Volksherrschaft

Volksherrschaft
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Zunächst bezeichnete Demokratie (gr. Δημοκρατία, von δήμος [démos], „Volk“, und κρατία [kratía], „Herrschaft“, vgl. -kratie) im antiken Griechenland die direkte Volksherrschaft. Unter Volk verstand man unter damaliger Auffassung einen sehr eng gefassten Begriff, der nur einer bestimmten Gruppe von Bürgern politische Partizipationsrechte einräumte. So konnten in einer griechischen Polis nur Männer an Volksversammlungen teilnehmen. Heute wird Demokratie zumeist als allgemeiner Sammelbegriff für Herrschaftsformen gebraucht, deren Herrschaftsgrundlage aus einem weitgefassten und pluralistischen Volksbegriff abgeleitet wird, mit umfassenden Partizipationsrechten für alle Bürger ab Vollendung des 18. (oder etwa schon des 16.) Lebensjahres: diese betreffen z. B. die direkte Demokratie, repräsentative Demokratie, Radikaldemokratie, Basisdemokratie.

Die Demokratie ist in Deutschland (Art. 20 Abs. 1 GG), Österreich (Artikel 1 B-VG) und der Schweiz (Präambel der schweizerischen Bundesverfassung) als tragendes Verfassungsprinzip fest verankert.

Inhaltsverzeichnis

Die demokratische Entscheidung

Damit eine Entscheidung als demokratisch gilt, müssen neben dem Mehrheitsprinzip weitere Kriterien erfüllt sein:

  • Gleichheit: Jeder darf an Wahlen und Abstimmungen teilnehmen (aktives Wahlrecht) und hat genau eine Stimme. Undemokratisch sind daher zum Beispiel Staaten ohne Frauenwahlrecht oder Aktiengesellschaften, bei denen die Stimmen nach Kapitalbesitz gewichtet werden.
  • Freie Wahl: Es darf kein Zwang ausgeübt werden. Um dem vorzubeugen, wird häufig geheim abgestimmt. Es sollte auch hinreichend viel Zeit für die Entscheidung zur Verfügung stehen.
  • Informationsfreiheit: Im Idealfall sollte jeder Teilnehmer wissen und verstehen, was er entscheidet. Da Wissen und Verstehen aber schwer überprüfbar sind, gilt als Demokratie-Kriterium der freie Zugang zu allen Informationen, die für die Entscheidung maßgeblich sind.
  • Meinungsfreiheit: Der politischen Entscheidung sollte ein freier Austausch der Meinungen und Standpunkte vorausgehen.
  • Passives Wahlrecht: Bei Personalentscheidungen sollte jeder kandidieren dürfen.
  • Alternativen: Eine echte Entscheidung kann nur getroffen werden, wenn es mehrere Alternativen gibt. Als Sonderfall gilt aber auch eine Abstimmung mit nur einer Alternative als demokratisch, sofern die anderen Demokratie-Kriterien gewahrt bleiben.

Der demokratische Staat

Der wichtigste Anwendungsfall der Demokratie ist die Staatsführung. Ein Staat gilt als demokratisch, wenn die folgenden Kriterien zutreffen:

  • Es gibt einen Demos (Volk), welcher politische Entscheidungen in kollektiven Prozeduren trifft.
  • Es gibt ein Territorium, in dem die Entscheidungen innenpolitisch angewendet werden und in dem der Demos angesiedelt ist. Heutzutage ist dies das Territorium des Nationalstaates und weil dies theoretisch mit der Heimat des Volkes korrespondiert, stimmen Demos und Reichweite des demokratischen Prozesses überein. Kolonien von Demokratien werden selbst nicht als demokratisch betrachtet, wenn sie vom demokratischen Mutterland regiert werden. (Demos und Territorium stimmen nicht überein.)
  • Es gibt für politische Normen eine Entscheidungsfindungsprozedur, welche entweder direkt (z. B. als Referendum) oder indirekt (z. B. über die Wahl eines vertretenden Parlamentes) funktioniert. Diese Prozedur wird vom Demos bereits dadurch als legitimiert betrachtet, insofern sein Ergebnis „akzeptiert“ wird. In einer repräsentativen Demokratie wird die politische Legitimität der Repräsentanten aus der Bereitschaft der Bevölkerung abgeleitet, die Entscheidungen des Staates (auch die der Regierung und der Gerichte) entgegen individuellen Vorzügen und Interessen zu akzeptieren oder hinzunehmen. Dies ist deshalb wichtig, weil demokratische Wahlen immer Gewinner und Verlierer haben. Zumindest muss die Prozedur geeignet sein, Regierungswechsel herbeizuführen, sofern eine ausreichende Unterstützung dazu existiert. Scheinwahlen, die ein existierendes Regime nur bestätigen können, sind nicht demokratisch.
  • Im Fall von Nationalstaaten müssen diese souverän sein: demokratische Wahlen sind nutzlos, wenn eine Autorität von außen das Ergebnis überstimmen kann. Ausnahmen kann es im Falle der Suzeränität geben (Bsp. Island).
  • Ein unverzichtbares Merkmal einer Demokratie ist schließlich, dass durch wiederkehrende verbindlich festgelegte Verfahren die Regierung ohne Revolution wechseln kann. In vorwiegend direkt-demokratischen Systemen übt das Volk die Macht selbst aus. Es entscheidet zum Beispiel mittels Volksabstimmungen und kooperativer Planung in Sachfragen selbst. In Repräsentativen Demokratien werden hierzu von den Bürgern Repräsentanten gewählt (oder in der Vergangenheit auch per Los bestimmt), die die Herrschaft ausüben sollen.
  • Die Freiheit, durch eigene kreative Mitbestimmung, durch eigene Ideen, der Welt zu helfen.

