Voluntaristischer Sozialismus

Voluntaristischer Sozialismus

Mit dem Ausdruck Voluntarismus (von lat. voluntas, Wille; Lehre von der Bedeutung des Willens) wird auf Auffassungen Bezug genommen, die den Vorrang des Willens betonen - meist in Abgrenzung zum Verstand. Je nach Verwendungskontext existieren unterschiedliche spezifische Bedeutungen.

Inhaltsverzeichnis

Psychologie und Soziologie

Mit "Voluntarismus" wird etwa seit Anfang des 20. Jahrhunderts die Ansicht bezeichnet, dass die Willensvorgänge eine typische, für die Auffassung aller psychischen Vorgänge maßgebende Bedeutung haben. Der Begriff wurde von dem Soziologen Ferdinand Tönnies geprägt.[1] Vertreter des "Voluntarismus" in diesem Sinne gehen davon aus, dass das Wollen mit den ihm eng verbundenen Gefühlen und Affekten einen integralen Bestandteil der sozialen und psychischen Erfahrung ausmache, dessen Stellung gleichauf mit den Empfindungen und Vorstellungen liegt. Demnach sind psychische Prozesse als Prozesse in sich aufzufassen, die auf der subjektiven Reaktion des Menschen auf sein Umfeld beruhen und - wenigstens teilweise - nicht fremdbestimmt sind.

Philosophie und Theologie

Mit "Voluntarismus" meint man hin und wieder Auffassungen über das Wesen des Menschen, welche seit Duns Scotus den Willen in Abgrenzung zur Vernunft betonen. Meist findet der Ausdruck aber im Kontext der Religionsphilosophie Verwendung, um Positionen zu kennzeichnen, welche einen Vorrang des göttlichen Willens vor den menschlichen Rationalitätsmaßstäben lehren. Ein Gegenbegriff dazu ist in diesem Kontext Rationalismus oder Intellektualismus. Im 19. und zu Anfang des 20. Jh. wurde mit "Voluntarismus" auch allgemein eine religionsphilosophische Position verstanden, welche den praktischen Lebensvollzug, die subjektiv gelebte Religiosität betonte, anstatt Religion auf ein System von Verstandeswahrheiten zu reduzieren und den Sinn menschlicher Existenz ganz in der theoretischen Kenntnis dieser Satzwahrheiten zu sehen.

Daneben kann "Voluntarismus" sich auf spezifische philosophische Theorien beziehen, etwa auf den sogenannten metaphysischen Voluntarismus von Arthur Schopenhauer (Die Welt als Wille und Vorstellung).[2]

Im Kontext des Marxismus wurde in innermarxistischen Auseinandersetzungen der Ausdruck "Voluntarismus" hin und wieder als Kampfbegriff verwendet. Ausgehend von der deterministischen Auffassung des Klassenkampfes wird dabei dem politischen Gegner "Voluntarismus" vorgeworfen. So bekämpfte Rosa Luxemburg beispielsweise den "Voluntarismus" der polnischen Sozialistischen Partei. Mitglieder der SED bezeichneten Rudi Dutschke als "Voluntaristen", weil er libertär-sozialistische Ansätze vertrat.

Einzelnachweise

  1. Ferdinand Tönnies: Die Tatsache des Wollens, postum
  2. Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung, Bd. 1: 1818/1819; Bd. 2: 1844.

Literatur


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