Türkenbund-Lilie

Türkenbund-Lilie
Dieser Artikel erläutert die Pflanze Türkenbund, eine weitere Bedeutung des Begriffes in der Heraldik wird unter Helmdecke und in der Knotenkunde unter Türkenbund (Knoten) erläutert.
Türkenbund
Türkenbund am natürlichen Standort im Gebirge

Türkenbund am natürlichen Standort im Gebirge

Systematik
Unterklasse: Lilienähnliche (Liliidae)
Ordnung: Lilienartige (Liliales)
Familie: Liliengewächse (Liliaceae)
Unterfamilie: Lilioideae
Gattung: Lilien (Lilium)
Art: Türkenbund
Wissenschaftlicher Name
Lilium martagon
L.

Der Türkenbund (Lilium martagon), oder auch Türkenbund-Lilie, ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Lilien (Lilium) in der nach ihr benannten Martagon-Sektion. Durch ihre auffällig geformten Blüten und große Wuchshöhe gilt sie als eine der stattlichsten in Europa heimischen Lilien.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Der Türkenbund ist eine ausdauernde, krautige Pflanze, die Wuchshöhen zwischen 30 und 150 Zentimetern, selten bis 200 Zentimeter, erreicht. Die ovale Zwiebel kann bis acht Zentimeter Durchmesser erreichen[1] und besteht aus vielen gelben taillierten Schuppen. Sie zeichnet sich wie viele Geophyten durch Zugwurzeln aus, die dafür sorgen, dass die Zwiebel in ausreichender Bodentiefe bleibt.

Der einfache, kräftige Stängel ist rund und meist rotfleckig. Der Stängel ist besonders unten dichter beblättert. In der Stängelmitte stehen die Blätter in vier bis acht Scheinquirlen aus acht bis vierzehn Blättern, die von unten nach oben kleiner werden, sonst sind diese wechselständig angeordnet. Die lanzettlichen Laubblätter werden etwa 15 Zentimeter lang und 5 Zentimeter breit. Sie sind glattrandig und kahl.

Zwischen Juni und August erscheinen in einem rispigen Blütenstand bis zu sechzehn duftende, nickende Blüten. In freien Lagen, etwa auf sonnigen Bergwiesen, kann eine Pflanze jedoch auch bis zu zwanzig Blüten entwickeln. Die zwittrigen, dreizähligen Blüten haben sechs nach unten und außen gebogene, gleichgeformte Blütenhüllblätter (Tepalen). Die Tepalen sind dabei so stark nach außen gerollt, dass ihre Spitzen am Stiel aufeinander treffen, wodurch sich die typische Turbanform ergibt. Die Blüten sind meist fleischrosa, manchmal auch trübviolett bis hell braunrot. Nur sehr selten sind sie weiß. Die linearen bis länglich-runden Blütenhüllblätter sind 30 bis 45 Millimeter lang und 6 bis 10 Millimeter breit und haben eine in der Regel dunkle Punktierung in unterschiedlichen Größen von kleinsten Sprenkeln bis hin zu großen Flecken.

Typischer Blattquirl des Türkenbunds

Das Perigon als Ganzes hat einen Durchmesser von etwa drei bis sechs Zentimeter. Der stets von der Blütenstandsachse weggebogene, 18 bis 20 Millimeter lange Griffel und die sechs 18 bis 22 Millimeter langen Staubblätter mit roten, 6 bis 11 Millimeter langen Staubbeuteln ragen weit aus der Blüte hervor. Der Pollen ist rotorange.

Die Früchte sind dreifächrige Kapseln, die etwa ab September reifen und pro Frucht bis zu 100 Samen enthalten können. Die Pflanze verbreitet die Samen als Schüttelstreuer (Windstreuer und Tierstreuer). Die flachen Samen sind geflügelt, wodurch sie sich zusätzlich als sogenannte Scheibenflieger ausbreiten können. Bei Nässe ist überdies eine Wasserhaftausbreitung möglich. Die Samen sind Dunkelkeimer und keimen verzögert-hypogäisch. Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 24[2].

Blütenökologie

Blüte
Das Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum) gelangt mit seinem mehrere Zentimeter langen Rüssel leicht an den Nektar

Der Türkenbund verströmt besonders abends und auch nachts einen schweren, süßen Duft, der vor allem langrüsselige Schmetterlinge, wie zum Beispiel Schwärmer (Sphingidae) anlockt. Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum) und die Schwärmer der Gattung Sphinx zählen zu den Hauptbestäubern[3].

