VVT-i

VVT-i

Nockenwellenverstellung (auch variable Nockenwellensteuerung oder variable Ventilsteuerung) bezeichnet ein Verfahren zur Veränderung der Steuerzeiten der Ventilsteuerung von Viertaktmotoren im Betrieb; hiervon zu unterscheiden ist die einmalige Verstellung der Steuerzeiten bei der Montage des Motors, was zum Beispiel durch besondere Scheibenfedern mit Versatz beim Fügen des Antriebszahnrades auf der Nockenwelle möglich ist.

Die Anpassung der Ventilöffnungszeiten erlaubt eine Effizienzsteigerung des Motors, abhängig vom jeweiligen Lastverhalten. Diese Steigerung kann als Leistungs- und Drehmomentgewinn und als Kraftstoffeinsparung zum Tragen kommen.

Die teilweise benutzte Bezeichnung „variable Nockenwelle“ ist irreführend, da die Nockenwelle selbst nicht verändert wird, sondern nur deren Drehwinkel.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Bei Nockenwellenantrieben ohne Verstellung wird die Nockenwelle über eine feste Verbindung (wie Zahnriemen, Kette oder Zahnräder) von der Kurbelwelle mit der halben Drehzahl angetrieben. Die Ventilöffnungszeiten des Verbrennungsmotors, angegeben als auf die Position der Kurbelwelle bezogener Drehwinkel zwischen 0 und 360 °KW (Grad Kurbelwinkel), sind dabei konstruktiv festgelegt. Sie werden auch Steuerzeiten genannt, da sie den Ladungswechsel des Motors steuern. Die Zeit, während der Auslassventil(e) und Einlassventil(e) gleichzeitig geöffnet sind, wird Überschneidung genannt.

Die Ventilöffnungs- und Überschneidungszeiten beeinflussen die Motoreigenschaften grundlegend. So hat ein Motor mit kurzen Ventilöffnungszeiten und wenig Überschneidung ein eher hohes Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen, aber eine geringere maximale Leistung, die bei hohen Drehzahlen erreicht wird. Durch mehr Überschneidung und längere Ventilöffnungszeiten wiederum lässt sich meist eine höhere Maximalleistung erreichen, jedoch auf Kosten des Drehmoments bei niedrigen Drehzahlen.

Der Grund dafür sind die Strömungsvorgänge im Motor während des Ansaugtaktes bei unterschiedlichen Drehzahlen:

  1. bei niedrigen Drehzahlen bewirkt eine geringe Überschneidung bei kurzen Ventilöffnungszeiten, dass das angesaugte Gemisch nach dem Unteren Totpunkt (UT) des Kolbens nicht wieder aus dem Zylinder gedrückt wird, ebenso kann es wegen der kurzen Überschneidungszeit nicht in den Auspuff überströmen. So befindet sich bei dieser Drehzahl mehr Gemisch im Zylinder, was beim Verbrennen ein höheres Drehmoment bewirkt.
  2. bei hohen Drehzahlen und langen Ventilöffnungszeiten strömt wegen der hohen Einströmgeschwindigkeit des angesaugten Gemisches auch nach dem UT weiteres Gemisch ein, wenn das Ventil noch offen ist, außerdem wird während der Überschneidung viel Restgas aus dem Zylinder gespült. So befindet sich mehr für die Verbrennung notwendige Luft im Zylinder. Daraus folgt eine Steigerung der Leistung.

Bei der Nockenwellenverstellung werden nun die Einlass- und Auslass-Steuerzeiten in Abhängigkeit von Drehzahl und Drosselklappenstellung verändert, um in allen Drehzahlbereichen eine möglichst effiziente Zylinderfüllung zu erreichen.

Technik

Am weitesten verbreitet ist heute der hydraulische Phasenversteller: Ein aus der Hydraulik bekannter Schwenkmotor, der zur Steigerung des übertragbaren Moments mit mehreren Flügeln ausgestattet ist, was den Schwenkwinkel auf 11–35° beschränkt. Dieser Schwenkmotorphasenversteller (SMV) wird mit Motoröldruck betrieben und kann durch die hohe Dynamik der wechselnden Momente der Nocken nur in Verbindung mit einem Rückschlagventil betrieben werden. Der SMV wird gewöhnlich an den Nockenwellenenden in der Kraftübertragung (Drehbewegung) platziert.