Moderne Demokratien

Nach den Berichten von Freedom House, einer amerikanischen Organisation, die die Entwicklung der Demokratie weltweit beobachtet, gab es im Jahre 1900 weltweit 55 souveräne Staaten, von denen keiner eine Demokratie war. Dies liegt daran, dass die freiheitlich verfassten Staaten dieses Jahres kein passives Wahlrecht für Frauen kannten, was nach den Kriterien von Freedom House eine Grundvoraussetzung für eine Demokratie ist. Im Jahr 1950 gab es unter den nunmehr 80 souveränen Staaten immerhin schon 22 Demokratien. Für 1999 zählt Freedom House 192 souveräne Staaten und fast die Hälfte, 85 Staaten, zu den Demokratien. Entscheidend für diese Einstufung sind zwei Kriterien: Politische Rechte (political rights) und Bürgerfreiheiten (civil liberties), die in diesen Ländern Mindeststandards genügen. Unter den hinzugekommenen Staaten sind viele junge Demokratien, die erst in den letzten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in Osteuropa, Asien und Lateinamerika entstanden sind.

Geschichte

Die Geschichte der Demokratie ist eng verknüpft mit der Entwicklung der Idee des Naturrechts, die wiederum eng verwandt ist mit dem Begriff der Menschenrechte.

Antike

Ausgehend von den Naturrechten wurde die Idee der Gleichberechtigung der Freien entwickelt, die sich in den frühen Ansätzen demokratischer Gesellschaften wiederfindet. Die Mitgestaltungsbefugnisse eines Menschen hingen zunächst vom Status der Person ab: Nur Freie Bürger hatten diese Rechte inne – was Sklaven, Frauen und Nicht-Bürger (Ausländer u.a.) ausschloss.

Griechenland

Als erste Verwirklichung einer Demokratie in der Geschichte wird die antike Attische Demokratie angesehen, die nach heftigem Ringen des Adels und der Reichen mit dem einfachen Volk errichtet wurde und allen männlichen Vollbürgern der Stadt Athen Mitbestimmung in der Regierung gewährte, wenn man über 18 Jahre alt war. Die Anzahl der Vollbürger betrug etwa 30.000 bis 40.000 Männer. Bei wichtigen Entscheidungen, z. B. über Krieg und Frieden, mussten mindestens 6.000 anwesend sein. Beamte (z. B. die Archonten) wurden ursprünglich durch das Los bestimmt – lediglich zu Kriegszeiten wurden sie gewählt.

Diese Staatsform war nicht unumstritten, gewährte sie doch beispielsweise den Bürgern das Recht, Mitbürger, die als gefährlich für die Demokratie angesehen wurden, mit Hilfe des sogenannten Scherbengerichts (Ostrakismos) in die Verbannung zu schicken. Auch waren die Beschlüsse der Volksversammlung leicht beeinflussbar. Demagogen spielten nicht selten eine fatale Rolle in der Politik Athens.

Auch in anderen Poleis des attischen Seebunds wurden Demokratien eingerichtet, die aber vor allem dafür sorgen sollten, dass die Interessen Athens gewahrt wurden.

Der Althistoriker Christian Meier erklärte die Einführung der Demokratie durch die Griechen dadurch, dass sie entdeckt hätten, dass Demokratie die Antwort auf die Frage ist, wie es der Politik gelingen könne, auch die Herrschaft selbst zum Gegenstand von Politik zu machen. Aufgrund der Unzufriedenheit breiter Bevölkerungsschichten im griechischen Mutterland in spätarchaischer Zeit (7. und 6. Jahrhundert v. Chr.) und des Vorhandenseins unabhängigen und öffentlichen politischen Denkens, kam es zuerst zur Vorstufe der Demokratie, der Isonomie. Nicht zuletzt aufgrund der Erfolge der freien griechischen Poleis während der Perserkriege wurde diese Entwicklung beschleunigt und fand ihren Endpunkt in der attischen Demokratie, in der die Bürger in Athen die Möglichkeit bekamen, in einer auf breiteren Schichten basierenden politischen Ordnung mitzuwirken.[1]

Theorien des Aristoteles

Der antike Philosoph Aristoteles verwendet den Begriff Demokratie in seiner Πολιτικά negativ, um die Herrschaft der Armen zu bezeichnen. Diese nach seiner Auffassung entartete Staatsform würde nicht das Wohl der Allgemeinheit, sondern nur das Wohl des herrschenden Teils der Bevölkerung (eben der Armen) verfolgen[2]. Allerdings lehnte er die Demokratie (in ihrer gemäßigten Form) nicht strikt ab, wie etwa noch sein Lehrer Platon dies tat. Aristoteles plädierte im Ergebnis für eine Form der Mischverfassung zwischen Demokratie und Oligarchie, die so genannte Politie. Als Grundlage der demokratischen Staatsform bezeichnete Aristoteles die Freiheit. Da die Freiheit wichtigste Eigenschaft der Demokratie sei, wollten sich Demokraten am liebsten nicht regieren lassen, oder dann doch nur abwechslungsweise. Zur Freiheit gehöre also, dass man abwechselnd regiere und regiert werde: „Alle Ämter werden aus allen besetzt, alle herrschen über jeden und jeder abwechslungsweise über alle“. Diese Ämter würden durch Los besetzt, vorzugsweise alle, jedoch diese, die nicht besonderer Erfahrung oder Kenntnisse bedürften. Die Ämter seien alle kurzfristiger Natur und dürften – abgesehen von Kriegsämtern – nur wenige Male besetzt werden.

Nach Aristoteles gibt es für die Freiheit drei Bedingungen:

  • Autonomia (altgr. αὐτονομία, „Autonomie, Selbstgesetzgebung“, aus αὐτός, „derselbe“ und νόμος „Gesetz“) In einer Demokratie hat also jeder Anteil am Gesetz, und zwar insofern, als das Zustandekommen des Gesetzes persönliche und direkte Anteilnahme verlangt. Man gibt sich selber eine Regel, und zwar nachdem, was man für gut erkannt, und hält sich dran.
  • Autochthonia (altgr. αὐτόχθων, „Selberdigkeit, eingeboren“, aus αὐτός, „derselbe“, und χθών chthon, „Erde“) Gemeint ist, dass das Volk alteingesessen, bodenständig und eingeboren sein solle. Mischung wird als Qualitäts-Minderung betrachtet.
  • Autarkia (altgr. αὐτάρκειαAutarkie, Selbstversorgung“ aus αὐτός, „derselbe“ und ἄρκος „Abwehr, Burg“) Gemeint ist die vollständige Versorgung aus dem Eigenen und die Abwehr fremder Götter, Waren und Dinge, die identisch gesehen werden und Abhängigkeiten brächten, mithin im Widerspruch zur Freiheit ständen und das freie Wachsen der eigenen Kultur beeinträchtigten. Aristoteles sagte: Der Anfang aller Kultur ist Verzicht. (gemeint ist: auf das Nicht-Eigene)

