Wake turbulence

Wake turbulence
Mit Rauch sichtbar gemachte Wirbelschleppe (NASA).

Bei Wirbelschleppen (engl. wake turbulence), auch Wirbelzöpfe oder Randwirbel genannt, handelt es sich um zopfartige, gegenläufig drehende Luftverwirbelungen hinter fliegenden Flugzeugen (prinzipiell gibt es Wirbelschleppen auch hinter anderen, nicht fliegenden Fahrzeugen, wo sie aufgrund der geringeren Intensität und der Luftreibung am Boden jedoch nur sehr viel geringere Auswirkungen besitzen). Ihre Intensität ist vom Gewicht des Flugzeuges abhängig. Die Lebensdauer wird von Wind und Atmosphäre beeinflusst. Der Begriff „Wirbelschleppen“ bezieht sich dabei sowohl auf die an sich unsichtbaren Luftverwirbelungen, als auch auf die im Zuge von Kondensationsprozessen sichtbar werdenden Wolkenspuren in ihrem Zentrum (engl. wing tip trails).

Inhaltsverzeichnis

Entstehung und Auswirkungen

Wirbelschleppen einer langsam fliegenden F-15 nach einer Luftbetankung durch einen KC-10 Extender.
Boeing 747 mit Wirbelschleppen in Basel

Wirbelschleppen sind eine Begleiterscheinung des Auftriebs. Daher treten sie bei einem startenden Flugzeug erstmals am Rotationspunkt auf, wenn das Bugrad abhebt. Ihre Intensität wird wesentlich von der Geometrie, insbesondere der Tragflächen, und auch vom Anstellwinkel des Flugzeugs beeinflusst. Indirekt ist damit auch Größe und Masse eines Flugzeugs verbunden: Je größer die ersten beiden Werte, desto stärker werden auch die Wirbelschleppen. Wirbelschleppen bilden sich nach dem Aufsetzpunkt, wenn das landende Flugzeug auf der Landebahn aufgesetzt hat, nicht neu. Man kann zwei Entstehungsursachen für Wirbelschleppen unterscheiden, wobei die erste dominierend ist:

  • Damit ein Flugzeug Auftrieb erzeugen kann, muss Luft an den Tragflächen nach unten beschleunigt werden. Da diese Beschleunigung außerhalb des Flugzeugbereiches nicht erfolgt, entsteht ein Drehimpuls, und es bilden sich hinter dem Flugzeug zwei gegenläufig drehende Wirbel, deren Lebensdauer von Wind und Atmosphäre beeinflusst wird. Zwischen den beiden Wirbeln entsteht eine starke, vertikal abfallende Luftströmung, die für nachfolgende Flugzeuge gefährlich ist. Bei ausgefahrenen Auftriebshilfen, also bei Start oder Landung, verstärkt sich in Abhängigkeit vom Gewicht des Flugzeuges die Intensität der hinter dem Flugzeug verbleibenden schlauchartigen Wirbel. In ungünstigen Fällen können die Wirbelschleppen so lange anhalten und eine solche Stärke erreichen, dass sie z. B. am Boden ganze Hausdächer abdecken. Speziell im Gebiet eines Flughafens kommen sich Flugzeuge zwangsläufig so nahe, dass schon in der Warteschleife, aber besonders im Landeanflug und beim Start auf die Abstände der Maschinen geachtet werden muss, um Turbulenzen und Steuerungsprobleme durch Wirbelschleppen für nachfolgende Maschinen zu vermeiden. Hier gilt eine Richtzeit von zwei bis drei Minuten. Diese Staffelung wirkt sich auf die Kapazität eines Flughafens aus.
  • Da an der Flügeloberseite bei der Erzeugung von Auftrieb Unterdruck herrscht, kommt es an den Flügelspitzen zu einem Druckausgleich, bei dem Luft von der Flügelunterseite zur -oberseite strömt. Die Luft kühlt sich im Zentrum der Verwirbelung am Flügelende adiabatisch ab, da sich hier ein Bereich besonders niedrigen Drucks befindet. Dabei erreicht die Luft oft Temperaturen unterhalb der Taupunkttemperatur, wodurch es zur Kondensation des in der Luft enthaltenen Wassers zu Wasserdampf/Nebel kommt und ein Wirbelzopf sichtbar wird. Für die Konstruktion von Flugzeugen sind die Fragen des Auftriebs entscheidend, wobei der durch Wirbelschleppen bedingte Auftriebsverlust mit zunehmender Tragflächenlänge abnimmt. Damit ist eine Erhöhung der Abrissgeschwindigkeit und des Treibstoffverbrauchs, aber auch eine Einschränkung der Manövrierfähigkeit verbunden. Gerade bei Kampfflugzeugen nimmt man aber zugunsten der Manövrierfähigkeit kürzere Flügel und verhältnismäßig starke Wirbelschleppen in Kauf. Von diesem Sonderfall abgesehen, wird generell eine hohe Streckung bevorzugt und/oder die Tragflächenenden werden mit Winglets versehen.

