- WOK
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Die Wurzelortskurve (WOK) ist eine grafische Darstellung der Lage der Polstellen der komplexen Führungs-Übertragungsfunktion F0(s) eines Regelkreises in Abhängigkeit eines Parameters k. Die Wurzelortskurve verdeutlicht somit die Verschiebung der Polstellen in Abhängigkeit des Parameters k und ermöglicht dadurch Rückschlüsse auf das Stabilitätsverhalten und die Dynamik des Regelkreises. Da die Polstellen komplexe Werte annehmen können, wird die Wurzelortskurve in der Gaußschen Zahlenebene abgebildet.
Die Polstellen der Führungsübertragungsfunktion sind Nullstellen des Nennerpolynoms. Synonym für Nullstelle wird bzw. wurde der Begriff Wurzel verwendet.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Sei G0 die Übertragungsfunktion der offenen Kette. Zur Wurzelortskurve gehören alle Punkte der komplexen Ebene, welche die
- charakteristische Gleichung:
erfüllen. Gilt , so handelt es sich um die eigentliche Wurzelortskurve, ansonsten um die komplementäre (oder uneigentliche) Wurzelortskurve. Eine Lösung der Gleichung für festes k heißt Wurzelort.
Eigenschaften
Die Wurzelortskurve ist symmetrisch zur reellen Achse. Sie beginnt für k = 0 in den Polen si des offenen, korrigierten Kreises (L(s)=H(s)*G(s)) und endet für in seinen Nullstellen s0i. Lösungen für gehören der eigentlichen (positiven) WOK an, die Kurven für k < 0 gehören zur komplementären (negativen) WOK.
Exakte Konstruktion
Für die exakte Konstruktion der Wurzelortskurve wird die Übertragungsfunktion der offenen Kette wie folgt zerlegt:
Darin bezeichnen n die Systemordnung und q die Anzahl der Nullstellen des Systems. Zur Wurzelortskurve gehören alle komplexen Punkte, welche die Amplitudenbedingung und die Phasenbedingung erfüllen:
Amplitudenbedingung: ,
Phasenbedingung: ,
wobei Φ0i und Φi für jede Nullstelle bzw. jeden Pol die mathematisch positiv gezählten Winkel zwischen einem von Nullstelle bzw. Pol gedachten waagerechten nach rechts zeigenden Strahl und dem zu überprüfenden Punkt bezeichnen.
Die Amplitudenbedingung kann auch verwendet werden, um für einen gegebenen Punkt der Wurzelortskurve die zugehörige Verstärkung k zu bestimmen.
Regeln zum Skizzieren
Die Amplituden- und Phasenbedingung kann zur numerischen Konstruktion der Wurzelortskurve durch einen Rechner genutzt werden. Ihre Verwendung zur manuellen Skizzierung ist unhandlich, daher wurden folgende Konstruktionsregeln abgeleitet.
- Ursprung/Ende: Jeder Ast der Wurzelortskurve beginnt in einem Pol der offenen Kette G0 und endet in einer Nullstelle der offenen Kette, oder im Unendlichen.
- Asymptoten: Für große Verstärkungen nähern sich die Äste Geraden asymptotisch an. Die Anzahl der Asymptoten ist n − q. Die Asymptoten haben für k > 0 Neigungswinkel und schneiden sich im gemeinsamen Schnittpunkt .
- Reelle Achse: Zur eigentlichen Wurzelortskurve gehören genau die Punkte s der reellen Achse, für die die Anzahl der von dort aus gesehen rechts gelegenen reellen kritischen Stellen (Nullstellen und Pole) ungerade ist. Alle übrigen Punkte auf der reellen Achse gehören zur komplementären WOK (k<0). Jeder Punkt auf der reellen Achse ist also Teil einer WOK: Entweder Teil der eigentlichen WOK (k>0) oder Teil der komplementären WOK (k<0).
- Verzweigungs- und Vereinigungspunkte: Verzweigungs- und Vereinigungspunkte sind genau solche Punkte, die sowohl die Phasenbedingung als auch die Gleichung erfüllen.
Anwendung
Die Wurzelortskurve ermöglicht die Analyse der Stabilität, wenn der geschlossene Regelkreis gegeben ist, ohne die Führungs-Übertragungsfunktion G(s) explizit auszurechnen. Wenn alle Pole und Nullstellen in Re( − ) (offene linke Halbebene) liegen, ist der geschlossene Regelkreis stabil. Befinden sich ein oder mehrere Pole in Re( + ) (offene rechte Halbebene), ist das System instabil. Befinden sich ein oder mehrere Pole auf der imaginäre Achse, und alle restlichen Pole in der linken Halbebene, so spricht man von einem bedingt stabilen oder grenzstabilen System. Befinden sich alle Pole auf der imaginären Achse (Realteil gleich 0), so handelt es sich um ein ungedämpftes System.
Die Wurzelortskurve ist für lineare und zeitinvariante Systeme definiert. Als freier Parameter wird meist die Verstärkung genommen, was für einen Reglerentwurf durch das Wurzelortskurvenverfahren ausgenutzt wird. Für Systeme mit Totzeit ist das Verfahren schlecht geeignet.
Siehe auch
Literatur
- Jan Lunze: Regelungstechnik, Springer Verlag, Bd. 1 (2005) ISBN 3-540-28326-9, Bd. 2 (2006) ISBN 3-540-32335-X
- Heinz Unbehauen: Regelungstechnik, Vieweg, Braunschweig/Wiesbaden, Bd. 1 (2005) ISBN 3-528-93332-1, Bd. 2 (2000) ISBN 3-52873348-9
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