Venenthrombose

Venenthrombose
Dieser Artikel behandelt die Venenthrombose als häufigste Form der Gefäßkrankheit; für Thrombosen der Arterien siehe unter Arterielle Thrombose.
Klassifikation nach ICD-10
I80.- Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Die Thrombose ist eine Gefäßerkrankung, bei der sich ein Blutgerinnsel (Thrombus) in einem Gefäß bildet. Obwohl Thrombosen in allen Gefäßen auftreten können, ist umgangssprachlich meist eine Thrombose der Venen (Phlebothrombose) speziell der tiefen Beinvenen gemeint. Arterielle Thrombosen sind deutlich seltener.

Inhaltsverzeichnis

Ursachen

Ursachen der Entstehung eines venösen Thrombus sind entsprechend der noch heute gültigen Virchowschen Trias

  • herabgesetzte Blutströmungsgeschwindigkeit (Stase, Immobilisation):
    • erweiterte Venen (Varizen) und Krampfadern,
    • durch äußeren Druck eingeklemmte Gliedmaßen,
    • durch Bettlägerigkeit verursachte Bewegungsunfähigkeit (u. a. nach Operationen oder im Gipsverband),
    • langes - insbesondere im Knie angewinkeltes - Sitzen mit eingeengter Bewegungsmöglichkeit (z. B. bei Bus- und Flugreisen[1]) bei Vorliegen u. g. Risikofaktoren
  • Schäden der inneren Gefäßwände (Intima),
    • Schäden traumatischer Natur (Verletzungen, Quetschungen, OPs),
    • degenerative Veränderungen (z. B. altersbedingt),
    • entzündliche Veränderungen der Venen,
    • Diabetes mellitus,
    • diskutiert werden des weiteren auch durch Kohlenmonoxid (Rauchen) bedingte hypoxische Wand-Schädigungen.

Risikofaktoren

Klinische Erscheinung

Je nach Lage und Ausdehnung der Thrombose können die Symptome sehr unterschiedlich sein, viele Thrombosen werden von den Betroffenen gar nicht bemerkt. Diagnostisch besonders kritisch ist, dass selbst schwere, im späteren Verlauf zu einer lebensgefährlichen Lungenembolie führende Thrombosen im Anfangsstadium fast symptomfrei verlaufen können und dadurch oft unentdeckt bleiben.

Typisch sind zumindest bei ausgeprägten Venenthrombosen:

  • Schwellung und Wärmegefühl im betroffenen Körperteil,
  • gerötete und gespannte Haut, eventuell Blaufärbung,
  • Spannungsgefühl und Schmerzen in Fuß, Wade und Kniekehle (Linderung bei Hochlagerung).

Lokalisation

Am häufigsten von tiefen Venenthrombosen betroffen sind die Beine. Man spricht dann von Wadenvenen- oder Beinvenenthrombosen. Sind sowohl die Wade, die Kniekehle als auch der Oberschenkel betroffen spricht man von einer Mehretagenthrombose. Eine Beckenvenenthrombose ist demgegenüber seltener, allerdings wegen der Größe des Gefäßes und des höheren Lungenembolierisikos gefährlicher. Gefürchtet ist die Beckenvenenthrombose bei Schwangeren, bei der sich ein Gerinnsel nach der Geburt durch die fehlende Kompression der Gebärmutter lösen und zur Lungenembolie führen kann.

Auch die oberflächliche Thrombophlebitis findet sich am häufigsten an den Beinen. An den Armen entsteht sie spontan sehr selten. Sie wird am Unterarm nicht selten durch Venenkatheter erzeugt.

Wenn alle Venen eines Extremitätenquerschnitts thrombotisch verschlossen werden, spricht man von der Phlegmasia coerulea dolens, einer besonders schweren Verlaufsform der Venenthrombose mit der Gefahr des Absterbens der betroffenen Extremität.

Komplikationen

Eine gefürchtete Komplikation der Thrombose ist die Lungenembolie. Im Verlauf nach nicht konsequent behandelter Thrombose kann sich das postthrombotische Syndrom ausbilden.

Untersuchungsmethoden

Klinischer Befund

Typisch sind Schmerzen und Schwellungen der betroffenen Extremität mit deutlicher Umfangsdifferenz sowie deutlich eindrückbarem Ödem. Eine Beckenvenenthrombose kann in sehr seltenen Fällen eine Schwellung beider Beine verursachen.

Weitere Thrombosezeichen die zwar nicht beweisend aber doch charakteristisch sind Druckschmerzen an der Fußsohle des betroffenen Beines sowie im Venenverlauf.

Technische Befunde

Zur sicheren Diagnose einer Venenthrombose verwendet man Ultraschall (Doppler-Sonographie) und die Phlebographie (Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel). Ist ein modernes Ultraschallgerät vorhanden und ist der Untersucher ausreichend erfahren, muss die aufwändigere und den Patienten belastendere Phlebographie nur noch selten zum Einsatz kommen.

Laborchemie

Fibrinspaltprodukte als Abbauprodukt von Thromben können mit einem D-Dimer-Test im Blut nachgewiesen werden. Mit einer Sensitivität von 95 % ermöglicht es ein negativer D-Dimer-Test bei gleichzeitig niedrigem Risikoscore nach Wells[2], das Vorliegen einer tiefen Beinvenenthrombose mit ausreichender Sicherheit auszuschließen. Die Spezifität[3] hingegen ist gering, so dass erhöhte D-Dimere keinesfalls als Beweis für eine Thrombose ausreichen.

