Vertigo (Film)

Vertigo (Film)
Filmdaten
Deutscher Titel: Vertigo – Aus dem Reich der Toten
Originaltitel: Vertigo
Produktionsland: USA
Erscheinungsjahr: 1958
Länge: 124 Minuten
Originalsprache: Englisch
Altersfreigabe: FSK 12
Stab
Regie: Alfred Hitchcock
Drehbuch: Samuel A. Taylor, Alec Coppel
Produktion: Alfred Hitchcock
für Paramount Pictures
Musik: Bernard Herrmann
Kamera: Robert Burks
Schnitt: George Tomasini
Besetzung

Vertigo – Aus dem Reich der Toten (Originaltitel: Vertigo) ist ein US-amerikanischer Spielfilm von Alfred Hitchcock aus dem Jahr 1958. Das Drehbuch basiert auf dem Roman Vertigo. Aus dem Reich der Toten (D’Entre les morts) von Pierre Boileau und Thomas Narcejac.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Der Polizist John „Scottie“ Ferguson leidet unter Höhenangst und quittiert seinen Dienst. Ein Kollege wollte ihm zuvor bei einer Schwindelattacke nach einer Verfolgungsjagd über den Dächern von San Francisco helfen und stürzte dabei selbst in die Tiefe. (Vertigo bezeichnet im Englischen den Drehschwindel, der an Höhenangst leidende Menschen befällt, wenn diese in große Tiefen schauen.)

Scottie wird von seinem ehemaligen Schulfreund Gavin Elster gebeten, dessen Frau Madeleine zu beschatten. Sein Freund macht sich angeblich Sorgen um seine Frau, die scheinbar vom Geist ihrer Urgroßmutter Carlotta Valdés beeinflusst wird – diese nahm sich im Alter von 26 Jahren das Leben. Madeleine, ebenfalls 26, verspürt in zunehmendem Maße den Drang, gleichfalls Selbstmord zu begehen. Nach Madeleines Sprung in die Bucht von San Francisco rettet Scottie sie vor dem Ertrinken und bringt sie zu sich nach Hause. Die beiden verlieben sich ineinander. Während eines Ausflugs zu einer alten spanischen Mission kann Scottie aufgrund seiner Höhenangst dennoch nicht verhindern, dass Madeleine sich vom Glockenturm stürzt. Scottie verfällt in einen Starrezustand und wird in eine Nervenklinik eingewiesen.

Nach längerer Zeit trifft Scottie – oberflächlich geheilt, aber vom Tod seiner Geliebten nach wie vor gezeichnet – auf Judy, die Madeleine zwar verblüffend ähnlich sieht, charakterlich aber von ihr abweicht. Im Zuge einer sich entwickelnden Liebesbeziehung zwischen den beiden überredet er Judy – einem modernen Pygmalion gleich –, Aussehen und Verhalten von Madeleine zu übernehmen. Er erkennt, dass Judy und Madeleine tatsächlich ein und dieselbe Person und er selbst Opfer einer Verschwörung ist. Seinerzeit hatte Gavin Elster seine Frau umgebracht. Um den Mord zu vertuschen, sollte Judy als Komplizin ihre Rolle übernehmen und einen Selbstmord vortäuschen, den Scottie als hilfloser Zeuge glaubwürdig bestätigen konnte. Elster wusste, dass Scotties Höhenangst ihn hindern würde, der vermeintlichen Selbstmörderin bis auf die Spitze des Turms zu folgen. Dort wartete Elster mit der Leiche seiner Frau, die er im passenden Augenblick vom Turm warf.

Scottie kommt Judy auf die Schliche, als diese ein Schmuckstück anlegt, das einst Madeleine gehört hatte. Daraufhin fährt er mit Judy erneut zur Mission, um sie zu einem Geständnis zu bewegen. Er zwingt Judy, die damaligen Ereignisse im Turm nachzustellen, und überwindet durch die psychische Anspannung schließlich seine Höhenangst. Oben im Turm kommt es zur gegenseitigen Aussprache – und letztlich aufgrund ihrer Liebe gar zur Versöhnung. Aus Angst vor einer plötzlich auftauchenden dunklen Gestalt stürzt Judy in Panik vom Turm. Eine Missionsschwester hatte Geräusche vernommen und war den beiden gefolgt. Scottie ist von seiner Krankheit befreit, seine Liebe aber hat er endgültig verloren.

