Vavitu

Vavitu
Raivavae
Raivavae aus dem All fotografiert
Raivavae aus dem All fotografiert
Gewässer Pazifischer Ozean
Archipel Australinseln
Anzahl der Inseln >25
Hauptinsel Raivavae
Landfläche dep1
Lagunenfläche dep1
Einwohner 905 (2007)
Geographische Lage 23° 52′ S, 147° 40′ W-23.866666666667-147.666666666677Koordinaten: 23° 52′ S, 147° 40′ W
Karte von Raivavae

Raivavae, anderer polynesischer Name Vavitu, alte Namen: Laivavai und Santa Rosa, ist ein dünn besiedeltes Atoll im Südpazifik, das geographisch zu den Austral-Inseln, genauer zur Gruppe der Tubuai-Inseln zählt und politisch zu Französisch-Polynesien gehört.

Inhaltsverzeichnis

Geographie

Geologisch liegt Raivavae in der Cook-Austral-Kette, die sich im Süden der Pazifischen Platte erstreckt. Die Zentralinsel ist aus einem Hot-Spot der Pazifischen Platte entstanden, dessen Magmaproduktion vor ca. 6,5 Millionen Jahren endete.[1]

Das Atoll bedeckt, einschließlich der Lagune, eine Fläche von etwa 90 km². Die 8,5 km lange und an ihrer breitesten Stelle 2,3 km breite, länglich-ovale Zentralinsel (High Island) ist vulkanischen Ursprunges. Sie ist von einem Saumriff umgeben, aus dem sich zahlreiche größere und kleinere Motus erheben. Das Riff lässt im Norden des Atolls zwei und im Süden eine Passage offen. Die künstlich vertiefte, befahrbare Tetobe-Passage verbindet die Raiurua Bay im Nordwesten mit der offenen See. Neben diesem Außenriff ist die Zentralinsel noch von einem Küstenriff umgeben, das aber nicht über die Meeresoberfläche hinausragt.

High Island ist überwiegend gebirgig und zerklüftet, wobei das Gelände im Nordwesten etwas sanfter ansteigt. Der Nord- wird vom Südteil der Insel durch einen steilen Rücken getrennt, dessen höhergelegene Teile nur spärlich bewachsen, auf der windabgewandten Seite sogar arid sind. Er formt eine Wasserscheide und die Fließgewässer haben steile und tiefe Schluchten eingegraben. Der heute bebaute und landwirtschaftlich genutzte Küstenstreifen ist schmal, die wenigen Strände der Zentralinsel sind nicht sehr ausgedehnt und liegen überwiegend im Nordwesten, bestehen jedoch aus einem feinen, weißen Korallensand.

Höchste Erhebung ist der Mt. Hiro mit 437 Metern. Hiro ist auf Tahiti der Gott der Diebe und Seefahrer und wird auf dem Tuamotu-Archipel als einer der mythischen Vorfahren verehrt.

Die Motus des Saumriffes sind flache Inselchen aus weißem Korallensand und -trümmern und dicht mit Kokospalmen, Pandanus und anderer tropischer Vegetation bewachsen. Sie sind heute unbewohnt, auf den größeren gibt es aber Überreste von Tempeln und Wohnbauten.

Vor der Ostspitze der Zentralinsel liegt innerhalb der Lagune das unbewohnte Inselchen Hotu Atua, das aus einem 60 m hohen Doppelgipfel vulkanischen Ursprungs besteht.

Klima

Das Klima ist im Vergleich zu den weiter nördlich gelegenen polynesischen Inseln relativ kühl, da Raivavae etwas südlich des Wendekreises des Steinbocks und damit gerade außerhalb der tropischen Klimazone liegt. Außerdem werden die Temperaturen durch den ständig wehenden Wind gesenkt. Die Mittagstemperaturen können manchmal unter 25 °C liegen, die Nächte sind gelegentlich sogar unangenehm kühl. Die Jahreszeiten sind nicht sehr ausgeprägt. Der Niederschlag fällt reichlich, aber meist nur in kurzen, heftigen Schauern und ist relativ konstant über das ganze Jahr verteilt.

Politik und Verwaltung

Verwaltung

Politisch ist Raivavae eine von 5 Gemeinden der Austral-Inseln (Communes des Îles Australes). Die Gemeinde Raivavae untergliedert sich in die Teilgemeinden (Communes associées) Anatonu, Rairua-Mahanatoa und Vaiuru.

