeverhaltensweisen, Meinungen und Handlungen ist wichtig, um die epistemologische und ontologische Grundlage des Pflege­wissens zu ent­decken.
  9. Pflege ist größtenteils kulturell abgeleitet und erfordert begründetes Wis­sen und Fähigkeiten, um die Pflegetätigkeiten zufriedenstellend und wirk­sam auszu­führen.
  10. Es gibt keine Heilung ohne Pflege aber Pflege ohne Heilung.

Das Sunrise-Modell

Das Modell dient als Instrument, die oben erwähnten Kulturspezifika zu ergründen bzw. Zusammenhänge, die auf die Genesung, Heilung oder den Verlauf des Sterbens starken Einfluss nehmen zu verstehen. Leininger hat das Sunrise-Mo­dell im Laufe von 30 Jahren entwickelt und immer wieder an ihre neuen wissen­schaftlichen Erkenntnisse angepasst.

Das Sunrise-Modell ermöglicht einen Gesamtüberblick über die verschiedenen, eng zusammenhängenden Dimensionen kultureller Pflege, die aber nicht isoliert be­trachtet werden dürfen. Das Modell umfasst die mit menschlicher Fürsorge in Ver­bindung stehenden Faktoren. Der wichtigste Aspekt besteht hierbei darin, die kul­turelle Welt mit seinen unterschiedlichen Lebensäußerungen und Einflüssen auf die menschlichen Lebensbedingungen zu verstehen. Des Weiteren bietet es die Möglich­keit, von verschiedenen Ausgangspunkten aus die menschliche Fürsorge zu er­forschen. So kann bei der Erforschung kulturspezifischer Umstände mit der Dimen­sion Welt- und Wirklichkeitsverständnis begonnen werden, um sich dann zum un­teren Teil des Sunrise-Modells vorzuarbeiten. Ebenso ist es aber auch möglich mit der Untersuchung der Ebene der professionellen Pflege zu beginnen um dann das vorliegende Welt- und Wirklichkeitsverständnis oder die kulturspezifischen und sozio­strukturellen Dimensionen zu erkunden. Im Sunrise-Modell werden also unterschiedliche Faktoren berücksichtigt, die auf das Sorgemuster, auf Krankheit und Pflege Einfluss haben, aber auch, ob und welche Verbindung diese Faktoren untereinander und aufeinander haben. Diese Faktoren sind, noch einmal zusammengefasst:

  • technologische Umstände,
  • religiöse und philosophische Einflüsse,
  • verwandtschaftliche und soziale Faktoren,
  • politische und gesetzliche Gegebenheiten,
  • wirtschaftliche Verhältnisse,
  • bildungsbedingte Faktoren und
  • kulturelle Werte und Lebensweisen.

Anwendung der Theorie in der Praxis

Leininger schafft mit Ihrer Theorie ein verallgemeinertes, abstraktes und zugleich praktisch anwendbares Wissen, das in die Pflegepraxis umgesetzt werden kann. Dieses Wissen soll dabei der generischen (laienhaften) und der professionellen Gesundheitspflege dienen. Die Kenntnis um den Unterschied der generischen und der professionellen Pflege ist von großer Bedeutung im Hinblick auf die Vermeidung von Gesundheitsrisiken, kulturell bedingter Konflikte und der Vorbeugung kultu­reller Zwänge, die umfassende Pflege beeinträchtigen können. Hierbei betont Lei­ninger, dass die generische Fürsorge nach und nach in eine professionelle Form übergehen kann und dort in der Praxis auf Verständnis und Re­spekt stoßen wird. Der Respekt in der Praxis äußert sich darin, dass die laien­haften Pflegehandlungen kritisch überprüft und (sollten sie dieser Prüfung standhalten) von professionellen Pflegenden angewendet werden. Für die Entscheidung und Durchführung der Pflege benennt Leininger drei Modi: Die Erhaltungs- oder Bewahrungsfunktion kulturspe­zifischer Fürsorge, die Anpassungs- und Verständigungsfunktion kulturspezifischer Fürsorge und die Umstrukturierungs- oder Musteränderungsfunktion kulturspe­zifischer Fürsorge. Die mit der Theorie erarbeiteten Erkenntnisse kulturspezifischer Fürsorge müssen also in einem angemessenen Rahmen in die Praxis umgesetzt wer­den. Konkret könnte dies bedeuten, dass Patienten eine kulturspezifische Ernährung als Ergänzung zur üblichen Klinikkost erhalten oder aber ihren religiösen Bedürf­nissen – evtl. auch entgegen üblichen Abläufen in der Einrichtung – nachgehen kön­nen. Von großer Wichtigkeit ist dabei die Einbeziehung der Ange­hörigen/Bezugspersonen des Patienten, da es sicher auch zu Einschnitten im Le­ben des Patienten kommen kann, die auch die Zeit nach dem Aufenthalt in der Klinik bestimmen werden. Habermann betont in diesem Zusammenhang, dass die Entwicklung inter- und transkultureller Kompetenzen unabdingbar ist für die Umsetzung der Theorie in die Praxis sei. Diese zu entwickelnden Kompe­tenzen sind im Einzelnen:

Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmale

  • Motivation und Interesse an interkulturellem Kontakt
  • Unvoreingenommenheit; Verzicht auf negative Bewertungen
  • Positive Einstellung zu einer fremden Kultur; Fähigkeit, kulturelle Unter­schiede zu akzeptieren
  • Höflichkeit, Freundlichkeit, Diplomatie
  • Geduld und Toleranz

