- Transmissionsgenetik
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Die Genetik (Griechisch geneá Abstammung, Altgriechisch γένεσις genesis - Ursprung [1] [2]) oder Vererbungslehre ist ein Teilgebiet der Biologie und beschäftigt sich mit dem Aufbau und der Funktion von Erbanlagen („Genen“) sowie mit deren Weitervererbung. Vererbung ist die Weitergabe von Erbinformationen.
Inhaltsverzeichnis
Grundlagen
Das Wissen, dass Eigenschaften vererbt werden können, wird bereits seit Jahrhunderten bei der Tier- und Pflanzenzucht angewandt. Die wissenschaftliche Untersuchung dieses Vorgangs wurde jedoch erst in den 1860er Jahren von Gregor Mendel in Angriff genommen. Dazu untersuchte er die Selbstbefruchtung bei der Gartenerbse Pisum sativum und beschrieb, was später als Gen die kleinste Einheit der Vererbung bezeichnete [3]. Seit der Entdeckung der molekularen Grundlagen der Vererbung unterscheidet man mehrere Spezialgebiete der Genetik:
- Die „klassische“ Genetik untersucht, in welchen Kombinationen die Gene nach Kreuzungsexperimenten bei den Nachkommen auftreten und wie das die Ausprägung bestimmter phänotypischer Merkmale beeinflusst.
- Die Molekulargenetik – ein Teilgebiet der Molekularbiologie – untersucht, wie Gene aufgebaut sind, wie die in Form von Nukleinsäuren (meist DNA, bei manchen Viren aber auch in Form von RNA) vorhandene genetische Information zum Aufbau von Proteinen und anderen funktionellen Genprodukten genutzt wird (kurz genannt Genexpression), wie diese Information kopiert wird und wie sich molekularbiologische Erkenntnisse für gentechnische Verfahren nutzen lassen.
- Die Epigenetik beschäftigt sich mit der Weitergabe von Eigenschaften auf die Nachkommen, die nicht auf Abweichungen in der DNA-Sequenz zurück gehen, sondern auf eine vererbbare Änderung der Genregulation und der Genexpression.
- Die Populationsgenetik und die Ökologische Genetik untersuchen genetische Strukturen und Prozesse auf der Ebene von Populationen und von anderen ökologischen Einheiten (z. B. ganzen Lebensgemeinschaften).
In der Pflanzenwelt gibt es die geschlechtliche und die ungeschlechtliche Vermehrung. Beide Möglichkeiten spielen in der Pflanzenzucht eine Rolle, um neue Arten entstehen zu lassen. Durch die Gentechnik ist im 20. Jahrhundert eine dritte Möglichkeit hinzugekommen. Zahlreiche Erkenntnisse der Genetik beruhten anfangs auf Beobachtungen und Versuchen mit Pflanzen. Heutzutage sind diese Erkenntnisse auf der Ebene der Molekularbiologie nachprüfbar.
In der Tierwelt sind die Forschungsmöglichkeiten der Genetik etwas eingeschränkt, da wegen der geschlechtlichen Vermehrung stets ein geeignetes Paar zur Verfügung stehen muss. Aufgrund der Nähe zum Menschen (z. B. Haustiere) gibt es auch ethische Bedenken bei Versuchen, die in ähnlicher Weise bei Pflanzen ohne Bedenken durchgeführt werden (z. B. Hybriden). In der Tierzucht ergibt sich häufiger die Schwierigkeit, dass Nachkommen eines Paares unterschiedlicher Arten unfruchtbar und somit für die Weiterzucht ungeeignet sind (z. B. Maultier).
Aufgrund von ethischen Bedenken war die Forschungsmöglichkeit beim Menschen in der Vergangenheit stark eingeschränkt. Über diese Bedenken haben sich nur wenige Forscher (z. B. während der Hitlerzeit in Deutschland wurden Versuche ohne Einverständnis der Betroffenen durchgeführt) hinweggesetzt. Durch die Molekularbiologie haben sich inzwischen neue Möglichkeiten in der Wissenschaft ergeben, wobei die Grundrechte des Menschen gewahrt bleiben.