Die Insel wird verwaltet von der Unterabteilung (Subdivision administrative des Îles Australes) des Hochkommissariats von Französisch-Polynesien (Haut-commissariat de la République en Polynésie française) in Papeete auf der Insel Tahiti.

Sprache

Auf Raivavae, wie auf den übrigen Tubuiai-Inseln auch, spricht man Austral, einen polynesischen Dialekt. Amtssprache ist aber Französisch, das insbesondere die jüngeren Einwohner sprechen.

Wirtschaft und Infrastruktur

Wirtschaft

Die 905 Einwohner (2007) [2] sind überwiegend Selbstversorger. Hauptnahrungsmittel sind Taro, Brotfrüchte [3], Süßkartoffeln, Maniok, Zuckerrohr, Bananen und andere tropische und subtropische Früchte. Eiweißlieferanten sind hauptsächlich Fische, aber auch Hühner und Schweine, die überall frei herumlaufen. Weitere lebensnotwendige Güter werden von dem gewöhnlich zweimal im Monat verkehrenden Versorgungsschiff aus Papeete gebracht.

Die südliche Lage und die klimatischen Bedingungen begünstigen den Kaffeeanbau und machen Raivavae zum größten Kaffeeproduzenten in Französisch Polynesien, obwohl die in Familienbetrieben produzierte Gesamtmenge im Vergleich zu anderen Kaffeeexporteuren der Welt verschwindend gering ist. Exportiert werden außerdem in kleinerem Umfang Kopra und einige Früchte, vorwiegend für den lokalen Markt in Tahiti. Ein wenig Geld bringt auch die Herstellung kunstvoll geflochtener Hüte und Matten aus Pandanus-Blättern.

Infrastruktur

Eine befestigte Ringstraße, an der sich auch immer wieder kleine, einzeln stehende Anwesen finden, verbindet die Dörfer. Das Inselinnere ist nur an wenigen Stellen mit unbefestigten Wegen und Fußpfaden erschlossen.

2003 wurde mit Mitteln Frankreichs und der EU ein Flugplatz mit einer 1.400 m langen, befestigten Landebahn gebaut.

Raivavae hat keinen Hafen. Kleinere Schiffe können in der geschützten Raiurua-Bucht im Nordwesten an einer Mole anlegen.

Andere Errungenschaften der Zivilisation wie von Diesel-Generatoren erzeugte Elektrizität, eine zentrale Wasserversorgung, Satellitentelefon und –fernsehen haben mittlerweile auch das innerhalb Polynesiens sehr abgelegene Raivavae erreicht. In Rairua gibt es außerdem eine Station der Gendarmerie Nationale, eine Bank, eine Krankenstation und eine Grundschule mit angeschlossenem Kindergarten (école maternelle et primaire).[4]

Eine touristische Infrastruktur mit Hotels und Restaurants gibt es nicht (Stand 2003). Die seltenen Besucher sind auf Privatquartiere angewiesen.

Geschichte

Vorgeschichte

Wann und von wo die Besiedlung von Raivavae erfolgte, ist noch nicht abschließend geklärt. Wegen der Randlage im Polynesischen Dreieck ist zu vermuten, dass die Australinseln erst relativ spät besiedelt wurden, wahrscheinlich von den Gesellschaftsinseln, möglicherweise auch von Mangareva oder den Cookinseln. Auf der ebenfalls zum Austral-Archipel gehörenden Insel Rapa haben Radiokohlenstoffdatierungen den Beweis erbracht, dass sie um 1200 n.Chr. besiedelt wurde. Analog ist dies auch für Raivavae anzunehmen.[5]

Wie auf anderen polynesischen Inseln auch, bildeten sich in der Folgezeit Stammesfürstentümer heraus, die sich wiederum in einzelne Clans untergliederten. Diese Gesellschaftsform wurde von der Geographie begünstigt. Die sich zum Meer hin öffnenden Täler bildeten einst in sich geschlossene Siedlungsgebiete für die unabhängigen Stämme. In den durch Felsgrate getrennten Tälern wurden kunstvoll be- und entwässerte Terrassen für den Taro-Anbau angelegt, der im Nassfeldbau (ähnlich wie in Asien der Reis) kultiviert wurde. Heute noch sind fünf große Anbaugebiete zu identifizieren, die den früheren Stammesfürstentümern zuzuordnen sind.[6]

Die Einwohnerzahl dürfte zur Zeit der Kulturblüte vermutlich 15.000 – 20.000 betragen haben. Die Gesellschaft war streng hierarchisch gegliedert. An der Spitze standen die Stammeshäuptlinge und deren Familien, unterstützt von einer einflussreichen Priesterkaste. Großes Ansehen in der von ständigen ritualisierten Stammeskriegen dominierten Gesellschaft genossen auch die Krieger. Die Knaben wurden von frühester Kindheit an auf das Kriegshandwerk vorbereitet. Hinweise für eine kriegerische Gesellschaft sind die großen, terrassierten Bergfestungen, die auf mehreren schwer zugänglichen Felsgraten angelegt wurden und bisher nur unzureichend archäologisch untersucht sind.

