- Volkstracht
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Der Begriff Tracht (von althochdt. traht(a), mittelniederdeutsch dracht: das, was getragen wird) wird im allgemeinen für traditionelle und historische Kleidung oder Teile davon gebraucht. Die Tracht ist die traditionelle Kleiderordnung einer bestimmten Region, eines Landes oder der Angehörigen einzelner Bevölkerungsgruppen, z. B. Ethnien (Volksgruppe)oder Berufsgruppen.
Die Berufstracht, Zunftstracht oder Amtstracht, welche die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe zum Ausdruck brachte, stammt aus dem handwerklichen und städtischen Umfeld, während die Volkstracht ihren Ursprung in ländlichen Gebieten hat und eine regionaltypische Bekleidungsform darstellt. Erste bäuerliche Trachten entstanden Ende des 15. Jahrhunderts.
Inhaltsverzeichnis
Traditionelle Bekleidungen
Traditionelle Kleidung wurde in vielen Teilen der Welt im Zuge der auch kulturellen und modischen Globalisierung im Alltag bereits weitgehend zurückgedrängt und wird nur noch als Festtagstracht getragen. In anderen Ländern werden die traditionellen Kleidungsstücke heute noch im Alltag getragen. Beispiele traditioneller Kleidung sind
- Áo dài (Vietnam)
- Cheongsam (Jurchen und Volksrepublik China)
- Chima jeogori, Hanbok (Korea)
- Dirndl, Lederhose in der Bayrischen Tracht (Österreich, Bayern)
- Kilt (Schottland)
- Kimono, Yukata (Japan)
- Krama (Kambodscha)
- Sari (Indien und Nepal)
- Thamén (Myanmar)
Traditionelle Bekleidung Japanische Frauen in Kimono und Zōris
Haredim in traditioneller Tracht auf dem Weg zur Synagoge
Inderin im Sari
Samische Tracht, Kautokeino
Niederländische Tracht
Volkstracht
Die Volkstracht ist eine regionaltypische Bekleidungsform, die ihren Ursprung oft im Empire (1800-1820), Biedermeier (1820-1848) und Rokoko hat. Im Gegensatz zu traditioneller Kleidung sind Volkstrachten in vielen Fällen bezüglich Farbe, Schnitt, Stoffwahl und Art des Tragens genau definiert.
Volkstrachten gibt es meist in zwei Ausführungen, einer Werktagstracht und einer Festtagstracht. Besonders Festtagstrachten sind oft sehr aufwendig hergestellt. Zu ihnen gehören typische Hüte oder Hauben (z. B. Bollenhut, Berner Haube mit Rosshaarspitzen, Goldhauben). Die Festtagstrachten werden in ländlichen Gegenden noch oft bei Festen oder traditionellen Anlässen getragen.
Werktagstrachten werden noch vereinzelt als Alltagskleidung getragen (was sie auch ursprünglich waren), heute aber insbesondere in Trachtenvereinen, Heimatvereinen, Brauchtumsgruppen, Musikkapellen, Schützenkompanien und Chören, da sie einfacher und günstiger herzustellen sind als die Festtagstrachten.
Deutschland
Das Interesse an Trachten erwachte in vielen Regionen in Deutschland im späten 19. Jahrhundert, als man sich im Zuge der Heimatbewegung auf regionale Besonderheiten und die (in der Form sicher nie existent gewesene) ländliche Romantik besann.
„Als Tracht wird die Kleidung der ländlichen Bevölkerung bezeichnet, deren Verbreitung regional, zeitlich und konfessionell begrenzt ist. Sie wechselt in den ihr vorgeschriebenen Grenzen nach Anlass und Trauerstufe und spiegelt den sozialen Status wider.” (Definition aus den Richtlinien des Landestrachtenverband Niedersachsen)
Diese Definition der Tracht erklärt in kurzer Form ihre Wesenszüge und grenzt die Kleidungsform von der bürgerlichen Kleidung und den Berufstrachten ab, die regional und konfessionell nicht oder nur wenig gebunden sind.
