Vatikanischer Bahnhof

Vatikanischer Bahnhof
Straßenseite des Empfangsgebäudes

Der Bahnhof der Vatikanstadt gehört zu den Anlagen der Vatikanischen Staatsbahn. Es handelt sich um einen Kopfbahnhof. Der Bahnhof stellt zugleich das gesamte „Streckennetz“ der Vatikanischen Staatseisenbahn dar.

Inhaltsverzeichnis

Bahnhof

Die Anlage des Bahnhofs ist recht einfach: Sie weist zwei parallele Gleise auf, von denen eines das Bahnsteiggleis ist. Davon abzweigend gibt es zwei kurze Stumpfgleise, auf denen Güterwagen, die entladen werden sollen, abgestellt werden können. Die Weichen der Anlage werden von Hand gestellt. Zum benachbarten Bahnhof Roma-San Pietro besteht eine Telefon- und Telegrafenverbindung.

Die Gleise liegen in einer weiten, flachen Mulde, mitten in den vatikanischen Gärten. Um die nötige Gleislänge zum Rangieren überhaupt zu erreichen, musste das Ausziehgleis am Kopfende des Bahnhofs mit seinem Endstück in einen Tunnel-Stumpf gelegt werden, der 97 m in den westlich des Bahnhofs gelegenen Hügel führt.

Empfangsgebäude

Gebäude

Elias auf dem Feuerwagen
Gedanke und Tat mit Wappen Pius’ XI.

Das von Giuseppe Momo, dem Hofarchitekten von Papst Pius XI., 1933[1] errichtete Empfangsgebäude, steht an dem einzigen Bahnsteig des Bahnhofs in Seitenlage. Der Bahnsteig beginnt unmittelbar hinter dem Tor, das den Durchlass für das Einfahrtsgleis durch den vatikanischen Festungswall gewährt.

Das Bahnhofsgebäude reflektiert den damals üblichen Neoklassizismus und ist angesichts seiner verkehrstechnischen Bedeutung völlig überdimensioniert. Die tragende Struktur besteht aus Stahlbeton. Das Gebäude nimmt eine Grundfläche von 61 x 21,5 m ein, der zentrale Risalit ist 17 m hoch. Ursprünglich gab es gleisseitig eine Bahnsteigüberdachung, der straßenseitig eine überdachte Vorfahrt für Pkws entspricht.

Da ursprünglich als Bahnhof für Staatsempfänge geplant, erhielt das Gebäude eine prächtige Ausstattung der zentralen Empfangshalle in verschiedenfarbigem Marmor, einer Stuckdecke und acht monolithischen Säulen aus grünem Marmor. Seitlich der zentralen Halle waren Büro- und Betriebsräume angeordnet.

Das Äußere ist weitgehend mit Travertin verkleidet, an der Bahnsteigseite wurde in höheren Zonen auch künstlicher Travertin verwendet. Der Skulpturenschmuck stammt von Professor Eduardo Rubino:

Sie symbolisieren an der Straßenseite des Gebäudes das Reisen zu Wasser und durch die Luft.

Da das Empfangsgebäude für seine eigentliche Funktion fast nie eingesetzt wurde, dient es heute in großen Teilen anderen Nutzungen. In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde deshalb in der zentralen Empfangshalle eine Zwischendecke eingezogen und der Raum dadurch in seiner Wirkung zerstört. Dort wurde ein Edel-Duty-Free-Shop und im ersten Stock ein Münz- und Briefmarkenmuseum untergebracht. Auch die Bahnsteigüberdachung wurde in den letzten Jahren abgetragen. Da es als technisches Kulturdenkmal einzustufen ist, verwundert dieser rabiate Umgang mit dem Gebäude innerhalb des UNESCO-Welterbes Vatikanstadt.

Wertung

Hinsichtlich des baukünstlerischen Werts des Gebäudes gibt es unterschiedliche Meinungen: Von Papst Pius XI. wird anlässlich einer Baustellenbesichtigung das Zitat überliefert: „Dies ist das schönste Bahnhofsgebäude der Welt!“

Mit etwas Abstand in der Zeit und von dem verwendeten Stil ist heute die Aussage des Schriftstellers Henry Vollam Morton wohl treffender, der meinte, es sähe aus wie eine Zweigstelle von Barclays Bank in London.[2]

Nutzung

Die Nutzung des Empfangsgebäudes war von Anfang an ein seltenes Ereignis. Während Planung und Bau gingen die Beteiligten noch davon aus, dass hier glanzvolle Staatsempfänge stattfinden würden. Das ist nie eingetreten. Der Vatikan besitzt auch kein eigenes Bahnhofs- oder Bahnpersonal. Dieses wird seitens der italienischen Eisenbahn gestellt. In der Regel wird lediglich Schienengüterverkehr über den Bahnhof abgewickelt. Personenverkehr ist äußerst selten und beschränkt sich auf wenige Sonderzüge:

  • Der erste Papst, der den Bahnhof persönlich nutzte, war Johannes XXIII.: Am 4. Oktober 1962 – eine Woche vor Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils – nutzte er ihn für eine Pilgerfahrt nach Loreto und Assisi. Als Fahrzeug diente dazu der für diesen Anlass ausgeliehene Sonderzug des italienischen Staatspräsidenten. Da Pius IX. der letzte Papst gewesen war, der Loreto – noch als Staatsoberhaupt des Kirchenstaats – besucht hatte, dabei auch als letzter Papst mit der Bahn gefahren war oder sich außerhalb der Mauern des Vatikans aufgehalten hatte, wurde diese Fahrt als symbolischer Bruch gegenüber der Tradition der Weltabgewandtheit und Öffnung gegenüber der Welt gewertet.[3]

Papst Johannes Paul II. nutzte die Bahn wenige Male als Ausgangs- und Endpunkt von Reisen innerhalb Italiens:

  • Am 8. November 1979 – eher symbolisch – für eine Fahrt zu den römischen Bahnhöfen Salario, San Pietro, Trastevere und Roma Termini anlässlich des „Tags der Eisenbahner“ und eines Treffens mit Rangierern im Bahnhof Salario.
  • 1986 bei der Rückkehr von seinem Besuch in Indien, da wegen Schnee sein Flugzeug nicht in Rom landete, sondern in Neapel; von dort fuhr er mit dem Zug in den Vatikan zurück.
  • Am 24. Januar 2002 zu einer Pilgerfahrt nach Assisi.

Darüber hinaus fahren den Bahnhof gelegentlich externe Sonderzüge an.

Galerie

Weiterführende Informationen

Interne Verweise

Literatur

  • Ministero dei Lavori Pubblici del Regno d'Italia: La ferrovia per lo Stato della Città del Vaticano. Roma, Istituto Poligrafico dello Stato, 1934.
  • G. Pini: La ferrovia della Città del Vaticano. 1934
  • F. Zanetti: Dalle prime ferrovie dello Stato Pontificio a quella dello Stato della Città del Vaticano. In L'Illustrazione Vaticana 3 (1932), S. 376-378

Einzelnachweise

  1. Reese, Thomas J. 1996. Inside the Vatican: The Politics and Organization of the Catholic Church. Harvard University Press. ISBN 0674932617. p. 203.
  2. Frank J. Korn: A Catholic's Guide to Rome: Discovering the Soul of the Eternal City. Paulist Press. 2000. ISBN 080913926X.
  3. Bernard P. Prusak: The Church Unfinished: Ecclesiology Through the Centuries. Paulist Press 2004. ISBN 0809142864. S. 271.

41.90111111111112.4508333333337Koordinaten: 42° N, 12° O


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