Therapie

Um zu verhindern, dass sich der Thrombus vergrößert, wird eine Hemmung der Blutgerinnung (Antikoagulation) angestrebt. Initial kommen Heparinpräparate zum Einsatz, später werden Cumarinderivate (Phenprocoumon oder Warfarin) für eine der Thromboseursache angemessene Zeit (1/4 Jahr - lebenslang) gegeben.

Um den Thrombus daran zu hindern, sich zu lösen und eine Lungenembolie auszulösen, werden die Beine mit Kompressionsverbänden gewickelt bzw. im Verlauf durch einen speziellen Kompressionsstrumpf unterstützt. Die Ruhigstellung der Beine ist umstritten, da Immobilisation einer der Risikofaktoren für die Thromboseentstehung ist.

Die noch in den 1990er Jahren häufiger angewendete medikamentöse Auflösung (Thrombolyse) findet bei venösen Thrombosen nur noch ausnahmsweise Anwendung, weil dabei eine höhere Blutungsgefahr besteht. Auch die chirurgische Entfernung venöser Thromben bleibt Spezialfällen vorbehalten. Gefäßersatz für verschlossene oder zerstörte Venen ist auf Grund der Gewebestruktur von Venen sehr schwierig und nur in Ausnahmefällen möglich und nötig.

Nachsorge

Folge einer tiefen Thrombose kann das so genannte Postthrombotische Syndrom (PTS) sein. Durch Thromben betroffene Venen können verschlossen bleiben, die sich bildenden meist oberflächennäheren Umgehungskreisläufe können sich krampfaderartig ausweiten. Sehr häufig sind Venenklappen zerstört oder in ihrer Funktion durch Vernarbung eingeschränkt, was zu einem verstärkten Blutrückfluss in Richtung der Schwerkraft führt. Durch den chronischen Blutüberfluss werden die Gefäße in den betroffenen Gliedmaßen übermäßig erweitert. Diese physikalischen Faktoren sind bei einer Untersuchung vom Facharzt (Phlebologen) messbar.

Der Patient kann das Auftreten des PTS verzögern oder seine Auswirkungen vermindern durch:

  • viel Bewegung der betroffenen Gliedmaßen, die durch die Muskelpumpe den Blutrückfluss fördert. Dies kann bei gegebener körperlicher Verfassung durchaus (Leistungs)sport sein, wobei Sportarten und -geräte, die eine nichtsenkrechte Körperhaltung ermöglichen, zu bevorzugen sind (Schwimmen, Radfahren, hierbei bes. Liegerad).
  • Andauernde Kompression des oder der betroffenen Gliedmaßen mit Hilfe von Kompressionsstrümpfen oder -strumpfhosen, um den erhöhten Flüssigkeitsdruck im Gewebe auszugleichen und um die Fließgeschwindigkeit des Blutes zu erhöhen.
  • Vermeiden von stundenlangem Sitzen oder Stehen, bzw. regelmäßiges Unterbrechen desselben durch „Venengymnastik“.

Im Handel angebotene „venenstärkende“ Medikamente – oft auf Rosskastanien-Basis – sind eventuell bei geringen Venenbeschwerden wirksam, jedoch nicht bei bereits bestehenden Krampfadern oder anderen Symptomen des Postthrombotischen Syndroms. [4]

Zur Nachsorge gehören ebenfalls, insbesondere bei erstmaligen Auftreten, zur Abschätzung des Rezidivrisikos der Ausschluss einer Faktor V Leiden-Mutation, einer Faktor II 20210A-Mutation eines AT III-Mangels, die Bestimmung des Methylfolates in den Erythrozyten, sowie eines Protein C, bzw. S Mangels. [5]

Vorbeugung

Die wichtigste Vorbeugung ist Bewegung, da die Muskeltätigkeit (etwa der Beine) den venösen Rückfluss unterstützt (Muskelpumpe). Falls keine Bewegung möglich ist, sollten bei Vorliegen von Risikofaktoren Kompressionsstrümpfe angewandt werden. Sie unterstützen die Venen durch erhöhten Gewebedruck von außen, wodurch der Blutrückfluss erleichtert wird.

Auf Fernreisen sollte man so oft wie möglich aufstehen, die Beine bewegen, viel trinken und Alkohol meiden (Alkohol „entwässert“). Personen mit erhöhtem Risiko von Beinvenenthrombosen tragen Kompressionsstrümpfe und verwenden Gerinnungshemmer, vor allem Heparin, das selbst gespritzt werden kann. Die Einnahme von Acetylsalicylsäure ist nicht wirksam.

Zur langfristigen medikamentösen Prophylaxe ist Gabe oraler Antikogulantien vom Cumarin-Typ, z. B. Marcumar möglich.

Geschichte

Der Begriff „Thrombose“ wurde von Galen (Claudius Galenus, 130–210 n. Chr.) geprägt.

Siehe auch

Literatur und Quellen

Deutsche Gesellschaft für Angiologie - Gesellschaft für Gefäßmedizin (2005). Diagnostik und Therapie der Bein- und Beckenvenenthrombose und Lungenembolie (Deutsch). Abgerufen am 10. April 2009.


Einzelnachweise
  1. M. Sand et al.: Surgical and medical emergencies on board European aircraft: a retrospective study of 10189 cases., In: Critical Care, 2009 Jan 20;13(1):R3
  2. Wells PS et al.: Accuracy of clinical assessment of deep-vein thrombosis. Lancet (1995) 345:1326-1330.
  3. http://eva.unibas.ch/download/32913-60.pdf Seite 2, Tabelle links unten
  4. Weinlaub und Mäusedornwurzel gegen Krampfadern - Studien zeigen, dass pflanzliche Wirkstoffe bei Venenerkrankungen helfen können
  5. S1-Leitlinie Diagnostik und Therapie der tiefen Bein- und Beckenvenenthrombose bei AWMF online

Weblinks

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