Hintergründe

  • Um das Schwindelgefühl überzeugend darzustellen, setzte Hitchcock erstmals den sogenannten Vertigo-Effekt ein. Hierbei fährt die Kamera von einem Objekt weg, während gleichzeitig auf das Objekt herangezoomt wird (oder umgekehrt). Der mittlere Bildbereich scheint sich nun viel schneller vom Zuschauer wegzubewegen als die Randbereiche. Dadurch entsteht eine seltsame Verschiebung, die bei schneller Ausführung des Vertigo-Effekts die optische Illusion des Schwindels erzeugt. Die Szene stellte Hitchcock vor einige technische Schwierigkeiten, weil man die Kamera nicht senkrecht das Treppenhaus hinunterlassen konnte. Deshalb ließ er das komplette Treppenhaus „liegend“ nachbauen; die Kamera konnte man hier auf einer horizontalen Schiene fahren lassen.
  • Der Vorspann des Films wurde von Saul Bass gestaltet.
  • Der Film wurde in dem seinerzeit von Paramount bevorzugtem Breitwandverfahren Vistavision gedreht. Mitte der 1990er Jahre wurde er aufwendig restauriert.
  • Die Welturaufführung des Films fand am 9. Mai 1958 in San Francisco statt.
  • Vertigo gilt als einer der persönlichsten Filme Hitchcocks. Dabei hat sich der Ruf des Films – und damit auch der Ruf Hitchcocks als Autorenfilmer – erst im Lauf der Zeit entwickelt. Zu seiner Veröffentlichung hat Vertigo seine finanziellen Kosten „nur“ eingespielt, so dass Hitchcock ihn in dem Interview Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?, das François Truffaut mit ihm führte, als nicht erfolgreichen Film bezeichnete. Zusammen mit Cocktail für eine Leiche (1948), Das Fenster zum Hof (1954), Immer Ärger mit Harry (1955) und Der Mann, der zuviel wußte (1956) war Vertigo danach für Jahrzehnte nicht verfügbar, da Alfred Hitchcock die Rechte daran zurückgekauft und sie als Teil seines Erbes für seine Tochter vorgesehen hatte. Diese Filme waren lange bekannt als die „Fünf verlorenen Hitchcocks“ und wurden erst 1984 wieder gezeigt.
  • Die Rolle der Madeleine sollte ursprünglich Vera Miles spielen, die jedoch aufgrund einer Schwangerschaft ausfiel. Es wurde sogar bereits ein Carlotta-Bildnis nach ihrer Vorlage angefertigt.
  • Brian De Palma drehte mit Schwarzer Engel 1976 eine Hommage. Der Film spielte in Terry Gilliams Science-Fiction-Film 12 Monkeys aus dem Jahre 1995 eine nicht unwesentliche Rolle. Ebenso im Musikvideo Last Cup Of Sorrow (1997) der US-Rockband Faith No More: Hier wird eine leicht übertriebene Zusammenfassung des Films als Hommage mit den Bandmitgliedern nachgestellt.

Rezeption und Wirkung

Die zeitgenössische Filmkritik, die der Weltpremiere Vertigos am 9. Mai 1958 in San Francisco beiwohnte, war sich fast einig: Obwohl zumeist das handwerkliche Geschick Hitchcocks und die Arbeit der Schauspieler hervorgehoben wurden, stand vor allem die Handlung und die Spannungskurve des Filmes in der Kritik, was zu überwiegend schlechten Urteilen führte. So schrieb Variety, dass „Vertigo ein erstklassiger jedoch auch unausgeglichener Hitchcock“[1] sei und stellte dem Film aufgrund der beiden Starschauspieler in den Hauptrollen hohe Profite am Box Office in Aussicht. Dies sollte sich jedoch für die Erstveröffentlichung des Filmes nicht bewahrheiten, die gerade mal die Produktionskosten von etwa 2,5 Millionen US-Dollar wieder einspielte.