Die Freiheit wiederum wird abwechselnd von den Staatsformen Monarchie, Oligarchie und Demokratie am besten gewährleistet. Jede dieser Staatsformen entartet und gleitet so in die nächste über. Die Monarchie entartet zur Tyrannis, diese geht in die Aristokratie über, diese entartet in der Oligarchie und aus dieser erhebt sich mit klaren Regeln die direkte Demokratie, welche dann in der Herrschaft des Pöbels, der Ochlokratie, untergeht, u.s.w. u.s.f.

Rom

Auch die Römische Republik verwirklichte bis zur schrittweisen, kontinuierlichen Ablösung durch den Prinzipat eine Gesellschaft mit rudimentären demokratischen Elementen, basierend auf der Idee der Gleichberechtigung der Freien bei der Wahl der republikanischen Magistrate, wenn auch das oligarchische Prinzip bestimmend war. Andererseits vertritt der Historiker Millar einen anderen Standpunkt und interpretiert die Römische Republik viel mehr als eine Art direkt-demokratisches Staatswesen. Die historisch bedeutendere Leistung Roms dürfte allerdings die Etablierung einer frühen Form eines Rechtsstaats sein – einem Konzept, das ebenfalls eng mit unserem heutigen Demokratieverständnis zusammen hängt.

Mittelalter und Neuzeit

Spätestens mit dem Untergang des Römischen Reiches verschwand auch die demokratische Idee nahezu vollständig von der politischen Bühne Europas. Nur auf kommunaler Ebene wie in den deutschen Reichsstädten mit Bürgerrechten und Teilen der Schweiz überlebten diese Ideen teilweise. Eine weitere Ausnahme bildet Island, wo bereits im Jahre 930 das Althing, das älteste heute noch bestehende Parlament der Welt, gegründet wurde.

Die wohl früheste nationale demokratische Bewegung setzte erst wieder mit der Entstehung des britischen Unterhauses (House of Commons) im 13. Jahrhundert ein. Dieses anfangs rudimentäre Parlament hatte nur sehr wenige Rechte und war der Macht des Monarchen fast schutzlos ausgeliefert. Mit der Entwicklung der absoluten Monarchie verringerten sich die Einflussmöglichkeiten sogar noch. Erst mit dem englischen Bürgerkrieg entstand im 17. Jahrhundert mit dem besagten Unterhaus eine Volksvertretung mit umfangreichen Rechten. Das bedeutendste Dokument des Parlamentarismus ist die Bill of Rights von 1689, in der das nach England eingeladene neue Königspaar Wilhelm und Maria dem Parlament Immunität, Verfügung über die Finanzen und Recht auf Zusammentretung ohne Aufforderung des Königs zugestand, und damit die Grundrechte eines modernen Parlaments schuf. Die erste neuzeitliche Demokratie war entstanden. Es gab Abgeordnete, wie John Lilburne, der im Gegensatz zum System der attischen Demokratie, die Abschaffung von Sklaverei, Leibeigenschaft, dafür aber ein allgemeines und gleiches Wahlrecht für alle Männer forderten, die als „frei geboren“ gelten sollten. Lilburne war Wortführer der sogenannten Levellers („Gleichmacher“). Diese Sichtweisen stießen jedoch auf den Widerstand der Oberschicht. So wurde er unter der Herrschaft Oliver Cromwells jahrelang inhaftiert. Wie bereits die antiken Herrscher, so betrachtete auch die Oberschicht alle demokratischen Bewegungen mit größtem Misstrauen und warf ihnen aus Angst vor dem Verlust ihrer Privilegien vor, den Pöbel an die Macht bringen zu wollen.

1762 veröffentlichte Jean-Jacques Rousseau seine Idee vom Gesellschaftsvertrag (Du contract Social; ou Principes du Droit Politique) und etablierte mit dieser Vertragstheorie die identitäre Demokratie, welche Herrscher und Beherrschte gleichsetzt. Das so entstandene Prinzip der Volkssouveränität basiert auf dem Gemeinwillen, dem volonté générale. Auch die von John Locke und Charles Montesquieu etablierte Gewaltenteilung in Legislative, Judikative und Exekutive wird als elementarer Bestandteil eines modernen demokratischen Rechtsstaates betrachtet.

Zu dieser Zeit hatten sich in Nordamerika 5 Indianerstämme zum Bund der Irokesen zusammengeschlossen und sich eine Räte-Verfassung gegeben. Benjamin Franklin und andere amerikanische Staatsmänner ließen sich hinsichtlich der Ausgestaltung der amerikanischen Verfassung unter Anderem von den Irokesen anregen.[3]

Die Vorarbeiten dieser Philosophen, das Vorbild des englischen Parlamentarismus und auch das Vorbild der irokesischen Verfassung fanden Berücksichtigung, als mit der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika 1787 der erste moderne demokratische Staat entstand. Polen gab sich als zweiter Staat mit der Verfassung vom 3. Mai 1791 eine demokratische Staatsordnung und war damit der erste in Europa. Diese Prozesse inspirierten die Französische Revolution und führten zu einer schrittweisen Demokratisierung anderer europäischen Länder, wobei der englische Parlamentarismus besondere Erwähnung verdient.

Fast alle heute in Europa anzutreffenden demokratischen Regierungsformen basieren auf landesspezifischen aristokratischen Vorläufermodellen, bei denen Adel, wohlhabendes Bürgertum oder Kirchenvertreter ein Mitbestimmungsrecht bei der Steuererhebung, Fragen der Gewaltenteilung oder Herrscherwahl hatten (siehe auch Ständeordnung). Der Übergang von aristokratischen zu demokratischen Regierungsformen vollzog sich meist in der Form, dass zunächst allen Bürgern ein Wahlrecht zugestanden wurde, später dann Unterschiede in der Stimmgewichtung (Zensuswahlrecht), oder Ausschlüsse von Bürgerrechten für einzelne Bevölkerungsgruppen (Sklaven, Frauen, Angehörige ethnischer, sprachlicher oder religiöser Minoritäten) aufgehoben wurden.

