- Vorgeschichtliches Museum der Universität Jena
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Die Ur- und Frühgeschichtliche Sammlung der Universität Jena bildet eine der ältesten und größten ihrer Art im Besitz einer deutschen Universität. Sie dient in erster Linie als Lehr- und Studiensammlung für Studenten und Fachleute. Ihr Grundstock wurde durch eine Schenkung gelegt; durch Ankäufe und Ausgrabungen ist ihr Bestand bis heute auf etwa 45.000 Inventarnummern angewachsen.
Die Sammlung bestand von ihrer Gründung im Jahr 1863 bis 1945 unter dem Namen Germanisches Museum der Universität Jena und von da an bis 1968 als Vorgeschichtliches Museum der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für prähistorische Archäologie. Ihre Geschichte ist mit der des heutigen Bereichs für Ur- und Frühgeschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena verbunden. Er gehört zu den ältesten Universitätsinstituten des Faches in Deutschland. Bereits seit 1859 werden in Jena - mit kurzen Unterbrechungen - Lehrveranstaltungen zur prähistorischen Archäologie angeboten. Ein eigener Lehrstuhl existiert seit 1934. Für die Entwicklung der Bodendenkmalpflege in Thüringen spielten die Jenaer Fachvertreter eine wichtige Rolle.
Bestände der Sammlung
Die Bestände der Sammlung umfassen heute ca. 45.000 Inventareinheiten aus etwa 1500 überwiegend europäischen Fundorten. Ihr Schwerpunkt liegt mit Objekten aus ca. 1000 Fundorten in Mitteldeutschland. Bei den Funden handelt es sich überwiegend um Keramikgefäße und deren Bruchstücke sowie Werkzeuge und Waffen aus Stein und Metall vom Paläolithikum bis in die Frühe Neuzeit. In der für archäologische Objekte charakteristischen breiten Materialpalette sind aber auch Artefakte aus Silber und Gold sowie aus Knochen, Elfenbein (Mammutzähne), Bernstein, Glas und Holz vertreten.
Mit ihren beispielhaften Funde aus weiten Teilen Europas, wie z.B. aus dem Vézèretal in Frankreich, aus Jordansmühl in Śląsk/Schlesien, Hallstatt in Österreich, La Tène in der Schweiz, Montegiorgio in Italien usw., bietet die Sammlung eine hervorragende Grundlage für die akademische Ausbildung der Jenaer Studenten. Die ur- und frühgeschichtliche Sammlung der Universität Jena ist für die Öffentlichkeit zurzeit und wohl auch in nächster Zukunft nur selten zugänglich (auf Anfrage). Teile des Bestandes werden jedoch in kleineren Ausstellungen an unterschiedlichen Orten oder als Dauerleihgaben an verschiedene Museen der Region gezeigt. Außerdem werden die bedeutendsten Sammlungsstücke auf nationalen und internationalen Ausstellungen im In- und Ausland präsentiert.
Die Fundobjekte aus der Sammlung waren in vielen Fällen die Grundlage für die erstmalige Beschreibung archäologischer Kulturen oder Zeitstufen, z. B. für die Bandkeramik, die Schnurkeramik, die Dreitzscher Gruppe oder den Großromstedter Horizont.
Daneben beherbergt die Sammlung eine reiche Auswahl von Fundkomplexen mit überregionaler Bedeutung für die Forschung wie z. B. paläolithische Artefakte aus Oelknitz, die keltische Schnabelkanne von Borsch, die latènezeitliche Maskenfibel von Ostheim vor der Rhön oder das kaiserzeitliche Prachtfibelpaar von Dienstedt.
Geschichte des Instituts und der Sammlung
1859-1929 - Die Anfänge unter F. Klopfleisch und G. Eichhorn
Die Anfänge der Jenaer Ur- und Frühgeschichte waren unmittelbar mit dem seit 1859 an der Universität lehrenden Privatdozenten der Kunstgeschichte, Friedrich Klopfleisch, (1831-1898) verbunden. Dieser beschäftigte sich in seinen Lehrveranstaltungen zunehmend auch und ab 1894 dann ausschließlich mit prähistorischer Archäologie. Jena gehört damit zu den ersten Universitäten in Deutschland, an denen Ur- und Frühgeschichte als Lehrfach angeboten wurde. 1875 war Klopfleisch zum außerordentlichen Professor ernannt worden, musste aber bereits 1896 aufgrund einer schweren Krankheit als Professor und Museumsleiter zurücktreten.
