Typifikation

Typifikation
Beispiel einer monohierarchischen Klassifikation
Beispiel einer Klassifikation eines 2-dimensionalen Merkmalsraums in 5 Klassen und Klassierung eines Objektes

Eine Klassifikation, Typifikation oder Systematik (vom griechischen Adjektiv συστηματική [τέχνη], systēmatikē [technē] „die systematische [Vorgehensweise]“) ist eine planmäßige Sammlung von abstrakten Klassen (auch Konzepten, Typen oder Kategorien), die zur Abgrenzung und Ordnung verwendet werden. Die einzelnen Klassen werden in der Regel mittels Klassifizierung, das heißt durch die Einteilungen von Objekten anhand bestimmter Merkmale, gewonnen und hierarchisch angeordnet. Die Menge der Klassennamen bilden ein kontrolliertes Vokabular. Die Anwendung einer Klassifikation auf ein Objekt durch Auswahl einer passenden Klasse der gegebenen Klassifikation heißt Klassierung.

Anwendung finden Klassifikationen unter Anderem in Form von Taxonomien in den verschiedenen Wissenschaften. Beispiele für Systematiken sind die Biologische Systematik, begründet mit dem Systema Naturae von Carl von Linné, die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD) und verschiedene Bibliothekssystematiken (siehe unten).

Inhaltsverzeichnis

Arten und Aufbau von Klassifikationen

Vom Grundprinzip her lassen sich zwei Klassifikationsstrukturen unterscheiden: Bei einer Monohierarchie (starke Hierarchie bzw. auch Hierarchie mit Einfachvererbung genannt) besitzt jede Klasse nur eine Oberklasse, so dass die gesamte Klassifikation eine Baumstruktur besitzt. Bei der Polyhierarchie (schwache Hierarchie oder Hierarchie mit Mehrfachvererbung genannt) kann eine Klasse auch mehreren Oberklassen untergeordnet werden. Wenn die Polyhierarchie stärker ausgeprägt ist und weitere Beziehungen zwischen den Klassen hinzukommen, spricht man eher von einem Thesaurus. Auch in der Biologie spricht man bei der Artenzuweisung von der Systematik.

Eine andere Unterscheidung ist die in Analytische Klassifikation (vom Allgemeinen zum Besonderen, auf Präkoordination ausgerichtet) und Synthetische Klassifikation (vom Besonderen zum Allgemeinen, auf Postkoordination ausgerichtet). Die meisten Klassifikationen sind eher analytisch aufgebaut; ein prominentes Beispiel für synthetische Klassifikation ist die Facettenklassifikation.

Besonders in den Naturwissenschaften ist bei Klassifikationssystemen entscheidend, ob nach Ursprung, Entstehung oder Verwandtschaft klassifiziert wird (genetische Klassifikation), oder ob man die Eigenschaften, das Aussehen bzw. den Phänotyp für eine Klassifikation heranzieht. Zum Beispiel basiert die biologische Systematik auf der Verwandtschaft der Arten, es handelt sich also um eine genetische Klassifikation.

Wenn es sich um die Klassifikation von Begriffsinhalten handelt, unterscheidet man die Systematik nach dem Verhältnis zwischen dem Begriff (A) und dem übergeordneten Begriff (B) und somit nach dem Ordnungsprinzip: "Instanz von" Hierarchie: A "ist ein" B zum Beispiel: der Begriff Motor ist ein untergeordneter Begriff der Kraftverbrennungsmaschine und erbt daher dessen Eigenschaften, zum Beispiel die Tatsache, dass es sich um eine Maschine handelt.

Weitere Verhältnisse können sein "ist Teil von", "ist Mitglied von", "ist ein Buch von Autor", "ist Unterklasse von". Diese Verhältnisse sollten über alle Hierarchieebenen beibehalten werden.

Klassifikationen lassen sich auch auf reale Objekte anwenden und ergeben dann zum Beispiel Stücklisten oder Hierarchiebäume mit allen möglichen Varianten eines Baukastensystems.

In Klassifikationssystemen lassen sich zwei Bezeichnungsarten unterscheiden:

  • Verbale Begriffsbenennungen als Benennungen aus der natürlichen Sprache
  • Künstliche Bezeichnungen durch eine Notation, die aus Zahlen, Sonderzeichen oder Buchstaben bestehen kann. Die Identifikation der in einer Klassifikation abgelegten Objekte kann durch eine Signatur geschehen.

Einsatz von Klassifikationen

Systematiken werden zur Dokumentation (dort spricht man eher von 'Klassifikation'), im Dokumentenmanagement (dort im Zusammenhang mit der Indexierung mit Metadaten), in der Warenwirtschaft (dort spricht man eher von 'Warengruppen') und in der Wissenschaft (dort spricht man eher von 'Systematik') verwendet. Ziel einer Systematik ist es, einen Überblick über die darin geordneten Objekte zu verschaffen (Analyse) und die thematische Suche unter ihnen zu ermöglichen (Ordnung).

