Trittbrettfahrermarketing

Trittbrettfahrermarketing

Unter Ambush Marketing (auch Parasite Marketing oder Schmarotzermarketing genannt) versteht man abwertend Marketingaktivitäten, die darauf abzielen, die mediale Aufmerksamkeit eines Großereignisses auszunutzen ohne selbst Sponsor des Events zu sein. Der Begriff ambush kommt aus dem englischen und bedeutet Hinterhalt. Auch wenn die negative Attributierung dies nahelegt sind Ambush Marketing Maßnahmen nur in Ausnahmefällen illegal.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Insbesondere sportliche Großveranstaltungen wie die Olympischen Spiele oder Fußball-Weltmeisterschaften sind ein viel genutzter Rahmen für Werbung und Sponsoring. Die Veranstalter und Sponsoren haben ein massives Interesse, die Öffentlichkeitswirkung, die diese Veranstaltungen erreichen, exklusiv für die Marketingaktivitäten der Sponsoren zu nutzen. Eine solche Exklusivität ist jedoch gesetzlich nicht vorgesehen. Es ist jedermann erlaubt, über die Veranstaltungen zu berichten und das allgemeine Interesse für die Sportveranstaltung zu nutzen, sofern keine Urheberrechte, Markenrechte oder das Hausrecht des Veranstalters verletzt werden. Aus diesem Grund versuchen Veranstalter und Sponsoren über Lobbyarbeit, die Reichweite ihrer Schutzrechte rechtlich ausdehnen zu lassen (z. B. Olympia-Schutzgesetz) und nutzen ihr Hausrecht und die Verträge mit den berichtenden Massenmedien zur Förderung der Berichterstattung über die Sponsoren.

Begriff und negative Verwendung

Ambush bedeutet überfallen, auflauern. Die Übersetzung zeigt, dass der Begriff negativ belegt ist. Deutschsprachige Autoren benutzen auch den Begriff Schmarotzer- oder Parasitenmarketing. Mit dieser Wortwahl soll zum einen der Wettbewerber, der Ambush-Marketing nutzt als Trittbrettfahrer denunziert und zum anderen die Illegalität des Vorgehens suggeriert werden.

Bartoluzzi, Dubach und Frey definierten 2002 Ambush Marketing als „das unerlaubte Trittbrettfahren, bei dem ein Außenseiter von einem Anlass profitiert, ohne selbst Sponsor zu sein“. Meenaghan beschreibt seinerseits Ambush Marketing als „the practice whereby another company, often a competitor, intrudes upon public attention surrounding the event, thereby deflecting attention to themselves and away from the sponsor […]”.

Ziel des Trittbrettfahrers ist, positiv mit dem Ereignis assoziiert zu werden und andererseits Konkurrenten von diesem Effekt auszuschließen. Vor allem offizielle Sponsoren büßen so einen Teil der Wirkung ihres Geldeinsatzes ein. Häufig sind Sponsor und Ambusher direkte Konkurrenten. Ein bekanntes Beispiel ist der Kampf zwischen Adidas und Nike um die Aufmerksamkeit bei sportlichen Großveranstaltungen wie der Fußball-Weltmeisterschaft oder den Olympischen Spielen.

Merkmale und Unterscheidung

Mit anderen Worten: Ein Unternehmen betreibt Ambush Marketing, wenn es die mediale Aufmerksamkeit eines Sport-Events wissentlich oder unwissentlich nutzt, um ohne Zahlung von Sponsorengeldern die Vorteile eines Sponsors zu erzielen, indem es das Interesse des Konsumenten an diesem Event nutzt.