Sein bekanntester Schüler ist Alfred Götze (1865-1948), der 1890 bei Klopfleisch mit einer der ersten prähistorischen Dissertationen zum Thema „Die Gefäßformen und Ornamente der neolithischen schnurverzierten Keramik im Flussgebiete der Saale“ promoviert wurde. Aber auch andere Thüringer Archäologen der ersten Generation hatten Klopfleischs Vorlesungen besucht, so z. B. der Geheime Hof- und Medizinalrat Ludwig Pfeiffer (1842-1921), einer der Ausgräber der paläolithischen Fundstelle Weimar-Ehringsdorf, der langjährige Kustos des Weimarer Museums für Urgeschichte, Armin Möller (1865-1938), oder Sanitätsrat Gustav Eichhorn.
1863 schenkte Klopfleisch der Universität seine Sammlung vorgeschichtlicher, volkskundlicher und kunstgeschichtlicher Objekte und wurde Leiter des „Germanischen Museums zu Jena“. Sein erstes Domizil fand das Museum im Rundturm des Schlossgebäudes, der zugleich die Nordostecke der Stadtbefestigung bildete. Den Bestand des Museums vermehrte Klopfleisch durch den Erwerb großer Sammlungen wie der in der Großherzoglichen Bibliothek Weimar verwahrten „Praehistorica“, darunter v. a. Stücke aus dem Besitz von Johann Wolfgang von Goethe. Die meisten Funde stammen jedoch aus Klopfleischs eigenen Ausgrabungen. In den etwa dreißig Jahren seiner Tätigkeit in Jena hat er an etwa 80 Fundorten und wesentlich mehr Fundstellen über 150 Grabungen durchgeführt. Sie lagen zumeist um Jena und Weimar, erstreckten sich darüber hinaus aber auch auf das gesamte heutige Thüringen und die Nachbarländer. Zu den bekanntesten gehören die Untersuchungen auf dem Jenzig bei Jena (ab 1856), der paläolithischen Fundstelle Taubach bei Weimar (ab 1870) und des Grabhügels der Aunjetitzer Kultur in Leubingen (1877).
Nach Klopfleischs Tod brach die Lehre im Fach Ur- und Frühgeschichte zunächst ab, während das Museum weiterhin Bestand hatte. Die Betreuung der Sammlung lag ab 1900 ehrenamtlich in den Händen seines Schülers Gustav Eichhorn (1862-1929), der ab 1902 als Konservator tätig war. 1918 übernahm er als Vorstand die Verwaltung des „Prähistorischen (ehem. sog. german.) Museums“. Gleichzeitig wurde ihm auf Antrag der philosophischen Fakultät die Genehmigung erteilt, Vorlesungen über Vor- und Frühgeschichte zu halten. 1927 wurde Eichhorn für seinen Einsatz der Titel eines ordentlichen Honorarprofessors verliehen. Bereits seit 1928 schwer erkrankt, starb Eichhorn am 15. Oktober 1929 in Jena.
1926 war von der Philosophischen Fakultät das Promotionsrecht im Haupt- und Nebenfach Ur- und Frühgeschichte geschaffen worden. In der kurzen Zeit von Eichhorns Lehrtätigkeit besuchten viele bekannte Prähistoriker dessen Veranstaltungen, so z. B. Herbert Jankuhn (1905-1990) und Gotthard Neumann (1902-1972). Eichhorn konnte jedoch nur eine seiner Schüler und Schülerinnen, Hildegard Knack, 1928 mit einer Dissertation über „Die Latènekultur in Thüringen“ promovieren. Knack, die ab Ostern 1924 Prähistorie im Hauptfach studierte, gehörte damit zu den ersten Frauen, die den Doktortitel im Fach Ur- und Frühgeschichte erlangten.
