Turnvater Jahn

Turnvater Jahn
Friedrich Ludwig Jahn
Jahn-Denkmal in Neubrandenburg

„Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn (* 11. August 1778 in Lanz; † 15. Oktober 1852 in Freyburg (Unstrut)). Jahn war der Initiator der deutschen Turnbewegung, die von Anfang an mit der frühen Nationalbewegung verknüpft war. Sie war entstanden u. a. mit der Zielsetzung, die Jugend auf den Kampf gegen die napoleonische Besetzung und für die Rettung Preußens vor dem Untergang vorzubereiten. Den ersten Turnplatz schuf er 1811 auf der Berliner Hasenheide. Sein politisch widersprüchliches Verhalten im Laufe seines Lebens (übersteigerter Nationalismus) bot Spielraum dafür, dass die späteren unterschiedlichen politischen Systeme in Deutschland sein Gedankengut in unterschiedlicher Weise bewerteten. Das Turnen (Geräte, Übungen) entwickelte sich weiter zur heutigen Sportart Geräteturnen.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jugend und Studienzeit

Der Sohn eines Pfarrers wurde zuerst vom Vater unterrichtet. 1791 besuchte er das Gymnasium in Salzwedel (Altmark), welches 1931 nach ihm benannt wurde (Jahngymnasium Salzwedel), ab 1794 das Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin, das er zwei Jahre später ohne Abschluss verließ.

Ohne das dafür erforderliche Abitur immatrikulierte er sich 1796 an der Universität Halle zum Theologiestudium und verbrachte sieben Jahre an verschiedenen Universitäten, darunter der Universität Greifswald, die er, wie schon die Gymnasien, wegen schlechter Führung und seines nie bestandenen Abiturs verlassen musste.

Jahn nahm eine Stelle als Hauslehrer an und befasste sich intensiv mit deutscher Sprache und Geschichte. Er trat in Halle für die Reinheit der deutschen Sprache ein und verfasste die Schrift Patriotismus in Preußen, daraufhin musste er Halle verlassen und ging nach Breslau. Häufig verbarg sich Jahn um 1800 in Halle in einer Höhle in einem Felsen an der Saale, heute als Jahnhöhle bekannt.

1800 wurde ihm in Leipzig der Prozess gemacht und ein Verbot für alle deutschen Universitäten ausgesprochen. 1802 begegnete er Ernst Moritz Arndt an der Universität Greifswald; die vaterländische Idee des „Vereinigten Deutschland” erwuchs.

Zwischen Juli 1801 bis Januar 1802 hielt er sich an der Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) ohne Immatrikulation auf. 1813 kam er wiederum in dem von Franzosen wimmelnden Frankfurt (Oder) vorbei auf dem Wege nach Breslau, dem heutigen Wroclaw, um dort für den Kampf gegen die napoleonische Fremdherrschaft in das Lützowsche Freikorps einzutreten. Er hat auf den Laudonsbergen der Frankfurter Dammvorstadt die Schaffung des ersten Turnplatzes 1813 angeregt.[1]

Entwicklung der Ideologie

Bald darauf verließ er Greifswald ohne Abschluss, ging zunächst nach Neubrandenburg, wo er 1803–1804 als Hauslehrer die Kinder des Barons le Fort unterrichtete und auch später mehrfach weilte, dann auf die Glashütte Sophienthal bei Waren (Müritz) und schließlich als Privatlehrer nach Jena. 1807 traf er Johann Christoph Friedrich GutsMuths in Schnepfenthal, dem er Impulse für das Turnen in Deutschland verdankt. Während des Krieges (Schlacht bei Jena und Auerstedt) fungierte er als Kurier im Regierungsauftrag. 1810 wurde er an der Plamannschen Erziehungsanstalt in Berlin tätig, scheiterte dann aber an einer Prüfung für die Oberlehrerstelle in Königsberg. Er wurde Hilfslehrer in Berlin und widmete sich der Turnerei.