Aus diesen verschiedenen Definitionsversuchen lassen sich folgende Merkmale von Ambush Marketing ableiten:

  • Ambush Marketing ist der geplante Versuch eines Unternehmens, ohne Übernahme eines offiziellen Sponsorships mit einem Sport-Event assoziiert zu werden und keine spontane Entscheidung oder vereinzelte Werbemaßnahme.
  • Ambusher und Sponsor kommen in der Regel aus der gleichen Branche und sind direkte Konkurrenten.
  • Nicht nur die Erzielung von Aufmerksamkeit steht im Vordergrund, sondern auch die Verwirrung der Zuschauer bezüglich der Verbindung zwischen dem Sponsoringsubjekt und dem Sponsor beziehungsweise Ambusher.
  • Die Ambush-Maßnahmen sollen eine Verschiebung der Aufmerksamkeit vom offiziellen Sponsor auf den Ambusher bewirken mit dem Ergebnis, dass die kommunikative Wirkung des offiziellen Sponsorship beeinträchtigt wird.

Es wird zwischen direktem und indirektem Ambush-Marketing unterschieden.

  • Direktes (oder plumpes) Ambush-Marketing ist die marken- oder urheberrechtswidrige Nutzung von Symbolen, Marken, Maskottchen oder Merchandising-Artikeln ohne entsprechende Lizenzrechte zu erwerben. Dies ist rechtswidrig und wird in den Industriestaaten verfolgt.
  • Indirektes Ambush-Marketing nutzt hingegen die legalen Möglichkeiten. Es wird unterschieden:
    • Ambush-Marketing-by-Intrusion: Hier wird Werbung
      • unter Nutzung eigener Symbole und Marken in geographischer Nähe zur Veranstaltung durchgeführt (z.B. vor dem Stadion) oder
      • im medialen Umfeld des Sportevents durchgeführt (z.B. durch Schaltung von Werbespots in der Fernsehberichterstattung über das Event) oder
      • im Rahmen von publikumswirksamen Dienstleistungen im Umfeld des Events (z.B. Public Viewing) durchgeführt
    • Ambush-Marketing-by-Association: Hier wird das Event
      • als Leitmotiv für die eigene Werbekampagne verwendet (z.B. fußballspielende Ü-Ei-Figuren während der WM) oder
      • Werbung mit Teilnehmern der Events betrieben

Konkurrenz der Sponsoringverträge

Der letzte Punkt ist zivilrechtlich anspruchsvoll. Bei sportlichen Großveranstaltungen besteht typischerweise eine Konkurrenz der Sponsoren unterschiedlicher Ebene. Der Sportler selbst hat seinen Sponsor, der Sportverein, der Nationale Sportverband und ggf. der internationale Verband hat seinen eigenen. Da die jeweiligen Sponsoren Wettbewerber sein können (und meist sind), ist vertraglich zu regeln, wann welche Sponsoren welche Rechte haben.

Hier kommt es oft vor, dass der Markenhersteller X (der Sponsor des Sportlers ist) während des Sportevents Werbung mit diesem Sportler schaltet und der Markenhersteller Y (der Sponsor des Events ist) dies als Ambush Marketing kritisiert.

Erscheinungsformen

Geht man die einzelnen Formen der Reihe nach durch, so wird deutlich, dass der Kreativität keine Grenzen gesetzt zu sein scheinen, um Aufmerksamkeit zu generieren. Im folgenden Kapitel werden deshalb einige innovative und interessante Beispiele aufgezählt und systematisiert. Dazu lassen sich die Ambush-Marketing-Maßnahmen weitgehend in folgende Kategorien unterteilen:

  • Auftritt als Präsenter
  • Sponsoring einer Subkategorie
  • Verdeckung kommunikativer Maßnahmen der Sponsoren
  • Zeitgleiche Marketing-Aktion mit Bezug zum Event
  • Themenbezogene Werbung durch das Benutzen von Fotos oder Filmaufnahmen von Plätzen oder Veranstaltungen mit hohem Erinnerungswert oder mit Slogans, die zur Veranstaltung passen
  • Andere kreative Maßnahmen, die nicht in die vorgenannten Kategorien passen.

Wirkungen

Die Wirkungen des Ambush Marketings sind auch bei Kommunikationsfachleuten umstritten. Die Technische Universität Chemnitz untersuchte während der Fußball-Europameisterschaft 2004 in Portugal die Wirkungen des Ambush Marketings. Dabei zeigte sich, dass nur massive Kommunikationsmaßnahmen von offiziellen Sponsoren Gewähr boten, dass sich ein offizieller Sponsor von Ambushern absetzen konnte. Umgekehrt erreichten besonders jene Ambusher Aufmerksamkeit, welche einen engen Bezug zum Thema Fußball nutzen konnten.