Deutschlands Weg zur Demokratie

Die erste demokratische Staatsform des Deutschen Reiches war die Weimarer Republik von 1919 bis 1933, welche nach der Machtübernahme unter Adolf Hitler zwar als Republik weiterbestand, die Regierungsform aber durch eine totalitäre Diktatur abgelöst wurde. Durch die Gründung der Bundesrepublik Deutschland findet man seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine parlamentarische Republik vor, wobei das Demokratieprinzip nach dem Grundgesetz der Ewigkeitsklausel unterliegt. Eine Besonderheit ergab sich durch die Existenz der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone, die in dem Staat Deutsche Demokratische Republik mündete. Im Zuge der Deutschen Wiedervereinigung 1990 löste sich dieser Staat auf und seine Länder wurden Teile der föderativen Bundesrepublik Deutschland.

Siehe dazu auch:

Demokratieformen

Demokratie ist eine wandelbare Herrschaftsform. Im Laufe der Geschichte und in der politologischen Theorie hat sie sehr unterschiedliche Ausgestaltungen erfahren.

Direkte Demokratie

In der unmittelbaren bzw. direkten Demokratie nimmt das Volk unmittelbar und unvertretbar am Staatsgeschehen teil. In der Praxis tritt diese Form der Demokratie auf Staatsebene allerdings nie auf; viele Staaten betreiben jedoch eine mehr oder minder ausprägte Form Plebiszitärer Demokratie. In weiten Teilen der 68er- und Alternativbewegungen war statt direkter Demokratie der Begriff „Basisdemokratie“ üblich. Direkte Demokratie oder zumindest die Einführung von mehr plebiszitären Elementen auf Bundes- und Landesebene galten als erklärte Ziele.

Repräsentative Demokratie

Hauptartikel Repräsentative Demokratie

In der Repräsentativen Demokratie sind Repräsentanten des Volkes für eine begrenzte Zeit zur Machtausübung autorisiert. Nach Ablauf dieser Periode muss über die Zusammensetzung der Volksvertretung durch Wahl neu entschieden werden. Die Periode beträgt üblicherweise mehrere Jahre. In vielen Staaten hat sich ein Zeitraum von 4 bis 8 Jahren eingebürgert. Repräsentiert wird das Volk nicht nur in den gesetzgebenden Organen (Parlament, Rat) sondern auch in den gesetzesausführenden Organen (Regierung, Verwaltung). Letztere werden gelegentlich nicht vom Volk direkt gewählt, sondern indirekt über Volksvertreter.

Bei Wahlen geht die Staatsgewalt insoweit vom Volke aus, als dieses die Repräsentanten wählt (Personen oder Parteien), die die politischen Entscheidungen für die Zeit der nächsten Wahlperiode treffen. Beim reinen Verhältniswahlrecht kann der Wähler eine Partei benennen, die seinen politischen Vorstellungen am nächsten kommt. Im Parlament sind die Parteien dann mit der Stärke vertreten, die ihrem Stimmenanteil entspricht. Beim reinen Mehrheitswahlrecht zieht aus jedem Wahlkreis derjenige Bewerber ins Parlament ein, der dort die meisten Stimmen auf sich vereint. Auch verschiedene Mischformen kommen vor.

Mischformen

Plebiszitäre Demokratie

Die meisten modernen Demokratien sind repräsentative Demokratien mit direktdemokratischen Elementen auf nationaler und/oder kommunaler Ebene. Das Volk trifft sowohl Personal- als auch Sachentscheidungen (Plebiszite). Eine solche Mischform nennt man plebiszitäre Demokratie. Die Gewichtung der repräsentativen und direktdemokratischen Elemente kann dabei von Staat zu Staat unterschiedlich ausfallen. Deshalb unterscheidet man weiter zwischen halbdirekter, gemischter und bedingt repräsentativer Demokratie.

Der Begriff plebiszitäre Demokratie[4] wird daneben auch als Sammelbezeichnung für alle volksunmittelbaren Abstimmungen (Sachentscheidungen) verwendet. In der Schweiz ist der Begriff insofern gleichbedeutend mit Volksrechte.

Die Schweiz ist auf nationaler, kantonaler und kommunaler Ebene eine plebiszitäre Demokratie, wobei auf nationaler und in den meisten Kantonen auch auf kantonaler Ebene und in größeren Städten auf kommunaler Ebene ein Parlament legislativ tätig ist, und das Volk bei Parlamentsentscheiden nur über Verfassungsänderungen und über Gesetzesänderungen abstimmt. Zusätzlich gibt es für das Volk noch das Recht der Verfassungsinitiative, bei dem eine Anzahl Bürger eine Änderung der Verfassung vorschlagen kann, über die abgestimmt werden muss. Zudem kann mit genügend Unterschriften eine Volksabstimmung über ein vom Parlament beschlossenes Gesetz erzwungen werden. Einige kleine Kantone haben statt des Parlaments die Landsgemeinde. Auf kommunaler Ebene gibt es in kleineren Orten keine Volksvertretung, sondern Entscheide, die direkt in einer Bürgerversammlung diskutiert und abgestimmt werden.

Rätedemokratie

Hauptartikel: Rätesystem

Das Rätesystem stellt eine weitere Mischform zwischen direkter und repräsentativer Demokratie dar.

Präsidentielle und parlamentarische Regierungssysteme

Um den Bestand einer Demokratie durch Machtkonzentration nicht zu gefährden, werden üblicherweise nach dem Prinzip der Gewaltenteilung die Gesetzgebung und die Regierung voneinander getrennt. In der Praxis sind beide nicht unabhängig voneinander zu sehen (etwa über Parteizugehörigkeiten): Die Fraktion, die in der Volksvertretung die Mehrheit hat, stellt in der Praxis meist auch die Regierung. Das Gewaltenteilungsprinzip wird dadurch teilweise durchbrochen. Der Unterschied zwischen einem eher präsidentiell und einem eher parlamentarisch ausgerichteten Regierungssystem liegt im Ausmaß der Abhängigkeit der Regierung von der Volksvertretung.