Im unteren Abschnitt der Blütenhüllblätter befindet sich in der Mitte eine Nektarrinne, die von zwei Leisten gebildet wird. In dieser Rinne sammelt sich dann der Nektar, der von Zellen am Rand gebildet wird. Zusätzlich werden diese Rinnen von Haaren verdeckt, wodurch in Frage kommende Insekten ihren langen Rüssel in die 10 bis 15 Millimeter lange Rinne einführen müssen. Da die Blüten nach unten hängen und zusätzlich mit einem öligen Überzug das Festkrallen erschweren, fällt es vor allem Schwärmern leicht, an den Nektar zu gelangen, da sie freischwebend an Blüten saugen. Überdies können sich Eulenfalter (Noctuidae), unter anderen der Schatten-Mönch (Cucullia umbratica), mit den Vorderfüßen festhaken, zur Unterstützung mit den Flügeln schwirren und somit ebenfalls zur Bestäubung beitragen. Blüten, die seitlich abstehen, können auch von Tagfaltern bestäubt werden. Verwandte Arten des Türkenbunds werden in Kalifornien von Kolibris (Trochilidae) besucht[4].

Beim Anflug wird zuerst Fremdpollen auf die Narbe übertragen. Während der Nektaraufnahme wird dann der Pollen der gerade besuchten Pflanze bei Berührung der Staubbeutel auf Kopf und Körper der Insekten übertragen.

Durch den Bau der Blüte kann jederzeit Pollen auf die Narbe gelangen, wodurch eine Selbstbestäubung möglich ist. Die Selbstbefruchtung wird jedoch durch Selbststerilität verhindert.

Die Pflanze kann durch die kräftigen und grünen Blätter auch im schattigen Wald gedeihen, es entwickeln sich dann aber oft nur wenige Blüten oder die Pflanzen gelangen überhaupt nicht zur Blüte.

Natürliche Feinde

Die Knospen werden gerne von Rehen (Capreolus capreolus) gefressen. Eine weitere Schädigung tritt durch das Lilienhähnchen (Lilioceris lilii) auf, einen Käfer, der die Blütenstände durchtrennt[4], aber auch bereits zuvor die Pflanzen so sehr schädigen kann, dass sie erst überhaupt nicht zur Blüte gelangen.

Verbreitung

Der Türkenbund weist eine eurasiatische Verbreitung mit kontinentaler Tendenz auf. Das Gebiet umfasst große Teile Europas, es reicht von Portugal als westlichstem Standort bis in die sibirische Taiga, südlich über den Balkan bis zum Kaukasus, Ausnahmen sind das westliche Nordeuropa sowie Mittel- und Süditalien. Die nordöstliche Grenze seines Verbreitungsgebietes markiert der sibirische Fluss Jenissei, südlich davon findet er sich von der Mongolei über China [5] bis nach Japan[6]. In Skandinavien ist diese Pflanzenart nur eingebürgert.

In Deutschland ist der Türkenbund von der Ebene bis ins Gebirge, vor allem in den Kalkgebieten, verbreitet, ferner auch in den Vogesen und im Südschwarzwald (bis 1450 Meter). Generell ist die Art im Norden und Westen selten; sie fehlt in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern völlig. In den deutschen Alpen steigt sie bis in 1950 Meter[2], in anderen Alpengebieten auf bis zu 2300 Meter[7]. In Deutschland erreicht sie in Westfalen den Nordwestrand ihrer Gesamtverbreitung [8]. Ein großes Vorkommen von mehreren hundert Exemplaren findet sich im Naturschutzgebiet Oberhagen bei Warstein. Dieses Vorkommen gilt als nordwestlichster Standort der Türkenbund-Lilie in Deutschland und ist derzeit akut von der Zerstörung bedroht (siehe Oberhagen).

In Österreich ist die Art häufig bis zerstreut in allen Bundesländern von der collinen bis subalpinen Höhenstufe[9].