Auch wenn Gene einen großen Teil der körperlichen Erscheinung wie Größe, Augenfarbe und Hautfarbe festlegen, haben wissenschaftliche Studien gezeigt, dass beim Menschen nur 40 Prozent der Charaktereigenschaften durch genetische Effekte erklärt werden und 60 Prozent auf verschiedene Umwelteinflüsse zurückgeführt werden können. [4]
Geschichte der Genetik
Schon seit der Antike versuchen die Menschen die Gesetzmäßigkeiten der Vererbung durch verschiedene Hypothesen zu erklären. So lehrte der griechische Philosoph Anaxagoras um 500 v. Chr. in der Präformationslehre, dass der Embryo im Spermium des Vaters bereits vorgeformt sei. Die Spermien für weiblichen und männlichen Nachwuchs befanden sich demnach in den unterschiedlichen Hoden [5]. Ähnlich dachte ungefähr hundert Jahre später Aristoteles, dass nur der Mann Erbanlagen besitzt, während die Frau ausschließlich ernährende Funktionen hat. Solche Vorstellungen über Fortpflanzung und Vererbung prägten die naturphilosophischen Überlegungen bis in die Neuzeit hinein.
Mit der Entwicklung des Mikroskops und der anschließenden Entdeckung der Spermien durch Antoni van Leeuwenhoek im 17. Jahrhundert wurden wichtige Fortschritte gemacht. Allerdings waren die Forscher hinsichtlich ihrer Erkenntnis auf die Beobachtung der äußeren, messbaren Merkmale von Lebewesen beschränkt, so dass es zu widerstreitenden Theorien über die Gesetze der Vererbung kam.
1865 entdeckte der Augustinermönch Gregor Mendel grundlegende Gesetzmäßigkeiten bei der Verteilung von Erbanlagen auf die Nachkommen, die heute als Mendelsche Regeln bezeichnet werden. Mendel hatte Pflanzen der Gartenerbse (Pisum sativum) miteinander gekreuzt und mittels statistischer Analyse mathematische Gesetzmäßigkeiten beobachtet. Er teilte die Erbanlagen in "rezessive" und "dominante" Gene und entwickelte den Begriff des Allels. Mendels Entdeckungen blieben unbeachtet und wurden erst Anfang des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt von Erich von Tschermak-Seysenegg, Hugo de Vries und Carl Erich Correns.
Auch Darwins Evolutionstheorie beruht auf Beobachtungen und Vergleichen von äußeren Merkmalen. Obwohl die Genetik zu Darwins Zeiten noch keine eigene Wissenschaftsdisziplin war, sehen Vertreter des Darwinismus ihre Theorie nachträglich durch die genetische Forschung als bestätigt an.
Eine weitere wichtige Entwicklung machte Thomas Hunt Morgan im frühen 20. Jahrhundert, als er feststellte, dass es auch Merkmale gibt, die meist zusammen vererbt werden (gekoppelte Gene, die auf dem gleichen Chromosom liegen). Nach ihm ist auch die Einheit centiMorgan benannt.
Die Epigenetik ist eine 1942 von Conrad Hal Waddington vertretene Theorie, dass auch Umweltbedingungen einen Einfluss auf den Vererbungsmechanismus in Form ein- und ausgeschalteter Gene ausüben können. Diese Theorie schließt sich an die Auffassung von Lamarck an, der bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts von der Vererbung erworbener Merkmale ausging.
1953 zeigten Watson und Crick, auf welche Weise das Polymer DNA die genetische Information weitergibt. Damit wurden der Grundstein für die Entschlüsselung des genetischen Codes gelegt und dafür, dass heute die Lage und Funktion von vielen Genen im gesamten Erbgut bekannt sind.
Meilensteine der Genetik
- 1809 - Jean-Baptiste de Lamarck veröffentlicht seine Philosophie zoologique
- 1859 – Charles Darwin veröffentlicht Die Entstehung der Arten
- 1865 – Gregor Mendel veröffentlicht sein Werk
- 1869 – Friedrich Miescher entdeckte die DNA in einem Extrakt aus Eiterzellen und nannte sie „Nuclein“
- 1903 – Chromosomen werden als Träger der Erbinformation erkannt
- 1906 – William Bateson prägt den Begriff Genetik
- 1910 – Chromosomen enthalten Gene
- 1913 – Thomas Hunt Morgan führt Kreuzungsversuche mit der Taufliege Drosophila melanogaster durch
- 1927 – Physikalische Veränderungen in Genen werden als Mutationen bezeichnet
- 1928 – Frederick Griffith entdeckt, dass die Moleküle der Erbsubstanz zwischen Bakterien ausgetauscht werden können (siehe Griffiths Experiment, Plasmide)
- 1931 – Crossing over ist die Ursache für Rekombination
- 1940 – Systematische genetische Analyse von Mikroorganismen. E. B. Ford entdeckt den Polymorphismus von Genen.