Bei Motoren mit zwei Nockenwellen kann bereits mit einem SMV nur an der Einlassnockenwelle der gewünschte Effekt erzielt werden, auch eine Überschneidung (Einlass- und Auslassventil sind für eine kurze Zeit gleichzeitig geöffnet) der Ventilöffnungzeiten ist möglich. Wird dagegen ein weiterer SMV an der Auslassnockenwelle eingesetzt, kann der Konstrukteur mit größerer Überschneidung arbeiten und hat mehr Freiheiten bei der Optimierung der Gasströme. Hierdurch kann z. B. ein gezieltes Wiederansaugen von Abgasen erzielt werden, was die aufwändige und kostenintensive externe Abgasrückführung ersetzt, die sonst zur Erzielung optimaler Schadstoffwerte notwendig ist.

Die Wirkung der Steuerzeitenverstellung kann weiter gesteigert werden durch eine Veränderung des Ventilhubes. Damit kann schon in niedrigeren Drehzahlbereichen ein Nachströmen der Luft nach UT erreicht werden, was eine Steigerung des Drehmoments und damit der Leistung bei diesen Drehzahlen bewirkt. Bei BMW entfällt dabei auch die Drosselklappe. BMW nennt die Technik zur Nockenwellenverstellung Vanos und die zur Hubverstellung Valvetronic.

In der Formel 1 wird seit einiger Zeit eine pneumatische Ventilsteuerung eingesetzt: Hier ersetzt die Druckluft aber nur die Stahlfeder, die sonst das Ventil in den Ventilsitz zurück drückt und die bei hohen Drehzahlen (bis zu 18.000 min-1) zunehmend Probleme verursacht. Das zeitgenaue Öffnen des Ventils geschieht hier aber weiter über Nockenwellen.

Im Planungs- und Versuchsstadium sind weiterhin Verfahren, die Ventilsteuerung nicht mehr über eine feste mechanische Koppelung mit der Kurbelwelle vorzunehmen, sondern die Ventile direkt über Hydraulik, Pneumatik oder elektrische Aktuatoren zu bewegen. Der mechanisch aufwändige und mit Reibungsverlusten und Verschleiß behaftete Nockenwellenantrieb könnte dann entfallen, beliebige Steuerkurven der Ventile wären möglich, weiterhin auch eine zylinderspezifische Steuerung. Die Herausforderung liegt dabei in der Abstimmung der Parameter Kosten, Leistungsbedarf, Genauigkeit und Zuverlässigkeit.[1] Solch ein hydraulisch gesteuertes System wurde in den USA bereits einmal gegen Ende der 1980er Jahre in den Markt platziert, bewährte sich damals jedoch nicht und verursachte beim Hersteller einen extrem hohen Gewährleistungsaufwand.[2]

Umsetzungen

Für die Nockenverstellung werden von den Automobilherstellern unterschiedliche technische Lösungen unter jeweils eigenen Technik-Kürzeln benutzt:

Vanos

Vanos ist die Variable Nockenwellensteuerung von BMW. Es gibt Einzel-Vanos (nur Einlassnockenwelle) und Doppel-Vanos (Ein- und Auslassnockenwelle).

Die Vanos-Einheit stellt das Bindeglied zwischen Nockenwelle und Kettentrieb dar. Sie ermöglicht eine relative Verstellung von Kurbelwelle und Nockenwelle zueinander und damit das Verändern der Steuerzeiten. Bei der aus dem Motorölkreislauf gespeisten Einheit wird durch Öldruck die Position des Verstellrotors gegenüber dem Gehäuse festgelegt. Das Öl gelangt dabei über mehrere Bohrungen in die entsprechenden Kammern. Da der Verstellrotor fest mit der Nockenwelle, das Gehäuse fest mit dem Kettenrad verbunden ist, kann eine Relativbewegung zwischen Kettenrad und Nockenwelle vollzogen werden. Dazu liegen auf beiden Seiten des Verstellrotors verschieden hohe Öldrücke an, wodurch dessen Lage exakt geregelt werden kann. Die Verstellung ist im Bereich des Kreissegments, bestehend aus den Druckräumen für Früh- und Spätverstellung, stufenlos möglich. Im drucklosen Zustand wird der Verstellrotor durch eine Spiralfeder in Spätstellung gehalten.

Nur im M5 V10 der 5er-Reihe E60/61 wird der erforderliche Öldruck von ca. 100 bar durch eine separate Radialkolben-Hochdruckpumpe erzeugt, die von der Auslassnockenwelle angetrieben wird. In den anderen Modellen wird der von der Ölpumpe des Motors gelieferte Druck für die Verstellung verwendet.