Ziele

Die Ziele des Ambush Marketing sind weitgehend identisch mit denen des Sportsponsorings, sollen jedoch mit geringeren finanziellen Mitteln erreicht werden. Sie werden aus den Marketing- beziehungsweise Kommunikationszielen des Unternehmens abgeleitet und darum auch als derivative Kommunikationsziele bezeichnet. Mit dem Einsatz von Sponsoring beziehungsweise Ambush Marketing soll die Gesamtwirkung der Kommunikation synergetisch verstärkt werden, um die bestehenden Ziele der Unternehmenskommunikation zu erreichen. Man unterscheidet, wie auch im klassischen Marketing, zwischen psychologischen beziehungsweise qualitativen – etwa Image und Kundenzufriedenheit – und ökonomischen beziehungsweise quantitativen Zielen wie etwa Gewinn und Umsatz. Es soll also bei beiden eine positive Verbindung mit einem Sport-Event hergestellt werden, bei dem

  • die Erhöhung des Bekanntheitsgrads
  • ein Transfer positiver Imagedimensionen
  • sowie ein Aufbau von Goodwill

im Vordergrund stehen.

Kritik

Kritisch ist, dass die Probleme und Auswirkungen, die Ambush Marketing mit sich bringt, noch längst nicht ausreichend erforscht sind. Zudem ist sowohl während als auch im Vorfeld der FIFA-Fußball-Weltmeisterschaft 2006 festzustellen, dass die Werbung mit Fußballbezug rasant zunimmt und der Zuschauer eine Übersättigung erfährt. Ob allerdings dieser Übersättigung entgegenzuwirken ist, bleibt abzuwarten.

Kritisiert wird allerdings auch der negative Beiklang des Begriffs "ambush marketing" oder "Trittbrettfahrer"; kleineren Unternehmen bleibt oft nichts anderes übrig als sich am Rande von Ereignissen zu präsentieren, da bei größeren Events nur die Unternehmen mit dem meisten Geld die hohen Sponsorengelder bezahlen und sich gegen Konkurrenten durchsetzen können.

Rechtliches

Ambush Marketing ist rechtlich keine geeignete Kategorie. Die Veranstalter und die offiziellen Sponsoren versuchen sich mit dem Marken- und Wettbewerbs- und Hausrecht vor Ambush-Marketing zu "schützen". Der Weltfußballverband FIFA hat deshalb zahlreiche Marken schützen lassen: so wird selbst für die Abbildung des WM-Pokals die Zustimmung der FIFA benötigt. Auch wurden in zahlreichen Staaten Gesetze geschaffen, welche Aktivitäten im Sinne des Ambush Marketing im Sinne der Veranstalter verringern sollen.

Diese Maßnahmen stoßen vielfach auf Kritik. So wurde unter Verweis auf das Hausrecht bei den Olympischen Spielen in Sydney 2000 Pepsi-Flaschen eingezogen, da Coca-Cola Hauptsponsor war. Bei der WM 2006 in Deutschland bestand die FIFA auf einer "werbefreien" (gemeint war frei von Werbung Dritter) Zone rund um die Stadien (im Volksmund "Fifa-Bannmeile genannt).

Literatur

  • Michael Noth, Trittbrettfahren durch Werbung bei Sportveranstaltungen. Rechtliche Beurteilung von Ambush Marketing und ähnlichen Werbeformen, Diss. Zürich 2007, Stämpfli Verlag AG Bern
  • Bruhn, Manfred; Ahlers, Grit Mareike: Ambush Marketing - Angriff aus dem Hinterhalt oder intelligentes Marketing? in: Jahrbuch der Absatz- und Verbraucherforschung; 3/2003; S. 271-294
  • Hans Pechtl: Trittbrettfahren bei Sportevents: das Ambush-Marketing, 2007

Weblinks


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