Raivavae gehört – neben Hawaii, der Osterinsel, Tahiti, den Marquesas und Pitcairn – zu den wenigen polynesischen Inseln, auf denen monumentale Steinstatuen errichtet wurden. Sie waren stets einer Tempelplattform (marae) zugeordnet. Der typische Marae von Raivavae bestand aus einem rechteckigen, mit bis zu 3 m hohen senkrechten Steintafeln eingehegten Zeremonialplatz, ähnlich einem gepflasterten Hof. Dahinter stand ein großes, ovales Haus, wahrscheinlich für zeremonielle Zwecke, das aus vergänglichen Materialien (vermutlich Holz mit einem Dach aus Pandanusblättern) errichtet wurde. Zum Zeremonialplatz führte eine ebenfalls gepflasterte, zum Meer zeigende Prozessionsstraße, die von Stelen markiert wurde. Rechtwinklig zu dem Hof erhoben sich Zeremonialplattformen in zwei bis vier übereinanderliegenden Stufen, auf denen die Steinstatuen aufgerichtet wurden.[7] Eine architektonische Besonderheit auf Raivavae war die abwechselnde Verwendung von rotem Tuff, schwarzem Basalt und grau-weißen Korallenblöcken für die verschiedenen Bauteile des Marae.

Die bis zu 2,5 m hohen Statuen aus vulkanischem Tuff oder Basalt waren – im Gegensatz zu denen der Osterinsel oder der Marquesas – oft weibliche Figuren, viele davon stellten hochschwangere Frauen dar. Der Archäologe John Stokes entdeckte 1921 seltsame phallusförmige Statuen mit menschlichen Attributen, die heute noch die Phantasie von Laien beschäftigen. Tatsächlich sind beide Statuentypen lediglich die Manifestation eines Fruchtbarkeitskultes. Darauf deuten auch Grabungsbefunde von John Stokes hin. Er fand bei Ausgrabungen am Marae Atoraui eine große Phallusfigur unmittelbar vergesellschaftet mit zwei Statuen schwangerer Frauen.[8]

Weitere Relikte sind die überall auf der Insel zu findenden Petroglyphen, die menschliche, häufig weibliche Gestalten, Tiere, Gesichter (Masken?) und grafische Symbole darstellen.

Europäische Entdeckung

Wer Raivave für Europa entdeckte ist umstritten. James Cook erblickte die zum selben Archipel gehörenden Inseln Rurutu während seiner ersten Reise 1769 und Tubuai während seiner dritten Reise 1777, aber er ging beide Male nicht an Land. Vermutlich dürfte er Raivavae dabei nicht übersehen haben, es gibt dafür jedoch keine Bestätigung. Daher wird heute der Spanier Thomás de Gayangos als erster europäischer Entdecker betrachtet. Er erreichte Raivavae am 6. Februar 1775 mit den Schiffen Aguila und Jupiter im Zuge einer von Manuel d'Amat i de Junyent (1704–1782, Gouverneur von Chile und Vizekönig von Peru) initiierten Expedition nach Tahiti.[9] Die nächsten europäischen Besucher sind namentlich nicht bekannt, aber es gibt Hinweise, dass Raivavae – wie auch andere Inseln Ostpolynesiens – in der Folgezeit mehrfach von Walfängern, Abenteurern und Handelskapitänen aufgesucht wurde. Im 19. Jahrhundert war Raivavae in Europa als Quelle von Sandelholz bekannt.

