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Die Turksprachen – auch türkische Sprachen oder Türksprachen – bilden eine in Eurasien weit verbreitete Sprachfamilie von rund 40 relativ eng verwandten Sprachen mit etwa 150 Mio. muttersprachlichen Sprechern (bis zu 180 Mio. mit Zweitsprechern). Sie sind eine Untergruppe der altaischen Sprachen, zu denen außerdem die mongolischen und die tungusischen Sprachen zählen. Die heutige räumliche Verbreitung und die Entstehung der Turksprachen ist das Resultat mehrerer Wanderungsbewegungen der Turkvölker im Laufe der Jahrhunderte. Zum geschichtlichen Hintergrund siehe den Artikel Turkvölker und den Abschnitt Wanderungsbewegungen.
Die Turksprachen gliedern sich in eine südwestliche (oghusische), südöstliche (uigurische), westliche (kiptschakische) und nordöstliche (sibirische) Gruppe, außerdem in die Zweige Arghu und Bolgar-Türkisch.[1]
Inhaltsverzeichnis
Die Familie der Turksprachen
Mit insgesamt etwa 40 Sprachen, die von 155 Millionen Menschen als Muttersprache gesprochen werden (bis zu 180 Mio. mit Zweitsprechern), bildet die Familie der Turksprachen die mit Abstand größte und bedeutendste der drei Untergruppen des Altaischen. Sie ist – nach der Zahl ihrer Sprecher – die siebtgrößte Sprachfamilie weltweit (nach Indogermanisch, Sinotibetisch, Niger-Kongo, Afroasiatisch, Austronesisch und Drawidisch) und besitzt in den nächsten Jahrzehnten noch ein erhebliches Wachstumspotential.
Die meisten Turksprachen sind sich in der Phonologie, Morphologie und Syntax sehr ähnlich, allerdings weichen Tschuwaschisch, Chaladsch und die nordsibirischen Turksprachen Jakutisch und Dolganisch nicht unerheblich von den übrigen ab. Zwischen den Sprechern der meisten Turksprachen ist eine partielle wechselseitige Verständigung möglich, vor allem wenn sie zur gleichen Untergruppe gehören (zur Klassifikation vgl. den nächsten Abschnitt). Diese relativ große Ähnlichkeit der Sprachen erschwert die klare Festlegung von Sprachgrenzen, zumal zwischen Nachbarsprachen meist Übergangsdialekte bestehen. (Häufig werden diese Grenzen künstlich durch politische Entscheidungen und Zugehörigkeiten gezogen.) Auch die innere genetische Gliederung der Turksprachen ist wegen ihrer Ähnlichkeit und intensiven wechselseitigen Beeinflussung problematisch, was zu unterschiedlichen Klassifikationsansätzen geführt hat (siehe „Klassifikation“).
Geographische Verbreitung
Die Turksprachen sind über ein riesiges Gebiet in Ost- und Südosteuropa und West-, Zentral- und Nordasien verbreitet (siehe Verbreitungskarte). Dieses Gebiet reicht vom Balkan bis nach China, von Zentralpersien bis zum Nordmeer. In rund dreißig Ländern Eurasiens werden eine oder mehrere Turksprachen in nennenswertem Umfang gesprochen, bemerkenswert ist der hohe Anteil Türkischsprechender in Deutschland und im sonstigen Westeuropa aufgrund der Migrationen der letzten Jahrzehnte. (Siehe auch „Turksprachen nach Staaten“.)
Die wichtigsten Turksprachen
Die drei mit Abstand größten Turksprachen sind:
- Türkisch 60 Mio. Sprecher, mit Zweitsprechern 70 Mio.: Türkei, Balkanstaaten; auch West- und Mitteleuropa (durch rezente Migration)
- Aserbaidschanisch (Aseri) 30 Mio. Sprecher: Aserbaidschan und Nordwestiran, auch Osttürkei
- Usbekisch 24 Mio. Sprecher: Usbekistan, Nordafghanistan, Tadschikistan und Westchina
Weitere Turksprachen mit mehr als einer Million Sprecher:
- Kasachisch 11 Mio. Sprecher: Kasachstan, Usbekistan, China, Russland
- Uigurisch 8 Mio. Sprecher: hauptsächlich in der chinesischen Provinz Xinjiang
- Turkmenisch 6,8 Mio. Sprecher: Turkmenistan, Nordiran
- Kirgisisch 3,7 Mio. Sprecher: Kirgisistan, Kasachstan, chines. Turkestan
- Tschuwaschisch 1,8 Mio. Sprecher: im europäischen Teil Russlands
- Baschkirisch 1,8 Mio. Sprecher: in der russischen autonomen Republik Baschkirien
- Tatarisch 1,6 Mio. Sprecher: (ethnisch 6,6 Mio.) von Zentralrussland bis Westsibirien
- Kaschgaisch 1,5 Mio. Sprecher: in den iranischen Provinzen Fars und Chuzestan
Sprecherzahlen 3/2006 aus diversen geprüften Quellen. 5 % bis 10 % höhere Werte sind durch den zeitlichen Abstand zwischen Ermittlung und Veröffentlichung möglich.
Die enge Verwandtschaft der Turksprachen
Wie eng die Turksprachen miteinander verwandt sind – wenn man von Tschuwaschisch, Chaladsch und den nordsibirischen Turksprachen absieht - zeigt bereits ein Blick auf die folgende Tabelle, die einige Wortgleichungen des Grundwortschatzes für die Sprachen Alttürkisch (der ersten schriftlich überlieferten Vorstufe aller heutigen Turksprachen, also nicht nur des Türkei-Türkischen), Türkisch, Aserbaidschanisch, Turkmenisch, Tatarisch, Kasachisch, Usbekisch und Uigurisch enthält. (Eine umfassende Übersicht enthält der Abschnitt „Lexikalischer Vergleich der Turksprachen“.)