Bald nach dem Beginn seiner Tätigkeiten für das Museum ging Gustav Eichhorn an die Einrichtung des Archivs für vor- und frühgeschichtliche Fundnachrichten und begründete damit einen der Anfänge einer zentralen Bodendenkmalpflege im politisch stark zersplitterten Thüringen. Pläne, „die Universität Jena zum Mittelpunkt der prähistorischen Forschung in Thüringen“ zu machen, indem „eine Art Archiv geschaffen werden (solle), in dem sämtliche Notizen usw., die vorgeschichtliche Forschung betreffend, gesammelt und aufbewahrt werden“, bestanden bereits seit 1904.
Im selben Jahr konnte die Sammlung mehrere Räume im ehemaligen Collegium Jenense beziehen, da das alte Schloss für den Neubau des Universitätshauptgebäudes abgebrochen wurde. Hier stellte Eichhorn die Sammlung neu auf, inventarisierte sie und verlieh ihr einen rein prähistorischen Charakter, indem er die historischen Objekte gegen die prähistorischen Funde aus dem Stadtmuseum tauschte. Außerdem wurden die Bestände des Germanischen Museums um eine Reihe bedeutender Privatsammlungen erweitert, so z.B. von Otto Schott (hallstattzeitliche Funde aus dem Picenum), Otto Hauser (paläolithische Artefakte aus Frankreich) und Arno Schröder (Funde vor allem aus der Umgebung von Jena, darüber hinaus aber aus ganz Mitteleuropa).
Von besonderer Bedeutung sind die Ausgrabungen des germanischen Gräberfelds von Großromstedt, die zusammen mit Philipp Kropp zwischen 1907 und 1913 sowie 1926 und 1928 erfolgten, und dessen Material von Eichhorn bereits 1927 monografisch vorgelegt wurde. Des Weiteren führte Eichhorn mehrere Rettungsgrabungen um Jena durch und widmete sich besonders der Aufarbeitung und Vorlage der Grabungen Klopfleischs.
1930-1945 - Die Konsolidierung unter G. Neumann und das Institut im „Dritten Reich“
Nach dem Tode Gustav Eichhorns wurde das Museum zunächst vertretungsweise durch den Professor der Geologie und Paläontologie Wilfried von Seidlitz (1880-1949) verwaltet. Jedoch wurde bereits wenige Wochen später ein geeigneter Nachfolger für die Stelle gesucht. Versuche von Seiten des nationalsozialistischen Volksbildungsministers Wilhelm Frick, dem Rassekundler Hans F. K. Günther eine ordentliche Professur für Vorgeschichte an der Universität Jena zu verschaffen, scheiterten am Widerstand der angefragten Prähistoriker, des Rektors und Senats.
1930 wurde die Leitung des Germanischen Museums dem ehemaligen Studenten Eichhorns Gotthard Neumann (1902-1972) übertragen. Ab dem Wintersemester 1930/31 bot Neumann als Volontärassistent des Historischen Seminars wieder Lehrveranstaltungen an. In Jena profitierte die Ur- und Frühgeschichte von dem Bedeutungsaufschwung, den das Fach im Dritten Reich erlebte. So wurden 1934 im Deutschen Reich sieben Lehrstühle für Ur- und Frühgeschichte, davon vier ordentliche, gegründet. Auch Neumann wurde in diesem Jahr zum beamteten außerordentlichen Professor für Vorgeschichte ernannt. Gleichzeitig verbesserte sich die personelle und materielle Ausstattung des Museums. 1936 bezog das Germanische Museum das Haus der aufgelösten studentischen Korporation Sängerschaft St. Pauli im Forstweg 24. Die Schausammlung konnte nun in zehn Räumen für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Durch den Erwerb mehrerer Privatsammlungen war der Bestand schon zuvor schnell angewachsen.
