Vivienne Isabel Swire

Vivienne Isabel Swire
Vivienne Westwood, 2008

Dame Vivienne Westwood (* 8. April 1941 als Vivienne Isabel Swire in Glossop, Derbyshire) ist eine englische Modedesignerin.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Die frühen Jahre

Westwood wurde als erstes von drei Kindern in einer mittelenglischen Kleinstadt geboren, 13 Meilen östlich von Manchester. Ihre Mutter Dora Ball war Weberin in der örtlichen Baumwollspinnerei und ihr Vater Gordon Swire kam aus einer Familie von Schuhmachern. 1944 kam ihre Schwester Olga und 1946 ihr Bruder Gordon zur Welt. Nach dem 2. Weltkrieg übernahmen sie ein kleines Postamt in der Gemeinde Tintwistle. 1958 zog sie mit ihren Eltern nach Harrow (Middlesex, jetzt Greater London), wo diese nun eine größere Postfiliale leiteten. Westwood besuchte nur ein Semester lang die Harrow Art School, wo sie Mode und Silberschmiedekunst belegte, doch konnte sie sich als Tochter von Arbeitern noch keine berufliche Zukunft damit vorstellen. Daraufhin machte sie eine Lehrerausbildung und unterrichtete dann ab 1961 an einer Grundschule in Willesden im Norden Londons. Sie heiratete 1962 den Werkzeugmacher Derek Westwood und hatte mit ihm den Sohn Benjamin Arthur (Ben). Nach drei Jahren flüchtete sie mit Ben zu ihrer Tante Ethel in Nordwales und ließ sich wieder scheiden. Danach traf sie Malcolm Edwards (alias McLaren), einen Freund ihres Bruders, der am benachbarten Harrow Technical College studiert hatte. Mit ihm bekam sie 1967 einen weiteren Sohn namens Joseph Ferdinand Corre und unterrichtete noch bis 1971. Als Mutter zweier Söhne begann sie vermehrt, ihre eigene Kleidung zu schneidern. Seit ihrer Schulzeit interessierte sie sich für das Modemachen. Sie zerlegte dazu die Nähte der jeweiligen Kleidung, um den Schnitt herauszufinden und nähte dann alles originalgetreu wieder zusammen. Diese Angewohnheit, den Dingen auf den Grund zu gehen, bewahrte und perfektionierte sie bis zum heutigen Tage. Die Radikalität ihrer Einstellung sollte sich nicht nur auf die Mode beschränken.

Radical chic und Professionalisierung

Die aus der Not geborene Tätigkeit entwickelte sie bald zu einer ansehnlichen Fähigkeit. Daher gründete sie im November 1971 mit ihrem Mann Malcolm McLaren und Patrick Casey in der Londoner „King’s Road 430“ ihre erste Boutique unter dem Namen „Let it rock at Paradise Garage“. Der Hauptanteil der Kleidung ging an „Teds“, da McLaren selbst Teddyboy-Anzüge trug und die damals dominante Hippiebekleidung verachtete. Als der Rassismus und Sexismus der Teds immer offensichtlicher wurde, schlossen sie ihren Laden. Das nächste Geschäft im Frühjahr 1973 benannten sie in Erinnerung an den frühen Tod der Schauspielerikone James Dean „Too Fast To Live, Too Young To Die“. Ende 1974 änderte man wieder den Namen in „Sex“ und das Sortiment wechselte auf Erotikwäsche und S&M-Artikel. Die Radikalisierung von Westwoods Weltsicht spiegelte sich auch in der weiteren Namensgebung ihrer Boutiquen: „Seditionaries - Clothes for Heroes“ („Aufwiegler“) und „World’s End“. 1975 wurde McLaren zum Manager der Sex Pistols und später auch der New York Dolls. 1983 trennte sich das Paar. Heute möchte Vivienne Westwood nicht mehr auf das Label der "Queen of Punk" festgelegt werden. Sie gilt als eine harte Arbeiterin und strenge Kritikerin. Noch 1993 wohnte sie bescheiden in einer Sozialwohnung.