Vergleich einiger Grundwörter in wichtigen Turksprachen
Deutsch Alttürkisch Türkisch Aserbaid. Turkmenisch Tatarisch Kasachisch Usbekisch Uigurisch Mutter ana anne/ana ana ene ana ana ona ana Nase burun burun burun burun boryn murın burun burun Arm qol kol qol qol qul qol qo'l kol Straße yol yol yol ýol jul jol yo'l yol fett semiz semiz semiz simyz semiz semiz semiz Erde torpaq toprak torpaq topraq tufrak topıraq tuproq tupraq Blut qan kan qan gan kan qan qon qan Asche kül kül kül köl kül kul kul Wasser su su su suw syw suw suv su weiß aġ ak ağ ak ak aq oq aq schwarz qara kara qara garä kara qara qora qara rot qızıl kızıl qızıl qyzyl kyzyl qızıl qizil qizil blau/Himmel göy gök göy gök kük kök ko'k kök Turksprachen als National- und Offizialsprachen
Die Turksprachen Türkisch, Aserbaidschanisch, Turkmenisch, Kasachisch, Kirgisisch und Usbekisch sind Nationalsprachen in ihren jeweiligen Ländern. Einen besonderen Status als offizielle Regionalsprachen autonomer Republiken oder Provinzen haben darüber hinaus folgende Turksprachen: in Russland Tschuwaschisch, Kumykisch, Karatschai-Balkarisch, Tatarisch, Baschkirisch, Jakutisch, Chakassisch, Tuwa, Altaisch; in China Uigurisch und in Usbekistan Karakalpakisch.
Turksprachen nach Staaten
Turksprachen werden in etwa 30 Staaten Europas und Asiens gesprochen. Die Tabelle zeigt ihre Verbreitung in den einzelnen Staaten. Die Sprachen sind nach Unterfamilien angeordnet (siehe Klassifikation).
Gefährdete Turksprachen
Einige Turksprachen sind in ihrer Existenz stark gefährdet, da sie nur noch von wenigen, meist älteren Menschen gesprochen werden. Direkt vom Aussterben in den nächsten Jahren bedroht sind das südsibirische Tofa oder Karagassische, das Karaimische in Litauen, das Jüdisch-Krim-Tatarische und das Ili Turki in Nordwestchina (Ili-Tal). Nur noch einige Tausend Sprecher haben das Aynallu in Iran, das Yugur (Gansu-Provinz) und Ainu (bei Kaschgar), beide China, das nordsibirische Dolganisch und das südsibirische Tschulymisch, am Tschulym-Fluss nördlich des Altai. Alle anderen Turksprachen sind relativ stabil, die Sprecherzahlen der großen Sprachen nehmen zu.
Die Klassifikation der Turksprachen
Wie schon oben erwähnt, erschwert die relativ große Ähnlichkeit und intensive gegenseitige Beeinflussung der Turksprachen, außerdem die hohe Mobilität der Turkvölker die klare Festlegung von Sprachgrenzen und die innere genetische Klassifizierung, was zu unterschiedlichen Klassifikationsansätzen geführt hat. Dennoch haben sich heute relativ stabile und gleichartige Einteilungen ergeben, die alle letztlich auf den russischen Linguisten Alexander Samoilowitsch (1922) zurückgehen. Obwohl Klassifizierungen grundsätzlich genetisch sein sollten, spielt bei der Gliederung der Turksprachen die geographische Verteilung eine große Rolle.
Sonderfall Tschuwaschisch
Das Tschuwaschische (zusammen mit dem ausgestorbenen Bolgarischen) bildet einen eigenen „bolgarischen“ Zweig der Turksprachen, der dem Rest der Familie (Turksprachen i. e. S.) mit relativ weitem Abstand gegenübersteht. (Vgl. auch Street 1962, Poppe 1965, Miller 1971, Voegelin & Voegelin 1977 u. a.) Einige Forscher hielten das Tschuwaschische nicht einmal für eine „richtige“ Turksprache, da es so stark von allen anderen abweicht. Ob dieser große Unterschied auf eine frühe Abspaltung des bolgarischen Zweigs von den anderen Turksprachen oder auf eine längere Phase der sprachlichen und kulturellen Isolierung zurückzuführen ist, konnte bisher nicht geklärt werden. Ein Merkmal dieser Trennung ist die Opposition von finalem tschuw. /-r/ zu gemeintürk. /-z/, zum Beispiel die Finalkonsonanten in
- tschuw. taχar, aber nogaisch toγiz – „neun“
- tschuw. kör, aber türk. göz – „Auge“
Das Tschuwaschische wird vor allem im europäischen Teil Russlands östlich von Moskau in der AR Tschuwaschien im großen Wolgabogen von 1 Mio. Sprechern gesprochen, weitere Tschuwaschen gibt es in Tatarstan und Baschkirien (insgesamt 1,8 Mio. Sprecher). Die Tschuwaschen sind überwiegend russisch-orthodoxen Glaubens, verwenden in ihren eigenen Print- und Rundfunkmedien neben der kyrillischen Schrift auch ein angepasstes Lateinalphabet und sprechen überwiegend Russisch als Zweitsprache. Sie betrachten sich kulturell und historisch als Nachfolger der Wolga-Bolgaren, was aber fraglich ist.
Sonderfall Chaladsch
Von den restlichen Turksprachen weicht das Chaladsch am stärksten ab. Es ist – nach der heute weitgehend akzeptierten Auffassung Gerhard Doerfers – der einzige noch existente Vertreter des Arghu-Zweiges der Turksprachen, der ebenfalls früh isoliert wurde und dann im Laufe des 13. Jhdt. in der zentraliranischen Provinz auftritt – umgeben von Sprechern des Persischen. (Es ist also nicht näher mit dem Aserbaidschanischen verwandt, wie es in ETHNOLOGUE 2005 klassifiziert wird.) Heute wird Chaladsch von etwa 40.000 Menschen in der iranischen Zentralprovinz zwischen Qom und Akar gesprochen und ist nach linguistischen Gesichtspunkten eine der interessantesten Turksprachen im Iran. Die frühe Isolation von anderen Turksprachen und die starke Beeinflussung durch das Persische haben einerseits archaische Merkmale erhalten (z. B. ein Vokalsystem mit drei Quantitäten kurz-mittellang-lang, Beibehaltung des anlautenden /h-/ und des alttürkischen Dativsuffixes /-ka/ : chalad. häv.kä – türk. ev.e – „für das Haus“), andererseits zu verbreiteten Iranismen in Phonologie, Morphologie, Syntax und Lexikon (sogar bei einigen Zahlwörtern) geführt.