Das Institut wurde zu einer Landesanstalt für Vorgeschichte ausgebaut und Neumann oblag die Wahrnehmung der Bodendenkmalpflege in weiten Teilen des heutigen Thüringens. An größeren archäologischen Forschungs- und Rettungsgrabungen, die häufig mit Studenten der Ur- und Frühgeschichte, aber auch unter Einsatz des Reichsarbeitsdienstes durchgeführt wurden, sind beispielsweise zu nennen: 1932 jungpaläolithische Freilandsiedlung in Oelknitz, heute Ortsteil der Gemeinde Rothenstein, 1933 und 1936 spätbronzezeitliche Brandgräber und frühmittelalterliches Reihengräberfeld in Zöllnitz, 1933 mittelalterliche Wasserburg Kapellendorf, 1934 mittelalterlicher Turmhügel in Jenalöbnitz; 1934 bis 1938 mittelalterliche Reichsburg Kyffhausen, 1935 mittelalterliche Burg Camburg, 1935-1936 und 1941-1942 jeweils sechs schnurkeramische Grabhügel bei Lucka-Breitenhain und ein jungneolithischer Grabhügel bei Stobra, 1936 Urnengräberfeld der frühen Eisenzeit und frühmittelalterliches Reihengräberfeld bei Dreitzsch, 1940 bronzezeitliche Grabhügel bei Völkershausen-Willmanns und andere mehr.
Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden bis Januar 1941 nacheinander alle männlichen Mitarbeiter und deren Vertreter zur Wehrmacht eingezogen, wodurch die Tätigkeit des Instituts weitgehend zum Erliegen kam. Die Verwaltung des Museums übernahm der Jenaer Professor für Anthropologie und Ethnologie Bernhard Struck (1888-1971) und den Außen- und Innendienst als Assistentin Gudrun Loewe (1914-1994). Die ur- und frühgeschichtlichen Vorlesungen und Übungen an der Universität vertrat von 1941 bis 1944 Leonhard Franz (Universität Leipzig/Universität Innsbruck, 1895-1974). Ab 1943 wurden Teile des Institutsgebäudes zur Unterbringung von 60 Zwangsarbeiterinnen für die Firma Carl Zeiss Jena herangezogen, im Jahr darauf hier die Volksbüchereistelle für Thüringen untergebracht. Die nur zum Teil ausgelagerte Sammlung erlitt in dieser Zeit großen Schaden. Noch kurz vor Kriegsende wurde Neumann mit Wirkung zum 1. Februar 1945 zum ordentlichen Professor ernannt, ohne diese Position jedoch wahrnehmen zu können.
1945-1967 - Vom Neuanfang nach dem Krieg bis zur Emeritierung Neumanns
Nach dem Krieg begann Neumann im Juni 1945 mit der Reorganisation des Instituts und dem Wiederaufbau des Museums, das in Vorgeschichtliches Museum der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für prähistorische Archäologie umbenannt wurde. Nach seiner Entlassung 1945 führte vertretungsweise Gerhard Mildenberger die Geschäfte von Leipzig aus. Die Lehrtätigkeit ruhte bis zum Oktober 1947, als Günther Behm (ab 1953 Behm-Blancke; 1912–1994) zum kommissarischen Direktor des Museums bestellt und ihm gleichzeitig ein Lehrauftrag für Ur- und Frühgeschichte erteilt wurde. 1949 wurde er zum Dozenten für Vorgeschichte, 1951 bzw. 1953 zum Professor mit Lehrauftrag und 1961 zum Professor mit vollem Lehrauftrag für Ur- und Frühgeschichte (entspricht außerordentlicher Professor) ernannt. Ab 1947 war auch Neumann wieder am Museum beschäftigt und wurde 1953 erneut zum Professor mit vollem Lehrauftrag für Ur- und Frühgeschichte und gleichzeitig zum Direktor des Vorgeschichtlichen Museums, Institut für prähistorische Archäologie, ernannt. 1956 wurde er zum Professor mit Lehrstuhl (entspricht ordentlicher Professor) befördert und 1967 emeritiert. Als Assistenten bzw. Dozenten waren Waldtraut Schrickel von 1947 bis 1958 und Karl Peschel ab 1959 tätig.