Wissen und Kenntnisse

  • Allgemeines Wissen und Bewusstsein für kulturelle Unterschiede
  • Kenntnisse über Eigenheiten einer fremden Kultur (Werte, Normen, Kon­ventionen)
  • Kenntnis der Kommunikations- und Interaktionsregeln der Kultur

Kommunikationsfähigkeit

  • Beherrschung von Strategien zur Vermeidung und Klärung von Missver­ständnissen
  • Fähigkeit, bedeutungsvolle Dialoge mit Mitgliedern einer anderen Kultur in Gang zu setzten und aufrechtzuerhalten

Selbstdarstellung und Interaktionsmanagement

  • Fähigkeit des Aushandelns von für beide Seiten akzeptierbaren Identitäten
  • Bereitschaft fremdkulturelle Perspektiven und Rollen einzunehmen
  • Empathiefähigkeit

Kritik

Wegen der Vielfältigkeit der Konzepte der Transkulturellen Pflegetheorie und ihrer hohen Komplexität, ist die Theorie sicher nicht leicht verständlich. Nach Marriner-Tomey kann die Theorie nur mit einem hohen Maß an anthropologischem und transkulturellem Pflegewissen vollständig und genau von Krankenpflegeforschern angewandt werden. Andere Autoren bemängeln, dass die Theorie die Reflexion des eigenen Stand­punktes zu Gunsten des Blickes auf die Kultur versäume, wodurch der Blick auf die eigene Kultur verhindert würde. Eine solche Herangehensweise führe zur Ab­grenzung der Kulturen untereinander. Zwar habe Leininger später ein Akkultura­tionsraster entwickelt um intrakulturelle Variationen miteinzubeziehen aber auch dieses Raster würde letztendlich zu Stereotypien führen. Habermann bemängelt, dass interkulturelle Pflegeprobleme nur unzureichend abge­bildet und komplexe Wirklichkeiten auf einfache Wirklichkeiten reduziert würden, mit der Folge, dass Stereotypisierungen Vorschub geleistet würde. 31 Insge­samt be­zeichnet Habermann das Modell von Leininger also als zu starr. Schnepp kritisiert, es würde versäumt, auf gesellschaftliche Kategorien wie Ge­schlecht und Schichtzugehörigkeit einzugehen, und es käme, durch die Kultura­lisierung von eigentlich alltäglichen Phänomenen, zu einer unnötigen Problemati­sierung dieser Phänomene. Nach Uzarewicz und Piechotta würden professionelle Fürsorgepraktiken zwar als Einflussfaktoren auf die kulturspezifische Fürsorge genannt, „[...] ihre strukturelle Beziehung zueinander innerhalb des Gesellschaftssystems [...]“(Uzarewicz, Piechotta, 1997, S. 112) würde jedoch nicht theoretisch aufgearbeitet was sich letztendlich negativ auf die Anwendbarkeit in der Praxis auswirkt.

Werke

  • Culture care diversity and Universality. A theory of nursing. National League for Nursing Press, New York 1991, ISBN 0-88737-519-7; Kulturelle Dimensionen menschlicher Pflege, Lambertus-Verlag Freiburg/B. 1998, ISBN 3-7841-0823-7.
  • mit Susanna Alban und Cheryl L. Reynolds: Multikulturelle Pflege, Urban und Fischer, München Jena 2000, ISBN 3-437-26360-9.

Literatur

  • Dagmar Domenig (Hrsg.): Professionelle transkulturelle Pflege, Hans Huber Verlag, Bern 2001.
  • Dagmar Domenig: Migration, Drogen, transkulturelle Kompetenz, Hans Huber Verlag, Bern 2001.
  • Jens Friebe und Michaela Zalucki (Hrsg.): Interkulturelle Bildung in der Pflege, Bertelsmann, Bielefeld 2003, ISBN 3-7639-1886-8. [1]
  • Monika Habermann: Interkulturelles Management in der Altenpflege. Eine Ein­führung. Deutsches Institut für Erwachsenenbildung, Bonn (o.J.).
  • Ann Marriner-Tomey: Pflegetheoretikerinnen und ihre Werke. Recom Verlag, Basel 1992, ISBN 3-315-00082-4
  • Charlotte Uzarewicz u.a. (Hrsg.): Transkulturelle Pflege, Curara Sonderband 10, Verlag für Wissenschaft und Bildung Berlin 1997, ISBN 3-86135-564-7.

Artikel

  • Dagmar Domenig: Die Vermittlung der transkulturellen Pflege im klinischen Kontext: Eine Gratwanderung. In: Pflege 1999, Heft 12, S. 362-366.
  • Monika Habermann: Aspekte einer interkulturellen Organisationsentwicklung. In: Pflegemanagement. 7. Jg. (1999), Heft 2
  • Monika Habermann: "Viel Schmerz" oder das "Mamma Mia Syndrom". Überle­gungen zum Kulturkonflikt in der klinischen Betreuung ausländischer Patienten. In: Pflege. 1992 Heft 5, S. 34-40
  • Wilfried Schnepp: Zum Zusammenhang von Kultur und pflegekundiger Ausbildung. In: PflegePädagogik 7 (1997) H 5, S. 16-32

Einzelnachweise

  1. Deutsches Institut für Erwachsenenbildung Jens Friebe und Michaela Zalucki (Hrsg.): Interkulturelle Bildung in der Pflege. Download PDF 946 KB

Weblinks


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