Die übrigen Turksprachen
Die übrigen vier Gruppen der Turksprachen sind vor allem geographisch gegliedert, wobei für die Einteilung nicht die heutigen Siedlungsgebiete gelten, sondern die Frühphase der türkischen Sprachen nach ihren ersten Wanderungen und Siedlungsprozessen. Somit unterscheidet man Kiptschakisch oder Westtürkisch, Oghusisch oder Südwesttürkisch (die nach der Zahl ihrer Sprecher größte Gruppe mit den Sprachen Türkisch, Aserbaidschanisch, Turkmenisch, Kaschkai), Karlukisch oder Osttürkisch, Nordtürkisch, Nordosttürkisch und Bolgar-Türkisch. Kiptschakisch/Westtürkisch gliedert sich in drei Untergruppen: Kiptschak-Bulgarisch oder uralisch, Kiptschak-Oghusisch oder pontisch-kaspisch und Kiptschak-Nogaisch oder aralisch-kaspisch.[1]
Das Jakutische und Dolganische weichen aufgrund ihrer langen Isolierung im Grundwortschatz (siehe Tabelle „Lexikalischer Vergleich“) stark von den restlichen Sprachen ab. Unterschiedlich sind auch Wortstellung und Satzbau. In dieser Hinsicht hat sich das Jakutische mehr den mongolischen und tungusischen Sprachen angeglichen. Außerdem fehlen alle Fremdwörter persisch-arabischen Ursprungs, die in anderen Turksprachen vorkommen.
Zur Ähnlichkeit der Sprachen trägt natürlich auch die lange arabisch-persische Prägung von Wortschatz und Idiomatik bei, die die meisten Turksprachen durch den Islam erfahren haben. Für die Turksprachen auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion kommen viele gemeinsame russische Fremd- und Lehnwörter hinzu.
Klassifikationsschema
Insgesamt ergibt sich für die Turksprachen nach der aktuellen Literatur (z. B. Johanson-Csató, The Turkic Languages 1998) folgendes Klassifikationsschema (mit Sprecherzahlen Stand 2006):
Turksprachen
- Oghurisch (Bolgarisch)
- Bolgarisch †, Tschuwaschisch (1,8 Mio.)
- Turksprachen i.e.S.
- Kiptschakisch (Westtürkisch)
- West Krim-Tatarisch (500.000), Kumykisch (280.000), Karatschai-Balkarisch (250.000), Karaimisch (†)
- Nord Tatarisch (1,6 Mio.), Baschkirisch (2,2 Mio.), Kumanisch †
- Süd Kasachisch (11 Mio.), Kirgisisch (3,7 Mio.), Karakalpakisch (400.000), Nogaisch (70.000)
- Oghusisch (Südwesttürkisch)
- West Türkisch (60 Mio., S2 70 Mio.), Aserbaidschanisch (30 Mio., S2 35 Mio.), Gagausisch (500.000)
- Ost Turkmenisch (6,8 Mio.), Chorasan-Türkisch (400.000 ?)
- Süd Kaschgai (1,5 Mio.), Afshar (300.000), Aynallu (7.000), Sonqori (?)
- Salar Salarisch (60.000)
- Karlukisch (Osttürkisch)
- Tschagatai Tschagataisch †
- Usbekisch Usbekisch (24 Mio.)
- Uigurisch
- Alttürkisch † (mit Orchon-Kök, Jenissei-Kök, Alt-Uigurisch, Karachanidisch)
- Uigurisch (8 Mio.)
- Yugur (West-Yugur) (5.000)
- Aynu (Ainu) (7.000)
- Ili Turki (100)
- Sibirisch (Nordosttürkisch)
- Nord
- Jakutisch (360.000), Dolganisch (5000)
- Süd
- Jenisseisch Chakassisch (65.000), Schorisch (10.000)
- Sajan Tuwinisch (200.000), Tofa (Karagassisch) (†)
- Altaisch Altaisch (50.000) (Dialekte: Oirotisch; Tuba, Qumanda, Qu; Teleutisch, Telengitisch)
- Tschulym Tschulym (500)
- Nord
- Arghu
- Chaladsch (Khalaj) (42.000)
- Kiptschakisch (Westtürkisch)
Linguistische Kriterien der Klassifikation
Neben den geographischen gibt es einige traditionelle linguistische Kriterien für die obige Klassifikation:
- Die schon erwähnte tsuchwaschisch-gemeintürkische Opposition /-r/ gegen /-z/ trennt das Oghurische von allen anderen Turksprachen
- Der intervokalische Konsonant im Wort für „Fuß“ trennt die sibirischen Turksprachen von den anderen Gruppen: tuwa adaq, jakutisch ataχ gegenüber ayaq in den anderen Gruppen, allerdings chaladsch hadaq.
- Die oghusischen Sprachen sind von den anderen durch den Verlust des suffix-einleitenden G-Lautes getrennt: qalan gegenüber qalγan – „zurückgelassen“
- Die Verstummung des suffix-finalen G-Lauts trennt die Südost- von der Nordwest-Gruppe: uigurisch taγliq gegenüber tatarisch tawlı – „gebirgig“.