Auch die New York Times mäkelte am Plot und meinte, die Auflösung des Filmes sei zwar clever, jedoch an den Haaren herbeigezogen[2]. Mit „Auch Hitchcocks sporadische Ausbrüche in rasante Action, seine formale Geschicklichkeit und seine einfallsreiche Farbdramaturgie können das Interesse über lange Strecken nicht aufrechterhalten.“[3] reihte sich die Saturday Review in eine Zahl von ähnlichen Beurteilungen des Filmes ein. Der New Yorker urteilte noch härter: „Alfred Hitchcock […] hat sich nie zuvor solch einem weit hergeholten Unsinn hingegeben.“[4]

Erst durch die Wiederaufführung des lange Zeit zurückgehaltenen Films 1984 erhielt Vertigo die Würdigungen, die seinen Ruf aus heutiger Sicht bestimmen. Mittlerweile wird er als einer der besten Filme der 1950er Jahre bezeichnet und oft sogar als einer der besten Filme überhaupt neben Werke wie Citizen Kane von Orson Welles (1941) oder Stanley Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum (1968) gestellt. 2003 erstellte die Bundeszentrale für politische Bildung in Zusammenarbeit mit zahlreichen Filmschaffenden einen Filmkanon für die Arbeit an Schulen und nahm diesen Film in ihre Liste mit auf.

Das Lexikon des internationalen Films urteilt über den Film: „Brillantes psychologisches Seelendrama. In höchst perfekter Spannungsdramaturgie werden die Schichten und Widersprüche des inneren Seelentheaters der Hauptfigur aufgedeckt. Berühmt an diesem Film wurde auch Hitchcocks Trick, die Höhenangst James Stewarts im Treppenhaus des Turms durch die Kombination eines Zooms mit einer gegenläufigen Kamerafahrt darzustellen, die dessen Schwindelgefühl in den Zuschauer überträgt.“

Die Süddeutsche Zeitung schreibt: „Alfred Hitchcock spielt offen mit Sexualsymbolen. Hemmungsloser und aufrichtiger hat Hitchcock nie sein Innerstes nach außen gekehrt. Ein legendäres Kunstwerk.“

Auszeichnungen

1958: San Sebastián International Film Festival

  • Silberne Muschel (Concha de Plata) für Alfred Hitchcock
  • Zulueta Preis für James Stewart (und Kirk Douglas für Die Wikinger 1958)

1996: New York Film Critics Circle Award

  • Für die bemerkenswerteste Neu-Vorstellung (nach der Restaurierung 1996)

Vertigo – Aus dem Reich der Toten wird bei der vom American Film Institute (AFI) veröffentlichten Liste der besten Filme aller Zeiten in der Ausgabe von 1998 auf Platz 61 aufgeführt. In der Ausgabe der 2007 erschienenen Fassung konnte sich der Film sogar auf Platz 9 verbessern. Ebenso listete das AFI den Film in folgenden Listen:

  • 100 Thrills – Die 100 besten amerikanischen Thriller (2001: Platz 18)
  • 100 Passions – Die 100 besten amerikanischen Liebesfilme aller Zeiten (2002: Platz 18)
  • 100 Years of Film Scores – Amerikas beste Filmmusik (2005: Platz 12)
  • Die 10 bedeutendsten Filme in 10 klassischen Genres (2008: Platz 1 im Genre der Mysteryfilme)

Cameo-Auftritt

Man sieht Hitchcock als Passanten, kurz bevor Scottie Gavin Elsters Firma betritt (siehe Cameo-Auftritt).

Deutsche Synchronfassungen

Es existieren drei deutsche Synchronfassungen, die alle bei der Berliner Synchron GmbH Wenzel Lüdecke erstellt wurden.

Die erste Fassung entstand 1958 im Auftrag der Paramount zur deutschen Erstaufführung am 3. Februar 1959 (Buch: Christine Lembach, Dialogregie: Volker J. Becker). Da die Rechte an Vertigo – Aus dem Reich der Toten vertragsmäßig nach acht Jahren an Hitchcock fielen, wurden wie auch bei Das Fenster zum Hof um das Jahr 1967 alle ausländischen Kinokopien des Films offiziell vernichtet. Zuvor strahlte die ARD die deutsche Originalversion von 1958 am 21. Mai 1966 einmalig aus. Es handelte sich dabei um eine Schwarz-Weiß-Sendung, da es zu dieser Zeit in Deutschland kein Farbfernsehen gab. Diese Sendekopie ist die einzige vollständig erhaltene Erstsynchronfassung. Weiters existieren lediglich zwei gekürzte 16-mm-Schwarz-Weiß-Kopien.