In seiner schon 1808 skizzierten Schrift Deutsches Volkstum, die 1810 in Lübeck erschienen, skizzierte er erstmals seinen so rabiaten wie xenophoben Nationalismus, in dem er eine angeblich gottgewollte Sonderstellung der deutschen Nation mit schroffen Angriffen auf die „Ausländerei” und „Verwelschung” seiner Zeit verband:

„„Die Kleinstaaterei verhindert Deutschlands Größe auf dem Erdenrund. Wer seinen Kindern die französische Sprache lehren lässt, ist ein Irrender, wer darin beharrt, sündigt gegen den heiligen Geist. Wenn er aber seinen Töchtern französisch lehren lässt, ist das ebenso gut, als wenn er ihnen Hurerei lehren lässt. Polen, Franzosen, Pfaffen, Junker und Juden sind Deutschlands Unglück.”“

Als Ziel nannte er hier ein „Großdeutschland”, zu dem auch die Schweiz, Holland und Dänemark gehören würden. Hauptstadt solle die neue Stadt „Teutonia” werden, die in Thüringen gegründet werden sollte, wo sich die Fernstraßen aus den dann deutschen Grenzstädten Genf, Memel, Fiume, Kopenhagen, Dünkirchen und Sandomir treffen würden.

Aus den ausgedehnte Wanderungen, die Jahn mit seinen Schülern unternahm, entwickelte sich schließlich regelmäßiges Turnen. Am 19. Juni 1811 wurde der erste deutsche Turnplatz auf der Hasenheide bei Berlin eröffnet, der mit Geräten nach dem Vorbild von GutsMuths ausgestattet wurde. Ebenso entstammten die Leibesübungen, die Jahn Turnen nannte, dem Vorbild GutsMuths, allerdings meinte Jahn mit Turnen die Gesamtheit aller Leibesübungen: Gerätübungen wurden weiterentwickelt und durch Spiele, Schwimmen, Fechten und Wandern ergänzt.

Widmungen am Jahndenkmal in der Berliner Hasenheide
Jahnstein an der Travemünder Allee zur Erinnerung an den ersten Sportplatz in Lübeck

Jahn entwickelte das Turnen weiter zur „patriotischen Erziehung zur Vorbereitung auf den Befreiungskrieg”. Er sah die Entwicklung des Turnens in engem Zusammenhang mit politischen Zielen: der Befreiung Deutschlands von Napoleonischer Herrschaft, der Idee eines künftigen deutschen Reiches unter preußischer Führung und der Teilnahme der einzelnen Staatsbürger am Wohl und Weh des Ganzen. Auch das Turnen ordnete er politischen Gesichtspunkten unter. Jahn wollte die Jugend für den Kampf gegen Frankreich trainieren.

Mit der Niederlage Napoléons 1813 wurde die Voraussetzung für die nationale Befreiung Deutschlands geschaffen. Mit dem Sieg der Völkerschlacht bei Leipzig wurde Jahns Wunsch in gewissem Sinn Wirklichkeit. Er trat mit seinen Turnern dem Lützowschen Freikorps bei.

1813, in der Zeit der Völkerschlacht bei Leipzig, forderte Jahn: „... freie Rede, Verfassung, Einheit des Vaterlandes...” Im selben Jahr nahm Jahn in Berlin den in der Zwischenzeit von Ernst Eiselen geleiteten Turnbetrieb wieder in seine Hand. Er half bei der Verbreitung des Turnens, wo es ihm möglich war: Er schickte Vorturner und besuchte auf seinen Turnfahrten selbst verschiedene Turnplätze.

Am 12. Juni 1815 wurde in Jena die Urburschenschaft gegründet. 1816 erschien das Buch Die Deutsche Turnkunst (mit Ernst Eiselen).

Restauration

Der Wiener Kongress enttäuschte Jahn, da sich dort eine Politik des europäischen Gleichgewichts durchgesetzt hatte. Der deutsche Bund unterdrückte die liberalen Verfassungsbewegungen in den Einzelstaaten. Von den eigentlichen Zielen Jahns war nur die Befreiung von Frankreich erfüllt.

Er begann 1817 mit einer Vortragsreihe zum Deutschen Volkstum, in dem er die Missstände im preußischen Heer anprangerte und die Beschränkung der bürgerlichen Rechte im Staat bedauerte. Damit schaffte er sich nicht nur Freunde, sondern auch Feinde, z. B. Staatskanzler Hardenberg, der das Turnen unter staatliche Aufsicht an den Schulen übernehmen wollte.

In engem Bezug zum Turnwesen stand auch die Bewegung der Burschenschaften. Sie und die Turner verfolgten im Grunde die gleichen politischen Ziele. Allerdings gab es auch kleine Gruppierungen, die sich von diesen Zielsetzungen abhoben. Hier zeigte sich die Spaltung in eine demokratische und eine nationalliberale Richtung des deutschen Liberalismus an.