Nachdem die Pomaré-Dynastie mit britischer Unterstützung ihren Einfluss auf Tahiti gefestigt hatte und Pomaré II. 1819 zum König gekrönt worden war, entschied er, seinen Einflussbereich auch auf die Austral-Inseln auszudehnen. Samuel Pinder Henry, ein britischer Abenteurer, der mit Sandelholz handelte, brachte den König, dessen Hofstaat und mehrere britische Missionare 1821 mit seinem Schiff Arab zu den Austral-Inseln. Er entdeckte bei dieser Fahrt die Insel Rimatara. Als das Schiff Raivavae erreichte, befanden sich die Clans in einem ihrer üblichen Stammeskriege. Pomaré gelang es, zwischen den verfeindeten Parteien zu vermitteln und den Konflikt diplomatisch zu lösen. Er hinterließ einen seiner tahitischen Häuptlinge als Statthalter, der die Basis für die ein Jahr später von Moorea nachfolgenden protestantischen Missionare der London Missionary Society bereitete. [10] Bereits im Jahr ihrer Ankunft veranlassten sie die Zerstörung von mehr als 100 „heidnischen“ Statuen. Raivavae blieb unter der Hegemonie Tahitis. Die Christianisierung hatte entscheidende Veränderungen in der Gesellschaft zur Folge. Die Häuptlingsfamilien dominierten zwar nach wie vor die Inselgesellschaft, aber nicht mehr als absolutistische Herrscher, sondern nur noch als eine Art „väterliche Beschützer“ innerhalb des Bezugssystems der London Missionary Society.

1826 brach eine Seuche aus, die die Einwohnerzahl von vorher 3.200 auf nur noch 120 reduzierte.[11] 1880 annektierte Frankreich die Australinseln.

Im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es durch den Kaffeeboom einen kleinen wirtschaftlichen Aufschwung, der einigen Familien einen bescheidenen Wohlstand bescherte. Durch den Verfall der Kaffeepreise ist davon heute aber nichts mehr zu spüren.

Forschungsgeschichte

Raivavae ist ethnologisch und archäologisch nur spärlich erforscht. Bislang gab es lediglich fünf Forschungsexpeditionen auf die Insel:

  • Der Archäologe John Stokes vom Bishop Museum, Honolulu 1921, der einige signifikante historische Stätten kartierte und die bekannten phallusförmigen Steinbilder ausgrub
  • Frank Stimson, der 1938 linguistische Studien betrieb
  • Die norwegische Expedition von Thor Heyerdahl 1956, der die Steinterrassen des „Forts“ Hatuturi ausgrub und kniende Steinstauen fand (verblüffend ähnlich der Statue Tuturi (oder Tukuturi) auf der Osterinsel, die er später als Beweis der südamerikanischen Herkunft des Osterinselvolkes präsentierte).
  • Der Ethnologe Donald Marshall Ende der 1950-er Jahre, der seine Forschungen im wesentlichen auf die zeitgenössische Kultur und Ethnologie beschränkte
  • Der Archäologe und Ethnologe Edmundo Edwards, der 1986–87 erstmals umfangreiche archäologische Grabungen durchführte und ein Standardwerk zur Archäologie der Insel herausgab.

Sonstiges

Steinstatuen aus Raivavae befinden sich heute im Bernice P. Bishop Museum, Honolulu, Hawaii, im Musée de Tahiti et des Iles bei Papeete und im Pitt Rivers Museum, Oxford. Besonders fein geschnitzte Gegenstände und Waffen kann man im Musée national des arts d’Afrique et d’Océanie (seit 2006 eingegliedert in das Musée du quai Branly) in Paris sehen.

Einzelnachweise

  1. www.mantleplumes.org
  2. http://www.ispf.pf/(k1aciwf4z0fyap45ghzhgm55)/stat/demo/rp2007/pdfs/poplegales2007.pdf
  3. In einigen Reiseführern ist noch zu lesen, auf Raivavae gäbe es keine Brotfruchtbäume. Das ist eine Fehlinformation, die von älteren Veröffentlichungen abgeschrieben wurde.
  4. [1]
  5. Atholl Anderson et al: Prehistoric human impacts on Rapa, French Polynesia, Antiquity Vol 80, Juni 2006, S. 340-354
  6. Donald Marshall, Raivavae, New York 1961, S. 150-151
  7. Beschreibung nach: Edmundo Edwards: Raivavae – The archaeological Survey of Raivavae, Austral Islands, French Polynesia, Los Osos (Kalifornien) 2003
  8. Donald Marshall, S. 195
  9. Explorers of the Pacific, in Bernice P. Bishop Museum Special Publication, Honolulu 1999, S. 61
  10. J.A. Moerenhout: Travels to the islands of the Pacific Ocean, London 1887, Nachdruck Lanham-London-New York 1993, S. 453-454
  11. Steven Roger Fischer: A History of Pacific Islands, London 2002



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