Vollmachtstätigkeit

Vollmachtstätigkeit

Unter einer Vollmacht versteht man die durch Rechtsgeschäft begründete Vertretungsmacht.

Inhaltsverzeichnis

Differenzierung von Vollmachten

  • Spezialvollmacht: ermächtigt zur Vornahme einer einzelnen, genau bestimmten Handlung, z. B.: Inkasso einer bestimmten Rechnung und Generalvollmacht (zum Abschluss aller Rechtsgeschäfte, bei welchen Vertretung zulässig ist)
  • Gattungsvollmacht (zum Abschluss sämtlicher Rechtsgeschäfte einer bestimmten Gattung oder Art)
  • Vollmachten mit gesetzlich typisiertem Inhalt (z. B. Prokura und Handlungsvollmacht)
  • Vorsorgevollmacht für später eintretende Geschäftsunfähigkeit
  • In Deutschland, nicht aber in der Schweiz, unterscheidet man auch zwischen Innenvollmacht (gegenüber dem Vertreter erklärte Vollmacht) und Außenvollmacht (gegenüber dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll, erklärte Vollmacht). Bankvollmachten sind häufig Außenvollmachten.

Begründung und Widerruf der Vollmacht

Die Vollmacht entsteht durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Vollmachtgebers gegenüber dem Vertreter (sogenannte interne Vollmacht oder Innenvollmacht) bzw., in Deutschland, wahlweise auch gegenüber dem Dritten (sogenannte externe Vollmacht oder Außenvollmacht).

Von der Vollmacht zu unterscheiden ist das zwischen dem Vollmachtgeber und dem Bevollmächtigten in der Regel bestehende Grundgeschäft bzw. Grundverhältnis (z. B. ein Arbeitsvertrag, ein Auftrag, ein Geschäftsbesorgungsvertrag, ein Handelsreisendenvertrag, usw.).

Die Vollmacht kann auch stillschweigend (konkludent) begründet werden.

Im Gegensatz zum deutschen Recht, gemäss welchem eine Vollmacht als unwiderruflich erteilt werden kann, ist nach schweizerischem Recht jede Vollmacht jederzeit widerruflich, auch wenn sie als unwiderruflich erteilt wurde.

Formvorschriften

Vollmachten können grundsätzlich formfrei erteilt werden, also auch mündlich oder konkludent. Auch soweit für eine spezielle Willenserklärung eine bestimmte Form vorgesehen ist, betrifft eine Formvorschrift für das Rechtsgeschäft nicht die Form der Vollmacht (§ 167 Abs. 2 BGB). Bestes Beispiel hierzu ist der Kaufvertrag für ein Grundstück (§ 311b Abs. 1 BGB), der zu seiner Gültigkeit nach deutschem Recht notariell beurkundet werden muss. Auch mit einer „nur“ schriftlichen oder öffentlich beglaubigten Vollmacht (im Schweizerischen Recht genügt sogar eine stillschweigende Bevollmächtigung; die meisten Kantone verlangen in ihren Notariatsgesetzen jedoch, dass dem Notar eine schriftliche Vollmacht vorzulegen ist) kann der Bevollmächtigte einen Grundstückkaufvertrag namens des Vertretenen vor dem Notar rechtsgültig unterzeichnen. So ist die Regel, die auch früher von der Rechtsprechung einhellig vertreten wurde (RGZ 62, 336; RGZ 76, 183).

Allerdings hat die Rechtsprechung die Trennung der Form des Rechtsgeschäftes von der Form der Vollmacht seit vielen Jahren in bestimmten Fällen zum Schutz des Vollmachtgebers aufgehoben. Der § 167 Abs. 2 BGB wird teleologisch reduziert. D.h., soweit es der Schutz des Vollmachtgebers erfordert, muss auch die Vollmacht die gleiche Form haben wie sie für das eigentliche Rechtsgeschäft vorgeschrieben ist. Dieses Verfahren ist in der Rechtsliteratur bezüglich seines Ausmaßes ausgesprochen strittig. Das gilt auch für die Auslegung der dazu ergangenen Rechtsprechung.

Zwei wichtige Anwendungsfälle für diese gerichtliche Einschränkung der Formfreiheit sind zum einen:

  • Vollmachten, die unwiderruflich erteilt sind und
  • Vollmachten, durch die der Bevollmächtigte vom Verbot des Insichgeschäftes (§ 181 BGB) befreit wird.

Schriftform wird im deutschen Recht insbesondere für Vollmachten verlangt, bei denen der Bevollmächtigte in medizinische Eingriffe (§ 1904 Abs. 2 BGB) oder in Freiheitsentziehungen (§ 1906 Abs. 5 BGB) einwilligen soll oder eine Vertretung vor Gericht vorgesehen ist (§ 51 Abs. 3 ZPO).

Umfang der Vollmacht

Der Umfang der Vollmacht ergibt sich aus dem Vollmachtsvertrag bzw. aus der Vollmachtserklärung. In der Regel ist für die Auslegung der Vollmacht auch das Grundverhältnis zu berücksichtigen. Wie bei allen Rechtsgeschäften gilt für die Auslegung der Vollmacht jedenfalls das Vertrauensprinzip, d. h. die Erklärungen der Beteiligten sind so auszulegen, wie sie nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstanden werden durften und mussten.

