Wandteppich "Apocalypse"

Wandteppich "Apocalypse"
Halle mit den Teppichen

Auf dem Burgplateau von Angers, im Château du Roi René, befinden sich die Wandteppiche des Teppichzyklus der Apokalypse, des ältesten erhaltenen Teppichzyklus Frankreichs, der zugleich möglicherweise der größte Zyklus ist, der jemals gewebt wurde. Die einzelnen Teppiche sind in einem durchgehend dunklen und nur vorsichtig beleuchteten riesigen Raum an mehreren Wänden befestigt. Dieser Teppichzyklus wurde von 1373–80 nach dem Entwurf von Hennequin von Brügge (oder Jean de Bondol) angefertigt. Die Ausführung lag in den Händen des damals berühmtesten Webers von Paris, Nicolas Bataille.

Inhaltsverzeichnis

Beschaffenheit

Auf sieben Teppichen aus Leinen verteilen sich insgesamt 84 einzelne Szenen. Jeder Teppich war im Original sechs Meter hoch, fünf davon 24 Meter lang, was eine Gesamtfläche von ca. 700 m² Weberei ergibt. Die erhaltenen Reste sind heute noch zusammen 103 Meter lang und fünf Meter hoch. Für welchen Zweck oder welchen Raum diese Tapisserien gedacht waren, ist nicht verifizierbar. Vielleicht wurden sie auch nur bei großen Gelegenheiten innerhalb des Schlossbezirkes draußen unter freiem Himmel aufgehängt. Ganz allgemein hatten Wandteppiche im Mittelalter die Aufgabe, die Wohnungen oder die religiösen Gebäude vor Zugluft zu schützen und zu verschönern. Wie einige besondere Möbel wurden die Wandteppiche vom Eigentümer auf seinen Reisen mitgenommen. Als Geschenk spielten sie sogar in den diplomatischen Beziehungen zwischen den Prinzen eine Rolle. Aber die Teppiche von Angers unterscheiden sich schon durch ihre Größe von anderen Exemplaren und erfüllten vielleicht auch eine ganz andere Funktion.

Geschichte

Möglicherweise handelte es sich um eine prunkvolle Ausstattung für den „Ordre de la Croix“, den Kreuzorden, den Ludwig I. um das Jahr 1370 gegründet hatte. Die Tatsache, dass der Teppich eine Fahne mit dem Kreuz mit einem doppelten Balken enthält, Zeichen der Verehrung des Herzogs für die Reliquie des echten Kreuzes in Anjou, lässt dies vermuten.

Erst in der Barockzeit ging der Sinn für diese Kostbarkeit verloren. 1782 wurden sie zum Verkauf angeboten. Während der Französischen Revolution zerschnitt man sie und benutzte sie als Decken, Bettvorleger oder Abdeckplanen, um Orangenbäume im Winter vor der Kälte zu schützen. 1843 erwarb der Bischof von Angers einen großen Teil der Teppichfragmente von der Domänenversammlung zurück, andere fanden sich nach hartnäckigem Suchen. Trotzdem blieb etwa ein Drittel der Szenen für immer verloren. Die ursprünglich leuchtenden Farben sind noch auf der Rückseite zu sehen. Die Vorderseiten sind deutlich blasser geworden, daher auch die heutigen Maßnahmen gegen zu viel Licht. Das Gebäude, in dem sich der Teppichzyklus heute befindet, ist 1953-54 extra für diesen Zweck errichtet worden.

Fast vollständig erhalten blieb der erste Teppich, ebenso sind der vierte und fünfte in alter Größe vorhanden. Von den anderen blieben Einzelszenen und Fragmente übrig, die sich nicht mehr in allen Fällen einem bestimmten Teppich zuordnen lassen.

Themen des Zyklus

der Adler Unheil (4. Posaune)

Das Thema des ganzen Zyklus’ ist die Apokalypse des Johannes. Die Visionen des Johannes werden auf jedem Einzelteppich von Angers in zwei übereinander liegenden Reihen, jede sieben Bilder enthaltend, dargestellt, also pro Teppich 14 Szenen. Die einzelnen Bilder haben abwechselnd einen roten oder einen blauen Hintergrund, so dass eine Art Schachbrettmuster entsteht. Unter jedem Bild stand ein Text, eine abgekürzte Aussage aus der Apokalypse. Diese Textstreifen sind aber häufig verloren gegangen.

