VW 412

VW 412
VW 411 L (1968)
VW 412 LE Variant (1972)
Endmontage im Volkswagenwerk Wolfsburg 1973

Der VW Typ 4 ist eine von 1968 bis 1974 gebaute Mittelklasse-Limousine von Volkswagen.
Die Verkaufsbezeichnung lautete zuerst VW 411 (19681972) und nach einer Überarbeitung mit einer vom brasilianischen VW-Modell SP2 übernommenen Frontpartie VW 412 (19721974).

Die Nummerierung der VW-Modelle erfolgte chronologisch: Mit dem Beginn der Produktion des Transporter/Bus (Typ 2) im Werk Wolfsburg im Jahre 1950 wurde der Käfer als Typ 1 bezeichnet und der 1961 erschienene VW 1500/1600 als Typ 3.

Gebaut wurden beide Versionen als zwei- und viertürige Limousinen mit Schrägheck, sowie ab 1969 als dreitürige Kombis, die wie beim Typ 3 die Bezeichnung „Variant" trugen und einen Anteil von etwa 50 Prozent der Gesamtverkaufszahlen ausmachten. Wegen der Entwicklungskosten war VW dem Trend zum fünftürigen Kombi nicht gefolgt.

Inhaltsverzeichnis

Antrieb

Die VW 411/412 basierten auf dem klassischen Antriebskonzept des VW Typ 1 (= Käfer): Heckmotor (Boxermotor) mit Luftkühlung und Hinterradantrieb. Allerdings war die gesamte Konstruktion des Typ 4 nicht mehr so stark an die des VW Käfer angelehnt, wie es noch beim VW Typ 3 der Fall war:

Im Unterschied zu den bisherigen VW-Pkw besaß der 411 keinen Bodenrahmen mehr, seine Karosserie war die erste selbsttragende Pkw-Karosserie von VW (nur der VW Typ 2 – Transporter/Bus hatte eine solche seit Beginn). Er war auch das erste VW-Modell mit McPherson-Federbeinen vorn, die hier schraubengefederte Schräglenker-Hinterachse war vom Typ 2 bzw. VW 1600 Automatik abgeleitet.

Die Motoren („Flachboxer“) mit 1,7 bzw. 1,8 Litern Hubraum waren eine vollständige Neukonstruktion und erreichten für damalige Zeiten respektable Leistungen von 68 bis 85 PS. Technisch bemerkenswert war die 80 PS-Version mit elektronischer Benzineinspritzung (D-Jetronic) von Bosch, die bereits im Typ 3 (VW 1600 LE/TLE) und später im VW-Porsche 914/4 zum Einsatz kam.

Um platzmäßig gegenüber den damaligen Mitbewerbern konkurrenzfähig zu sein, musste aufgrund des Antriebskonzeptes (Heckmotor) ein großer Kofferraum im Frontbereich untergebracht werden. Der dafür notwendige lange Vorderwagen inspirierte die Bevölkerung beim 411 zu dem Spitznamen „Nasenbär“. Andere bezeichneten das Modell wegen des bereits zum Zeitpunkt der Vorstellung 1968 veralteten Konzepts als „Nordhoffs Vermächtnis“ bzw. „Abschiedsgeschenk“ (nach Heinrich Nordhoff, VW-Vorstandsvorsitzender bis 1968) oder deuteten „411“ zu „4 Türen, 11 Jahre zu spät“ um.

Da die Heizleistung über die Wärmetauscher wie beim VW Käfer für den nun größeren Innenraum nicht ausreichte, besaß der VW Typ 4 serienmäßig ein ebenso wirksames wie spritverbrauchendes benzinelektrisches Standheizungsgerät der Firma Eberspächer (Typ BA4 mit Zeitschaltuhr). Ebenso war ein zweistufiges Frischluftgebläse Standard, wie überhaupt die Serienausstattung im Vergleich zu anderen zeitgenössischen Modellen wie Käfer und 1600 umfangreich war: Scheibenbremsen vorne, eine hydraulisch zu betätigende Kupplung, Drehstrom-Lichtmaschine, Rückfahrscheinwerfer, H1-Halogenscheinwerfer (ab '69), Gürtelreifen, Stoffsitze, beim L-Modell zusätzlich z.B. Zeituhr, Veloursteppiche, Liegesitze und mehr Chromzierat. Beliebte Mehrausstattungen waren beispielsweise Kopfstützen vorne, Sicherheitsgurte sowie eine programmierbare Zeitschaltuhr für die Standheizung oder die Heckscheibenheizung.