Leistungen von Klassifikationssystemen sind:

  • Zusammenfassung von isolierten Inhalten zu Klassen,
  • eindeutigere Begriffsbeschreibung durch Notationen,
  • Umgehung scheinbarer Verwandtschaftsbeziehungen,
  • verbesserte Präzision und Vermeidung von Ballast beim Wiedergewinnen von Informationen.

Vorteile von Klassifikationssystemen sind:

  • Universalität, das heißt Orientierung auf den gesamten Bereich der Wissenschaft (Universalklassifikation) oder auf Teilgebiete (Fachklassifikationen),
  • Kontinuität, das heißt die Verwendung über einen längeren Zeitraum,
  • Aktualität, das heißt Fähigkeit zur Berücksichtigung neuer Erkenntnisse,
  • Flexibilität durch Expansivität, (das heißt Möglichkeit zur Erweiterung des Klassifikationssystems),
  • gute Anwendbarkeit im Kontext des World Wide Web, da Klassifikationssysteme sich gut als Hypertext-Systeme abbilden lassen (zum Beispiel Open Directory Project), wobei auch andere entgegengesetzte Konzepte in diesem Kontext gut abschneiden (zum Beispiel WebSom: Self-Organizing-Map).

Nachteile von Klassifikationssystemen sind:

  • Systematik ist vorab festgelegt und relativ unbeweglich,
  • Oft ist es kaum möglich eine solche Systematik vorab festzulegen,
  • vorwiegend hierarchische Strukturen,
  • keine syntagmatische Verknüpfung der Begriffe,
  • eine Anpassung an den Fortschritt der Fachgebiete ist meist schwer umzusetzen,
  • Sachverhalte werden oft in Klassen "gezwängt", in die sie nicht vollständig passen, was zu einer Erschwerung des Suchvorganges und zu einem möglichen Informationsverlust führen kann,
  • meist entstehen Restobjekte, die in keine der aufgestellten Klassen passen und so eine theoretisch unbefriedigende Residualkategorie erforderlich machen,
  • meist keine objektiven Kriterien bei der Einsortierung neuer Einträge: es ist nicht immer klar in welche Kategorie ein Eintrag kommt,
  • nur ein Weg führt zu der gesuchten Kategorie (im Gegensatz zu einer netzwerkartigen Anordnung von Themengruppen).

Beispiel für die Klassifizierung eines Buches

In der Regensburger Verbundklassifikation gibt es die Klasse mit der Notation NU 3025 für die Geschichte der Humboldt-Universität zu Berlin. Die dazu gehörende Klasseneinteilung ist folgende:

  • N Geschichte
  • NU Geschichte der Wissenschaften und des Unterrichtswesens
  • NU 1500-7950 Geschichte der Wissenschaften
  • NU 2500-4250 Geschichte der wissenschaftlichen Institutionen
  • NU 2500-4215 Universitäten und Hochschulen
  • NU 3000-3329 Deutschsprachige Universitäten
  • NU 3025 Berlin/Humboldt-Universität

Die meisten Klassifikationen sind streng monohierarchisch aufgebaut, das heißt eine Klasse kann nur eine Oberklasse haben. Zur Klärung der Bedeutung einzelner Klassen setzt man unter anderem Kommentare (so genannte Scope Notes) und Verweisungen zwischen verwandten Klassen ein. In den meisten Systemen kann man Objekte auch mehreren Klassen zuordnen.

Das Buch Kommilitonen von 1933 über die Vertreibung von Studierenden der Berliner Humboldt-Universität ist beispielsweise zusätzlich den Klassen AL 50712 (Geschichte des Hochschul- und Universitätswesen der Humboldt-Universität) und NU 7100 (Sonstige Geschichte der Studenten als Teil der Geschichte der Wissenschaften) zugeordnet. In anderen Fällen muss jedoch eine Klasse als Einteilung genügen. Die Signatur in Bibliotheken, die den Aufstellungsort eines individuellen Buches bezeichnet, muss eindeutig sein, da es nur an einer Stelle aufgestellt werden kann. Umgekehrt können aber mehrere Bücher dieselbe Signatur besitzen.

Beispiele von Klassifikationen

Weblinks

Literatur

  • Traugott Koch et al.: The role of classification schemes in Internet resource description and discovery Veröffentlichung des DESIRE-Projekts, ca. 1997. Detaillierter Überblick über existierende Systematiken (im Hinblick auf die Klassifizierung von Internet-Inhalten)
  • Konrad Umlauf: Einführung in die bibliothekarische Klassifikationstheorie und -praxis, Berliner Handreichungen zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft, Mit Übungen. Berlin, 1999, HTML-Version

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