Die im August 1949 wiedereröffnete Schausammlung des Jenaer Instituts wurde Studiensammlung für Studenten und Fachleute, während das Museum in Weimar ab 1953 zum staatlichen Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens und Zentrum der Bodendenkmalpflege ausgebaut wurde. 1958 konnte Neumann eine Neuaufstellung der Sammlung vornehmen. Zur Vervollständigung der Jenaer Sammlung wurden weiterhin mehrere Privatsammlungen angekauft. Bei den Abschlussarbeiten und in der akademischen Lehre wurde die Konzentration auf thüringische Themen nicht zuletzt aufgrund der politischen Situation beibehalten. Einen neuen Forschungsschwerpunkt bildeten die Untersuchungen zur vorrömischen Eisenzeit, besonders die Erforschung der Steinsburg bei Römhild, die Neumann 1949 nach dem Tod Alfred Götzes übernahm. Mehrere Rettungs- und Forschungsgraben wurden im weiteren Umfeld von Jena durchgeführt, wobei sich Schrickel besonders dem Neolithikum und Neumann der vorrömischen Eisenzeit und dem Mittelalter widmete, unter anderem der Wüstung Gumprechtsdorf im ehemaligen Staatsforst Klosterlausnitz (1952-1953), der Entstehung der mittelalterlichen Städte Jena und Lobeda (1953-1956), dem bronzezeitlichen und frühmittelalterlichen Burgwall auf dem Johannisberg bei Jena-Lobeda (1957, 1959) und der Burg bzw. dem Peterskloster in Saalfeld (1964).
1968-1991 - Von der Dritten Hochschulreform der DDR bis zur Abwicklung
1968 wurde Günther Behm-Blancke erneut zum Direktor des Vorgeschichtlichen Museums, Instituts für prähistorische Archäologie, bestimmt. Im Zuge der Dritten Hochschulreform der DDR 1968 sollte das Institut mit dem Landesmuseum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens in Weimar zusammengeführt werden. Daraufhin wurden die Sammlungsbestände in Räume in der Wasserburg Kapellendorf und eine Weimarer Schule ausgelagert. Das Universitätsinstitut behielt jedoch seine Eigenständigkeit und bestand als Wissenschaftsbereich Ur- und Frühgeschichte innerhalb der neu gegründeten Sektion (Philosophie und) Geschichte an der Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität fort. 1973 fand die Einrichtung auf dem Ernst-Thälmann-Ring 24a (heute wieder Löbdergraben 24a) ein neues Domizil und die Bestände konnten zurückgeführt werden.
Behm-Blancke war bis zu seiner Emeritierung 1977 Professor mit Lehrstuhl (ordentlicher Professor) und Leiter des Wissenschaftsbereichs Ur- und Frühgeschichte der Sektion Geschichte. 1977 wurde Karl Peschel zum Leiter des Bereichs für Ur- und Frühgeschichte ernannt und 1979 zum Hochschuldozenten berufen. Entsprechend den Vorgaben der Dritten Hochschulreform wurde 1968 in Jena wie auch in Leipzig und Greifswald die Ausbildung zum Fachwissenschaftler eingestellt. Die Lehre konnte zwar fortgesetzt werden, war aber nun auf die Ausbildung von Geschichtslehrern ausgerichtet.
Schwerpunkt der Forschungstätigkeit war die vorrömische Eisenzeit im Mittelgebirgsraum unter besonderer Berücksichtigung der Problematik von Kelten und Germanen. Dabei sind zum einen die Neubearbeitung des germanischen Gräberfeldes Großromstedt und zum anderen Untersuchungen zur keltischen Besiedlung Südwestthüringens in der Hallstatt- und Latènezeit, insbesondere zu den Gleichbergen bei Römhild, durch Karl Peschel hervorzuheben. Die eingeschränkten personellen, technischen und finanziellen Möglichkeiten erlaubten bis 1989 nur kleinere Grabungen und Notbergungen. Dem Bereich oblag allerdings weiterhin die Bodendenkmalpflege im Stadtgebiet und im Kreis Jena.