Einzel-Vanos wurde erstmals ab September 1992 bei BMW im M50-Motor des 5er E34 und 3er E36 ab 2,0 Liter Hubraum eingesetzt. Den M50-Nachfolger M52 gab es ab September 1994 ausschließlich mit Einzel-Vanos bis zum Bauende des E36. Der M3 3.2 ab 1995 war der einzige E36, dessen Motor (S50B32) Doppel-Vanos besaß.

Doppel-Vanos in den Serienmodellen kam erst mit der 3er-Reihe E46 ab 1998 und dem Motor M52TU (technisch überarbeitet) bzw. dessen Nachfolger M54 ab 2000.

VFD

Variatore di Fase Dinamico von der Fiat-Gruppe, deutsch auch „Phasensteller“: Hydraulische Verstellung der Einlassnockenwelle und Rückstellung in die Ausgangsstellung mittels Feder. Damit liegen bei 2000 min-1 bereits 90 % des maximalen Drehmoments an.

VTEC

Hauptartikel: VTEC

Das Variable Valve Timing and Lift Electronic Control VTEC System stammt von Honda. Es existiert in unterschiedlichen Ausführungen (DOHC-VTEC, SOHC-VTEC, SOHC-VTEC-E, 3-Stufen-VTEC und i-VTEC).

DOHC-VTEC war erstmals 1989 im Honda Civic und CRX mit 16-Ventil-Vierzylinder verfügbar (1,6i mit 110 kW/150 PS) und arbeitete zweistufig. Zwischen den beiden (Ein-/Auslass-)Nockenprofilen der ersten Stufe befindet sich eine weitere Nocke, deren Profil für früheres Öffnen, größeren Hub und späteres Schließen steht. Der von dieser Nocke angesteuerte Kipphebel drückt im Normalbetrieb „leer“ auf ein Federpaket, welches zwischen den beiden Ventilen/Federn angebracht ist.

In den Kipphebeln befinden sich Querbohrungen und Sperrstifte. Wird nun bei höheren Drehzahlen Öldruck von dem VTEC-Ventil zu den Kipphebeln freigegeben, so rutschen die Sperrstifte innerhalb der Kipphebel zur Seite und verbinden alle drei Kipphebel zu einer festen Gruppe. Dadurch, dass der mittlere Kipphebel wegen des größeren Nockenprofiles früher und weiter aufgeht und später zugeht, folgen die beiden anderen Kipphebel nun auch diesem Profil, haben aber keinen Kontakt mehr mit den Nocken der ersten Stufe. Damit werden die Ventile nun früher, weiter und länger aufgedrückt, was bei höheren Drehzahlen mehr Leistung ermöglicht.

Zur Rückschaltung auf die erste Stufe wird der Öldruck vom VTEC-Ventil wieder weggenommen und die Sperrstifte rutschen mittels Feder wieder zurück in ihre Ausgangsposition. Die VTEC-Aktivierung erfolgt elektronisch durch das Steuergerät und bezieht Werte wie Kühlwassertemperatur, Öldruck, Last, Drehzahl etc. mit ein.

Die Vorteile dieser Technik liegen in der bestmöglichen Zylinderfüllung über das gesamte Drehzahlband, die so kostengünstig realisierbar ist. Durch diese Eigenschaft kann das Drehzahlband bei bestimmten Motorenmodellen bis auf über 9000 min-1 angehoben werden. Dadurch lässt sich mit geringem Hubraum ein im unteren Drehzahlbereich sparsames und verhältnismäßig drehmomentstarkes Verhalten mit einem im oberen Drehzahlbereich leistungsstarken Verhalten in einem Motor kombinieren.

Eine Motivation für das VTEC-System lag in der japanischen Steuerpolitik, die größere Hubräume für den Verbraucher unwirtschaftlich machten. Motoren mit dieser Technik sind aus Erfahrung nicht anfälliger als die anderen, als zuverlässig bekannten Honda-Motoren.

Der erste mit VTEC ausgerüstete Motor war 1983 in dem Motorrad CBR400F Super Four HYPER VTEC erschienen. Die höchste Literleistung erzielte man mit VTEC im S2000. Dort wurden aus dem 2 Liter Saugmotor 177 kW (240 PS) erzielt.

Beim SOHC-VTEC greift das gleiche Prinzip, jedoch nur auf der Einlassseite, da hier der Raum für den VTEC-Kipphebel durch eine Zündkerze belegt ist.