Am 18./19. Oktober 1817 fand auf Jahns Initiative als Höhepunkt der Turnbewegung in Deutschland (mit über 100 Turnplätzen alleine in Preußen) das Wartburgfest mit der ersten neuzeitlichen Bücherverbrennung im deutschsprachigen Raum statt. Jahn selbst stellte die Liste der Bücher zusammen, sein Schüler Hans Ferdinand Maßmann initiierte die Aktion. Dieser symbolträchtige Akt der Bücherverbrennung zog den Argwohn Metternichs auf sich, in der Folge kam es zur Berliner und Breslauer Turnfehde, worin Kritik gegen das Turnen oder gegen seine religiös-patriotische Richtung laut wurde.

1819 wurde im Zuge der „Demagogenverfolgung” dem Turner und Burschenschafter Jahn die Wiederaufnahme des Turnens auf der Hasenheide untersagt, da die Turnübungen im Rahmen des Unterrichts stattfanden und der Schulbehörde untergeordnet werden sollten. Die Ermordung des Schriftstellers August von Kotzebue durch den Studenten und Turner Karl Ludwig Sand löste letztendlich die Turnsperre aus.

Die Auswirkung der Karlsbader Beschlüsse trafen die Turnbewegung hart. Jahn wurde am 13. Juli 1819 verhaftet, die Burschenschaften verboten, Universitäten unter Staatsaufsicht gestellt und viele studentische Turner und Burschenschafter unter polizeiliche Aufsicht gestellt. Jahn verbrachte die nächsten fünf Jahre in Haft in Spandau, Küstrin, Berlin und Kolberg. Ein Turnverbot in ganz Preußen und anderen deutschen Staaten wurde erlassen.

Somit war offiziell in Preußen 1820 das Turnen eingestellt, allerdings fanden weiterhin vielerorts trotz dieser Sperre Leibesübungen statt. Am 13. Januar 1824 wurde Jahn zu zwei Jahren Festungshaft verurteilt und am 15. März 1825 unter der Bedingung, in keiner Universitäts- oder Gymnasialstadt zu wohnen, freigesprochen.

1825 bis 1852 lebte er unter Polizeiaufsicht in Freyburg an der Unstrut (heute in Sachsen-Anhalt). Hier steht übrigens heute noch die älteste Turnhalle Deutschlands, deren Bau später, nach der politischen Rehabilitation Jahns von ihm initiiert wurde. Im September 1828 wurde er wegen des Kontakts mit Schülern und Lehrern bis 1835 nach Kölleda ausgewiesen.

Rehabilitation

Jahndenkmal an der Jahnsporthalle in Freyburg (Unstrut)

Im Laufe der Jahre wurden die Bestimmungen gelockert und Ärzte und Pädagogen unterstützten das Wiederaufleben der Leibesübungen. 1837 wurden in den Gymnasien Leibesübungen gestattet.

1840 erfolgte Jahns Amnestierung und vollkommene Rehabilitierung durch Friedrich Wilhelm IV., Jahn erhielt das ihm aberkannte und vorenthaltene Eiserne Kreuz aus den Befreiungskriegen.

1842 hob Friedrich Wilhelm IV. den Erlass seines Vaters auf und beendete damit offiziell die Turnsperre; Turnen wurde in Preußen zugelassen und Schulfach.

1848 wurde Jahn in die Frankfurter Nationalversammlung in der Paulskirche gewählt. Er wandte sich vom patriotischen Turnen ab, engagierte sich für Ruhe und Ordnung und vertrat die Idee eines preußischen Erbkaisertums. Damit büßte er seine Volkstümlichkeit zwar weitgehend ein, gelangte aber in der Folgezeit zu voller Anerkennung als Bahnbrecher der Leibeserziehung.

1852 starb Jahn in Freyburg/Unstrut. Dort wurde er an der Stirnseite der ersten deutschen Turnhalle beigesetzt. Aus Anlass der Olympischen Spiele in Berlin 1936 wurden seine Gebeine umgebettet. Sie fanden ihre letzte Ruhestätte im Ehrenhof seines Wohnhauses, das er 1838/39 erbaut hatte. Heute beherbergt es das Friedrich-Ludwig-Jahn-Museum.

Frisch, fromm, fröhlich, frei

Turnerkreuz (FFFF) am Giebel eines Sportlerheims in Eisenberg

Der Turnerwahlspruch „Frisch, fromm, fröhlich, frei“ geht auf den „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn zurück, der 1816 in seinem Buch „Die deutsche Turnkunst“ eine ähnliche Formulierung gebraucht hatte. Die heute bekannten Form wurde von dem Sportpädagogen Hans Ferdinand Maßmann, einem Schüler Jahns, geprägt und geht auf einen Studentenspruch des 16. Jahrhunderts zurück. Die Abkürzung FFFF wurde zum so genannten „Turnerkreuz“ zusammengestellt. Die vier „F“ bedeuten Folgendes:

Frisch ans Werk!
Fromm im Glauben an die Gemeinnützigkeit und Wertbeständigkeit des Schaffens
Fröhlich untereinander
Frei und offen in allem Handeln

Friedrich-Ludwig-Jahn-Gesellschaft e. V.

