Ultimatum-Spiel

Ultimatum-Spiel

Das Ultimatumspiel (manche nennen es auch das „Vertrauensspiel“) ist eine der praktischen Anwendungen der Spieltheorie für Wirtschafts- und Verhaltensforschung. In verschiedenen Variationen des Spiels wird untersucht, in welchem Maß der Mensch nur den sich aus dem Spielgegenstand ergebenden Nutzen maximiert und in welchem Maß der Mensch bei seinen Entscheidungen auch andere Interessen mit einbezieht. Beispiele für zu berücksichtigende Interessen anderer sind die Pflege von Spielregeln, die ihm oder der Gemeinschaft nutzen und kulturelle Gepflogenheiten wie der Sinn für Gerechtigkeit.

Inhaltsverzeichnis

Grundform des Ultimatumspiels

Ein Akteur (A1) muss einen bestimmten Teil (s) eines ihm zur Verfügung gestellten Gutes (z. B. Geld) (c) einem anderen Akteur (A2) anbieten. Lehnt dieser den ihm angebotenen Teil ab, so muss auch A1 auf seinen Teil verzichten. Beide gehen leer aus. Nimmt A2 an, so erhält er das Angebot (s) und A1 erhält (c-s).

Ein Ziel des Spieles besteht für den Spieler A1 darin, seinen Gewinn in Form von Geld zu maximieren. (Er könnte aber auch andere Ziele haben, zum Beispiel, das Geld "gerecht" aufzuteilen. Im vorliegenden Fall wird Gewinnmaximierung angenommen.) Das Ziel des Spielers A2 ist dem Spieler A1 nicht unbedingt bekannt. Er kann es aber auf Grund von gesellschaftlicher Erfahrung vermuten.

Die spieltheoretische Lösung für ertragsorientierte rationale Spieler besteht darin, dass A1 von der Summe (c) nur den geringstmöglichen Teil (s>0) (z. B. "1 Cent") anbietet, weil er weiß, dass ein im Sinne der individuellen Nutzenmaximierung rationaler Spieler A2 diesen geringen Betrag einer Auszahlung von Null vorziehen und deshalb zustimmen wird. A1 hat somit seine eigene Auszahlung maximiert. In Experimenten verhielten sich jedoch viele Spieler A2 nicht in diesem Sinne rational, sondern lehnten lieber einen kleinen Gewinn ab, als eine unfair empfundene Aufteilung zu akzeptieren. Angebote unter ungefähr 30% der Gesamtsumme werden in der Regel abgelehnt, so dass auch der Anbieter leer ausgeht. Die Aufteilung ist leicht unterschiedlich. Viele teilen im Verhältnis 50% zu 50%. Üblich ist praktisch immer eine Aufteilung, die sich von der "rationalen" Aufteilung drastisch unterscheidet.

Ist A1 bereits Eigentümer des Gutes c, und kann davon ein Teil s an A2 abgeben, wobei wie zuvor A1 zusätzlich c-s als Gewinn erhält, so existieren drei interessante Lösungen:

1. A1 gibt s=c/2 so dass A1 nichts verliert und A2 gewinnt, ohne dass er A1 benachteiligt, die Hälfte des Gutes von A1.

2. A1 gibt s=c/3 so dass beide, A1 und A2, c/3 gewinnen.

3. Wenn A2 selbst bereits das Gut d besitzt, so ist der relative Gewinn beider mit der Annahme des Angebots s=c*d/(c+2d) mit dem Gewinnfaktor 1+c/(c+2d) gleich. Ist das Gut von A1 hierbei größer als das von A2, so ist diese Lösung, bezogen auf den absoluten Gewinn, nachteilig für A2. Erst wenn das Gut von A2 größer ist als das von A1, ist die Lösung 3 für A2 von Vorteil - und umgekehrt: Derjenige, der mehr Gut hat, wird versuchen, Lösung 3 durchzusetzen, der Andere wird die Lösung 2 anstreben. Ist das Gut von A1 und A2 gleich, sind die Lösungen 2 und 3 identisch.

Ist das eigene Gut kleiner als das des Spielpartners, so ist es von Vorteil, sein eigenes Gut so weit wie möglich gegenüber dem Spielpartner zu verbergen, um die Wahrscheinlichkeit zur Realisierung der Lösung 2 zu erhöhen. Demgegenüber ist es für den reicheren Spielpartner wichtig, das gesamte Gut des ärmeren Spielpartners zu ermitteln, um bei dem Versuch der Durchsetzung der Lösung 3 nicht den Verdacht der Unfairness zu erregen. Dabei ist der Maßstab für Fairness kulturabhängig.

Wenn eine Aufteilung unter mehrere erfolgt, dann erhöht sich die Bereitschaft, auch kleinere Summen anzunehmen.

Die Aufteilung ist teilweise auch von den konkreten kulturellen Gepflogenheiten abhängig.

In der Volkswirtschaftslehre bezeichnet ein pareto-optimales Gleichgewicht eine Verteilung knapper Güter, in der kein Beteiligter besser gestellt werden kann, ohne einen anderen schlechter zu stellen.

Variante: Diktatorspiel

Ein Diktatorspiel ist eine Variante dieses Spiels, bei der A2 das Angebot nicht ablehnen kann. Bei dieser Variante würde man ausschließlich das kleinstmögliche Angebot erwarten, wenn eine Verlustminimierung in der Domäne des offensichtlichen Nutzfunktion (Weggabe von so wenig Geld wie möglich) das einzig relevante Verhalten wäre. Ist eine Verlustminimierung ("Geiz") in diesem Bereich nicht dominant beobachtbar, so muss untersucht werden, welche weiteren Nutzfunktionen (beispielsweise Pflege der Kooperationsbereitschaft für zukünftige Spiele) die Entscheidungen der Teilnehmer an diesem Spiel beeinflussen.

Nutzenmaximierung auf verschiedenen Ebenen

Führt das nicht individueller Rationalität folgende Verhalten zu einer Maximierung des Nutzens (z.B. Geld, Ressourcen) für eine Gruppe, dann wird mit kollektiver Rationalität gespielt. Ist bei einem Spiel keine Nutzenmaximierung (oder zumindest Verlustminimierung) zu beobachten, dann gibt es entweder keinerlei Rationalität, oder es wurde um einen noch nicht erkannten Nutzen gespielt, zum Beispiel in einem Metaspiel um zukünftigen Nutzen sichernde Spielregeln. Ultimatumspiele sind gut geeignet, diesen Sachverhalt darzustellen und Entparadoxierung bei der Spielanalyse zu demonstrieren.

In Ultimatumspielen wird auch der Unterschied zwischen einzelnen und oft wiederholten Spielen deutlich. Hier wird das einzelne Spiel in Gemeinschaften so gespielt, dass das aus Einzelspielen bestehende Gesamtspiel den Nutzen der Gemeinschaft maximiert beziehungsweise Verluste minimiert. Daraus kann sich ein effizientes Teilen und Verteilen von Ressourcen innerhalb dieser Gemeinschaft ergeben.

Literatur


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