Beim SOHC-VTEC-E wird im unteren Drehzahlbereich, zwecks Kraftstoffersparnis, ein Einlassventil „weggeschaltet“. Es öffnet nur minimal, um Verrußungen zu vermeiden. Erst bei höherer Lastanforderung oder höheren Drehzahlen werden beide Einlassventile voll geöffnet. Das Drehzahlband ist bei diesen Motorenmodellen verhältnismäßig kurz, da das Nockenprofil bei aktiviertem VTEC dem eines normalen Motors entspricht. VTEC-E war erstmals 1991 im Honda Civic VEi verfügbar. Mit einem Normverbrauch von 4,5 l auf 100 km war dieses Auto mit 66 kW (90 PS) seinerzeit einer der sparsamsten Benziner.

Aktuell ist das modernere iVTEC System in Benutzung, das die Eigenschaften des DOHC-VTEC und des VTEC-E mit einer zusätzlichen Phasenverschiebung der Nockenwelle kombiniert, VTC (Variable Timing Control) genannt. Es bewirkt eine Phasenverschiebung der Einlassnockenwelle in einem Bereich stufenlos zwischen 0 und 50°. Auch hier soll ein ökonomischerer Betrieb bzw. besseres Drehmoment erzielt werden.. Somit ist es möglich, einen laufruhigen, durchzugsstarken Motorlauf mit hoher Leistung zu kombinieren. Beispiel ist das K20-Aggregat aus der Civic Type R-Reihe, welches aus 1998 cm³ Hubraum 147 kW (200 PS) produziert.

Ti-VCT

Twin independent Variable Cam Timing von Ford. Hier werden über hydraulische Aktuatoren die Nockenwellen variiert. Die Position wird mit einer elektronischen Kennfeld-Steuerung stufenlos in Abhängigkeit von der geforderten Motorlast verstellt.

VVT-i

Variable Valve Timing - intelligent ist eine Nockenwelle mit intelligenter variabler Ventilsteuerung, die von Toyota entwickelt wurde. Zur Verbesserung des Füllungsgrads der Zylinder reguliert die intelligente variable Ventilsteuerung VVT-i die Öffnungs- und Schließwinkel der Einlassventile u. a. auf Basis von Motordrehzahl und Lastzustand. Das VVT-i System ersetzt das VVT, welches seit 1991 angeboten wird.

Dual VVT-i

Im Gegensatz zum einfachen VVT-i werden beim Dual VVT-i von Toyota auch Öffnungs- und Schließwinkel der Auslassventile last- und drehzahlabhängig gesteuert.

VVTL-i

Variable Valve Timing and Lift - intelligent von Toyota. Es handelt sich um eine Weiterentwicklung des VVT-i (siehe oben). Hier wird zusätzlich über einen Sensor die Stellung der Einlassnockenwelle kontinuierlich erfasst. Des Weiteren wird ab einer festgelegten Motordrehzahl der Ventilhub sowohl der Einlass- als auch der Auslassventile vergrößert. Eine Weiterentwicklung des VVTL-i stellt die Valvematic da.

Neo VVL

Nissan Ecology Oriented Variable Valve Lifting & Timing von Nissan, ursprünglich als Reaktion auf ein in Japan beschlossenes Gesetz zum „Low Emission Vehicle“ zum Erreichen der dortigen Abgasnormen. Die Motoren sind nur in Japan erhältlich, bekanntester Vertreter ist der SR20VE, ein 2,0-l-DOHC-Motor aus dem japanischen Primera 2.0Te-V [3] von 1997–2000 mit 140 kW (190 PS) Leistung und dem Nachfolger Primera 20V [4] von 2000–2003 als Version mit 150 kW (204 PS). Zudem hat Nissan mit dem SR20VET (206 kW/280 PS) aus dem Nissan X-Trail GT [5] einen Turbomotor mit Nockenwellenverstellung im Programm.

MIVEC

Mitsubishi Innovative Valve timing Electronic Control system, von Mitsubishi. Es wird die Einlasszeit und die Höhe des Ventil beeinflusst. Es wird mit zwei unterschiedlichen Nockenwellenprofilen gearbeitet. Dieses System wird auch bei Turbomotoren benutzt (Lancer Evolution IX).

VarioCam und VarioCam Plus

Das bei den Porsche-Modellen 968, 911 (996), 911 (997), Cayenne, Cayman und Boxster eingesetzte System zur Verstellung der Einlassnockenwellen wird als VarioCam bezeichnet. VarioCam Plus beinhaltet zusätzlich eine Ventilhubschaltung der Einlassventile.

Quellen

Weblinks


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