  • Präsidentielle Systeme (etwa die USA) zeichnen sich durch eine starke Stellung des Regierungschefs gegenüber dem Parlament aus. Er ist gleichzeitig Staatsoberhaupt und dem Parlament gegenüber nicht verantwortlich.
  • In parlamentarischen Systemen hat sich die Regierung gegenüber dem Parlament zu verantworten. Dieses regiert daher in gewisser Weise mit. Es kann beispielsweise die Regierung unter bestimmten Voraussetzungen entlassen (so etwa in Deutschland).
  • Semipräsidentielle Systeme sind eine Mischform. Präsident und Regierungschef (Ministerpräsident) sind zwei unterschiedliche Personen mit gleichmäßig verteilter Macht (so etwa in Frankreich). Während die Regierung auch hier dem Parlament gegenüber verantwortlich ist, ist der Staatspräsident in seinem Aufgabenbereich weitgehend unabhängig in seiner Machtausübung.

Der Unterschied der Systeme wird beim Zustimmungserfordernis für bestimmte Entscheidungen deutlich: in den USA etwa kann der Präsident frei einen Militäreinsatz befehlen, in Deutschlands benötigt der Kanzler (Regierungschef) hierfür ein positives Votum des Parlamentes (→ Prinzip der Parlamentsarmee).

In präsidentiell orientierten Systemen wird der Präsidenten häufig direkt durch das Volk gewählt, um die starke Machtstellung durch stärkere Nähe zum Souverän besser zu legitimieren. Der Gewählte kann politische Opponenten auf seine hervorgehobene demokratische Legitimation und Machtfülle verweisen. In einer parlamentarischen Demokratie wird die Regierung meist vom Parlament gewählt und kann vom Parlament durch ein Misstrauensvotum auch wieder abgesetzt werden. Umgekehrt kann häufig auch das Parlament durch die Regierung aufgelöst werden.

Mehrheitsdemokratie, Konkordanzdemokratie und Konsensdemokratie

In Mehrheitsdemokratien wird die Regierung aus Parteien zusammengesetzt, die im Parlament die Mehrheit haben. Damit hat die Regierung gute Chancen, ihr politisches Programm beim Parlament durchzusetzen. Bei einem Regierungswechsel kann jedoch eine entgegen gesetzte Politik eingeschlagen werden. Großbritannien und die USA sind Beispiele für Mehrheitsdemokratien.

In einer Konkordanzdemokratie, werden öffentliche Ämter nach Proporz oder Parität verteilt. Alle größeren Parteien und wichtigen Interessengruppen sind an der Entscheidungsfindung beteiligt und die Entscheidung ist praktisch immer ein Kompromiss. Der Entscheidungsprozess braucht mehr Zeit und große Veränderungen sind kaum möglich, andererseits sind die Verhältnisse auch über längere Zeit stabil und es werden keine politischen Entscheide bei einem Regierungswechsel umgestürzt. Die Schweiz ist ein Beispiel für eine Konkordanzdemokratie. Die Abgrenzung von Konkordanz- und Konsensdemokratie ist schwierig und variiert sehr stark je nach Autor.

Konsensdemokratien zeigen gemeinhin eine ausgeprägte Machtteilung in der Exekutive, ein gleichberechtigtes Zwei-Kammern-System, die Nutzung des Verhältniswahlrechts und eine starre, nur durch Zweidrittelmehrheit zu ändernde Verfassung. Deutschland wird daher als Konsensdemokratie gesehen.

Nenn-Demokratien

Heutzutage wird kaum ein Staat der Welt von sich behaupten, nicht demokratisch zu sein. In der Regel wird der Begriff „Demokratie“ im Staatsnamen geführt. Dennoch führen zahlreiche Staaten die Demokratie zwar im Namen, wesentliche demokratische Elemente (zum Beispiel allgemeine, freie, gleiche und geheime Wahlen oder Abstimmungen) sind aber nicht verwirklicht. So wird zum Beispiel die Verwendung des Namens „Deutsche Demokratische Republik“ für einen der beiden deutschen Staaten zwischen 1949 und 1990 von vielen Deutschen nicht als zutreffend erachtet, da das Erfordernis der Freiheit der Wahl nicht erfüllt war. Die vorherrschende Form wurde als Volksdemokratie bezeichnet. Nenn-demokratisch sind auch vorgeblich „demokratische“ Abstimmungen, mit denen z. B. in diktatorischen Systemen Obrigkeitsentscheidungen durch das Staatsvolk „abzunicken“ sind (typisch: 99,8 % Ja-Stimmen; siehe auch Kleptokratie, Plutokratie, Mediendemokratie, Defekte Demokratie und Medienmanipulation).

Wirkungen

Demokratische Strukturen haben sich in vielen Staaten durchgesetzt, ebenso in einigen Kirchen, z. B. Presbyterianische Kirchen, Evangelisch-methodistische Kirche, Schweizer Landeskirchen (in der Schweiz werden sogar katholische Pfarrer von der Gemeinde gewählt), jedoch kaum in der Wirtschaft, wo nach wie vor strenge hierarchische Strukturen vorherrschen (Ausnahme Genossenschaften).

Gesamtgesellschaftliche Perspektive

Der demokratische Gedanke bedarf auch einer Verwirklichung in der Gesellschaft, damit die Prinzipien der demokratischen Staatsform auch in der Realität erfahrbar werden. Diese Auffassung, die das Demokratieprinzip auf möglichst alles ausdehnen will wird als Partizipatorische Demokratie bezeichnet.

Erst durch den Zugang zu Bildung für alle wird der Idealgedanke der Demokratie durch Ablösung der Monarchie ermöglicht, denn in einer Demokratie verläuft die politische Willensbildung von unten nach oben, wird also aus der Mitte der Bevölkerung an die Eliten getragen. In einer Diktatur, Oligarchie oder Aristokratie ist dies genau umgekehrt, hier wird die politische Willensbildung von einer Elite der Bevölkerung vorgegeben.