Da die deutsche Originalversion zum Zeitpunkt der ersten Wiederaufführung des Films im Jahr 1984 als verschollen galt, wurde parallel zur Neusynchronisation von Das Fenster zum Hof und Cocktail für eine Leiche eine zweite Synchronfassung erstellt (Buch: Hans Bernd Ebinger; Regie: Martin Grossmann). Universal hatte inzwischen die Rechte zahlreicher Paramount-Filme aufgekauft oder übernommen – darunter auch einige Filme Hitchcocks. Für diese zweite Synchronfassung konnte wieder Siegmar Schneider als deutsche Stimme für James Stewart gewonnen werden – die weiteren Rollen wurden jedoch neu besetzt. Diese Fassung lief in den 1980er Jahren mehrfach im deutschen Fernsehen, darunter erstmalig in der DDR am 30. Dezember 1989. In den 1990er Jahren vertrieb CIC Video den Film auf VHS-Kassetten.

Im Jahre 1997 sollte Vertigo – Aus dem Reich der Toten noch einmal aufgeführt werden – diesmal in einer von Robert A. Harris und James C. Katz aufwändig restaurierten Fassung. Erneuert wurde dabei nicht nur das Filmbild, sondern auch der ursprüngliche Soundtrack. Um diesen auch in der deutschen Version verwenden zu können, gab man eine neue Synchronfassung in Auftrag. Diese entstand 1997 unter Verwendung von Ebingers Dialogbuch aus dem Jahr 1984; Dialogregie führte Lutz Riedel. Für den zwei Jahre zuvor verstorbenen Siegmar Schneider übernahm Sigmar Solbach die Synchronisation James Stewarts. Für heutige DVD-Auflagen und Fernsehausstrahlungen wird diese Fassung verwendet.

Rolle Darsteller Sprecher (1958) Sprecher (1984) Sprecher (1997)
Scottie James Stewart Siegmar Schneider Siegmar Schneider Sigmar Solbach
Madeleine/Judy Kim Novak Gisela Trowe Rita Engelmann Martina Treger
Midge Barbara Bel Geddes Sigrid Lagemann Hallgard Bruckhaus Susanna Bonasewicz
Gavin Elster Tom Helmore Wolfgang Eichberger Horst Schön Norbert Langer

Literatur

  • Pierre Boileau, Thomas Narcejac: Vertigo. Aus dem Reich der Toten (Originaltitel: D'Entre les morts). Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1998, ISBN 3-499-26115-4
  • Robert A. Harris, Michael S. Lasky, Hrsg. Joe Hembus: Alfred Hitchcock und seine Filme (OT: The Films of Alfred Hitchcock). Citadel-Filmbuch bei Goldmann, München 1976, ISBN 3-442-10201-4
  • Marian E. Keane: A Closer Look at Scopophilia: Mulvey, Hitchcock, and Vertigo
  • Marshall Deutelbaum, Leland Poagne (Hrsg.): A Hitchcock Reader Lower State University Press, 1986

Einzelnachweise

  1. o. A.: Vertigo. In: Variety, Mai 1958.
  2. Bossley Crowther: 'Vertigo': Melodrama Arrives at the Capitol. In: New York Times, 29. Mai 1958.
  3. Kritik der Saturday Review, zitiert nach: Joe Hembus (Hg.): Alfred Hitchcock und seine Filme. Citadel-Filmbuch bei Goldmann, München 1976. ISBN 3-442-10201-4, S. 194.
  4. John McCarten: Vertigo. In: The New Yorker, 1958. Zitiert nach: Robert E. Kapsis: Hitchcock: The Making of a Reputation. Chicago, The University of Chicago Press 1992. ISBN 0-226-42489-8, S. 54.

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