Wortgleichungen der Turksprachen
Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über den Grundwortschatz in etwa 60 Wortgleichungen, wie er sich in mehreren wichtigen Turksprachen realisiert. Als erste Spalte sind die erschlossenen Proto-Formen nach der etymologischen Datenbank von Starostin (siehe Weblink) aufgeführt. (In vielen Fällen erkennt man, wie protosprachliches finales und intervokalisches /r/ - hier als /r̩/ gekennzeichnet - zu gemeintürkischem /z/ wurde, allerdings nicht im Tschuwaschischen. Statt des IPA-Codes /ɨ/ wird das türkische /ı/ verwendet.)
Die Tabelle zeigt deutlich das abweichende Verhalten des Tschuwaschischen und Jakutischen und die große Ähnlichkeit der übrigen Turksprachen. Prototürkisch bezeichnet hier die erschlossene Protoform aller Turksprachen, Alttürkisch ist eine frühe Form der Turksprachen, nicht speziell des Türkei-Türkischen. Lücken in der Tabelle bedeuten natürlich nicht, dass die entsprechende Sprache kein Wort für den Begriff hätte, sondern nur, dass dieser Begriff von einer anderen Wurzel gebildet wird und somit für den etymologischen Vergleich im Sinne einer Wortgleichung ausfällt.
Personen Proto-Türk. Alttürk. Türkisch Aserbaid. Turkmen. Tatar. Kasach. Usbek. Uigur. Jakut. Tschuw. Vater *ata ata ata ata ata ata ata ata ata átä atte Mutter *ana ana anne ana ene ana ana ona ana anne Sohn *ogul oġul oğul oğul oğul (o'g)ul ul o'g'il oghul uol yva'l Mann *erkek er(kek) erkek ər erkek ir yerkek erkak är er arşyn Mädchen *kır̩ kız kız qız gyz kız qız qiz qiz ky:s χe'r Person *kil̩i kişi kişi kişi kişi keşe kisi kishi kişi kihi Braut *kalım kelin gelin gəlin geli:n kilen kelin kelin kelin kylyn kin Körperteile Proto-Türk. Alttürk. Türkisch Aserbaid. Turkmen. Tatar. Kasach. Usbek. Uigur. Jakut. Tschuw. Herz *jürek jürek yürek ürək ýürek yorak jürek yurak yüräk süreq che're Blut *k(i)an qan kan qan ga:n kan qan qon qan qa:n jun Kopf *ba(l)š baş baş baş baş baş bas bosh baş bas puş Haar *kıl(k) qıl kıl qıl qyl kyl kyl kyl kyl kyl χe'le'r Auge *gör̩ köz göz göz göz küz köz ko'z köz kos kuş Wimper *kirpik kirpik kirpik kirpik kirpik kerfek kirpik kiprik kirpik kirbi: χurbuk Ohr *kulkak qulqaq kulak qulaq gulak kolak qulaq quloq qulaq gulka:k χa'lχa Nase *burun burun burun burun burun boryn murın burun burun murun Arm *kol qol kol qol gol kul qol qo'l kol qol χol Hand *el(ig) el(ig) el əl el il el äl ili: ala' Finger *biarŋak barmak parmak barmaq barmak barmak barmak barmoq barmaq pürne Fingernagel *dırŋak tırnaq tırnak dırnaq dyrnaq tyrnak tırnaq tirnoq tirnaq tynyraq che'rne Knie *dir̩ tiz diz diz dy:z tez tize tizza tiz tüsäχ Wade *baltır baltır baldır baldır baldyr baltyr baldyr boldyr baldir ballyr Fuß *adak adaq ayak ayaq aýaq ajak ayaq oyoq ayak ataq Bauch *karın qarın karın qarın garyn qaryn qarın qorin qor(saq) qaryn χyra'm Tiere Proto-Türk. Alttürk. Türkisch Aserbaid. Turkmen. Tatar. Kasach. Usbek. Uigur. Jakut. Tschuw. Pferd *a:t at at at at at at ot at at ut Rind *sıgır siyir sığır sığır sygyr sıyer siyır sigir Hund *ıt/*it ıt it it it et iyt it it yt jyta' Fisch *balık balıq balık balıq balyk balyq balıq baliq beliq balyk pula' Laus *bıt bit bit bit bit bet biyt bit pit byt pyjta' Sonstiges Proto-Türk. Alttürk. Türkisch Aserbaid. Turkmen. Tatar. Kasach. Usbek. Uigur. Jakut. Tschuw. Haus *eb ev ev ev öý öy üy uy öy Zelt *otag otag otağ otaq otaq otoq otu: Straße *jol yol yol yol yo:l yul jol yo'l yol suol şul Brücke *köpür(g) köprüq köprü körpü köpri küpar köpir ko'prik kövrük kürpe ke'per Pfeil *ok oq ok ox ok uk ok o'q oq oχ ugu Feuer *o:t ot od od ot ut ot o't ot uot vuta' Asche *kü:l kül kül kül kül köl kül kul kül kül ke'l Wasser *sıb suv su su suw syw suw suv su ui shyv Schiff *gemi kemi gemi gəmi gämi kimä keme kema kemä kim See *köl köl göl göl köl kül köl ko'l köl küöl küle' Sonne/Tag *gün(el̩) küneş güneş günəş/gün gün kojaş kün quyosh kün kün kun Wolke *bulut bulut bulut bulud bulut bolyt bult bulut bulut bylyt pe'le't Stern *juldur̩ yulduz yıldız ulduz ýyldyz yoldyz juldız yulduz yultuz sulus şa'lta'r Erde *toprak topraq toprak torpaq toprak tufrak topıraq tuproq tupraq toburaχ ta'pra Hügel *tepö töpü tepe təpə depe tübä töbe tepa töpä töbö Baum *ıngač yaġac ağaç ağaç agaç agaç ağaş yağaç jyva'ş Gott *teŋri tenri tanrı tanrı taňry tänri täňri tangre tängri tanara tura' Adjektive Proto-Türk. Alttürk. Türkisch Aserbaid. Turkmen. Tatar. Kasach. Usbek. Uigur. Jakut. Tschuw. lang *ur̩ın uzun uzun uzun uzyn ozyn uzın uzun uzun uhun va'ra'm neu *jaŋı yany yeni yeni yany yana janga yangi yengi sana şe'ne' fett *semir̩ semiz semiz semiz simyz semiz semiz semiz emis samar voll *do:lu tolu dolu dolu do:ly tuly tolı to'la toluq toloru tulli weiß *a:k aq ak ağ ak ak aq oq aq schwarz *kara qara kara qara gara kara qara qora qara χara χura rot *kır̩ıl qızıl kızıl qızıl gyzyl kyzyl qızıl qizil qizil kyhyl χe'rle' blau *gök kök gök göy gök kük kök ko'k kök küöq ka'vak Zahlen Proto-Türk. Alttürk. Türkisch Aserbaid. Turkmen. Tatar. Kasach. Usbek. Uigur. Jakut. Tschuw. 