Die Tracht ist Ausdruck einer meist dörflichen Gemeinschaft und eines gemeinsamen Lebens in dieser Ordnung. Im Mittelpunkt steht nicht die Trägerin oder der Träger, sondern die Kleidung dient zur Präsentation von Besitz und Wohlstand. Je mehr Stoff in der Tracht Verwendung fand, je mehr Knöpfe auf den Westen saßen, desto reicher war der Träger oder die Trägerin der Tracht. In manchen Regionen wurden daher die Westenknöpfe so eng nebeneinander gesetzt, dass sie kaum Platz hatten; die Röcke so tief in Falten gelegt, dass sie eine nahezu unzumutbare Schwere erreichten. Die Ausprägung der Tracht hatte natürlich finanzielle Grenzen, die die soziale Schichtung der Bevölkerung deutlich machte. Es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass man die Grenzen der einzelnen dörflichen Gesellschaftsschichten nicht übertreten durfte, selbst wenn die finanzielle Basis gegeben war, sich eine aufwendige Tracht anzuschaffen.
Die Kleidung lieferte dem kundigen Betrachter eine Vielzahl von Informationen. Sie zeigte deutlich an:
- aus welcher Region die Tracht stammt
- aus welchem Dorf der Träger / die Trägerin stammt
- die augenblicklichen wirtschaftlichen Verhältnisse
- die soziale Stellung innerhalb der Dorfgemeinschaft
- den Personenstand (ledig, verheiratet, verwitwet, verwitwet und heiratswillig)
- die Trauerstufe (Voll-, Halb-, Vierteltrauer, Freudenzeit)
- den Anlass (Abendmahl, sonntäglicher Kirchgang, gewöhnlicher Sonntag, Hochzeit, Kommunion, Konfirmation, etc.)
Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass es sich bei der Tracht um ein recht kompliziertes Thema handelt. Die Verwirrung wird sich nicht aufklären, wenn man bedenkt, dass die Tracht keine Uniform mit unverrückbaren Strukturen war. Sie folgte ihren eigenen Modegesetzen. Es gab also zu jeder Zeit „unfine” Trachtenstücke, die man nicht mehr tragen konnte, ohne in den Ruf einer finanziellen Schwäche zu kommen.
Aus heutiger Sicht erscheinen diese modischen Vorlieben oftmals sehr uneinsichtig, denn es war kein Einzelfall, dass man in der modischen Fortentwicklung der Tracht billigen, weniger wertvollen Materialien den Vorzug gab, die kostbaren alten Stücke als untragbar in den Schrank legte oder an Personen verkaufte, denen es aufgrund ihrer sozialen Stellung recht gelegen kam, auf diese Weise in den Besitz z. B. einer Kappe oder Mütze einer reichen Bäuerin zu kommen.
Diese Modeströmungen wurden zum Teil auch von der Industrie beeinflusst, die beispielsweise manche Stoffe oder Bänder nicht mehr herstellte und einen Ersatz dafür anbot. Nur noch in wenigen Regionen Deutschlands haben sich Trachten in ihrer ursprünglichen Form erhalten und werden auch noch heute im alltäglichen Leben getragen. Dies ist, um nur ein Beispiel zu nennen, im Landkreis Schaumburg (Niedersachsen) der Fall. Dort trifft man noch eine durchgängige Trachtentradition an, auch wenn sich die im Aussterben begriffene Tracht in ihrem Endstadium gegenüber ihrer Ursprungsform eher bescheiden ausnimmt.
In Deutschland fand die Volkstracht bis ins 20. Jahrhundert eine weite Verbreitung und grenzte sich von der bürgerlichen Kleidung ab. Die traditionelle Volkstracht wird heute noch in einigen Regionen (meist zu Volksfesten und besonderen Anlässen) getragen. Die heutige Tracht hingegen geht auf die Jagd- und Wanderbekleidung zurück.