Modelle

  • 411 (L) - Vergaser (68 PS)
  • 411/412 (L)E – Einspritzer (80 PS)
  • 412 (L) - Vergaser (75 PS, Normalbenzin)
  • 412 (L)S – Sport (Vergaser 85 PS, Superbenzin 98 ROZ)

L bezeichnete jeweils die Luxusausstattung

In den sechs Produktionsjahren wurden vom Typ 4 nur 367.728 Exemplare gebaut, eine für VW schmerzhaft niedrige Stückzahl. Sicher mit ein Grund dafür, dass die Produktion 1974 vorzeitig aufgegeben und ersatzlos eingestellt wurde (der Passat war 1973 formell Nachfolger des kleineren Typ 3/ VW 1500/1600).

Heutiger Fahrzeugbestand

Der Fahrzeugbestand betrug im Jahr 2001 (BRD): 550 Stück, davon 113 Zweitürer, 138 Viertürer und 299 Variant. Gründe für den geringen heutigen Bestand sind einerseits neben einen nur sehr kleinen Liebhaberkreis enorme Korrosionsprobleme, denen die Karosserie des Typ 4 ausgesetzt war. VW hatte den Hohlraum zwischen den Blechen mit Schaum ausgespritzt, der Feuchtigkeit speicherte. Außerdem hatte der Wagen vorn keine Innenkotflügel, wodurch Dreck und Regenwasser von den Reifen in den gesamten Bereich zwischen Kotflügel und Kofferraum gespritzt wurde und dort unbemerkt erheblichen Rostfraß verursachte. Außerdem erreichten die luftgekühlten Motoren bei zügiger Fahrweise nur geringe Laufleistungen. Ein weiterer Grund war der rasante Wertverlust des seit Produktionsbeginn wenig beliebten Autos: defekte VW Typ 4 erlitten ein schnelles Ende, da die Motoren für den Einbau in den VW-Bus und den VW-Porsche 914 begehrt waren. Dazu kam, dass Anfang der 1970er Jahre viele VW-Werkstätten mit der Wartung der neuen elektronischen Benzineinspritzung überfordert waren.

Die Oldtimer-Szene kämpft beim VW 411/412 vor allem mit der prekären Ersatzteillage: Die Zahl der Gleichteile mit den weit verbreiteten Käfer und dem VW-Bus ist nicht sehr groß.

Der ursprünglich für diesen Pkw entwickelte luftgekühlte Flachmotor wurde (mit Hubraumerweiterungen bis auf 2 Liter) im VW-Bus/Transporter bis 1982 verwendet. Auch der 2.0 l Einspritzmotor mit 90 bzw. 100 PS des VW-Porsche 914/4 basierte auf dem ursprünglich für den 411 entwickelten Aggregat.

Bei Volkswagen do Brasil wurde von 1973 bis 1982 ein Fahrzeug mit einer dem 412 ähnlichen Karosserie, jedoch verkürztem Radstand, einteiligen Seitenscheiben und einem 1600er-Boxermotor als VW Brasilia gebaut, sodass vor allem in Südamerika auf dem Land noch zahlreiche Exemplare anzutreffen sind.

Datenblatt VW 411/412

Weblinks

Literatur

  • Hans G. Mayer-Stein, Die großen VW : Nordhoffs Vermächtnis: VW 1500/1600, 411/412, Verlag Karl Goerner, Karlsruhe 1994, ISBN 3-9803665-0-2
  • Jan Henrik Muche: Um Nasenlänge voraus. In: Oldtimer Praxis. 3/2006, S. 18-21, ISSN 0937-6291
  • Dieter Korp: Jetzt helfe ich mir selbst, Band 41, VW 411, 411E/412E, 412/412S, Verlag: Motorbuch Verlag, Stuttgart 1973, ISBN 3-87943-338-0
  • Werner Oswald: Deutsche Autos 1945–1975, Motorbuch Verlag, Stuttgart 2003, ISBN 3-613-02116-1, S. 62-65.

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