Umbandakult

Umbandakult

Die Umbanda ist eine so genannte synkretistische oder esoterische Religion aus Brasilien, in deren Zentrum das Verkörperungsgeschehen von Geistwesen sozialer Randgruppen sowie das Gespräch mit ihnen stehen. Die Sprache ist das Verbindungsglied zwischen den materiellen und den immateriellen Welten. Geschulte Medien treten in Trance, um sie in ihren Körpern manifestieren zu lassen.

Umbanda grenzt sich sowohl vom Spiritismus nach Allan Kardec (Kardezismus), als auch vom Candomblé ab und integriert in ihrem Glaubenssystem sowohl christlich-katholische, kabalistische als auch hinduistische bzw. buddhistische Werte.

Sogenannte (weibliche) Caboclas und (männliche) Caboclos, spirituelle Wesen indigener Ureinwohner Brasiliens, und Pretas Velhas und Pretos Velhos, spirituelle Wesen afrikanischer Sklaven aus Brasiliens Kolonialzeit, bilden die zentralen Figuren des umbandistischen Pantheons. Außerdem gibt es die Geistergruppe der Baianos, einer ethnischen Gruppe aus dem Nordosten Brasiliens, Geistern von Kindern (crianças), Geistwesen von Matrosen (marinheiros) und Viehhirten (boiadeiros) und die Gruppe von Pombagiras und Exus, dem Teufel assoziierten Geistwesen. Die umbandistischen Geister sind Vorstellungen bzw. symbolische „Bilder“ von Stereotypen der brasilianischen Gesellschaft über „die Indianer“, „die Bahianer“ oder die „schwarzen Sklaven der Kolonialzeit“.

Diese Personifizierungen von Geistwesen in der Umbanda vollzieht sich durch eine symbolische Umwertung, wie die brasilianische Kulturanthopologin Patrícia Birman (1985:46) betont, bei der die sozial stigmatisierten Bevölkerungsgruppen eine besonders wertgeschätzte Stellung in der religiösen Hierarchie einnehmen.

Die „espíritos“ (Geister), „entidades espirituais“ (Geistwesen) bzw. „guias“ (Leiter), die gleichmäßig aus weiblichen und männliche Wesen bestehen, haben eine irdische Herkunft und kehren aus dem Anliegen der „caridade“, der Nächstenliebe (bzw. Caritas), nach ihrem physischen Tod als Geistwesen zur Erde zurück. Sie sind in Abstammungslinien (linhas) unterteilt, die wiederum in Gruppen (legiões/falanges) unterschieden werden und von einem Orixá (einer afrikanischen Gottheit) geleitet und beschützt werden, der mit einer/m katholischen Heiligen korrespondiert. Die Geistergruppen werden in wertende Kategorien aufgeteilt. Die sogenannten „Geister des Lichtes“ (espíritos de luz) befinden sich auf der rechten Seite und umfassen die Caboclos und die Pretos Velhos. Sie werden dem häuslichen und familiären Bereich zugeordnet. Die „Geister der Finsternis“ (espíritos das trevas) der linken Seite hingegen werden durch die Pombagiras und Exus gebildet und der marginalisierten, der Straße zugehörigen Welt zugerechnet.

Die Umbanda ist am Anfang des 20. Jahrhunderts in den städtischen Zentren im Südosten des Landes entstanden und hat sich in den Jahrzehnten darauf im ganzen Land ausgebreitet bzw. mit den dortigen afro-indigenen religiösen Traditionen ergänzt. In Abgrenzung zum Kardezismus, aus dem sie hervorging, definiert die Umbanda sich nicht über Dogmen oder Schriften, die Universalcharakter für ihre Gläubigen hätten.

Begründet wurde die Umbanda durch die autonomen „tendas“ bzw. „terreiros“ (Kulthäuser), in deren Zentrum sich eine das Kultgeschehen leitende charismatische Persönlichkeit (mãe- oder pai-de-santo) befindet. Ihre Struktur ist auf eine sehr bewusste Art und Weise nicht zentralistisch, sondern geradezu föderativ bzw. demokratisch vielfältig. Sogar die kardezistisch orientierte Gruppierung innerhalb der Umbanda „Ordem Iniciática do Cruzeiro Divino“ in der Tradition von Matte e Silva betont, dass die Umbanda kein religiöses Oberhaupt (wie z.B. den Papst) hat, sondern die Geistwesen als direkte Vermittler zum Sakralen sind.

Unmittelbaren Einfluss haben auch die später entstandenen Dachverbänden (federações), die im Austausch mit den einzelnen „tendas“ stehen.

Eine der etymologischen Bedeutungen des Wortes Umbanda findet sich in den angolanischen Sprachen Kimbundu und Umbundu wieder und bezeichnet die traditionelle Medizin dieser Region. In der brasilianischen Form konzentriert sich dieser heilende Aspekt auf die psychotherapeutische Betreuung. Gesundungsprozesse und Problemlösungen emotionaler und sozialer Art wie Partnersuche und Arbeitslosigkeit sind immer wieder zentrale Aufgabengebiete dieser magischen Form von Religion. Hugo Saraiva nennt die Umbanda daher eine “spirituelle Notaufnahme”.

In ihrer ästhetischen Symbolsprache integriert die Umbanda heterogenste Glaubensvorstellungen, wie z.B. aus dem Volkskatholizismus, der jüdischen Kabbala, der universalen Esoterik etc.

Literatur

  • Patría Birman: O que é Umbanda. Editora Brasiliense e Abril Cultural, Coleção primeiros passos 34. São Paulo 1983.
  • Rainer Flasche: Art. Umbanda. In: Theologische Realenzyklopädie 34 (2002), S. 263-265
  • Tina Gudrun Jensen: "Umbanda and its clientele". In: New Trends and Developments in African Religions (1998), S. 75-86
  • Lísias Nogueira Negrão: Entre a cruz e a encruzilhada. Formação do campo umbandista em São Paulo. Editora da Universidade de São Paulo. São Paulo 1996.
  • Renato Ortiz: A morte branca do feitiçeiro negro. Umbanda e sociedade brasileira. Brasiliense. São Paulo 1978.
  • Sybille Pröschild: Das Heilige in der Umbanda. Geschichte, Merkmale und Anziehungskraft einer afro-brasilianischen Religion. Kontexte. Neue Beiträge zur historischen und systematischen Theologie, Band 39. Edition Ruprecht, Göttingen 2009. ISBN 978-3-7675-7126-6
  • Maik Sadzio: Zwischen Magie und Sinn - Umbanda: Ethnopsychoanalyse eines Hauses-der-Religionen in Porto Alegre-RS/Brasilien. In: Brasilien-Dialog, 3/4/97, Heilung und Gesundheit, Institut für Brasilienkunde, Mettingen, 1997, S. 3-44.
  • Inga Scharf da Silva: Umbanda. Eine Religion zwischen Candomblé und Kardezismus. Über Synkretismus im städtischen Alltag Brasiliens. Spektrum 83. Lit Verlag, Münster 2004 ISBN 3-8258-6270-4
  • Lindolfo Weingärtner: Umbanda. Synkretistische Kulte in Brasilien - eine Herausforderg für die christliche Kirche. Erlangen-Nürnberg: Verlag der Evangelisch-Lutherischen Mission Erlangen 1969 (Erlanger Taschenbücher, Band 8)

Weblinks


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