Standort

Die Pflanze gedeiht in krautreichen Laub- oder Nadelwäldern auf Kalk- und Urgesteinsböden in halbschattiger, kühler Lage. Nur im Bergland wächst sie oberhalb des montanen Waldes in freien Lagen auf Wiesen und Matten, insbesondere in Hochstauden-Gesellschaften. Hier ist die Pflanze selten bis mäßig häufig, wächst jedoch oft gesellig. Nach den pflanzensoziologischen Einheiten nach Oberdorfer findet sich die Türkenbundlilie im Verband Carpinion betuli (Issler 1931) (Oberd. 1953), in Eichen- und Hainbuchenwäldern und in der Klasse Betulo-Adenostyletea (Br.-Bl. et. Tx. 1943), in hochmontanen bis subalpinen Hochstaudenfluren und Gebüschen.[10]

Als Mullbodenpflanze bevorzugt sie sickerfrische, nährstoff- und basenreiche (aber auch mild-mäßig saure) Ton- und Lehmböden, die locker und mehr oder weniger tiefgründig sind.

Die Zeigerwerte nach Ellenberg, die das ökologische Verhalten zusammenfassen, lauten: L-4, T-x, K-5, F-5, R-7, N-5[11]. Sie weisen den Türkenbund als Schatten- bis Halbschattenpflanze, Frischezeiger, Schwachsäure- bis Schwachbasenzeiger und Mäßigstickstoffzeiger aus.

Systematik

Weißer Türkenbund (Lilium martagon var. album) in Kultur

Wegen seines Formenreichtums, die sich durch die weite geografische Verbreitung ergibt, sind zahlreiche Untertaxa unterschieden worden, die heutzutage zumeist verworfen werden. Unklarheit besteht allerdings bezüglich der Frage, welche Untertaxa anerkennungswürdig sind, so akzeptiert die World Checklist of Selected Plant Families neben der Nominatform nur Lilium martagon var. pilosiusculum [12], das Germplasm Resources Information Network jedoch fünf weitere Varietäten (var. albiflorum, var. album, var. cattaniae, var. hirsutum, var. sanguineopurpureum) [13]. Eine endgültige Klärung der Frage steht aus. Nachfolgend finden sich daher nur die am häufigsten angeführten Varietäten kurz erläutert:

  • Lilium martagon var. album: mit reinweißen Blüten, grüner Nektarrinne und hellgrünen Blättern. In allen Teilen kleiner und mit fast weißen Samen.
  • Lilium martagon var. cattaniae: In allen Teilen größer (bis 200 cm), in Gebirgen Dalmatiens mit behaarten, äußerst dunkel-violetten Blüten und fast schwarzem Stängel.
  • Lilium martagon var. pilosiusculum: Sibirien, Mongolei, China: Mit deutlich schmaleren Blättern, stark wollig behaarten Hochblättern und Knospen. In allen Teilen kleiner (bis 90 cm hoch). [14]

Gefährdung und Status

Der Türkenbund gilt in Deutschland nicht als gefährdet, ist jedoch nach der Bundesartenschutzverordnung besonders geschützt.

  • Hessen: Vorwarnliste (noch ungefährdet, verschiedene Faktoren könnten eine Gefährdung in den nächsten zehn Jahren herbeiführen)
  • Nordrhein-Westfalen: gefährdet
  • Rheinland-Pfalz: gefährdet
  • Baden-Württemberg: vorkommend (indigen oder Archaeophyt) und ungefährdet
  • Bayern: vorkommend (indigen oder Archaeophyt) und ungefährdet
  • Berlin 2006: unbeständig, nicht fest eingebürgert

Namensherkunft

Sultan Mehmed I.

Der Name Lilium Martagon montanum majus, floribus reflexis war schon vor Carl von Linné in Verwendung, zuerst belegt ist er im Englischen 1477. Die Herkunft des Epitheton martagon ist dabei umstritten. Zum einen wird die Bezeichnung vom türkischen martagan abgeleitet, das eine neuartige Form des Turbans bezeichnet, wie sie von Sultan Mehmed I. (1413–1421) eingeführt wurde, sie bezieht sich auf die Ähnlichkeit mit den zurückgeschlagenen Perigonblättern. Eine andere Ableitung bringt sie mit dem Kriegsgott Mars (Genitiv martis) in Verbindung, da Alchimisten glaubten, dieser stehe in Zusammenhang mit der Umwandlung von Metallen[3].

