- Visitenkartenportrait
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Als Visitenkartenporträt (auch Visitenkartenfoto, Visit oder Carte-de-visite) bezeichnet man Porträtfotografien, die ab Mitte des 19. Jahrhunderts im standardisierten Format von 5,5 × 9 cm auf einen dünnen Karton aufgezogen wurden – sie hatten demnach etwa die Größe einer Visitenkarte. Diese wurden häufig zwischen Freunden und Familienangehörigen ausgetauscht und in speziellen Alben gesammelt.
Das Verfahren wurde 1854 von André Adolphe-Eugène Disdéri patentiert und hielt sich danach noch knapp bis ins 20. Jahrhundert. Bei den deutschen Studentenverbindungen wurden die Bilder noch bis in die beginnenden 1920er Jahre als Erinnerungsstücke verschenkt.
Inhaltsverzeichnis
Popularität
Als in den 1850er Jahren eine Technik entwickelt wurde, bei der man mehrere Negative auf einer einzigen Glasplatte unterbringen konnte, erlangte diese Carte-de-visite große Beliebtheit, da die Kosten für die Portraitfotografie deutlich reduziert wurden.
Bedeutung erlangten die Visitenkartenporträts als erster fotografischer Massenartikel, der sowohl in Massenproduktion gefertigt als auch in Massen verbreitet wurde. Vergleichsweise gering ist dagegen der künstlerische Wert:
„Als Porträtaufnahmen hatten die meisten cartes-de-visite nur geringen ästhetischen Wert. Man machte keinerlei Versuch, den Charakter des Porträtierten durch eine differenzierte Beleuchtung oder durch Wahl einer bestimmten Körperhaltung oder eines Gesichtsausdrucks zu verdeutlichen“
– Beaumont Newhall, Geschichte der Fotografie, 1998, S. 68.
Heute dagegen sind Visitenkartenporträts wichtige Zeitzeugnisse für Historiker und Soziologen.
Verfahren
Bei den Visitenkartenporträts handelte es sich um auf Karton aufgezogene Papierkopien von Kollodium-Nassplatten-Negativen, die mit Spezialkameras belichtet wurden. Dabei wurden nicht kleine Negative vergrößert, die Problematik bestand vielmehr darin, überhaupt ein entsprechend kleines Aufnahmeformat zu erreichen; um 1850 lagen die Plattengrößen zwischen 16,5 × 21,6 cm (6 1/2 × 8 1/2 Zoll, Ganzplatte) und 5,1 × 6,4 cm (2 × 2 1/2 Zoll, Neuntelplatte).
André Adolphe-Eugène Disdéris Spezialkamera verfügte daher über vier Objektive und eine verschiebbare Plattenkassette. Mit Hilfe der Mehrfachoptik konnten auf jeder Hälfte der Glasplatte jeweils vier Belichtungen aufgenommen werden; dann wurde die Platte mit Hilfe der Kassette verschoben, und die nächsten vier Belichtungen konnten auf der zweiten Hälfte festgehalten werden.
Anschließend wurden auf Albuminpapier Abzüge im Negativformat von etwa 8 × 10 Zoll angefertigt, die in das Vistenkartenformat zerschnitten wurden. Die einzelnen Mini-Porträts waren dann etwa 5,5 × 9 cm groß und wurden auf Karton mit Abmessungen von etwa 6,3 × 10 cm montiert.
Anwendung und Verbreitung
Die Visitenkartenporträts entwickelten sich zu einem enormen Erfolg; allein in England wurden im Zeitraum von 1861 bis 1867 zwischen 300 und 400 Millionen Cartes-de-visite jährlich hergestellt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war es üblich, Visitenkartenporträts zu verschenken und in Fotoalben zu sammeln. Auch von Prominenten wurden Visitenkartenporträts angefertigt und verkauft; so sollen nach dem Tod des britischen Prinzgemahls 70.000 Porträts verkauft worden sein.
Geschichte und Entwicklung
Die erste Notiz über die Einführung des Visitportraits (Carte de Visite) findet man in der französischen Zeitschrift La Lumiere vom 28. Oktober 1854 wo es heißt: „Eine originelle Idee hatten E. Dellesert und Graf Aguado bezüglich der Verwendung kleiner Portraits. Bis jetzt trugen die Visitkarten Namen, Adresse und zuweilen den Titel der Personen welche sie vorstellten. Weshalb sollte man nicht den Namen durch das Bildnis ersetzen können?“
Nach einer anderen Version soll der Herzog von Parma als Erfinder der Carte de Visite gelten. Er hatte 1857 den Einfall sich auf seine Visitenkarte ein Photo zu kleben.
Den wirklichen Aufschwung bekam die Visitkartenphotographie durch den Pariser Photographen und „Erfinder“ des Visitenkartenporträts André Adolphe-Eugène Disdéri, der 1854 auf diese Anwendung des Kollodiumverfahrens in Frankreich ein Patent angemeldet hatte.
Um 1866 wurde das Visitenkartenformat durch die größere Kabinettkarte (auch Cabinet) verdrängt.
Siehe auch
Literatur
- Helmut Gernsheim: Die Portraitphotographie – eine neue Industrie. Anspruch und Kritik. Wegbereiter der Kunstphotographie. Das Cliché verre und Das Visitenkartenporträt. Disdéri und die Folgen. Höhepunkte der "Kartomanie". In: ders.: Geschichte der Photographie. Die ersten hundert Jahre. Propyläen: Frankfurt a. M., Berlin und Wien 1983, S. 285–292 und 355–368.
- Josef Maria Eder: Geschichte der Photographie, Erster Band, erster Teil, erste Hälfte. Vlg. Wilhelm Knapp Halle (Saale) 1932. S. 487
- Jochen Voigt: "Faszination Sammeln: Cartes de Visite. Eine Kulturgeschichte der photographischen Visitenkarte". Edition Mobilis Chemnitz 2006
Weblinks
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