- 1944 – Oswald Theodore Avery, Colin McLeod und Maclyn McCarty isolieren DNA als genetisches Material
- 1945 – Gene kodieren Proteine (siehe auch Ein Gen – Ein Enzym Hypothese)
- 1950 – Erwin Chargaff zeigt, dass die vier Nukleotide in einem bestimmten Verhältnis zueinander in der DNA vorkommen ([A]=[T] und [C]=[G])
- 1951 – Barbara McClintock veröffentlicht ihre bahnbrechenden Ergebnisse im Bereich der Genetik – die springenden Gene.
- 1952 – Das Hershey-Chase-Experiment zeigt, dass die genetische Information von Phagen (und anderer Organismen) in der DNA gespeichert ist
- 1953 – Auf Grundlage der Röntgenstrukturanalysen von Rosalind Franklin wird die DNA-Struktur durch James Watson und Francis Crick als Doppelhelix aufgeklärt
- 1958 – Nachweis der semikonservativen Replikation der DNA durch Meselson und Stahl
- 1961 – Der genetische Code ist in Dreiergruppen (Tripletts), so genannten Codons, aufgebaut
- 1969 – Jonathan Beckwith gelingt als erstem die Isolierung eines einzelnen Gens (aus E. coli)
- 1969 – Arber entdeckt Restriktionsenzyme
- 1977 – Frederick Sanger stellt seine Didesoxy-Kettenabbruch-Methode vor, die die DNA-Sequenzierung revolutioniert
- 1983 – Kary Mullis ersinnt während einer Autofahrt die Polymerase-Kettenreaktion (PCR)
- 1995 – Das Genom des Bakteriums Haemophilus influenzae wird sequenziert [6]
- 1997 – Das erste eukaryotische Genom, das der Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae, wird sequenziert
- 2001 – Im Rahmen des Humangenomprojektes wird eine vorläufige Arbeitsversion des gesamten menschlichen Genoms vorgestellt
- 2003 – Die Humangenom-Referenzsequenz steht zum Download im Internet bereit
Siehe auch
Quellen und weiterführende Informationen
Einzelnachweise
- ↑ http://www.perseus.tufts.edu/cgi-bin/ptext?doc=Perseus%3Atext%3A1999.04.0057%3Aentry%3D%2321880 Genetikos, Henry George Liddell, Robert Scott, "A Greek-English Lexicon", at Perseus
- ↑ http://www.perseus.tufts.edu/cgi-bin/ptext?doc=Perseus%3Atext%3A1999.04.0057%3Aentry%3D%2321873 Genesis, Henry George Liddell, Robert Scott, "A Greek-English Lexicon", at Perseus
- ↑ Weiling F (1991). "Historical study: Johann Gregor Mendel 1822–1884". American Journal of Medical Genetics 40 (1): 1–25; discussion 26. doi:10.1002/ajmg.1320400103. PMID 1887835
- ↑ Wissenschaft Öffentlich
- ↑ Einführung in die Humangenetik
- ↑ http://www.sciencemag.org/cgi/reprint/269/5223/496.pdf
Literatur
- Molekularbiologie der Gene. 2002, ISBN 3-8274-1349-4 (englische Ausgabe: Genes, ISBN 0-13-143981-2)
- Hans Stubbe: Kurze Geschichte der Genetik bis zur Wiederentdeckung der Vererbungsregeln Gregor Mendels. VEB Gustav Fischer Verlag, Jena 1965
Weblinks
- German Mouse Clinic
- Einführung in die Stammbaumanalyse
- Deutsche Fassung von "DNA from the Beginning" des Dolan DNA Learning Center
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