- W28
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Der Tischfernsprecher W28 (Wählfernsprecher 1928), ein Klassiker unter den Telefonmodellen, wurde ca. ab 1925 von Siemens & Halske entwickelt und ab 1928 von verschiedenen Herstellern für die Deutsche Reichspost gebaut. Er löste den bisherigen Selbstwählfernsprecher ZB/SA 24 als Standardgerät der Reichspost ab. Der W28 ist einer der ersten modernen Tisch-Fernsprecher in kompakter Bauweise. Dieses recht kleine Gehäuse hatte aber auch Nachteile bei einer Reparatur: die meisten Bauteile befinden sich auf engem Raum im Gehäuseunterteil und nicht wie bisher üblich auf der Bodenplatte und waren deswegen zum Teil schwer zugänglich. Das von Siemens nahezu gleichzeitig entwickelte Modell 29, unter dem Namen Hockender Hund bekannt, schaffte es nicht in die Serienproduktion.
Inhaltsverzeichnis
Vorserie – das Modell 26
Der direkte Vorgänger bzw. die Vorserie des W28 war das sogenannte Modell 26 von 1926 (Siemens-Bezeichnung „VSa.tist.66.c“), das sich schaltungstechnisch überhaupt nicht unterscheidet, aber an drei Seiten des Gehäuses Schlitze aufweist, welche einen lauteren Klingelton ermöglichten. Die Gabel war einfacher gestaltet, statt einem aufgeschraubten Schilderrähmchen für die eigene Rufnummer hatte das W28 Privatausführung eine in das Stahlblechgehäuse gestanzte, kleinere Öffnung an der Vorderseite, hinter die ein Papierstreifen geschoben werden konnte. Die Einführung der Hörerschnur befindet sich an der Rückseite des Gehäuses (beim W28 links), die Fingerlochscheibe (Wählscheibe) bestand aus vernickeltem Messing. Das Oberteil wurde aus Zinkdruckguss gefertigt, die Bodenplatte mit zwei langen Schraubenbolzen befestigt, welche gleichzeitig das Oberteil hielten. Eine Version des W28 Privatausführung (siehe Foto oben, rechtes Modell) wurde in Deutschland bis zum Produktionsende des W28 gebaut, jedoch nicht für die Reichspost, sondern für Nebenstellenanlagen (Siemens-Bezeichnung „Fg.tif.66.a.v.“). Daher gab es auch nie einen W26 (diese Bezeichnung ist posttypisch und steht für „Wählfernsprecher, Einführungsjahr 1926“) Für andere Länder bzw. in anderen Ländern (Niederlande, Österreich) wurde das W28 Privatausführung etwa bis 1955 gebaut. Die Vorserienapparate mit den Gehäuseschlitzen sind recht selten zu finden und mittlerweile Sammlerraritäten.
Ausstattung und Technik – W28
Besondere Merkmale des W28 sind: Sein kompaktes, zweiteiliges Gehäuse mit einer fast quadratischen Grundfläche – das Unterteil aus Stahlblech mit angeschraubtem Schilderrähmchen für die eigene Rufnummer, das zu Reparaturzwecken abnehmbare Oberteil (nun aus Bakelit gefertigt), die äußerst markante Stahlgabel mit dem kleinen Knick, der relativ gerade, handliche Hörer aus schwarzem Bakelit mit halbkugelförmiger Einsprache (untere Mikrofonkappe des Hörers) und geflochtener, textilummantelter Hörerschnur. Diese halbkugelförmige Einsprache mit Schlitzen oben hatte eine schallbündelnde, verstärkende Wirkung, weil die damaligen Kohlesprechkapseln in ihren akustischen Eigenschaften noch recht schlecht waren. Hör- und Sprechkapseln können mit nur wenigen Handgriffen ausgetauscht werden. Solche genormten Kapseln wurden in stetig verbesserter Qualität bis in die 1990er-Jahre verwendet und sind heute (2009) noch erhältlich. Die technischen Bauteile waren (außer dem Gabelumschalter und dem Nummernschalter) im unteren Gehäuseteil montiert und nach Abnahme der Metall-Bodenplatte zugänglich. Bei aufgelegtem Hörer ist die Wählfunktion durch eine raffinierte, aber doch einfache Sperrklinke mechanisch gesperrt – eine aufgrund der Schaltung des W28 erforderliche Funktion, um eine unbeabsichtigte Wahl zu verhindern: Der sogenannte „nsa“ (Nummernschalter-Arbeitskontakt) war noch vor den Gabelumschalter geschaltet. Somit wären ohne Sperrfunktion beim Drehen der Wählscheibe mit aufgelegtem Hörer Wählimpulse erzeugt worden. Diese Sperre hatte aber auch den nützlichen Nebeneffekt, das „richtige Telefonieren“ (Handapparat abnehmen, Wählton abwarten, Rufnummer wählen) zu erzwingen. Teilweise war die Bezeichnung „W28“ in die Bodenplatte eingeschlagen. Bodenplatte und Oberteil waren im Gegensatz zu seinem Vorgänger Modell 26 separat verschraubt.