Baden-Württemberg
Bayern
Als bayrische Tracht wird zuallererst wohl die oberbayrische Gebirgstracht verstanden, mit der Lederhose für den Buam und dem Dirndlgwand für das Madl. Diese Gebirgstracht wurde durch Trachtenvereine und durch Arbeitsmigration auch in Regionen außerhalb der Berge heimisch.
Heute kann man sechs Typen von Gebirgstrachten unterscheiden:
- Miesbacher Tracht
- Werdenfelser Tracht
- Inntaler Tracht
- Chiemgauer Tracht
- Berchtesgadener Tracht
- Isarwinkler Tracht
Goaßlschnalzer in der Chiemgauer Tracht
Brandenburg
Im Land Brandenburg gibt es zwei Trachtengebiete, die sich beide im Süden des Bundeslandes befinden. Zum einen die Lausitz, mit dem Spreewald, und nördliche Teile Sachsens. Das zweite Trachtengebiet stellt der Fläming dar, zu dem auch östliche Teile Sachsen-Anhaltes gehören.
Bremen
Weitere Informationen unter: Bremer Tracht
Hamburg
Hessen
Im Hessischen Hinterland, im Marburger Raum und in der Schwalm entstanden schwarze Trachten mit farbenfreudigen Applikationen. Sie werden zu den ältesten deutschen Trachten gezählt.
→ Hinterländer Trachten, Marburger Tracht, Schwälmer Tracht
Sonntagstracht Bottenhorn, Blankensteiner „Obergericht“
Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachsen
Tracht aus dem Braunschweiger Landgebiet
Alltagstrachten aus dem Kirchspiel Scheeßel, Niedersachsen
Niedersachsen ist neben Hessen das Bundesland mit einer Trachtenvielfalt, die ihres Gleichen in Deutschland sucht. Dabei sind die wesentlichen Trachtengebiete wie folgt zu gliedern:
- Altes Land
- Ammerland
- Artland
- Braunschweig
- Emsland
- Grafschaft Bentheim
- Grönegau
- Hannöversches Wendland
- Ostfriesland
- Osnabrücker Land
- Saterland
- Schaumburg
- Scheeßel
- Stader Geest
- Winsen
Und diese einzelnen Trachtengebiete teilen sich natürlich noch weiter auf. So können zum Beispiel die einzelnen Trachten von Kirchspiel zu Kirchspiel hier und da noch Unterschiede aufweisen.
Trachten aus Schaumburg, Kirchspiel Lindhorst
Goldhauben, die zur Tracht verheirateter Frauen aus Bad Iburg-Glane gehörten (Heimatmuseum Averbecks Speicher)
Nordrhein-Westfalen
Im Münsterland starb die Volkstracht schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts aus.
Die Frauen trugen rote Wollröcke und schwarze Schürzen. Statt der Schürze trugen manche reichere Frauen einen Goldgürtel. Das Oberteil bestand aus einer weißen oder cremefarbenen Bluse und um die Schultern wurde ein weißes oder cremefarbenes mit Rosen besticktes Tuch getragen. Später kamen auch grüne Röcke hinzu.
Im Münsterland wurden später auch oft dunkelblau gefärbte Stoffe getragen; eine noch sehr bekannte traditionelle Kleidung ist die des Kiepenkerls.
Rheinland-Pfalz
Eine Form der Tracht ist der Tugendpfeil.
Sachsen
Erzgebirge
Die Trachten im Erzgebirge stammen größtenteils aus dem Umfeld des Bergbaus.
Schleswig-Holstein
In Schleswig-Holstein gibt es mehrere Trachtengebiete wie Nordfriesland, Dithmarschen, die Elbmarschen, Angeln oder die Probstei. Selbst nordfriesische Trachten können sich von Insel zu Insel stark unterscheiden.