1 *bir bir bir bir bir ber bir bir bir bi:r pe'r(re) 2 *ek(k)i eki iki iki iki ike yeki ikki ikki ikki ik(k)e' 4 *dö:rt tört dört dörd dört dürt tört to'rt töt tüört ta'vat(t)a' 7 *jeti yeti yedi yedi yedi yide jeti yetti yättä sette şich(ch)e' 10 *o:n on on on on un on o'n on uon vun(n)a' 100 *jü:r̩ yüz yüz yüz yüz yüz jüz yuz yüz sü:s şe'r Sprachliche Charakterisierung der Turksprachen
Die typologischen Merkmale
Typologisch weisen die Turksprachen große Ähnlichkeit mit den beiden anderen Gruppen der altaischen Sprachen (Mongolisch und Tungusisch) auf, diese Merkmale sind also weitgehend gemeinaltaisch und finden sich zum Teil auch bei uralischen und paläosibirischen Sprachen (siehe Altaische Sprachen).
Die wichtigsten typologischen Charakteristika der Turksprachen sind:
- Mittelgroße Phoneminventare (20–30 Konsonanten, 8 Vokale) und einfache Silbenstruktur, kaum Konsonantencluster. (Als Beispiel siehe unten „Phoneminventar des Türkischen“.)
- Einige Turksprachen (Turkmenisch, Jakutisch, Chaladsch) haben eine Quantitätsdifferenzierung bei den Vokalen, die wahrscheinlich alt ist, sonst aber verloren ging. Spuren bzw. Wirkungen der alten Quantität sind auch in anderen Türksprachen zu beobachten.
- Vokalharmonie, die auf verschiedenen Vokaloppositionen beruht: vorne-hinten, gerundet-ungerundet, hoch-tief.
- Ein Beispiel aus dem Türkischen: elma-lar „Äpfel“, aber ders-ler „Lektionen“. Der Pluralmarker heißt /lar/ oder /ler/, je nachdem, welche Art von Vokal ihm vorausgeht. (Vertiefung und weitere Beispiele im Abschnitt „Vokalharmonie“.)
- Die Vokalharmonie ist in nahezu allen Turkspachen erhalten, teilweise allerdings nur in den gesprochenen Varianten, während sie nicht mehr im Schriftbild deutlich wird (z. B. im Usbekischen).
- Eine durchgehend agglutinative Wortbildung und Flexion, und zwar nahezu ausschließlich durch Suffixe. (Präfixe kommen allenfalls in der Wortbildung vor.) Dies kann zu sehr langen und komplexen Bildungen führen (allerdings werden im Normalfall selten mehr als drei bis vier Suffixe verwendet). Jedes Morphem hat eine spezifische Bedeutung und grammatische Funktion und ist – abgesehen von den Erfordernissen der Vokalharmonie – unveränderlich.
- Adjektive werden nicht flektiert, sie zeigen keine Konkordanz mit ihrem Bestimmungswort, dem sie vorausgehen.
- Bei der Verwendung von Quantifizierern (Zahlwörtern, Mengenangaben) entfällt die Pluralmarkierung.
- Es gibt keine Artikel.
- Es gibt kein grammatisches Geschlecht, nicht einmal bei den Pronomina. (Selbst die ältesten Formen der Turksprachen lassen keinerlei Reste eines grammatischen Geschlechts erkennen, so dass man davon ausgehen kann, dass auch das Proto-Türkische diese Kategorie nicht besaß.)
- Relativsätze werden durch Partizipial- und Gerundivkonstruktionen ersetzt. Generell werden statt Nebensätzen nominalisierte komplexe Verbalformen verwendet.
- Das Verbum steht am Satzende, die normale Satzgliedfolge ist SOV (Subjekt-Objekt-Verb).
Phoneminventar am Beispiel des Türkischen
Das Türkische zeigt ein für die Turksprachen typisches Phoneminventar von acht Vokalen und 20 Konsonanten.
Vokale
Die Vokale können nach ihrer Artikulationsstelle (vorn-hinten), Rundung (gerundet-ungerundet) und Höhe (hoch-tief) eingeteilt werden. Diese Klassifikation ist für die Vokalharmonie von entscheidender Bedeutung.
Artikulationsort vorn hinten Rundung ungerundet gerundet ungerundet gerundet hoch i ü ı u tief e ö a o Konsonanten
Artikulation labial apikal palatal velar glottal Plosiv stimmlos p t ç [tʃ] k Plosiv stimmhaft b d c [dʒ] g Frikativ stimmlos f s ş [ʃ] Frikativ stimmhaft v z j [ʒ] Nasal m n Lateral l Vibrant r Gleitlaut y h Hier sind die Buchstaben des türkischen Alphabets verwendet worden, in eckigen Klammern [ ] stehen die Lautwerte.
