Verbraucher-Informationsgesetz

Verbraucher-Informationsgesetz
Basisdaten
Titel: Gesetz zur Verbesserung der
gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation
Kurztitel: Verbraucherinformationsgesetz
Abkürzung: VIG
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie: Lebensmittelrecht
FNA: 2125-46
Datum des Gesetzes: Art. 1 G. v. 5. November 2007
BGBl. I S. 2558
Inkrafttreten am: überwiegend 1. Mai 2008
GESTA: F029
Bitte beachten Sie den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung.

Das seit 2002 geplante deutsche Gesetz zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation, kurz Verbraucherinformationsgesetz wurde ursprünglich von der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) vorgelegt und soll die Verbraucherrechte stärken und entscheidend verbessern. Es trat im Ganzen am 1. Mai 2008 in Kraft, zeitgleich mit der Verbraucherinformationsgebührenverordnung (VIGGebV), welche die Gebühren für Anfragen an Bundesstellen beinhaltet.

Inhaltsverzeichnis

Wichtige Inhalte

Alle Verbraucher sollen Anspruch auf Information über Produkte (Lebens- und Futtermittel sowie Wein, Kosmetika und Bedarfsgegenstände) erhalten, die den Behörden vorliegen. Die Behörden ihrerseits sollen das Recht haben, über bestimmte Sachverhalte aktiv zu informieren. Es soll künftig möglich sein, von den Behörden zu erfragen, welche Informationen über bestimmte Produkte vorliegen, beispielsweise zu deren Beschaffenheit oder Herstellungsbedingungen, ob sie Allergene enthalten, oder welche sonstigen Untersuchungsergebnisse darüber vorliegen. Behörden wiederum sollen in die Lage versetzt werden, Hinweise über Produkte weitergeben zu können, bei denen beispielsweise eine erhebliche Überschreitung von Grenzwerten festgestellt wurde oder bei denen es wissenschaftlich umstritten ist, ab welcher Konzentration ein bestimmtes Risiko besteht. Auch bei einem Verstoß gegen verbraucherschützende Vorschriften soll den Behörden gestattet sein, die Namen der Firmen bekanntzugeben, was in Deutschland bisher nicht möglich ist.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat in einer der ersten Gerichtsentscheidungen (Beschluss vom 21.01.2009, Az.: 4 K 4605/08 und 4 K 4615/08) zum Verbraucherinformationsgesetz einige Klarstellungen getroffen: Der Informationsanspruch setzt nicht voraus, dass sich der Verstoß gegen lebensmittel- und futtermittelrechtliche Vorschriften auf die Gesundheit bezieht. Das Gesetz erstreckt sich außerdem auch auf Verstöße, die vor seinem Inkrafttreten begangen wurden, deren Ahndung aber erst danach abgeschlossen wurde. Das Interesse des Verbrauchers an der Kenntnis des betroffenen Produkts und des Erzeugerbetriebs kann bei schwerwiegenden Verstößen die Gefahr möglicher Absatzeinbußen überwiegen. Strafrechtlich relevante Sachverhalte sind keine Geschäftsgeheimnisse [1].

Öffentliche Warnungen und Produktrückrufe werden bisher ohne Namensnennung im Rapid Alert System for Food and Feed der Europäischen Kommission veröffentlicht. Das neue Verbraucherinformationsgesetz sieht vor, dass Behörden zukünftig auch dann die Namen von Herstellern öffentlich bekanntgeben können, wenn das Verwaltungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, also beispielsweise die Gegenprobe in einem zweiten Labor noch nicht untersucht und bewertet wurde. Dadurch könnten sich diese Fälle zukünftig häufen. Beispiele für solche behördlich verschuldeten Lebensmittelskandale waren in der Vergangenheit die bekannten Fälle "Birkel" und "Coppenrath & Wiese". Im ungünstigsten Fall scheiden solche Unternehmen und ihre Arbeitsplätze dadurch ohne Verschulden aus dem Marktgeschehen aus.

Entstehungsgeschichte

Trotz mehrerer Anläufe war das Gesetz mehrfach am Widerstand des CDU-dominierten Bundesrats gescheitert. Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition ist die Absicht, ein solches Gesetz zu verabschieden, enthalten. Dementsprechend hat das zuständige Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, zu dieser Zeit geleitet von Horst Seehofer, das Verfahren erneut angestoßen. Der Bundestag hat am 29. Juni 2006 ein Verbraucherinformationsgesetz (VIG) beschlossen, das vom Bundesrat in seiner Sitzung am 22. September 2006 bestätigt wurde und in sechs Monaten in Kraft treten sollte.

Am 10. Oktober 2006 erhielt das Bundespräsidialamt das Gesetz zur Ausfertigung. Ende November 2006 wies das Bundespräsidialamt in einem Schreiben an das Bundeskanzleramt auf verfassungsrechtliche Bedenken hin und bat um Stellungnahme. In ihrer Stellungnahme, die am 4. Dezember 2006 beim Bundespräsidialamt einging, vertritt die Bundesregierung - in Übereinstimmung mit dem Bundestag und der Mehrheit des Bundesrates - die Auffassung, dass eine unzulässige Aufgabenübertragung auf die Kommunen nach Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG nicht vorliegt.