Der Fall der Hure Babylon

Der Hintergrund des ganzen Werkes ist natürlich die Verfolgungssituation der christlichen Gemeinden durch den römischen Staat. Mit dem Hinweis darauf, dass das Ende der Geschichte nahe bevorstehe, will Johannes die Kirche seiner Zeit und seine Umgebung aufrichten und trösten, denn er schreibt für eine Kirche, deren Los es ist, Märtyrerkirche zu werden. Wie die meisten Schriften des Neuen Testaments ist dieses Werk eine ausgesprochene Gelegenheitsschrift. Es lag nicht in der Absicht des Verfassers, späteren Generationen etwas zu sagen oder gar Weissagungen künftiger Epochen der Weltgeschichte zu geben . Trotzdem ist es in späteren Jahrhunderten häufig genau in dem Sinne gebraucht worden.

Je länger sich die Arbeit an den Teppichen hinzog, umso mehr bemühte man sich, die Qualität zu steigern. Die ersten Szenen haben allesamt einen einfarbigen Hintergrund. Später gruppierte man um die großen Figuren herum große Blumen und fügte Schmetterlinge hinzu. Zwischen den Figuren wucherte eine üppige Flora mit mehr oder weniger dichtem Blätter- und Blütenwerk.

Das neue Jerusalem


Einzelne Szenen

Das Tier aus dem Meer

Ausschnitte aus dem 2. und 3. Teppich / die Visionen des Sehers von Patmos:

  • Die Schar der Auserwählten im Himmel (2,07x1,60m)
  • Die vierte Posaune: der Adler Unheil
  • Das siebte Siegel: die sieben Engel mit den Posaunen (2,32x1,58m)
  • Die fünfte Posaune: die Heuschrecken
  • Der Engel mit dem Weihrauchfaß (2,62x1,55m)
  • Die sechste Posaune: die vier Engel des Euphratstromes
  • Messung des Tempels Gottes
  • 30. Die zwei Zeugen
  • Der Tod der zwei Zeugen
  • Die auf Erden wohnen freuen sich über ihre Leichname
  • Die Zeugen erwachen vom Tode
  • Die siebente Posaune: der Gesang der 24 Ältesten
  • 37. Michael streitet mit dem Drachen
  • Dem Weib werden Flügel gegeben
  • Der Drache verfolgt das Weib
  • Der Drache streitet einen Kampf mit den Dienern Gottes
  • Das Tier aus dem Meer
  • Die auf Erden wohnen huldigen dem Tier
Der dritte Reiter

4. Teppich:

  • Johannes sieht das Weib, mit der Sonne umkleidet, den Mond zu ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone mit 12 Sternen. Sie hat einen Sohn geboren, der zum Throne Gottes entrückt wird. Vor ihr ein siebenköpfiger, feuerroter Drache, der mit seinem Schwanz die Sterne vom Himmel fegt und der das Kind gleich nach der Geburt zu verschlingen sucht. Oben erscheint im himmlischen Tempel die Bundeslade in Form eines Altars mit einem Kelch.

Quellen und Literatur

  • Kindlers Literatur Lexikon, S. 6912
  • Giraud-Labalte, Claire: Der Wandteppich der Apokalypse. Rennes 1982 (Amtlicher Kunstführer des Museums)
  • Hansmann, Wilfried: Das Tal der Loire. Köln [1976] 13. Auflage 1989. (DuMont Kunst-Reiseführer), S. 259-270
  • Erlande-Brandenburg, Alaine: Gotische Kunst. Freiburg-Basel 1984
  • Regards sur la tapisserie. Association des conservateurs des antiquités et objets d'art de France; unter Leitung von Guy Massin-Le Goff und d'Étienne Vacquet. Edion Actes Sud, 2002.
  • L'Apocalypse d'Angers., Zeitschrift: Dossier de l'art, n°31, August 1996.

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