Kategorien

Durch Einteilung der Flugzeuge in Gewichtsklassen werden die benötigten Abstände (engl. wake turbulence separation minima) definiert, um die Gefahren der Wirbelschleppen zu vermeiden. Die Daten in der abgebildeten Tabelle entsprechen den Angaben im Lufthansa Flight Training Manual.

vorausgeh. Flugzeug folgendes Flugzeug Abstand - Radar Abstand - Zeit Beispiel
L Light (MTOW bis 7 t) light 3 NM N/A Dornier Do 28 <- Dornier Do 28
medium 3 NM N/A Cessna 182 <- Boeing 737
heavy 3 NM N/A Dornier Do 28 <- Boeing 747
M Medium (MTOW 7 t bis 136 t) light 5 NM 3 min Boeing 737 <- Cessna 172
medium 3 NM N/A Boeing 737 <- Airbus A320
heavy 3 NM N/A Airbus A320 <- Boeing 747
H Heavy (MTOW >136 t) light 6 NM 3 min Boeing 747 <- Cessna 182
medium 5 NM 2 min Boeing 747 <- Boeing 737
heavy 4 NM N/A Boeing 747 <- Boeing 747

Die Boeing 757 wird auf Grund von verstärkt auftretenden Wirbelschleppen nach Beinaheunfällen trotz ihres Gewichtes von weniger als 136 Tonnen beinahe immer in die Kategorie Heavy einsortiert. In den USA besteht eigens für die 757 eine weitere Klasse, die sog. Klasse MH (Medium-Heavy), in Europa gibt es diese besondere Klasse nicht.

Um die Kapazitätsvorteile bei der Landebahnnutzung (Passagiere/Zeit) teilweise erhalten zu können, schlägt Airbus für den A380 eine "Unterschreitung" der Mindestabstände zum vorausfliegenden Flugzeug vor [1]. Der A380 ist auch das erste Flugzeug in der Kategorie "J" (für Super).

Trotz gleichem oder höherem Gewicht als die A380 wurden C-5 Galaxy und An-124 bisher wie eine B747 behandelt.

Verhalten bei Gefahr von Wirbelschleppen

Der Flugverkehrskontrollotse auf dem Turm gibt üblicherweise bei Gefahr von Turbulenzen und Wirbelschleppen eine Warnung aus. Dennoch steht letztendlich der Pilot in der Verantwortung, sicher zu landen und einen Unfall zu vermeiden. Aus diesem Grund haben sich unter anderen folgende Verfahren als sinnvoll erwiesen:

  • Landung hinter einem landenden großen Flugzeug auf derselben Landebahn:
    Über dem Gleitweg des vorhergehenden Flugzeugs bleiben und nach dessen Aufsetzpunkt landen.
  • Landung hinter einem startenden großen Flugzeug auf derselben Landebahn:
    Landung am Beginn der Startbahn und kurze Landung.
  • Abflug hinter einem startenden großen Flugzeug auf derselben Landebahn:
    Abheben (rotieren), bevor der Rotationspunkt des vorangehenden Flugzeugs erreicht ist. Dann unbedingt über dessen Steigweg bleiben und Kursänderungen, die unter oder hinter dem Weg eines großen Flugzeugs entlangführen, vermeiden.

Wissenschaftliche Untersuchungen

Airbus musste für den Airbus A380 wegen des großen Gewichts und der dadurch sehr intensiven Wirbel neue Technologien entwickeln, welche die Wirbelschleppen bei diesem großen Flugzeug in Grenzen halten.

Die Forschung zu diesem Thema lässt sich in drei Bereiche aufteilen:

1. Wirbelerkennung u. -vorhersage

Die Entwicklung von Methoden zur Abschätzung des Wirbelverhaltens, z.B. in Abhängigkeit meteorologischer Kennwerte lassen eine theoretische Wirbelvorhersage z.B. in Computermodellen zu. Die physikalischen Prozesse des Transports und Zerfalls der Wirbel in der Atmosphäre sind verstanden. Wirbelschleppen und ihre meteorologischen Parameter können mittels eines gepulsten LIDARs vorhergesagt und beobachtet werden.

