Ultrakurze Chronologie

Ultrakurze Chronologie

Bei den Chronologien der Altorientalischen Geschichtsschreibung handelt es sich um Zeitraster, die es ermöglichen sollen, Ereignisse der altorientalischen Geschichte vor Mitte des 15. Jahrhundert v. Chr., die ansonsten nur relativ datierbar wären, auch absolut zu datieren.

Die in modernen westlichen Geschichtsbüchern verwendeten Jahreszahlen beziehen sich auf das Jahr 1. Dieses ist somit der Fixpunkt der von der heutigen Geschichtswissenschaft verwendeten Zeitrechnung, welche auch absolute Chronologie genannt wird. Die von altorientalischen Herrschern verwendeten Jahresangaben hingegen beziehen sich (im günstigsten Falle) auf den Beginn ihrer eigenen Regierungszeit. Zudem finden sich in der altorientalischen Geschichte einzelne Zeitabschnitte, aus denen uns umfangreiches schriftliches Quellenmaterial vorliegt, die jedoch in längere Abschnitte relativer Quellenarmut eingebettet sind. Letztere stellen uns vor beträchtliche Probleme sowohl hinsichtlich ihrer eigenen Datierung als auch hinsichtlich der Datierung der ihnen vorangegangenen Phasen. Die Dendrochronologie leistet uns hierbei auf Grund der Seltenheit nutzbaren Materials und die 14C-Datierung auf Grund der für historische Maßstäbe zu geringen Messgenauigkeit nur sehr unzureichende Dienste.

Sämtliche Datierungen historischer Ereignisse von der frühdynastischen Zeit Sumers bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts v. Chr. (auch diejenigen, die sich auf astronomische Daten stützen) beruhen daher auf Schätzungen mittels allgemeiner historischer Erwägungen. Andererseits ist es zuweilen auch für diesen Zeitraum möglich, lückenlose Chronologien einzelner Zeitinseln zu rekonstruieren. Hierfür stehen dem Historiker verschiedene Arten von Quellen zur Verfügung, wie beispielsweise Berichte über Ereignisse, die sich über mehrere Jahre erstreckten, Eponymen- und Königslisten oder Angaben von Regierungsjahren. Die zeitliche Lage dieser Inseln zueinander kann jedoch nur relativ angegeben werden. Das heißt, dass sich von einer bestimmten Zeitinsel sagen lässt, dass sie einer bestimmten anderen Zeitinsel vorangeht oder folgt, aber nicht, wie viele Jahre zwischen beiden liegen.

Ein weiterer Fixpunkt stellt der Friedensvertrag des ägyptischen Pharaos Ramses II. mit dem Hethiterkönig Hattušili III. dar, der zwischen 1271 v. Chr. und 1258 v. Chr. abgeschlossen wurde.

Im Idealfall soll die Verknüpfung solcher Zeitinseln mittels Synchronismen eine ununterbrochene Folge von den jüngsten bis zu den frühesten Epochen ergeben. So ist es gelungen, Komplexe von historischen Ereignissen, die bis zur Mitte des 15. Jahrhundert v. Chr. zurückreichen, so miteinander zu verbinden, dass sie an die absolute Chronologie anschließen. Zudem sind Abfolge und Regierungszeit der Könige der ersten Dynastie von Larsa und der ersten Dynastie von Babylonien so gut bekannt, dass wir damit einen in sich konsistent zusammenhängenden zeitlichen Komplex von immerhin etwas mehr 400 Jahren erhalten. Zwischen dem Ende des letzten Herrschers der ersten Babylon-Dynastie Šamšu-ditana und dem mittleren 15. Jahrhundert klafft jedoch eine Lücke.

Die Angaben in den Venus-Tafeln des Ammi-şaduqa hatte die Historiker veranlasst, zunächst vier Zeitpunkte zur Chronologiefeststellung anzusetzen, obwohl das astronomische 584-Tages-Intervall der Venus alle 8 Jahre eine gleiche Konstellation aufweist:

  • 1703 v. Chr. Eckpunkt für die lange Chronologie
  • 1639 v. Chr. Eckpunkt für die mittlere Chronologie
  • 1575 v. Chr. Eckpunkt für die kurze Chronologie
  • 1543 v. Chr. Eckpunkt für die ultrakurze Chronologie

Im Folgenden werden drei wichtige Eckdaten dieser zeitlichen Insel in allen vier Chronologien vorgestellt:

Ereignis Lang Mittel Kurz Ultrakurz
1. Dynastie von Babylonien 1950 v. Chr. - 1651 v. Chr. 1894 v. Chr. - 1595 v. Chr. 1830 v. Chr. - 1531 v. Chr. 1798 v. Chr. - 1499 v. Chr.
Hammurapi-Regierung 1848 v. Chr. - 1806 v. Chr. 1792 v. Chr. - 1750 v. Chr. 1728 v. Chr. - 1686 v. Chr. 1696 v. Chr. - 1654 v. Chr.
Fall von Babylonien 1651 v. Chr. 1595 v. Chr. 1531 v. Chr. 1499 v. Chr.

Verschiedene Historiker gelangen zu unterschiedlichen Datierungsansätzen. Darüber hinaus variieren mangels hinreichend konkreter Synchronismen viele Daten auch innerhalb dieses Zeitblocks von Autor zu Autor.

Die lange Chronologie wird nur noch selten verwendet, während die kurze und ultrakurze bis in die jüngste Zeit Anhänger hat. Die mittlere Chronologie wird aufgrund von Synchronismen zur ägyptischen Geschichte und Befunden anderer Datierungsmethoden sehr häufig als Zeitraster für Datierungen herangezogen. Sie dient nicht nur der Datierung im engeren Sinne, sondern auch als Konvention zur Verständigung über altorientalische historische Prozesse.

Literatur

  • Barthel Hrouda (Hrsg.): Methoden der Archäologie. Eine Einführung in ihre naturwissenschaftlichen Techniken. Beck, München 1978. ISBN 3-406-06699-2
  • Paul Åström (Hrsg.): High, Middle or Low? Acts of an International Colloquium on Absolute Chronology. Göteborg 1987. ISBN 91-86098-64-0
  • Hans Jörg Nissen: Geschichte Altvorderasiens. Ouldenburg, München 1999. ISBN 3-486-56374-2
  • Erich Ebeling, Bruno Meissner u. a. (Hrsg.): Reallexikon der Assyriologie (und vorderasiatischen Archäologie). Berlin, Leipzig 1932-2005 (bisher 10 Bde.)
  • V.G. Gurzadyan: On the Astronomical Records and Babylonian Chronology.

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