Vokalharmonie am Beispiel des Türkischen
Die bei den Turksprachen weitverbreitete Vokalharmonie, also die Angleichung der Suffixvokale an die Vokale des Stammes oder der vorhergehenden Silbe, soll am Beispiel des Türkischen gezeigt werden. Im Türkischen beruht die Vokalharmonie sowohl auf einer Angleichung der Artikulationsstelle (vorne-hinten) als auch einer Assimilation im Rundungstyp (gerundet-ungerundet) der betreffenden Vokale. Einige Suffixe werden gemäß der sogenannten kleinen Vokalharmonie, andere gemäß der großen Vokalharmonie gebildet. Während die kleine Vokalharmonie im Suffix ein /e/ nach den vorderen Vokalen (e, i, ö, ü) in der vorherigen Silbe und ein /a/ nach den hinteren Vokalen (a, ı, o, u) vorschreibt, wird bei den Suffixen, die gemäß der großen Vokalharmonie gebildet werden, ein /i/ nach den vorderen ungerundeten Vokalen (e, i), ein /ü/ nach den vorderen geundeten Vokalen (ö, ü), ein /ı/ nach den hinteren ungerundeten Vokalen (a, ı) und ein /u/ nach den hinteren gerundeten Vokalen (o, u) verwendet.
Beispiele
- (1) elma-lar „Äpfel“ aber ders-ler „Lektionen“
- (2) ev-de „im Haus“, aber orman-da „im Wald“
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- In (1) und (2) gleicht sich das Pluralsuffix /-ler/ oder /-lar/ und das Lokativsuffix /-de/ oder /-da/ dem Stammvokal in der Artikulationsstelle (vorne-hinten) an.
- (3a) isçi-lik „Kunstfertigkeit“
- (3b) pazar-lık „Feilschen“
- (3c) çoğun-luk „Mehrheit“
- (3d) ölümsüz-lük „Unsterblichkeit“
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- Das Suffix /-lik/ „-keit“ besitzt vier Varianten, die sich sowohl nach der Artikulationsstelle des Stammvokals (hinten-vorn) als auch seiner Rundung anpassen.
- (4) püskül - ümüz - ün
- Troddel - POSS.1pl - GEN
- „unserer Troddel (oder Quaste)“
- (5) püskül - ler - imiz - in
- Troddel - PL - POSS.1pl - GEN
- „unserer Troddeln“
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- In (4) bewirkt der letzte Vokal von püskül (/ü/: vorn, gerundet) entsprechende Vokalisierung im Possessivsuffix /imiz/ (hier /ümüz/) und Kasusmarker /in/ (hier /ün/). (Zu Possessivsuffix und Kasusmarker siehe den Abschnitt „Morphologie“.)
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- In (5) bewirkt das /ü/ von püskül die vordere Variante des Pluralmarkers /ler/, dessen ungerundetes vorderes /e/ wiederum die ungerundete vordere Varianten /imiz/ und /in/ der folgenden Marker auslöst. Analog sind die nächsten Beispiele zu erklären.
- (6) torun - umuz - un
- Enkel - POSS.1pl - GEN
- „unseres Enkels“
- (7) torun - lar - ımız - ın
- Enkel - PL - POSS.1pl - GEN
- „unserer Enkel“
Morphologie der Turksprachen
Kasusmarkierung
Turksprachen haben in der Regel sechs Kasus: Nominativ (unmarkiert), Genitiv, Dativ-Terminativ, Akkusativ, Ablativ (woher?) und Lokativ (wo?). Die Kennzeichnung dieser Fälle erfolgt durch angehängte Kasusmarker, die innerhalb der einzelnen Sprachen sehr unterschiedlich ausfallen können. Dennoch gibt es eine erkennbare generelle Struktur, die auf die gemeinsame Protosprache zurückgeht und die in der Markerformel angegeben ist. (V bezeichnet einen Vokal, der sich nach der Vokalharmonie richtet, K einen beliebigen Konsonant). Diese Struktur lässt aber für die konkrete Realisierung der Kasus in den einzelnen Sprachen einen relativ großen Spielraum. Die folgende Tabelle zeigt die Kasusmarkerformeln und ihre Realisierungen in drei Beispielsprachen Kirgisisch, Baschkirisch und Türkisch, die einige – aber nicht alle – Varianten der Formel umsetzen.
Die Kasusmarkerformeln und ihre Realisierung in einigen Turksprachen
Kasus Markerformel Kirgisisch Baschkirisch Türkisch Nominativ -Ø köz „Auge“ bala „Kind“ ev „Haus“ Genitiv -(d/t/n) V n köz-nün bala-nın ev-in Dativ -(k/g) V köz-gö bala-ga ev-e Akkusativ -(d/n) V köz-dü bala-nı ev-i Ablativ -d/t/n V n köz-dön bala-nan ev-den Lokativ -d/t/l V köz-dö bala-la ev-de Personalpronomina
Die Personalpronomina sind in allen Turksprachen sehr ähnlich. Im Türkischen lauten sie:
Person Singular Plural 1 ben biz 2 sen siz 3 o onlar Possessivsuffixe
Besonders wichtig sind die Possessivsuffixe, die in den Turksprachen das Possessivpronomen ersetzen, in ähnlichen Formen aber auch in der Verbalmorphologie verwendet werden:
Person Singular Plural 1 -(i)m -(i)miz 2 -(i)n -(i)niz 3 -(s)i -leri/ları Nominalphrasen
Am Beispiel des Türkischen wird die Konstruktion von Nominalphrasen gezeigt. Die Reihenfolge der Konstituenten ist dabei festgelegt. Es ergeben sich im Wesentlichen folgende Positionen:
1 Attribut – 2 Nomen – 3 Ableitungssuffix – 4 Pluralmarker – 5 Nominalisierung – 6 Possessivsuffixe – 7 Kasusmarker
Beispiele:
- araba-lar-ımız-a >> 2 Auto – 4 PL – 6 POSS.1pl – 7 DAT
- „zu unseren Autos“
- çocuk-lar-ınız-ı >> 2 Kind – 4 PL – 6 POSS.2pl – 7 AKK
- „ihre (pl.) Kinder“ (Akk.)