Am 8. Dezember 2006 verweigerte Bundespräsident Horst Köhler aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken die Ausfertigung. In dem gleichlautenden Schreiben des Bundespräsidenten an den Bundestag, die Bundesregierung und den Bundesrat vom 8. Dezember 2006 heißt es: „In der Verpflichtung der kommunalen Behörden, Anträge nach dem Verbraucherinformationsgesetz auf Herausgabe von Informationen zu prüfen und zu bescheiden, liegt eine Aufgabenübertragung im Sinne des Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG. Hierin sehe ich einen klaren Verstoß gegen die seit dem 1. September 2006 geltende negative Kompetenzvorschrift des Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG, der mich daran hindert, das Gesetz auszufertigen. [...] Meines Erachtens kann den berechtigten Belangen des Verbraucherschutzes sehr schnell durch die erneute Verabschiedung des Gesetzes ohne die verfassungsrechtlich unzulässige Aufgabenzuweisung Rechnung getragen werden“[2]

Diese Entscheidung des Bundespräsidenten löste in der Öffentlichkeit eine große Kontroverse über Aufgaben, Stellung und Prüfungskompetenz des Bundespräsidenten aus. Juristisch beraten haben Köhler in dieser Angelegenheit die Abteilungsleiterin des Bundespräsidialamtes Cornelia Quennet-Thielen und der Referatsleiter im Bundespräsidialamt Stefan Ulrich Pieper, der seit Januar 2006 den Bundespräsidenten juristisch berät. Pieper ist laut Spiegel „ein Mann mit Ambitionen und Gestaltungswillen“.[3] Der Spiegel spricht davon, dass es Gerüchte gibt, dass der Ökonom Köhler „den Expertisen eines ehrgeizigen, etwas größenwahnsinigen Juristen zum Opfer gefallen“ sei.[3] In der juristischen Diskussion wurde hingegen der Standpunkt des Bundespräsidenten unterstützt (Schoch DVBl. 2007, 261, 265).

Das Bundeskabinett hat am 4. April 2007 einen neuen Gesetzesentwurf für mehr Verbraucherinformation auf den Weg gebracht. Dabei wurde den Einwänden des Bundespräsidenten durch folgende Formulierung Rechnung getragen: Das Gesetz „gilt im Falle einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes nur, wenn der Gemeinde oder dem Gemeindeverband die Aufgaben nach diesem Gesetz durch Landesrecht übertragen worden sind.“ Am 5. Juli 2007 wurde das Verbraucherinformationsgesetz durch den Bundestag mit Widerstand durch Die Linke, Die Grünen und FDP verabschiedet. Der Bundesrat hat das Gesetz am 21. September 2007 gebilligt und es wurde am 9. November 2007 im Bundesgesetzblatt verkündet. Abgesehen von den Ermächtigung zum Erlass von Kostenregelungen tritt es am 1. Mai 2008 in Kraft.

Bundesländer

Nach der Verabschiedung des Verbraucherinformationsgesetzes im Bund sehen viele nun die Länder am Zuge. Sowohl der Deutsche Städte- und Gemeindebund, der Städtetag und der Deutsche Landkreistag äußerten sich in diesem Sinne.

Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Baden-Württemberg, Bayern und Thüringen haben das VIG in Landesrecht umgesetzt. In sechs weiteren Bundesländern kann das VIG wegen anderer Rechtsverhältnisse bereits angewendet werden. In Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen fehlt eine Umsetzung [4].

Kritik

Das im Juli 2007 verabschiedete Gesetz stieß auf starke Kritik von Verbraucherverbänden. Foodwatch kritisierte die fehlende Verpflichtung zur unaufgeforderten Informierung der Behörden und Unternehmen als auch die mangelnde Transparenz der Ergebnisse der mit Steuergeldern finanzierten Lebensmittelkontrollen. Kritik kam auch vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Peter Schaar der die fehlende Obergrenze in der Kostenregelung (§ 1 Satz 2 VIGGebV) beanstandete. Die grundsätzliche Verfahrensdauer von etwa 8 Wochen von Antragseingang bis zur Herausgabe der Information aufgrund Anhörung des Betriebs, Verwaltungsverfahren, Bestandskraft der Entscheidung, etc. macht schnelle Anfragen nahezu unmöglich.[5] [6] Der Redaktion der Sendung 'Report' (Mainz) ist es auch nach fünf Monaten noch nicht gelungen, unter Berufung auf das Verbraucherschutzgesetz irgendwelche Informationen über Fälle von sog. Gammelfleisch zu erhalten.[7] Möglich ist es allerdings, Informationen zu bestimmten Betrieben zu erhalten, etwa einem Restaurant oder Supermarkt. [8]

Der Anwendungsbereich des Gesetzes umfasst nicht alle alltäglichen Erzeugnisse, sondern schließt mit Ausnahme einiger gesundheitsbezogener, alle im Brennpunkt des Verbraucherinteresses stehenden Produkte aus, wie etwa die zur Altersvorsorge, zur Energieversorgung, zur Telekommunikation, zum Massenverkehr.[9]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.vig-nutzen.de/Urteile.htm
  2. BR-Drs. 584/06 vom 8. Dezember 2006
  3. a b Der Spiegel, Heft 51/2006, S.29
  4. Foodwatch-Analyse: http://www.foodwatch.de/kampagnen__themen/verbrauchergesetz/umsetzung_laender/index_ger.html
  5. Koalition verhindert Verbraucherrechte foodwatch, 5. Juli 2007
  6. Jan Eisner: Bundestag billigte Verbraucherinformationsgesetz. foodwatch spricht von »Verpackungsschwindel« junge Welt, 7. Juli 2007
  7. Report: Warum Seehofers Gesetz versagt. Bericht vom 29. September 2008 bei swr.de
  8. http://www.vig-nutzen.de/Praxistest.htm
  9. Transparency International Deutschland e.V. Rundbrief 37, 2/2007 pdf

Literatur


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