Änderungen im Laufe der Zeit – Kriegssparmaßnahmen
Die ersten W28 bis etwa 1930 wurden mit den massiven Druckguss-Nummernschaltern des Typs N24 aus den Vorgängerapparaten ausgerüstet – danach kam der neu entwickelte, leichtere N30 aus Stahlblech zum Einsatz – somit wurde auch das Gesamtgewicht reduziert. Die Vorkriegsmodelle und private Nebenstellen-Apparate hatten bis zirka Mitte 1938 noch eine vernickelte Fingerlochscheibe (Wählscheibe) aus Messing, spätere Exemplare bekamen eine Fingerlochscheibe aus schwarzem, strukturiertem Bakelit. Vernickelte Fingerlochscheiben sahen edler aus, jedoch bekam man beim Wählen schnell dunkle Ränder an der Fingerkuppe, zudem war die Produktion aufwändiger und teurer. Die Handapparate der frühen Modelle hatten noch keine Verzierungskante. Ursprünglich bestanden die beiden verschieden im Klang abgestimmten Weckerschalen aus Stahl. Während des 2. Weltkrieges wurde der W28 vereinzelt (ab Ende 1939) mit Aluminium-, später dann mit Glasglocken ausgeliefert, um Rohstoffe für die Rüstung einzusparen. Auch wurden teilweise Modelle mit nur noch einer Glockenschale hergestellt.
Varianten und Farben
Es wurden Modelle mit und ohne Erdtaste hergestellt. Ferner gab es diverse Sonderapparate auf Basis des W28/Modell 26, z.B. für die Deutsche Reichsbahn. Eine elfenbeinfarbene (crèmeweisse) Luxusausgabe wurde von 1936 bis ca. 1940 ebenfalls produziert, allerdings nur in kleiner Stückzahl, weil die Herstellung aufwändiger und deshalb teurer war. Die gleichzeitig produzierte Version zur Wandmontage weist ähnliche technische und optische Merkmale auf, war aber weniger verbreitet. Sie besaß ein seitlich aufklappbares Gehäuse aus tiefgezogenem, schwarz lackiertem Stahlblech und eine stabile Gabel aus Zinkdruckguss. Im Gegensatz zum Tischmodell war das „Innenleben“ leichter zugänglich – die Bauteile waren auf der massiven Metallgrundplatte montiert.
Sonstiges
Technik und Aussehen des W28 erwiesen sich als wegweisend und bahnbrechend für die nächsten 20 Jahre. Er wurde in die Niederlande exportiert und teilweise auch in Österreich gebaut. Sogar in Japan wurden Lizenzen gekauft, um den W28 nachzubauen. Dieses Telefonmodell verhalf dem Fernsprecher – vorher eher in begüterten Haushalten oder bei Geschäftsleuten zu finden, zu größerer Verbreitung. Allerdings vergingen noch Jahrzehnte, bis sich jeder private Haushalt ein Telefon leisten konnte. Erst ab 1963 eroberte das Telefon mit dem FeTAp 61 (der sog. Grauen Maus) langsam aber sicher die bundesdeutschen Privathaushalte.
Nachfolger und Nachkriegszeit
Der W28 wurde ab 1940 bzw. 1948 durch die technisch stark verbesserten und letztlich viel erfolgreicheren Nachfolgermodelle W38 und W48 langsam abgelöst, die beide aus dem Modell 36 hervorgingen. Aufgrund Materialknappheit wurden in der Zeit nach dem Krieg die noch nicht verbauten Teile von W28, Modell 36 und W38 aus den Kellern und Lagern geholt, um daraus wieder funktionsfähige Telefone herzustellen. Auf Originalität der verschiedenen Typen wurde dabei nicht geachtet – wichtig war, dass man nach den Kriegswirren überhaupt wieder telefonieren konnte. Dabei entstand so manche seltsame Zusammenstellung. Diesen Notstand konnte auch der von SABA konstruierte W46 nicht aufhalten, davon wurden zu wenige produziert. Erst der W48, welcher etwa ab 1950 größere Verbreitung fand und zum neuen Standardfernsprecher der Deutschen Bundespost über viele Jahre wurde, konnte die Flickschusterei stoppen.
W28 heute
Heute ist der W28 (und auch das Modell 26) zum einem beliebten Sammler- und Liebhaberobjekt geworden. Seine grazil-elegante Form wirkt immer noch ansprechend. Die Apparate funktionieren noch einwandfrei an analogen Hauptanschlüssen und Telefonanlagen, welche das traditionelle Impulswahlverfahren (IWV) unterstützen, ferner über impulswahlfähige Terminaladapter auch an ISDN. Durch den Einbau einer modernen Transistorsprechkapsel und Austausch des Übertragers gegen ein Exemplar vom W48 erreicht man eine Sprachqualität, die dem heutigen Standard entspricht. Ferner wird der Einbau eines Gehörschutzgleichrichters empfohlen, weil beim Betätigen der Gabel und beim Wählen für das Gehör schädlich laute Knackgeräusche entstehen. Dieser besteht aus zwei antiparallel geschalteten Halbleiter-Dioden, welche parallel zur Hörkapsel geschaltet werden. Solche Gleichrichter wurden serienmäßig erstmals ab dem W48 eingesetzt.
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