- gül-üş-ler-iniz-i >> 2 lachen – 3 NOMINAL – 4 PL – 6 POSS.2pl – 7 AKK
- „ihre Gelächter“ (Akk. Pl.)
- yaşlı adam-lar-a >> 1 alt – 2 Mann – 4 PL – 7 DAT
- „den alten Männern“ (Attribut vor dem Bestimmungswort, ohne Konkordanz in Numerus und Kasus)
- birçok çocuk >> 1 viel 2 Kind
- „viele Kinder“ (wegen des Quantifizierers „viele“ steht kein Pluralmarker)
Das Verbalsystem der Turksprachen
Eine typische Verbalform weist folgende Positionen auf:
1 Stamm – 2 Tempus-/Modus-Marker – 3 Personalendung
Die folgende Tabelle zeigt die Tempora und Modi des Verbs in den Turksprachen mit genereller Formel und Realisierung im Aserbaidschanischen und Türkischen (1. Sg. von der Wurzel al- „nehmen, bekommen, kaufen“)
Tempus/Modus Formel Aserbaidschanisch Türkisch Bedeutung Infinitiv m+V+k/g al-maq al-mak nehmen Imperativ Ø; -ın al; al-ın al; al-ın nimm! nehmt! Präsens V+r al-ır-am al-ıyor-um ich nehme Futur acak al-acağ-am al-ıcağ-ım ich werde nehmen Präteritum d/t+V al-dı-m al-dı-m ich nahm Konditional sa al-sa-m al-sa-m (wenn) ich nehme Optativ (j)V al-maq is-tə-yi-rəm al-mak is-ti-yo-rum ich möchte nehmen Necessitiv malı al-malı-y-am al-malı-y-ım ich soll nehmen Part. Präsens Vn al-an al-an nehmend Part. Perfekt d V k/g al-dığ-ım al-dı-ğım genommen (habend) Gerundium ip al-ıb al-ıp das Nehmen Passiv i l/n al-ın-maq al-ın-mak genommen werden Kausativ d/t + i + r(t) al - dırt - mag al-dırt-mak veranlasst, zu nehmen Beispiele komplexerer türkischer Verbalformen, die auch ganze Nebensätze ersetzen können:
- ben milyoner ol-mak isti-yor-um >> ich [Millionär - werden-INF] will-PRÄS-1sg
- „ich will Millionär werden“
- ben biz-im haps-e at-ıl-acağ-ımız-ı duy-du-m
- >> ich [wir-GEN Gefängnis-DAT werfen-PASS-FUT-1pl-]-AKK hören-PRÄT-1sg
- „ich hörte, dass wir ins Gefängnis geworfen werden sollen“
- öp-üş-tür-ül-dü-ler >> küssen-REZIP-KAUS-PASS-PRÄT-3pl
- „sie wurden veranlasst, sich gegenseitig zu küssen“
- yıka-n-ma-malı-yım >> waschen-REFL-NEG-NECESS-1sg
- „es ist nicht notwendig, dass ich mich wasche“
- yıka-n-acağ-ım >> waschen-REFL-FUT-1sg
- „ich werde mich selbst waschen“
(Einige Beispiele nach IEL, Artikel Turkish; und G.L.Campbell, Concise Compendium of the World's Languages)
Frühe Turksprachen und ihre Überlieferung
Wanderungsbewegungen
Manche Wissenschaftler vertreten die Ansicht, dass sich bereits in den Verbänden der Hunnen, die seit den 1. Jahrhundert nach Westen migrierten, Stämme befanden, die frühe Formen einer Turksprache sprachen.[2] Massive Wanderungen von Turkvölkern lassen sich zweifelsfrei seit dem 8. Jahrhundert nachweisen. Der Gipfel der Migration türkischer Bevölkerungsgruppen nach Westen war die Landnahme Anatoliens im 12. und. 13. Jahrhundert.[3] Die letzte Migration türkischer Bevölkerungsgruppen war die der Jakuten, die im 12. Jahrhundert einsetzte.[4] Die Sprache der Türken Südsibiriens (die Sprache, in der die ältesten turksprachigen Texte – die Orchon-Inschriften – aufgezeichnet wurden, also Alttürkisch) ist die einzige Sprachform, die vor den großen Wanderungen der türkischen Völker Eigenprofil gewonnen hat.[5]
Chronologie
- Die ältesten türkischen Schriftzeugnisse sind die Runeninschriften des Orchon-Jenissei-Gebietes sowie die Turaninschriften. Diese stammen überwiegend aus dem 8. Jahrhundert. Die Schrift, in der die Orchon-Texte überliefert sind, weist äußere Ähnlichkeiten mit den germanischen Runen auf (ohne jedoch mit diesen verwandt zu sein), so dass auch sie als Runenschrift bezeichnet wird.
- Die eigentliche Schrifttradition der südöstlichen Turksprachen beginnt im 11. Jahrhundert unter den Karachaniden. Dort entstand 1069 oder 1070 das aus 6645 Einzelversen entstehende Werk Kutadgu Bilig („Beseligende Weisheit“) des Dichters Yusuf und im Jahre 1074 das monumentale türkisch-arabische Wörterbuch Diwan Lughat at-Turk von Mahmud al-Kaschgari.
- Das Choresm-Türkische des 13. und 14. Jahrhunderts gehörte ebenfalls zu den südöstlichen Turksprachen, zeigt aber einige südwestliche Einflüsse. Es bildete die Grundlage des Tschagataischen, einer wichtigen Literatursprache vieler muslimischer Turkvölker bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert.
- Die frühesten Zeugnisse der nordwestlichen Turksprachen stammen aus dem 14. Jahrhundert, als in der kumanischen Sprache der Codex Cumanicus verfasst wurde. Nachfolgesprachen sind das Tatarische und Baschkirische.
- Inschriften des Wolgabolgarischen sind erst aus dem 13./14. Jahrhundert überliefert, daraus - oder aus einem verwandten Dialekt - entwickelte sich später das stark abweichende Tschuwaschische.
