- Umsatzsteuerkarrussell
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Als Karussellgeschäft bezeichnet man eine in der Europäischen Union (EU) weit verbreitete Form des Steuerbetrugs. Das Karussellgeschäft basiert auf dem Bestimmungslandprinzip, wonach die Umsatzsteuer beim Erwerb von Waren zwischen EU-Mitgliedstaaten nicht im Ursprungsland (Heimatland des Verkäufers), sondern im Bestimmungsland (Heimatland des Käufers) anfällt.
Ablauf
Das Karussellgeschäft funktioniert über (mindestens) drei Schritte:
- Eine Scheinfirma S verkauft Waren an einen Zwischenhändler Z von einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen. Hierfür ist nach dem Bestimmungslandprinzip nicht von S Umsatzsteuer zu entrichten, sondern von Z (in Deutschland: § 4 Nr. 1b in Verbindung mit § 6a Umsatzsteuergesetz (UStG)). Z ist jedoch regelmäßig zum vollständigen Vorsteuerabzug berechtigt (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG). Im Ergebnis bleibt die Exportlieferung auf der ersten Stufe des Karussells sowohl für S als auch für Z steuerneutral.
- Z verkauft die Waren an einen Unternehmer U im selben Land weiter. Für diese Lieferung muss Z Umsatzsteuern an sein Finanzamt abführen (§ 1 UStG), weil er die Vorsteuer nicht ein zweites Mal abziehen kann. Dieser Zahlungsverpflichtung kommt Z jedoch nicht nach.
- U verkauft die Waren nun an S zurück. Diese Lieferung zurück in den ersten EU-Staat ist nach dem Bestimmungslandprinzip wieder für U umsatzsteuerfrei. U kann aber trotzdem den Vorsteuerabzug bei seinem Finanzamt geltend machen, wenn er über eine Rechnung verfügt (§ 15 Abs.1 S.1 Nr.1 UStG). Im Ergebnis bekommt U die ihm von Z in Rechnung gestellte Umsatzsteuer vom Finanzamt wieder erstattet.
Der Gewinn des Karussells (und gleichzeitig der fiskalische Schaden der Steuerkasse) rührt daher, dass U sich ständig die Umsatzsteuer vom Finanzamt erstatten lässt und der einzige Umsatzsteuerschuldner Z seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt. Im Regelfall verschwindet Z vor Fälligkeit der Umsatzsteuer spurlos vom Markt und wird daher auch als „missing trader“ bezeichnet.
Sobald die Waren an den ursprünglichen Verkäufer S zurück gelangt sind, kann der Ablauf von Neuem beginnen. Die Waren werden immer wieder im Kreis über die Grenzen geschoben. Dieses rotierende Transaktionsprinzip hat zu dem Namen Umsatzsteuer-Karussell geführt. Es setzt voraus, dass alle drei Parteien unter einer Decke stecken. Um eine möglichst hohe Ausbeute zu erzielen, werden in der Regel physisch kleine, aber recht hochpreisige Waren verwendet. Ein Karusselgeschäft mit Dienstleistungen ist zwar denkbar, aber weitaus aufwendiger durchzuführen als mit Warenlieferungen. Ein Grund hierfür ist, dass bisher das Bestimmungslandprinzip für grenzüberschreitende Dienstleistungen in der EU grundsätzlich nicht gilt.
Durch diese Art von Steuerbetrug gehen dem Fiskus jährlich mehrere Milliarden Euro an Steuergeldern verloren.[1] [2]
Einzelnachweise
- ↑ Neue Umsatzsteuer soll Betrug vorbeugen, FAZ.NET vom 20. Oktober 2005
- ↑ Informationen des Bundesfinanzministeriums zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges vom 2. August 2005
Literatur
- Dorothee Nöhren: Die Hinterziehung von Umsatzsteuer, Hamburg 2007, ISBN 978-3830021049
- André Dathe: Umsatzsteuerhinterziehung, Bremen 2006, ISBN 978-3937686387
- Jens Pahne: Maßnahme zur Eindämmung des Umsatzsteuerbetrugs, Lohmar 2006, ISBN 978-3899364361
- Ulf Gibhardt: Hinterziehung von Umsatzsteuern im europäischen Binnenmarkt: die Crux mit der unberechtigten Vorsteuererstattung, Baden-Baden 2001, ISBN 3-7890-7522-1
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