- Turing-Welchman-Bombe
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Die Turing-Bombe (auch: Turing-Welchman-Bombe oder Welchman-Turing-Bombe) ist eine elektromechanische Maschine, die während des Zweiten Weltkriegs von den britischen Kryptoanalytikern in Bletchley Park eingesetzt wurde, um die mit der deutschen Schlüsselmaschine Enigma verschlüsselten Funksprüche zu entziffern.
Inhaltsverzeichnis
Prinzip
Die Bombe, wie sie die Codeknacker kurz nannten, wurde auf der Grundlage der polnischen Bomba vom britischen Mathematiker Alan Turing ersonnen und von seinem Kollegen Gordon Welchman durch Einführung des „diagonal board“ (deutsch: Diagonalbrett) wesentlich verbessert (Turing-Welchman-Bombe). Dabei wird die Involutorik (Verschlüsseln = Entschlüsseln) der Enigma und speziell die Involutorik ihres Steckerbretts durch eine innerhalb der Turing-Bombe durchgeführte Hintereinanderschaltung mehrerer Enigma-Maschinen kryptanalytisch ausgenutzt. So lässt sich der Einfluss des Steckerbretts auf die Größe des Schlüsselraums abstreifen und der Suchraum drastisch verringern.
Der gesuchte Schlüssel kann nun durch Exhaustion (vollständiges Absuchen des Schlüsselraums) gefunden werden. Die hierbei verwendete Methode wird mit dem lateinischen Begriff „Reductio ad absurdum“ (deutsch: Zurückführung bis zum Widerspruch) bezeichnet. Sie basiert auf der Verwendung eines wahrscheinlichen Worts (engl. „crib“), dessen Vorkommen im Text erwartet oder zumindest angenommen werden kann. Aufgrund der bekannten inneren Verdrahtung der Schlüsselwalzen der Enigma und ihrer möglichen Stellungen zueinander können die beobachteten oder angenommenen Zusammenhänge zwischen dem vorliegenden Geheimtext und dem wahrscheinlichen Wort des Klartextes nur unter ganz bestimmten Bedingungen und nur bei sehr wenigen Schlüsseln erfüllt sein. Mithilfe dieser Methode gelingt es, die überwiegende Mehrzahl aller Schlüssel auszuschließen und so letztendlich den richtigen Tagesschlüssel der Enigma zu finden.
Einfacher formuliert, vergleicht die Bombe eine in der verschlüsselten Nachricht angenommene Textphrase („crib“) mit dem entsprechenden Geheimtextfragment und probiert, mit allen möglichen Schlüsseleinstellungen für Walzenlage und Walzenstellung das Geheimtextfragment zu entschlüsseln. Passt das Ergebnis des Entschlüsselungsversuchs zum angenommenen Crib, dann entspricht die dazu benutzte Schlüsseleinstellung der Bombe möglicherweise dem gesuchten Tagesschlüssel der Enigma. Dabei noch auftretende „Fehltreffer“, die aufgrund der Kürze des Cribs durchaus möglich sind, müssen durch probeweise Entschlüsselung des restlichen Geheimtextes erkannt und verworfen werden.
Ist der Tagesschlüssel der Enigma endlich gefunden, dann kann der gesamte Geheimtext, wie vom befugten Empfänger, einfach entschlüsselt werden.
Geschichte
Bis zum Kriegsende wurden mehr als 210 Exemplare der Turing-Bombe allein in England in Betrieb genommen. Darüber hinaus wurden unter Federführung von Joseph Desch in der National Cash Register Company (NCR) in Dayton, Ohio, ab April 1943 mehr als 120 Stück Hochgeschwindigkeitsvarianten der Turing-Bombe produziert, die speziell gegen die nur von den deutschen U-Booten verwendete Enigma-M4 gerichtet waren. Im Gegensatz zu den anderen Enigma-Modellen verwendete die M4 vier statt nur drei rotierende Walzen und konnte deshalb nur mit entsprechend aufwändigeren „Bombes“ geknackt werden.
„Bombe Rebuild Project“
Am Originalort im etwa 70 km nordwestlich von London gelegenen Bletchley lief mehrere Jahre lang das „Bombe Rebuild Project“ (deutsch: „Bomben-Wiederaufbau-Projekt“), dessen Ziel es war, eine Dreiwalzen-Turing-Bombe nachzubauen. Dies ist inzwischen gelungen. Am 17. Juli 2007 wurde in einem kleinen Festakt in Anwesenheit Seiner Königlichen Hoheit des Herzogs von Kent und einiger Wrens der voll funktionsfähige Nachbau einer Turing-Bombe offiziell in Betrieb genommen.[2]
Filme
Turing-Bomben in Aktion sind im britischen Spielfilm „Enigma – Das Geheimnis“ zu sehen, der auf dem Roman ENIGMA[3] basiert und die Entzifferungsarbeit der britischen Codeknacker von Bletchley Park thematisiert. Bei den Bomben handelt es sich um Nachbauten, die nicht voll funktionstüchtig sind, aber das äußere Erscheinungsbild und speziell die rotierenden Trommeln wirklichkeitsnah darstellen. Auch die Arbeit der Codeknacker bei der Erstellung der für die Bombe notwendigen „Menüs“ wird sehr gelungen dargestellt. Die diversen Funksprüche sind speziell für den Film nach den Original-Vorschriften und Verfahren wirklichkeitsgetreu erzeugt und verschlüsselt worden.[4]
Literatur
- Donald W. Davies: The bombe - A remarkable logic machine. Cryptologia 23(2), 1999. S. 108–138.
- David P. Mowry: German Cipher Machines of World War II . Center for Cryptologic History, National Security Agency, Ford Meade 2003. 36 S.
- Jennifer Wilcox: Solving the Enigma - History of the Cryptanalytic Bombe. Center for Cryptologic History, National Security Agency, Fort Meade 2001.
Weblinks
- Erklärung des Funktionsprinzips der Turing-Bombe (englisch)
- Enigma and the Turing Bombe (mit Simulator) (englisch)
- The Bombe Rebuild Project (englisch)
Belege
- ↑ John A. N. Lee, Colin Burke, Deborah Anderson: The US Bombes, NCR, Joseph Desch, and 600 WAVES – The first Reunion of the US Naval Computing Machine Laboratory. IEEE Annals of the History of Computing, 2000. S. 35. Abgerufen: 21. Mai 2008. PDF; 0,5 MB
- ↑ „The Royal Switch on“. Abgerufen: 1. Juli 2008.
- ↑ Robert Harris: Enigma. Roman. Weltbild, Augsburg 2005. ISBN 3-89897-119-8
- ↑ Tony Sale: Making the Enigma ciphers for the film „Enigma“. Abgerufen: 26. März 2008.
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