Nach der politischen Wende und der Wiedervereinigung Deutschlands wurden im Oktober 1990 alle Mitarbeiter der Einrichtung aufgrund der Zugehörigkeit zur Sektion Geschichte abgewickelt, d. h. entlassen und nach Prüfung neu eingestellt.
1991-1999 - Die Wiederaufnahme der akademischen Fachausbildung nach der politischen Wende
Bereits 1991 konnte die Lehre im Hauptfach Ur- und Frühgeschichte durch Peschel wieder aufgenommen werden. 1993 wurde Peschel auf eine Professur für Ur- und Frühgeschichte berufen und 1999 emeritiert. Die 1974 von Dietrich Mania (* 1938) gegründete Forschungsstelle Bilzingsleben wurde 1993 infolge des Übergangs des Kreises Artern zum Freistaat Thüringen aus der Verantwortung des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle herausgelöst und der Friedrich-Schiller-Universität angegliedert. Zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit Lehrauftrag in Jena tätig, wurde Dietrich Mania 1995 apl. Professor für Urgeschichte, Quartärgeologie und -paläontologie und 2000 emeritiert.
2000 ff. - Der Bereich am Beginn des 3. Jahrtausends
Im Jahr 2000 wurde Peter Ettel auf eine Professur und zum Leiter des Bereichs Ur- und Frühgeschichte berufen. Die Grabungstätigkeit konnte im Rahmen von Forschungs-, Lehr- und Rettungsgrabungen wie beispielsweise auf dem Brandgräberfeld von Mühlen Eichsen intensiviert werden. Dabei wurde mit der Untersuchung der Zentralsiedlung in Karlburg bei Karlstadt 2002/03 die Jenaer Tradition der Mittelalterarchäologie wieder aufgenommen. Seit 2004 ist der Bereich an einem DFG-Projekt zur Erforschung der Himmelsscheibe von Nebra und ihres Umfeldes beteiligt. 2003 wurde Clemens Pasda auf die aus der Forschungsstelle Bilzingsleben hervorgegangene Professur für Urgeschichte berufen und übernahm die Weiterführung des Forschungsprojektes Bilzingsleben.
Literatur
- Gustav Eichhorn: Führer durch die Sammlungen des Germanischen Museums der Universität Jena. Jena 1929.
- Roman Grabolle, Uwe Hoßfeld, Klaus Schmidt: Ur- und Frühgeschichte in Jena 1930-1945. Lehren, Forschen und Graben für Germanien? In: Uwe Hoßfeld, Jürgen John, Oliver Lemuth, Rüdiger Stutz (Hrsg.): „Kämpferische Wissenschaft“. Studien zur Universität Jena im Nationalsozialismus. Köln - Weimar - Wien 2003, 868-912. ISBN 3-412-04102-5.
- Gotthard Neumann: Dr. Friedrich Klopfleisch, Professor der Kunstgeschichte an der Universität Jena, Begründer der thüringischen Urgeschichtsforschung. in: Mannus. Bonn 24.1932, 134-146. ISSN 0025-2360
- Gotthard Neumann: Hundert Jahre Vorgeschichtliches Museum der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Prähistorische Archäologie. in: Ausgrabungen und Funde. Akad.-Verl., Berlin 8.1963, 223-231. ISSN 0004-8127
- Karl Peschel: Die ur- und frühgeschichtliche Sammlung. In: Reichtümer und Raritäten. Kulturhistorische Sammlungen, Museen, Archive und Gärten der Friedrich-Schiller-Universität Jena. in: Jenaer Reden und Schriften. Univ.-Verl., Jena 1974, 137-143. ISSN 0232-5969
Weblinks
- Bereich für Ur- und Frühgeschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena mit einer ausführlichen und bebilderten Version dieses Artikels.
- Sabine Goldhahn: In einem Land vor unserer Zeit. Die Jenaer Sammlung für Ur- und Frühgeschichte. Uni_Journal Jena. April 2000.
50.92747222222211.590722222222Koordinaten: 50° 55′ 39″ N, 11° 35′ 27″ O
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