- Seit dem 15. Jahrhundert ist das zur Südostgruppe gehörende Tschagataisch belegt, das die Basis für die heutigen Sprachen Usbekisch und Uigurisch darstellt.
Die Verschriftung der Turksprachen
- Die Verschriftung der klassischen Literatursprachen Osmanisch, Aserbaidschanisch, Tschagataisch, Tatarisch und Krimtatarisch erfolgte ausschließlich durch das arabische Alphabet.
- In der Zeit 1924–30 wurden weitere Turksprachen verschriftet, zuerst auf Basis eines lateinischen Alphabets, das seit 1922 für das Aserbaidschanische verwendet wurde.
- Ab 1936–40 begann im sowjetischen Machtbereich der Übergang zur einer den Bedürfnissen der Turksprachen angepassten kyrillischen Schriftform. Waren die arabischen und lateinischen Verschriftlichungen noch auf gegenseitige Verständlichkeit verschiedener Turksprachen angelegt, so galt bei den kyrillisch verschriftlichten Sprachen das Gegenteil – dort wurden aus verschiedenen Dialekten künstlich separate Sprachen erzeugt. Linientreue Linguisten wurden von Stalin beauftragt, die regionalen oder stammestypischen Dialekte in lehrbare Hochsprachen umzuwandeln und so alte Zusammenhänge zu zerschlagen. Vor allem die Turksprachen in der UdSSR mussten so weit wie möglich auseinandergerückt werden, um die alten pantürkischen Bestrebungen zu zerstören.[6]
- Im Oktober 1990, kurz vor der Auflösung der Sowjetunion, wurde von den Staaten Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Turkmenistan und Usbekistan auf einem Turkgipfel in Ankara beschlossen, innerhalb von 15 Jahren für ihr Staatsgebiet lateinische Alphabete einzuführen. Dieses sollte sich eng an das in der Türkei verwendete Alphabet angelehnt werden. Ziel dieses Schrittes sollte die Bewahrung des gemeinsamen Kulturerbes der Turkvölker sein.
- Bis zum Jahre 2007 schreiben nun folgende Turkstaaten und Gebiete mit lateinischen Alphabeten:
- Aserbaidschan
- Gagausien
- Kasachstan (inoffiziell für die Website der staatlichen Nachrichtenagentur; offiziell wird das kyrillische verwendet)
- Krim (zusammen mit dem kyrillischen)
- Tatarstan (zusammen mit dem kyrillischen)
- Turkmenistan
- Türkei (seit 1928)
- Usbekistan
- Turksprachige Juden benutzten seit alters her die hebräische Schrift.
Siehe auch: Türkische Lateinalphabete
Siehe auch
Quellen
- ↑ a b Helmut Glück Metzler-Lexikon Sprache, 3. Auflage, 2005, S. 700
- ↑
- Wolfgang-Ekkehard Scharlipp: Die frühen Türken in Zentralasien, 1998, S. 2
- Prof. Dr. Claudia Römer: Von den Hunnen zu den Türken – dunkle Vorgeschichte, in: Zentralasien, hg. von Prof. Dr. Andreas Kappeler, Wien 2006, S. 62
- Prof. Dr. Weiers: Türken, Protomongolen, und Prototibeter im Osten, Online-Publikation, 1998, www.zentralasienforschung.de
- Dr. Pavel Lurje: Die Sprachen Zentralasiens in Vergangenheit und Gegenwart, in: Zentralasien, hg. von Prof. Dr. Andreas Kappeler, Wien 2006, S. 48
- Dr. David Bivar: Die Nomadenreiche und die Ausbreitung des Buddhismus, in: Fischer Weltgeschichte, Zentralasien, Band 16, hg. von Dr. Gavin Hambly, Frankfurt am Main 1966, S. 49
- René Grousset: Die Steppenvölker, München 1970, S. 19
- Harald Haarmann: Hunnen, Artikel in: Lexikon der untergegangenen Völker, München 2005, S. 129
- ↑ Harald Haarmann: Weltgeschichte der Sprachen, München 2006, S. 271
- ↑ Harald Haarmann: Weltgeschichte der Sprachen, München 2006, S. 274
- ↑ Harald Haarmann: Weltgeschichte der Sprachen, München 2006, S. 271
- ↑ Erhard Stölting: Eine Weltmacht zerbricht. Nationalitäten und Religionen in der UdSSR, S. 23
Literatur
- Lars Johanson and Éva Ágnes Csató: The Turkic Languages. Routledge, London 1998. ISBN 0415082005
- Kurtuluş Öztopçu: Dictionary of the Turkic Languages. Routledge, London 1996, 1999. ISBN 0-415-14198-2
Weblinks
- Sergej Starostin, Türkische etymologische Datenbank.
- Karte mit der geographischen Verteilung der Turksprachen.
- Orientaal: Centre for Oriental Languages and Cultures. Mit Links zu allen Turksprachen.
- Sprachfamilienbaum der Turksprachen auf ethnologue.com
- Einführung in die Ethnologie Zentralasiens-Skriptum von Marion Linska, Andrea Handl, Gabriele Rasuly-Paleczek. 2003
- M. Okuka (Hg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens. Klagenfurt (= Wieser Enzyklopädie des europäischen Ostens 10) 2002.:
- S. 777: E. Čaušević: Baschkirisch
- S. 781: W. Schulze: Gagausisch
- S. 787: W. Schulze: Karaimisch
- S. 793: E. Čaušević: Kasantatarisch
- S. 799: W. Schulze: Krimtatarisch
- S. 805: H. Haarmann: Kumanisch
- S. 809: H. Haarmann: Tschagataisch
- S. 811: E. Čaušević: Tschuwaschisch
- S. 817: M. Kappler: Türkisch (in Südosteuropa)
- S. 835: H. Haarmann:Wolgabulgarisch
- Monumenta altaica, mit Texten, Wörterbüchern, Grammatiken, Artikeln zu altaischen Sprachen
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