2. Wirbelvermeidung

Durch Entwicklung von Flugzeugen mit günstiger Wirbelcharakteristik wird versucht, die Wirbelstärke zu verringern. Es ist außerdem nachgewiesen, dass Flugzeugwirbelschleppen durch die Erzeugung von Mehr-Wirbel-Systemen abgeschwächt werden können.

Um direkt am Flugzeug konstruktiv die Wirbelschleppenbildung zu vermindern, gibt es folgende Überlegungen:

  • Am rechten und linken Flügel werden verschieden drehende Triebwerke eingebaut. Die Turbinen rotieren jeweils gegenläufig, so dass entgegengesetzte, nach innen und außen drehende Wirbel entstehen. So wird die Wirbelschleppe gestört und klingt früher ab. Dieser Ansatz ist allerdings eher theoretischer Natur, die Kosten, Triebwerke quasi doppelt zu entwickeln, einmal für die rechte und die linke Tragfläche, sind kaum zu finanzieren. Die gesamte Logistikkette für Ersatzteile, von kleinen Schaufeln, bis zu kompletten Triebwerken würde sich nahezu verdoppeln.
  • Ein speziell verkleidetes Fahrwerk wird schon frühzeitig ausgefahren. Auch das schwächt die problematischen Wirbel.
  • Die Klappen werden nicht ganz an den Rumpf herangeführt. So entsteht an dieser Stelle ebenfalls ein gegenläufiger Wirbel, der die Wirbelschleppe schwächt.

3. Wirbelverträglichkeit

Der dritte Teil der Forschung bezieht sich auf die Entwicklung von Methoden zur Erhöhung der Sicherheit bei Einflug in eine Wirbelschleppe, damit es z.B. bei Einflug in solche Wirbel nicht zu Klappenabrissen kommt, was, wie oben erwähnt, schon vorgekommen ist.

Tatsächliche Unfälle

Am 12. November 2001 gegen 9:15 Uhr Ortszeit stürzte kurz nach dem Start vom John F. Kennedy-Flughafen, New York, ein Airbus A300 auf dem Flug 587 nach Santo Domingo der American Airlines in der Nähe von Rockaway Beach, Queens, NY, aufgrund von Wirbelschleppen einer vorher abgeflogenen Boeing 747 in dicht besiedeltes Gebiet. Im abschließenden Untersuchungsbericht [1][2] wurden zwar die Wirbel als Auslöser genannt, aber tatsächlich die aggressive Benutzung des Seitenruders als finale Unfallursache festgestellt. Durch fünf heftige Seitenrudervollausschläge in Folge bei hoher Geschwindigkeit wurde die Seitenruderaufhängung überlastet und das gesamte Seitenleitwerk vom Rumpf abgetrennt, was dann zum Absturz führte [3]. Daraufhin wurde das Ausbildungsprogramm der Piloten verändert und die Flugparameter im Flughandbuch um diesen Punkt erweitert.

Literatur

  • Bachmann, Faber, Sanftleben - Gefahrenhandbuch für Piloten, Motorbuch Verlag Stuttgart, ISBN 3-87943-656-8
  • Götsch, Ernst - Luftfahrzeugtechnik, Motorbuchverlag, Stuttgart 2003, ISBN 3-613-02006-8
  • Jeppesen Sanderson - Private Pilot Study Guide 2000, ISBN 0-88487-265-3
  • Jeppesen Sanderson - Private Pilot Manual 2001, ISBN 0-88487-238-6
  • Lufthansa Flight Training, Pilot School, BRE OS1/A - International Air Traffic Regulations and Procedures, 2003
  • Hermann Schlichting, Erich Truckenbrodt - Aerodynamik des Flugzeugs 1 (Klassiker der Technik), Springer Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-540-67374-1
  • Hermann Schlichting, Erich Truckenbrodt - Aerodynamik des Flugzeugs 2 (Klassiker der Technik), Springer Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-540-67375-X

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. http://pdf.aiaa.org/preview/CDReadyMMST05_1088/PV2005_6110.pdf AIAA 2005-6110 Bericht
  2. http://www.ntsb.gov/publictn/2004/AAR0404.pdf Bericht der NTSB
  3. Sprecher der US-Luftfahrtbehörde AIAA in einer Doku in N-TV im Dezember 2007

Weblinks


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