Föhringer Tracht um 1895
Helgoländer Nationaltracht um 1900
→ Trachten in Schleswig-Holstein und Trachten der Insel Föhr
Thüringen
Österreich
In einem Bericht der „Neuen Tiroler Stimme“ wird im Jahr 1900 die Unterinntaler Festtagstracht wie folgt beschrieben:
- „Der breite, goldbestickte Hut mit der Goldquaste an der verschlungenen Schnur, die prächtige, in zahlreichen Windungen den mehr oder weniger schlanken Hals umschließende Halskette mit breiter Schließe, das farbige, oft mit Goldstickereien versehene Busentuch, das aus dem tief ausgeschnittenen, schwarzen, mit Litzen benähten Korsett zierlich gefaltet hervorbricht, geschlossen mit einer schönen Brosche, der dunkle Rock und die in Farbenharmonie mit dem Busentuch stehende Schürze – sie kleiden schmuck sowohl die behäbige Dorfwirtin, als auch deren jugendlich schlankes Töchterlein.“
Siehe auch: Tiroler Anzug, Salzburger Anzug, Goldhaube, Dirndl, Lederhose, Janker, Wiener Kathreintanz, Steireranzug, Gailtaler Tracht
Schweiz
In der Schweiz gibt es nicht nur unterschiedliche Trachten in jedem Kanton, auch innerhalb des Kantons sind besonders die Frauentrachten regional oft unterschiedlich, wobei es praktisch überall Festtags- und Werktagstrachten gibt. Zu den bekanntesten Festtagstrachten gehören die schwarze Bernertracht mit ihrem reichen Silberschmuck und die Engadinertracht aus rotem Wollstoff. Im Kanton Zürich sind die Wehntalertracht mit der leuchtend blauen Schürze und die Tracht des Knonauer Amtes, das Burefeufi (so genannt wegen der am Rücken V-förmig gebundenen Schürze) am häufigsten zu sehen. Unter den Männertrachten sind der Berner Mutz, eine schwarze, kurzärmlige bestickte Samtjacke, die Appenzeller Sennentracht mit den gelben Hosen und dem silbernen Löffel im Ohr, und die bestickte blaue Trachtenbluse der Innerschweiz am bekanntesten.
Museen
Viele volkskundliche Museen zeigen auch Trachten.
Daneben gibt es mehrere Spezialmuseen:
- Museum für europäische Volkstrachten in Wegberg
- Schwarzwälder Trachtenmuseum in Haslach im Kinzigtal
- Übersicht über Volkskundemuseen
Siehe auch
- Altdeutsche Tracht
- Brautkrone
- Dirndl
- Einheitskleidung
- Ethnologie
- Europeade
- Laufender Hund
- Liste der Kleidungsstücke
- Miesbacher Tracht
- Ordenskleidung
- Pfadfinderkluft
- Schaumburger Tracht
- Trachten in Pommern
- Uniform
- Volkstrachten Kroatiens
Literatur
- Ferdinand Justi: Hessisches Trachtenbuch, Nachdruck der Ausgabe 1899-1905, Dr. W. Hitzeroth Verlag, Marburg 1989, ISBN 3-925944-61-3
- Hans Friebertshäuser: Die Frauentracht des alten Amtes Blankenstein (Hessen), N.G. Elwert Verlag, Marburg 1966
- Brunhilde Miehe: Der Tracht treu geblieben. Studien zum regionalen Kleidungsverhalten in Hessen. 3. Auflage. Verlag Brunhilde Miehe, Haunetal/Wehrda 1995, ISBN 3-9801197-7-7
- Marina Moritz: Trachten machen Leute. Ländliche Kleidungsstile im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. (= Schriften des Museums für Thüringer Volkskunde Erfurt; Band 11 / Volkskunde populär; Band 2). Museum für Thüringer Volkskunde, Erfurt 1997
Weblinks
- Das Frauen-Trachtenbuch (1586) von Jost Amman bei Wikisource
- Trachten in Deutschland
- Die kroatischen Volkstrachten (Kroatien)
- Bilder von österreichischenTrachten (Navigation via Landkarte oder Liste)
- Russische Nationaltracht
- Berufstrachten im Harz
- Eine Site über Nordthüringer Trachten mit Anschauungsmaterialien
- Abhandlung von 2008 über die Trachten des Hessischen Hinterlandes, insbesondere über die Tracht des Breidenbacher Grundes Untergericht von Christoph Kaiser
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