High Fashion

Mittlerweile gilt sie als die führende Institution von Mode made in England. Das Modeblatt "Women's Wear Daily" erkor sie neben Saint Laurent, Umberto Ungaro, Giorgio Armani, Karl Lagerfeld und Christian Lacroix zu einer der sechs wichtigsten Modemacher unserer Zeit. Berühmt wurde sie durch ihre neu und exzentrisch zusammengesetzten Kombinationen von historischer Bekleidung, seltenem Textilgewebe und Webmustern (Dessins). Einer gewissen Vorliebe zu schottischen Karos ist sie bis heute treu geblieben. Auch ethnische Einflüsse verarbeitet sie gerne in ihren Entwürfen. Mode sollte nach ihrer Auffassung die Individualität herausstreichen.

Kollektionen

Westwoods erste professionelle Mode-Kollektion schneiderte und präsentierte sie 1981, die sie mit wallenden Hosen und Rüschenhemden an Seefahrern orientierte und „Pirates“ nannte. 1982 folgte eine Kollektion, die sich dem Landhaus- und Cowboy-Stil annäherte und nun „Nostalgia of the Mud“ hieß. Diese ließ sie in Paris vorführen, der Welthauptstadt der Mode, und war dort damit die erste englische Modemacherin seit Mary Quant in den 1960er Jahren. Die folgenden Kollektionen führte sie nach der Trennung von ihrem Mann gänzlich eigenständig durch. 1983 folgte „Witches“, die ethnische Einflüsse mit Konfektionsmode kombinierte. Mit „Cut and Slash“ zeigte sie 1990 ihre erste Herrenkollektion in Florenz. Bei „Vive la Cocotte“ 1995 verwendete sie typische Erkennungsmerkmale aus der Halbwelt-Mode und Stilelemente des Nude-Look. In ihrer „Five Century ago“-Kollektion von 1997 inszenierte sie sich selbst als Elizabeth I. Höfische Moden nahm sie immer wieder als willkommene Anregung für eine opulente Neukostümierung der Damen- und Herrenmode. So sorgt sie mit hohen Absätzen, Korsetts, hochgeschnürten Busen und betonten Hüften bei den Frauen für mehr erotische Anziehungskraft und bei den Männern mit taillierten Jacken und Pumphosen für mehr Androgynität.

Die Frühjahr-/Sommer-Kollektion 2008 nannte sie 56, um damit gegen die Initiative von Premierminister Gordon Brown zu protestieren, die Zeitdauer, in der Verdächtige ohne Anklage inhaftiert werden können, auf 56 Tage zu erhöhen (Terrorism Bill 2005).[1]

Andere Projekte

Ende der 80er wurde sie zur Gastprofessorin für drei Jahre an die Universität für angewandte Kunst Wien berufen. Dort lernte sie den Studenten Andreas Kronthaler kennen und heiratete ihn am 14. Mai 1992. Sie lebt mit ihm zusammen in Battersea im Südwesten von London. Einen ersten Schritt in die Theaterwelt unternahm sie 1996 als Kostümbildnerin am Wiener Burgtheater. Dort arbeitete sie bei einer Theaterinszenierung der Dreigroschenoper mit (Regie: Paulus Manker, Bühnenbild: Erich Wonder, Dirigent: Peter Keuschnig).

Von 1993 bis 2005 nahm sie am Fachbereich Modedesign der Berliner Universität der Künste einen Lehrauftrag wahr, bei dem sie in Blockseminaren insgesamt 65 Studierende unterrichtete und diplomierte. Auch hier orientierte sie ihre Schüler im ersten Studienjahr nach historischen Vorbildern. Das Abschlussdéfilé ihrer Diplomanden und das Ende ihres Lehrauftrages feierte man in der Abflughalle des Flughafens Tempelhof. Mit ihrem Engagement in Berlin förderte sie auch die Möglichkeit von Berlin als zukünftiger Mode-Hauptstadt von Deutschland.

