Tumeszenz-Lokalanästhesie

Tumeszenz-Lokalanästhesie

Die Lokalanästhesie (v. lat.: locus „Ort“ und griech.: ἀν- „nicht“ und αἴσθησισ „Wahrnehmung“) ist eine Form der Anästhesie. Sie ist definiert als örtliche Schmerzausschaltung im Bereich von Nervenendigungen oder Leitungsbahnen, ohne das Bewusstsein zu beeinträchtigen.[1] Sie bewirkt durch gezielte Applikation von Anästhetika, meist Lokalanästhetika, die zeitweilige, umkehrbare Funktionshemmung von ausgewählten Nerven und führt dabei zu Empfindungslosigkeit und Schmerzfreiheit, teilweise auch zur Hemmung der aktiven Beweglichkeit in Teilen des Körpers.

Die Lokalanästhesie ermöglicht, als Alternative zur Narkose (Allgemeinanästhesie), medizinische Prozeduren wie Operationen und verschiedene Untersuchungen.

Inhaltsverzeichnis

Ziele der Lokalanästhesie

Die Lokalanästhesie verfolgt vorrangig das Ziel der Schmerzausschaltung durch Unterbrechung der Schmerzleitungsfunktion von Nerven (afferente Fasern). Durch Funktionsunterbrechung bestimmter A-Fasern erfolgt eine Empfindungsausschaltung (Berührungs- und Vibrationsempfindung, ebenfalls afferente Fasern). Die Funktionsunterbrechung von motorischen (efferenten) Nervenfasern bewirkt bei einige Verfahren eine Ausschaltung der aktiven Beweglichkeit der betreffenden Muskeln.

Durch Schädigung von Nervenstrukturen (etwa des Nervus trigeminus) entstehen neuropathische Schmerzen. Als erste spezifische Behandlungsmaßnahme wird hier die therapeutische Lokalanästhesie (auch „Heilanästhesie“) angewandt. Das dazu verwendete Präparat muss frei von Vasokonstriktor (etwa Adrenalin) sein. Bei einem Teil der Patienten wird dadurch eine Schmerzlinderung erzielt, die weit über die Wirkdauer der Anästhesie andauert und im Idealfall zum völligen Verschwinden der Beschwerden führt.

Systematik

Einordnung der Lokalanästhesie in die Systematik der Anästhesie

Der Begriff der Lokalanästhesie wird aus historischen und pharmakologischen Gründen der Regionalanästhesie übergeordnet.[1]Man unterscheidet folgende Versionen der Lokalanästhesie:

  • Oberflächenanästhesie: Das Lokalanästhetikum wird auf die Körperoberfläche aufgebracht, wobei die sensiblen Nervenenden per Diffusion erreicht werden. Typische Anwendungsgebiete sind die Betäubung der Hornhaut und die Schleimhaut-Anästhesie, da die Lokalanästhetika in diese Gewebe leicht eindringen können. Oberflächenanästhesie der Haut ist nur sehr eingeschränkt mittels spezieller Cremes (EMLA) oder Elektrophorese möglich. Auch die Anwendung von Kälte zur Oberflächenbetäubung wird praktiziert.
  • Infiltrationsanästhesie: Das Lokalanästhetikum wird direkt im Operationsgebiet flächig in das Gewebe injiziert. Die Wirkung beruht auf der Blockade sensibler Nervenenden und terminaler Nervenbahnen. Durch die Infiltrationsanästhesie werden aber auch die Eigenschaften des zu operierenden Gewebes verändert, außerdem werden relativ große Mengen an Lokalanästhetikum benötigt. Eine Sonderform ist die intradermale Anästhesie („Hautquaddel“). Die Tumeszenz-Lokalanästhesie ist ein spezielles Verfahren, bei dem das Lokalanästhetikum in einem großen Volumen eines Lösungsmittels in das Unterhaut-Fettgewebe eingebracht wird und sich dort großflächig verteilt. Es findet vor allem in der kosmetischen Chirurgie zur Fettabsaugung seine Anwendung, wird jedoch kritisch bewertet.[2]
  • Regionalanästhesie: Die Regionalanästhesie werden Leitungsanästhesien von peripheren Nervenstämmen (periphere Regionalanästhesie) oder rückenmarksnahen Nervenwurzeln (rückenmarksnahe Regionalanästhesie wie Spinal- oder Epiduralanästhesie) bezeichnet. Eine weitere Variante ist die intravenöse Regionalanästhesie nach Bier, bei der das Anästhetikum in entleerte Venen eingespritzt wird und von dort in Nervenbahnen und -enden diffundiert.

Die Nomenklatur der Einteilung ist nicht einheitlich. Manchmal werden nur Oberflächenanästhesie und Infiltrationsanästhesie unter dem Begriff der Lokalanästhesie zusammengefasst und die Regionalanästhesie getrennt geführt.

Geschichte

Carl Koller

In einem Selbstversuch erkannte der Augenarzt Carl Koller (1857–1944), dass Kokain bei Verkostung die Zunge betäubt. Nach erfolgreichen Tierversuchen wendete er das Mittel 1884 erstmals für Augenoperationen am Menschen an.[3] Er träufelte Kokain-Lösung auf das Auge auf; diese drang dort ein und betäubte das gesamte Auge (Oberflächenanästhesie). Koller gilt somit als der Vater der Lokalanästhesie. Er prägte deren Namen durch seine Bezeichnung der localen Anästhesirung.

Ab 1885 benutzte William Stewart Halsted (1852–1922) Kokain zur Infitrationsanästhesie bei Zahneingriffen, 1888 entwickelte Max Oberst die Leitungsanästhesie des Fingers (Oberst-Block).[1]

Der deutsche Arzt Carl Ludwig Schleich (1859–1922) stellte 1892 die Infiltrationsanästhesie vor.[4] Durch Einspritzen eines Anästhetikums in zu betäubende Gebiete konnten nun erstmals auch hautbedeckte Areale behandelt werden.

Als erste Regionalanästhesieverfahren führte August Bier (1861–1949) 1898 die Spinalanästhesie[5] und 1908 die intravenöse Regionalanästhesie ein.[6]

Einzelnachweise

  1. a b c H. A. Adams, E. Kochs, C. Krier: Heutige Anästhesieverfahren – Versuch einer Systematik. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2001; 36: 262-267. DOI 10.1055/s-2001-14470 PMID 11413694
  2. Tumeszenz-Lokalanästhesie. Stellungnahme des Wissenschaftlichen Arbeitskreises Regionalanästhesie der DGAI Anästh. Intensivmed. 41 (2000) 114–115
  3. C. Koller: Vorläufige Mittheilung über locale Anästhesirung am Auge. Beilageheft zu den Klinischen Wochenblättern für Augenheilkunde, 1884; 22: 60-63
  4. C.-L. Schleich: Die Infiltrationsanästhesie (lokale Anästhesie) und ihr Verhältnis zur allgemeinen Narkose (Inhalationsanästhesie). Verhdlg. dtsch. Ges. Chir. 1892; 1: 121-127
  5. A. Bier: Versuche über die Cocainisierung des Rückenmarks. Dtsch Z Chir 51 (1899): 361-368
  6. A. Bier: Ueber einen neuen Weg Localanästhesie an den Gliedmassen zu erzeugen. Arch. klin. Chir. 1908; 86: 1007–1016

Weblinks

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