Demokratie sollte nicht verordnet, sondern als organischer Prozess verstanden werden, der in der Öffentlichkeit stattfindet und durch eine pluralistische Meinungsbildung nährt.

Hierdurch und durch den damit zwingend einhergehenden Schutz von Grundrechten (etwa Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit) soll eine Eigendynamik zustande kommen und organisierte Interessengruppen entstehen, die Einfluss auf die Politik nehmen können. Demokratie hat sich in vielen Ländern als breites fast universelles Konzept von Kommunikation und Willensbildung in nicht-politischen Bereichen etabliert: Unternehmensdemokratie, Kirchendemokratie, Marktdemokratie, Freizeitdemokratie.

In Brasilien entwickelte sich im Umfeld der Weltsozialforen auch Formen der partizipatorischen Demokratie mit dem Recht, direkt auf die Budgetverwendung Einfluss zu nehmen. [5]

Moderne Entwicklungen wie die Globalisierung, internationale oder supranationale Organisationen treten in Konkurrenz mit der Demokratie als politische, informatorische oder Entscheidungsstruktur (etwa: OPEC, ICANN, W3C, WTO). Von manchen werden sie gar als Bedrohung für die national entwickelte Demokratie empfunden, wenn weit tragende, längerfristige, übergeordnete Prozesse der wirtschaftlichen, ökologischen oder informativen, technologischen Entwicklung in politik- und damit demokratiefernen Foren verlagert werden und durch dort getroffene, faktisch wirksame Entscheidungen den Spielraum national geformter Herrschaft beschränken.

Eine besondere Situation ergibt sich in jenen Staaten, die einen abrupten Wechsel zur Demokratie vollziehen, wie dieses zum Beispiel 1990 in Deutschland erfolgt ist (Demokratisierung). Es zeigen sich in solchen Fällen über die oben genannten Einflüsse hinaus Nachwirkungen der abgelegten Systeme, die auf Grund der damit einhergehenden sozialen und ökonomischen Verwerfungen zu signifikanten Akzeptanzproblemen führen können. Die vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Daten ergeben für die Bundesrepublik Deutschland eine abnehmende Akzeptanz der Demokratie. Die Zahl derer, die in den alten Bundesländern eine andere Staatsform als die Demokratie besser finden ist im Zeitraum von 2000 bis 2005 von 9 % auf 17 % gestiegen, in Ostdeutschland von 27 % auf 41 %. Hierbei stehen Arbeitslose und Arbeiter der Demokratie am Kritischsten gegenüber (Quelle: Datenreport 2006). Auch andere Untersuchungen, wie etwa die im November 2006 bekannt gewordene Studie Vom Rand zur Mitte [6] über den Rechtsextremismus in Deutschland, deuten den gleichen Sachverhalt an. Globalisierung, Sozialabbau, Zuwanderung haben dazu geführt, dass das Zutrauen der Europäer in die Demokratie schwindet. Die Euphorie von 1989, dem welthistorischen Durchbruch des demokratischen Gedankens, ist verflogen. In den Mühen der Ebene wächst der Wunsch nach Umkehr zu alten Ordnungen und Gewissheiten. Die Wertordnung des Westens hat in den neuen osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten die einstige Strahlkraft verloren. Und auch im alten Westen wachsen Zweifel an der freiheitlichen Verfassung und an den Vorzügen der Demokratie.[7]Die von der Mehrzahl der Printmedien nach Auffassung von Kritikern verfälscht dargestellten Schlüsse aus diesen empirischen Befunden sehen nach deren Auffassung darüber hinweg, dass es sich bei diesen Ergebnissen um Urteile über die real existierende Demokratie handelt und deshalb nicht zwangsläufig eine Ablehnung der verfassungsgemäß vorgesehenen Demokratie unterstellt werden kann.[8] Dieses selbstkritisch zu erkennen sei den meisten Medien nicht möglich, da sie selbst einem Politikverständnis aus vordemokratischer Zeit verhaftet seien. Durch Schlagzeilen und Leitartikel fördere die Presse eine Politik, die sich den Strömungen der Wirtschaft annähert.[9] Als Rechtfertigung würden häufig Effizienzargumente angeführt: „So wie die (Politiker) versuchen, den Staat zu lenken, könnte nicht ein Unternehmen zum Erfolg kommen.“ Hierbei würde übersehen, dass demokratisch verfasste Staaten auf die Herbeiführung eines Konsenses in oft langwierigen Abstimmungs- und Verhandlungsprozessen angewiesen sind. Der Parteienforscher Franz Walter fasst die vorherrschende Haltung der Medien so zusammen: Der Siegeszug der Mediendemokratie habe „einen neoautoritären, planierenden Zug in die Politik gebracht“. [10]

Als Maßstab für den Stand der Demokratie in der Gesellschaft wird in jüngster Zeit das Gender Mainstreaming verwendet, wodurch die Aspekte Freiheit und Gleichheit eine besondere Stellung innerhalb der staatlichen Daseinsvorsorge erhalten. Was Verteilungsgerechtigkeit zwischen Männern und Frauen angeht, liegt Deutschland im internationalen Vergleich im unteren Mittelfeld und in einigen Parametern auch ganz am Ende.

Ein weiterer Maßstab für die demokratische Qualität des Staates ist sein Verständnis vom Menschen als Empfänger von Leistungen. Dass die staatlichen Verwaltungen kein Selbstzweck sind, sondern den Menschen dienen sollen, ist ein traditioneller Bestandteil der europäischen und speziell der deutschen Verwaltungskultur. Dennoch haben sich an vielen Stellen der Verwaltungen noch obrigkeitliche Vorstellungen erhalten, die mit dem Verständnis von Demokratie und Rechtsstaat unvereinbar sind, weil sie nicht von den Wirkungen auf die Menschen her konzipiert sind. Ein weiterer Grund hierfür ist die zunehmende Korruptionsanfälligkeit, die ihre Ursachen u. a. im allgemeinen Vorteilsdenken und schlechten Verdienstmöglichkeiten hat. [11]