Die Vollmacht kann demzufolge nicht weiter reichen als das Dürfen des Vertreters. d. h., die Vollmacht gilt, trotz eines vielleicht weitergehenden Wortlautes des Vollmachtsvertrages bzw. der Vollmachtserklärung, nur soweit, wie der Bevollmächtigte sich für bevollmächtigt halten darf. So kann z. B. der Vollmachtgeber durch interne Weisungen an den Vertreter dessen Vollmacht entgegen deren Wortlaut beliebig beschränken oder erweitern (z. B. Preislimite setzen, von denen der Dritte nichts wissen soll).

Überschreiten der Vollmacht

Überschreitet der Vertreter seine Vertretungsbefugnis, so handelt er als falsus procurator ohne Vollmacht und es entsteht kein Erfüllungsanspruch des Dritten gegenüber dem Vollmachtgeber, es sei denn, dass die Voraussetzungen der so genannten Anscheinsvollmacht erfüllt sind oder dass der Vertretene das Geschäft nachträglich genehmigt.

Widerruf und Niederlegung

Der Vollmachtgeber kann die Vollmacht jederzeit widerrufen, unabhängig davon, ob das Grundgeschäft bzw. das Grundverhältnis weiterbesteht. Dies gilt natürlich nicht bei unwiderruflichen Vollmachten.

Der Vollmachtnehmer kann die Vollmacht jederzeit niederlegen, muss allerdings berücksichtigen, dass der Vollmachtgeber Fürsorge für seine Angelegenheiten treffen kann (§ 671 BGB). Kündigt der Vollmachtnehmer das Grundverhältnis, so ist darin in der Regel auch die stillschweigende Niederlegung der Vollmacht zu erblicken (§ 168 BGB).

Erlöschen der Vollmacht

Das Erlöschen der Vollmacht richtet sich in der Regel nach dem ihr zugrunde liegenden Grundverhältnis bzw. Grundgeschäft (§ 168 BGB).

Gemäß ausdrücklicher Gesetzesbestimmung erlischt jedoch im deutschen Recht die Vollmacht nicht mit dem Tod oder dem Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers (§ 672 BGB), es sei denn, dieses ist in der Vollmacht ausdrücklich anders geregelt worden. Demgegenüber erlischt die Vollmacht mit dem Tod des Vollmachtnehmers (§ 673 BGB.)

Im schweizerischen Recht erlischt die Vollmacht, sofern nicht das Gegenteil vereinbart ist oder aus der Natur des Geschäftes hervorgeht, mit dem Tod, der Verschollenerklärung, dem Verlust der Handlungsfähigkeit oder dem Konkurs des Vollmachtgebers oder des Bevollmächtigten (Art. 35 I OR).

Unterschied zur gesetzlichen Vertretung

Von der oben behandelten durch Rechtsgeschäft erteilten Vollmacht zu unterscheiden ist die gesetzliche Vertretungsmacht (z. B. der Eltern zur Vertretung der Kinder, der Ehegatten zur Vertretung der ehelichen Gemeinschaft (Schlüsselgewalt), der Vormünder und Betreuer, der Erbschaftsverwalter, usw.). Wie es ihr Name sagt, besteht diese Vertretungsmacht von Gesetzes wegen oder auf gerichtliche oder behördliche Anordnung hin in bestimmten vom Gesetz vorgesehenen Fällen. Entstehung, Umfang und Erlöschen der gesetzlichen Vertretungsmacht richten sich nach den jeweils einschlägigen Gesetzesbestimmungen bzw. den Vorschriften der anordnenden Behörden.

Nicht als Vertreter gelten die Organe der juristischen Personen des Privatrechts (z. B. Vorstand einer Aktiengesellschaft, Geschäftsführer einer GmbH, Vorstand eines Vereins oder einer Stiftung, usw.) oder des öffentlichen Rechts. Die Organe sind vielmehr ein integrierender Bestandteil der juristischen Personen, ohne die diese nicht bestehen können (zu vergleichen mit den Händen und Armen natürlicher Personen). Die Handlungsbefugnisse der Organe (die häufig gleichwohl, wenn auch nicht ganz korrekt, als organschaftliche Vertreter bezeichnet werden) ergeben sich aus dem Gesetz, wobei jedoch bestimmte Beschränkungen gegenüber dem gesetzlichen Umfang zulässig sind, sofern sie im Handelsregister eingetragen und veröffentlicht werden (z. B. Kollektivzeichnungsrecht oder Gebietsbeschränkung).

Semantisch-historischer Rückblick zum Vollmachtsbegriff

Im gemeingriechischen Sprachgebrauch leitet sich zunächst ἐξουσία von ἔξεστιν spätestens im 5. Jh. v. Chr ab. ἐξουσία war hier die einem gehorsam ausgeführten Befehl vollziehende Macht, die von einer legitimierenden echten Machtquelle bestimmt sein muss, da sie ohne diese nur illusorisch wäre. Z. B. die Möglichkeit zum Handeln und das Recht, etwas zu tun, durch Verleihung einer höheren Norm oder Instanz. Zusammenfassend ist auch der gemeingriechische Sprachgebrauch von ἔξεστιν von einem Tun gekennzeichnet, dass weder von sich selbst, einer höheren Norm oder Instanz noch psychischer oder ethischer Art verhindert wird. Somit hat das Tun die Macht zur ungehinderten Ausübung.

Siehe auch

Vorsorgevollmacht, Generalvollmacht, Prokura, Bankvollmacht, Anscheinsvollmacht, Terminsvollmacht, Geldempfangsvollmacht

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