Neben London hat sie noch Dependancen in Paris und Tokio, die sie in der Firma Vivienne Westwood gemeinsam mit ihrem Ehemann leitet. Außer Modedesign entwarf sie auch Teegeschirr für Wedgwood und Swatch-Uhren. Schließlich etablierte sie auch die Parfümmarken "Boudoir" und "Libertine" sowie die Körperpflegeserie "Les Coquetteries".

Westwood will sich künftig auch für politische und literarische Projekte engagieren. So fordert sie u.a. die Freilassung von Leonard Peltier und die Schließung des Gefängnisses von Guantánamo Bay.

Wegen der geplanten Verschärfung der Anti-Terror-Gesetze in Großbritannien hatte die Modemacherin im September 2005 für die britische Bürgerrechtsorganisation Liberty ein Hemd mit der Aufschrift entworfen: „Ich bin kein Terrorist. Bitte nehmt mich nicht fest.“ [2] Mitte März 2007 protestierte sie mit Annie Lennox und Bianca Jagger gegen eine Neuanschaffung von Atom-U-Booten.[3]

Nach einem Gespräch mit der Tierrechtsorganisation PETA entschloss sich Westwood im Oktober 2007, keine Tierfelle mehr für ihre Kostüme und Accessoires zu verwenden.[4]

Am 11. November 2007 machte Westwood im Rahmen der «Berliner Lektionen», einer Matinee-Reihe der Berliner Festspiele und der Bertelsmann AG, ihr politisches Manifest «Active Resistance to Propaganda»[5] bekannt. Sie rief darin zum Widerstand gegen Propaganda jeglicher Art und zu Konsumverzicht auf, indem sie dies in fiktiven Dialogen zwischen Alice (im Wunderland), Pinocchio, Aristoteles und Anderen vermittelt.[6] Weiterhin plädierte sie darin für klassische Bildung und distanzierte sich von abstrakter Kunst. Die Presse-Reaktionen waren verhalten und die Bewertungen erstreckten sich von "charmant-naiv" bis "konservativ-elitär".[7]

Auszeichnungen

Literatur

  • Mulvagh, Jane (1999): Vivienne Westwood. Die Lady ist ein Punk. Biographie. Düsseldorf: Marion von Schröder Verlag, 519 S., Ill., Deutsch von Christiane Bergfeld. Originaltitel: Vivienne Westwood. An Unfashionable Life. London: HarperCollinsPublishers ISBN 3-547-76941-8
  • Pollack, Anna: Modequeen Westwood am Wiener Burgtheater. Eine Untersuchung über Modedesigner als Kostümbildner: Die Kostüme Vivienne Westwoods für "Die Dreigroschenoper". Wien: Universität Wien, Diplomarbeit, 2001, 198 S., Ill.
  • Wilcox, Claire (2005): Vivienne Westwood. Berlin: Nicolaische Verlagsbuchhandlung, ca. 244 S., ca. 367 farb. Abb., 20 s/w Abb. ISBN 3-89479-254-X

Siehe auch

Quellen

  1. Präsentation der Kollektion "Red Label" 2008
  2. Liberty: Vivienne Westwood, September 2005 (archiviert)
  3. „Neue Atom-U-Boote für Grossbritannien. Parlament für teure Aufrüstung“, NZZ, 14. März 2007
  4. Vivienne Westwood verzichtet auf Pelz! Umweltjournal.de, 2. November 2007
  5. Active Resistance to Propaganda
  6. „Rembrandt statt Che Guevara“, Die Zeit, 12. November 2007
  7. „Politisches Manifest von Vivienne Westwood“, Ö1 Inforadio, 12. November 2007

Weblinks

Modefotos

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