Trotz der offensichtlichen Schwächen der Demokratie ergibt sich vor dem Hintergrund vergangener und gegenwärtiger Faschismen eine positive Bilanz demokratischer Systeme, die entscheidend und nach Hermann Broch geradezu als Voraussetzung für die Entwicklung der Humanität gewirkt haben und noch wirken. Ein dauerhafter Bestand der Demokratie ist nach Broch jedoch erst dann gewährleistet, wenn sie sich zu einer Zivilreligion entwickelt hat.[12] Eine solche Zivilreligion wird auch von dem einflussreichen Politikwissenschaftler Benjamin R. Barber gefordert: „Wir brauchen eine Art weltweite Zivilreligion, also das, was wir auf US-amerikanischer Ebene bereits haben. Wir brauchen einen Zivilglauben, der Blut und lokale Zugehörigkeit übersteigt und es den Menschen ermöglicht, sich rund um gemeinsame Prinzipien zu organisieren“[13]

Friedensfunktion

Eine viel umstrittene politikwissenschaftliche These ist die Idee des demokratischen Friedens. Sie besagt, dass Demokratien in der Geschichte bisher kaum Kriege gegeneinander geführt hätten, und wertet dies als positive Eigenschaft des demokratischen Systems. Allerdings kann zumindest die athenische Ur-Demokratie nicht als Beispiel für diese These herangezogen werden. Nach Kant sollen Demokratien deshalb vergleichsweise friedlich sein, da ihre Wähler sich ungern selber in einen Krieg schicken würden [14]. Dies wird jedoch von verschiedenen Friedens- und Konfliktforschern bestritten, denn empirische Untersuchungen unterstützen diese These nicht. Es konnte bislang nicht nachgewiesen werden, dass Demokratien insgesamt weniger Kriege führen als undemokratische Staaten. Gerade gegenüber diesen Nicht-Demokratien wird die Verbreitung demokratischer Strukturen oft als Kriegsgrund angegeben. Untereinander aber führen Demokratien tatsächlich in signifikant geringerem Umfang Kriege als dies zwischen in anderer Staatsform verfassten Nationen der Fall ist. [15]

Wohlfahrtsfunktion

Der indische Nobelpreisträger Amartya Sen betont die wohlfahrtsichernde Kontrollfunktion der Demokratie. Ohne Demokratie gebe es für die Herrschenden keine Anreize, die Interessen der Mehrheitsbevölkerung zu vertreten. Demokratie sei somit ein Schutz vor Armut und Hunger.

Mehrheitsprinzip

Das demokratische Prinzip hat jedoch auch Grenzen. Mehrheitsentscheidungen können beispielsweise zu einer Benachteiligung von Minderheiten führen (→ Warnung von Tocqueville vor der „Tyrannei der Mehrheit“). Zudem kritisiert die partizipatorische Demokratietheorie, dass zu wenig Mitentscheidungs- und Selbstverwirklichungsmöglichkeiten in der modernen Demokratie gegeben sind.

So steht das Grundprinzip des Minderheitenschutzes, das Teil des wichtigen Freiheitskonzeptes des Pluralismus ist, als Ausgleich gegen das Mehrheitsprinzip. Zum Schutz von Minderheiten kennt die Schweiz das so genannte Ständemehr: Neben der Mehrheit der Stimmen muss auch die Mehrheit der Kantone (Stände) eine Verfassungsänderung befürworten (bei Gesetzesänderungen gilt das einfache Volksmehr).

Demokratie und Rechtsstaat

Die wesentlichen zwei Säulen (einerseits) und Ziele (andererseits) eines Staates sind Freiheit und Sicherheit.

Die wesentlichen zwei Funktionen zur Erreichung und Wahrung von Freiheit und Sicherheit sind Demokratie (Selbstherrschaft des Volkes durch [Ab-]Wahl seiner Regierung) und Rechtsstaat: nicht Willkür, sondern nachprüfbare Anwendung schriftlich niedergelegter Gesetze soll Macht an den Bürgerwillen binden und durch Gerichte überprüfbar machen.

Es ist unstrittig, dass Mehrheiten in einer Demokratie Gesetze verabschieden und deren Durchsetzung veranlassen können, die Minderheitenrechte verletzen oder sogar dem Rechtsgedanken an sich zuwider handeln; Demokratie als äußere Form schützt nicht vor Entgleisungen, bewahrt nicht davor, dass die Mehrheit eine Minderheit unterdrückt oder zum Krieg ruft.

Es wurde in Philosophie und Staatstheorie oft diskutiert (mehr als abstraktes Denkmodell denn als Empfehlung für die Praxis): Wenn die Rechtsstaatlichkeit als gesichert angesehen werden könnte – ob dann Demokratie noch ein zwingendes Staatselement sein müsse?

Als sicher wird angesehen, dass Demokratie allein keinen Zustand der Freiheit und Sicherheit herstellen kann, weil das Misstrauen aller gegen aller durch die formalen Bestimmungen von Wahl, Regierungsbildung, etc. allein nicht beseitigt werden kann. Nur das Vertrauen in die Institutionen kann gegenseitiges Misstrauen abbauen und allseitiges Vertrauen wachsen lassen. Und Vertrauen ohne Kontrolle ist erfahrungsgemäß nicht von Bestand.

Rechtsstaatlichkeit schafft Institutionen und Verfahren, die ihrerseits Vertrauen bilden und Macht an Recht binden.

Demokratie als Sphäre der Politik lebt vom Meinungsstreit; der Rechtsstaat mit seinen Rechtsstreitigkeiten lebt vom Glauben an die Legitimität des Gesetzes und von der Treue gegenüber Recht und Verfassung.

Für wirtschaftliche Entscheidungen spielen die Beständigkeit der Rechtsordnung und die Vorhersehbarkeit bestimmter Entwicklungen (z. B. Steuergesetzgebung) eine große Rolle; Investoren suchen für langjährige und kapitalintensive Unternehmungen gerne eine Umgebung, die als berechenbar und sicher angesehen werden kann.