Der Förderverein zur Traditionspflege und Erhaltung der Friedrich-Ludwig-Jahn-Gedenkstätten (gegründet 1992) hat sich 2008 durch Satzungsänderung umbenannt und setzt nun seine Aktivitäten fort als Friedrich-Ludwig-Jahn-Gesellschaft mit Sitz in Freyburg (Unstrut). Die Aufgaben des Vereins sind jetzt weiter gefasst und formulieren einen höheren Anspruch: Die Gesellschaft widmet ihre Tätigkeit dem Ziel, das Leben und Wirken des Gründers der Turnbewegung in Deutschland und seines Umfeldes zu erforschen, seine Bedeutung in Geschichte und Gegenwart zu interpretieren, sein Erbe zu bewahren und zu verbreiten. Dazu unterhält die Gesellschaft Beziehungen zum Deutschen Turner-Bund und den Landesturnverbänden, zu Hochschulen, Schulen, Museen und Organisationen, die sich dem Anliegen verpflichtet fühlen. Jahn soll als einer der großen Deutschen in das Blickfeld einer größeren Öffentlichkeit gerückt werden. Dem Schaffen Friedrich Ludwig Jahns widmet sich auch die Friedrich-Ludwig-Jahn-Bibliothek.

Einzelnachweise

  1. Hans-Eberhard Fehland, Hans-Jürgen Losensky: Sportstadt Frankfurt (Oder). Herausgeber: Verein Sportgeschichte der Stadt Frankfurt (Oder) e. V. 2005, S. 7

Siehe auch

Denkmal in Lanz

Quellen und Literatur

  • (Schulze, ?), Vertheidigungs-Schrift für den Doktor der Philosophie Friederich Ludwig Jahn. Glarus 1823. (Hierin auch die Nennung des Datums seiner Verhaftung, 1819, nicht 1820).
  • Carl Philipp Euler: Friedrich Ludwig Jahn – sein Leben und Wirken. Krabbe, Stuttgart 1889.
  • Paul Piechowski: Friedrich Ludwig Jahn. Vom Turnvater zum Volkserzieher. Mit einer Porträt-Tafel. Leopold Klotz, Gotha 1926.
  • Heinrich Gerstenberg: Friedrich Ludwig Jahn. In: Mitteldeutsche Lebensbilder. Band 1: Lebensbilder des 19. Jahrhunderts. Magdeburg 1926, S. 54–64.
  • Erwin Mehl: Jahn als Spracherzieher. Zum 200. Geburtstag des Turnvaters (* 11. August 1778 zu Lanz). Verein Muttersprache, Klosterneuburg-Weidling 1978. (Wissenschaftliche Schriftenreihe Muttersprache; Heft 9) (Wiener Sprachblätter; 7).
  • Oliver Ohmann: Turnvater Jahn und die Deutschen Sportfeste. Sutton, Erfurt 2008.
  • Oliver Ohmann: Friedrich Ludwig Jahn. Sutton, Erfurt 2009.
  • Bartmuß, Hans-Joachim: 15 Jahre unter Polizeiaufsicht, dennoch aktiv, von seinen Mitbürgern geehrt und geschützt – Friedrich Ludwig Jahn in Freyburg und Kölleda. Landesheimatbund Sachsen-Anhalt und Förderverein zur Traditionspflege und Erhaltung der Friedrich-Ludwig-Jahn-Gedenkstätten (Hrsg.): Friedrich Ludwig Jahn und die Gesellschaften der Turner – Wirkungsfelder, Verflechtungen, Gruppenpolitik. Beiträge zur Regional- und Landeskultur Sachsen-Anhalts, Heft 33, Halle 2004, S. 87-110) Friedrich-Ludwig-Jahn-Bibliothek
  • Eduard Ferdinand Angerstein: Jahn, Friedrich Ludwig. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 13, Duncker & Humblot, Leipzig 1881, S. 662–664.
  • Horst Ueberhorst: Jahn, Friedrich Ludwig. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 10, Duncker & Humblot, Berlin 1974, S. 301–303.

Weblinks


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