Auch der volkstümliche Name Türkenbund ist ein Lehnwort, hergeleitet aus dem türkischen tülbent (=Turban)[15].

Die Pflanze wird auch mit sehr vielen Volksnamen bedacht, die sich unter anderem auf die gold-gelbe Zwiebel beziehen: Goldapfel, Goldbölla, Goldknopf, Goldlilgen, Goldpfandl, Goldruabn, Goldwurzl, Goldzwifl, Poms d'or, Schlotterhose, Schmalzwurz, Sillingwuarz, Sillingrute, Türkisch-Huat.

Ethnobotanik

Die Alchimisten glaubten, mit Hilfe der Goldwurz unedles Metall in Gold umwandeln zu können. Der Türkenbund wird in der Volksheilkunde gegen Hämorrhoiden (goldene Ader) gebraucht und wurde im Mittelalter als Allzweckheilmittel angesehen. Auch glaubte man, dass die Zwiebeln als Futter für Kühe eine schöne gelbe Butter ergeben würden[16].

Türkenbund als Gartenpflanze

Der Türkenbund ist, neben der Feuer-Lilie und der Madonnen-Lilie, eine der drei „klassischen“, in Mitteleuropa vorkommenden Lilien. Wegen ihrer Farbvielfalt, Robustheit und Mehrjährigkeit (über 50 Jahre) ist sie auch heute noch eine beliebte Gartenpflanze.

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wurden zahlreiche kommerzielle Hybriden produziert, Anfang 2007 wies das Online Lily Register über 210 registrierte Hybriden der Martagon-Sektion aus, die mehrheitlich auf dem Türkenbund basieren [17].

Literatur

  • Xaver Finkenzeller: Alpenblumen. München 2003, ISBN 3-576-11482-3
  • Dankwart Seidel: Blumen. München 2001, ISBN 3-405-15766-8
  • Michael Jefferson-Brown: Lilien.. Christian-Verl., München 2004, ISBN 3-88472-627-7
  • Edward A. McRae: Lilies. A Guide for Growers and Collectors. Timber Press, Portland Or 1998, ISBN 0-88192-410-5
  • Peter H. Davis: Flora of Turkey and the East Aegean Islands. University Press, Edinburgh

Einzelnachweise

  1. Simon, Jelitto, Schacht: Die Freiland – Schmuckstauden, Bd. 2, S. 567, Ulmer, 1990, ISBN 3-800163-78-0
  2. a b Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora. 8. Auflage, Ulmer, Stuttgart 2001, ISBN 3-8001-3131-5
  3. a b Dieter Heß: Alpenblumen – Erkennen – Verstehen – Schützen, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2001, ISBN 3-8001-3243-5
  4. a b Ruprecht Düll und Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands. 2005, ISBN 3-494-01397-7
  5. Flora of China, 24:137, 2000
  6. Muer, Angerer: Alpenpflanzen, Stuttgart 2004, ISBN 3-8001-3374-1
  7. Simon, Jelitto, Schacht: Die Freiland – Schmuckstauden, Bd. 2, S. 567, Ulmer, 1990, ISBN 3-800163-78-0
  8. Fritz Runge: Die Flora Westfalens
  9. Fischer, M. A., Adler, W. & Oswald K.: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol, Linz, 2005, ISBN 3-85474-140-5
  10. Werner Rothmaler: Exkursionsflora von Deutschland Gefäßpflanzen: Grundband. 18. Aufl. Spektrum Akademischer Verlag, 2002, ISBN 3827413591 Seite 504
  11. Vorlesungsscript der Uni Jena
  12. Govaerts, R., Dransfield, J., Zona, S. F, Hodel, D. R. & Henderson, A., World Checklist of Liliaceae, The Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew. Published on the Internet, Zugriff 5. Februar 2007
  13. USDA, ARS, National Genetic Resources Program. Germplasm Resources Information Network – (GRIN) Online Datenbank, National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland, Zugriff 5. Februar 2007)
  14. Flora of China, 24:137, 2000
  15. Helmut Genaust: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. 3. Auflage, Birkhäuser, Basel 1996, Nachdruck ISBN 3-937872-16-7
  16. Wendelberger: Alpenpflanzen – Blumen, Gräser, Zwergsträucher, München 1984, ISBN 3-7632-2975-2
  17. The Online Lily Register, Division II, Martagon hybrids

Weblinks


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