Dies führt nicht selten dazu, dass Rechtssicherheit völlig losgelöst von Demokratie akzeptiert wird. So ist das Engagement deutscher Unternehmen im vormals burischen Südafrika (Rassentrennung, Apartheid) oder im post-maoistischen China (kapitalistische Reformen bei stalinistischem Herrschaftsanspruch der kommunistischen Partei) immer wieder kritisiert worden, weil die Bedingungen, unter denen Arbeitskräfte angeworben und beschäftigt werden, nicht durch demokratische Verfahren legitimiert waren bzw. sind.

Demokratie ohne Rechtsstaat ist ohne inneren Halt; Rechtsstaat ohne Demokratie ist ohne Würde. Beide bedingen einander; fehlt eines der zwei Elemente, sind Menschenrechte und Menschenwürde in Gefahr.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Vgl. Meier, Die Entstehung des Politischen bei den Griechen, besonders S. 51ff.
  2. Πολιτικά
  3. Heinz Lippuner: Demokratie aus indianischer Hand? Unsere Bundesverfassung und das Great Law of Peace der Irokesen-Konföderation. Aus: Kleine Schriften des Museumsvereins Schaffhausen, 99/5.
  4. Jörg-Detlef Kühne, in: Ergänzbares Lexikon des Rechts, Gruppe 5 – Staats- und Verfassungsrecht, Stand: 1996, ISBN 3-472-10700-6.
  5. sog. „Beteiligungshaushalt“ oder „Bürgerhaushalt“ [1]
  6. http://www.fes.de/rechtsextremismus/pdf/Vom_Rand_zur_Mitte.pdf
  7. Die Zeit: Stunde der Rattenfänger 18. Januar 2007
  8. Till Bastian in: Publik-Forum, Nr. 23 v. 1. Dezember 2006
  9. „Demokratie erweist sich in diesem Fall, ganz im Gegensatz zur Theorie, als Modernisierungsnachteil – in der komplexen Welt moderner Gesellschaften geht etwas nur dann schnell, wenn keine Rücksicht auf etwaige Nachteile für eventuell Betroffene genommen werden muss. So einfach ist das.“ (Harald Welzer: Auf dem Müllhaufen der Geschichte. Spiegel online, 29. November 2008)
  10. Wolfgang Storz in: Publik-Forum, Nr. 6 v. 23. März 2007
  11. Zukunft des öffentlichen Dienstes – öffentlicher Dienst der Zukunft, Bericht der von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen eingesetzten Kommission, Düsseldorf 2003.
  12. Das Menschenrecht Hermann Brochs
  13. Barber, in: Amin Pongs (Hg.), In welcher Welt wollen wir leben? Natürlichkeit und Demokratie in Zeiten der Globalisierung, Bd. 1, München 2003, S. 260
  14. Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden, 1795
  15. Dietmar Herz, Die Amerikaner im Irak

Literatur

Einführung und Geschichte

  • Jochen Bleicken: Die athenische Demokratie. 4. Aufl. Paderborn 1995.
  • Luciano Canfora: Eine kurze Geschichte der Demokratie: Von Athen bis zur Europäischen Union. Köln 2006, ISBN 3-89438-350-X.
  • Werner Conze, Reinhart Koselleck, Hans Maier, Christian Meier, Hans Leo Reimann: Demokratie. In: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Hrsg. von Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck, Bd. 1, Stuttgart 1972, S. 821–899. (Grundlegende Erläuterung des Demokratiebegriffs von der Antike bis in die Moderne, einschließlich Literaturangaben.)
  • Robert Alan Dahl: On Political Equality, Yale University Press, 2006, ISBN 978-0-300-12687-7, 120 S. (Themen des im Jahr 1915 geborenen Autors; die Grundlagen der Demokratie, die Bedeutung politischer Teilhabe für die Demokratie, eine Skala für den Grad der „Polyarchie“, zwei Zukunftsszenarien; Kategorien der Library of Congress: „1. Democracy, 2. Equality“); Übersetzung: Gabriele Gockel, Barbara Steckham, Thomas Wollermann: Politische Gleichheit – ein Ideal? Hamburg 2006, ISBN 978-3-936096-72-9.
  • Konrad H. Kinzl (Hrsg.): Demokratia. Der Weg zur Demokratie bei den Griechen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1995, ISBN 3-534-09216-3.
  • Christian Meier: Die Entstehung des Politischen bei den Griechen. Frankfurt a.M. 1980.
  • Karl Mittermaier, Meinhard Mair: Demokratie – Die Geschichte einer politischen Idee von Platon bis heute. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1995, ISBN 3-534-80181-4.
  • Hans Vorländer: Demokratie. Beck Wissen, München 2003. (Knappe Einführung in die Thematik.)

Demokratietheorien im Vergleich

  • Oliver Flügel, Reinhard Heil, Andreas Hetzel: Die Rückkehr des Politischen. Demokratietheorien heute. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-17435-6, Leseprobe.
  • Giovanni Sartori: Demokratietheorie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, ISBN 3-534-11493-0.
  • Manfred G. Schmidt: Demokratietheorien. Eine Einführung, 3. Aufl. Opladen 2000. (Grundlegende Einführung mit umfangreichen Literaturangaben; der Bogen spannt sich von Aristoteles bis hin zu den modernen Demokratietheorien.) ISBN 3-8252-1887-2.

Aktuell diskutierte Arbeiten

  • Johannes Heinrichs: Revolution der Demokratie. Eine Realutopie für die schweigende Mehrheit. Maas, Berlin 2003, ISBN 3-929010-92-5.
  • Robert D. Putnam, Robert Leonardi, Raffaella Nanetti: Making Democracy Work. Civic Traditions in Modern Italy. Princeton University Press, Princeton 1994, ISBN 0-691-03738-8.
  • Jörg Bergstedt: Demokratie. Die Herrschaft des Volkes. Eine Abrechnung. SeitenHieb Verlag, Reiskirchen 2006, ISBN 978-3-86747-004-9.
  • Susanne Spindler, Iris Tonks (Hg.): AusnahmeZustände. Krise und Zukunft der Demokratie. Münster/Duisburg 2007. ISBN 978-3-89771-744-2.
  • Philipp Jurschitz: Demokratie Dynamisch. Demokratische Strukturen in Wirtschaft und Gemeinde. Braumüller Verlag, Wien 2008, ISBN 978-3-7003-1647-3.

Weblinks


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